Hinweise des Tages

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

(KR/AM)
Heute zu diesen Themen:

  1. Neuer Streit um Schuldenbremse
  2. Der Maunz, ich und das Grundgesetz
  3. Kindesmisshandlungen in Irland. Und Deutschland?
  4. Vattenfall gewinnt Climate Greenwash Award – und weitere Lobby-Hinweise
  5. Everts akzeptiert Rüge
  6. Jugendschutz und politische Zensur
  7. Urban Priol über Horst Köhler: “Der tut nix, der will nur spielen”
  8. Reaktionen der neoklassisch orientierten US-Ökonomen auf die Krise

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

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  1. Neuer Streit um Schuldenbremse
    Die geplante Schuldenbremse zum Abbau der gigantischen Staatsverschuldung sorgt kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag für neuen Streit. Die SPD sprach sich am Montag in Berlin dafür aus, das vorgesehene Verschuldungsverbot für die 16 Bundesländer aufzuheben.
    Aus Union und FDP kam sofort Protest. Der Bundestag will am Freitag über die Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern abstimmen. Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz soll dafür sorgen, dass Bund und Länder von 2020 an grundsätzlich keine neuen Kredite mehr aufnehmen dürfen.
    Das SPD-Präsidium stellte sich nun jedoch hinter einen Vorschlag des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD), wonach Länder und Gemeinden künftig pro Jahr zumindest neue Schulden in Höhe von bis zu 0,15 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) machen dürfen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung KR: Man kann nur hoffen, dass dieser Unfug noch irgendwie zu Fall gebracht wird. Denn sollte es nach 2020 erneut zu einer schweren Krise kommen, wäre der Staat sonst qua Grundgesetz zu einer Brüning‘schen Sparpolitik gezwungen (die im Entwurf beschriebenen Ausnahmen sind sehr eng gefasst und sollen offensichtlich nur die Milliarden für die Zockerbanken legitimieren). Es wäre eine bleibende Schande für die heutigen Abgeordneten im Bundestag, würden sie tatsächlich solche Lehren aus der deutschen Geschichte ziehen.

  2. Der Maunz, ich und das Grundgesetz
    Wie der Autor des »herrschenden Kommentars« zur Verfassung bis heute die bundesdeutsche Rechtsprechung prägt. –
    Wegen seiner Tätigkeit als heftig bekennender Nazihochschullehrer in Freiburg hatte schon die französische Besatzungsmacht nach 1945 Einwände gegen Theodor Maunz erhoben. Trotzdem wurde er im August 1948 von der südbadischen Regierung zum Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee entsandt und dann 1952 auf einen Lehrstuhl nach München berufen. Von dort hoffte er, »auch stärker gegen die Verfemung einzelner Kollegen wirken« zu können. Das versprach er jedenfalls dem Staatsrechtler Carl Schmitt. Maunz hatte den Nazitheoretiker 1938 auf dem Kampfkongreß gegen »Das Judentum in der Rechtswissenschaft« schätzen gelernt, als es darum ging, »den deutschen Geist von allen jüdischen Fälschungen« zu befreien. Von Otto Köhler.
    Quelle: Junge Welt

    Persönliche Nachbemerkung AM: Ich musste meine Diplomprüfung in Öffentlichem Recht im Dezember 1963 bei Maunz ablegen; in der mündlichen Prüfung wurde er vertreten durch seinen Assistenten Roman Herzog, dem späteren Bundespräsidenten. Da war die rechtskonservative Welt noch voll in Ordnung. So wie heute wieder.

  3. Kindesmisshandlungen in Irland. Und Deutschland?
    In Deutschland tagt zur Zeit, auf zwei Jahre angesetzt, der „Runde Tisch“. Es geht um dasselbe Thema.
    Der Runde Tisch will „ergebnisoffen“ arbeiten. Dieses Ziel ist nicht länger haltbar. Der Runde Tisch muss davon ausgehen, dass es in Deutschland kaum anders aussehen dürfte als in Irland. Er muss also heute schon deutlich machen, an welche Entschädigungen er denkt, wenn die Daten, wie zu erwarten, erhärtet werden.
    Wenn der Runde Tisch nach dem von ihm nicht zu verantwortenden Startschwierigkeiten Glaubwürdigkeit gewinnen will, muss er nach den erschreckenden aber objektivierten Daten aus Irland vom worst case ausgehen, also, dass es ähnlich teuer werden wird, wie in Irland, das vielleicht auch noch auf größerer Zahlenbasis. Doch es hilft nichts, vergangenes Unrecht muss man anerkennen und dafür bezahlen, auch wenn man nur Rechtsnachfolger ist.
    Quelle: Humanistischer Pressedienst
  4. Vattenfall gewinnt Climate Greenwash Award – und weitere Lobby-Hinweise
    Der Climate Greenwash Award wurde am Samstag in Kopenhagen vom Corporate Europe Observatory (CEO), Attac Dänemark und weiteren dänischen Organisationen vergeben – nach einer Internet-Abstimmung, bei der Vattenfall knapp 40% aller Stimmen erhielt.
    Quelle: LobbyControl
  5. Everts akzeptiert Rüge
    Die frühere SPD-Landtagsabgeordnete Carmen Everts hat die gegen sie in einem Parteiordnungsverfahren ausgesprochene Rüge akzeptiert. Everts teilte gestern mit, dass sie auf eine Berufung gegen den Schiedsspruch verzichte, obwohl die Begründung «zum Teil sehr problematisch» sei. Für sie zähle am Ende das Ergebnis zur Freiheit des Abgeordnetenmandats. Im Interesse des Bundestagswahlkampfes wolle sie das für alle Seiten belastende Parteiordnungsverfahren damit ihrerseits beenden. Everts hatte am 3. November zusammen mit drei weiteren SPD-Abgeordneten angekündigt, Andrea Ypsilanti nicht zur Ministerpräsidentin zu wählen.
    Quelle: Frankfurter Neue Presse

    Anmerkung KR: Eine härtere Reaktion der Partei war nicht zu erwarten gewesen, weil sonst die Attraktivität der SPD Schaden genommen hätte – und zwar aus der Perspektive von Interessenverbänden und Lobbys, für deren Arbeit auch unkonventionelle Einwirkungsmöglichkeiten auf die SPD wertvoll sind.

  6. Jugendschutz und politische Zensur
    Internetanbieter, deren Geschäftsmodell Inhalte sind, die vom Gesetz als jugendgefährdend angesehen werden, haben in Deutschland ein Problem. Sie müssen Vorkehrungen treffen, dass zu beanstandende Inhalte nicht von den lieben Kleinen aufgerufen werden können. Eine dieser Vorkehrungen sind sogenannte Filterprogramme, die von den Eltern installiert werden und den Zugriff auf indizierte Seiten sperren. Was aber, wenn diese indizierten Seiten gar keine fragwürdigen Inhalte enthalten, sondern politische Inhalte, die vielleicht nicht jedermanns Geschmack sind?
    In der Schwarzen Liste des Filteranbieters JusProg e.V. finden sich massenhaft alternative Medien wie beispielsweise Telepolis oder die NachDenkSeiten, die offensichtlich nach Einschätzung der Hamburger Jugendschützer nicht für Jugendliche geeignet sind. Auch die Internetseiten der Grünen und der Piratenpartei sind nach Einschätzung von JusProg jugendgefährdend.
    Dies alles wäre lediglich eine weitere Internetposse unter vielen, wenn nicht ausgerechnet JusProg als einziges Filtersystem zu einem Modellversuch der staatlichen Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zugelassen wäre.
    Quelle: Telepolis
  7. Urban Priol über Horst Köhler: “Der tut nix, der will nur spielen”
    Bundespräsident Horst Köhler ist ein Lieblingsopfer des politischen Kabaretts: Für einen linkischen Winkonkel hält ihn Urban Priol.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung Martin Betzwieser: Nach diesem Vorspiel dürfen wir dem Dienstagabend entgegenfiebern, wenn Doktor Priol und Lothar Dombrowski den Bundespräsidenten zu seiner zweiten Amtszeit „gratulieren“ werden: Dienstag um 22:15 im ZDF. In der letzten Folge wurde ja bereits das mehrfach ramponierte und geflickte Horst-Köhler-Portrait endgültig von Lothar Dombrowski zertrümmert.

  8. Reaktionen der neoklassisch orientierten US-Ökonomen auf die Krise
    NachDenkSeiten-Leser S.P. schrieb uns: Ein lesenswerter Eintrag aus dem Blog des US-Ökonomen Steve Keen, in dem er auf die Reaktionen der neoklassisch orientierten US-Ökonomen auf die Krise eingeht. Das Grundmuster dieser Reaktionen hatte er schon in einem Artikel der Zeitschrift Real World Economics Review vorausgesagt:

    Despite the severity of the crisis in the real world, academic neoclassical economists will continue to teach from the same textbooks in 2009 and 2010 that they used in 2008 and earlier …
    They will interpret the crisis as due to poor regulation …
    They will seriously believe that the crisis calls not for the abolition of neoclassical economics, but for its teachings to be more widely known. The very thought that this financial crisis should require any change in what they do, let alone necessitate the rejection of neoclassical theory completely, will strike them as incredible.

    Und, in der Tat, die Vertreter des neoklassischen Modells tun genau das, was Keen vorausgesagt hat.
    Quelle: Blog Steve Keen

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