Clements Nachtritt
Clement ist aus der SPD ausgetreten. Gestern hatte die Bundesschiedskommission den Parteiausschluss auf Landesebene revidiert und es mit einer Rüge für sein parteischädigendes Verhalten bewenden lassen. Die gesamte SPD-Führungsriege hatte sich für seinen Verbleib stark gemacht. Der Parteivorsitzende Müntefering fühlte sich sogar bemüßigt auf das juristische Verfahren Einfluss zu nehmen, indem er persönlich vor den Parteijuristen auftrat. Jetzt wird er von Clement düpiert.
Noch einen Tag vor seinem Austritt hatte Clement noch kleinere Brötchen gebacken, indem er durch seinen Rechtsbeistand Otto Schily erklären ließ: „Ich werde aber bei der Wortwahl künftiger Äußerungen darauf achten, dass solche Missverständnisse nicht mehr entstehen“. Wolfgang Lieb
Clement hält eine Rüge, also die mildeste Sanktion, die nach der Parteiordnung für ein parteischädigendes Verhalten möglich ist, – laut Handelsblatt – „für unangemessen und falsch“.
Ja hat er denn etwa die Verleihung des goldenen Parteiabzeichens erwartet, dass er – wie es in der Begründung der Landesschiedskommission hieß – „in der heißen Phase des Wahlkampfs mit dem öffentlichen Angriff auf die Wählbarkeit der SPD-Spitzenkandidatin und der Partei die Grundlage des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Zustimmungsfähigkeit der Partei und ihrer Kandidatin in Frage gestellt und hierdurch Ansehen und Glaubwürdigkeit der Partei nachhaltig geschädigt“ hat.
Nachdem er gestern noch öffentlich die Entscheidung der Bundesschiedskommission akzeptierte, hat er es sich über Nacht anders überlegt und schiebt nun neue Gründe nach:
Clement fühlt sich durch die öffentliche Rüge in der „Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit drangsaliert“.
Quelle: Focus
Was für eine perfide Verdrehung der Tatsachen? Hat er in der Vergangenheit nicht nahezu wöchentlich die abstrusesten Meinungen vertreten, die absolut konträr zur Beschlusslage seiner Partei lagen? (Siehe dazu: Clement hat schon immer gegen die SPD gearbeitet, es hat nur keiner wahrhaben wollen) Seiner Rolle, als „Kronzeuge“, der laufend seiner eigenen Partei vor das Schienbein trat, verdankte er doch seine Medienpräsenz und damit letztlich seine gesamte politische Karriere.
Als ob es bei dieser Auseinandersetzung darum gegangen wäre, dass Clement für Kohle- und Atomenergie eintritt. Sein Antipode, der für das SPD-Energieprogramm in Hessen verantwortliche Hermann Scheer, sagte dazu im Deutschlandfunk ziemlich treffend: „Es gibt SPD-Politiker, die sind für Atomenergie, aber die rufen deswegen noch lange nicht vor einer Wahl… ganz gezielt unter Bezugnahme auf ihre Rolle als ehemaliger SPD-Repräsentant dazu auf, nicht SPD zu wählen.“
Wo hat eigentlich Clement sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Sachen Energiepolitik so lautstark wahrgenommen, als die SPD den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen und sogar im Koalitionsvertrag der Großen Koalition niedergeschrieben hat? Warum ist er danach ausgerechnet noch Energieminister geworden? Wo hat er von diesem Grundrecht in der Debatte um die Entstehung des von der hessischen SPD mit überwältigender Mehrheit beschlossenen Energieprogramms Gebrauch gemacht? Er wurde doch zur Wahrnehmung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit beliebig oft aufgefordert und hat bis heute ein Streitgespräch mit seinem energiepolitischen Kontrahenten Hermann Scheer abgelehnt. Er wusste wohl warum. Er hätte gegen Scheer, der für sein Engagement zur weltweiten Förderung alternativer Energien 1999 den „Alternativen Nobelpreis“ bekommen hat, ziemlich schlecht abgeschnitten und er wäre am Ende als das da gestanden, was er tatsächlich ist: Als Aufsichtsrat von RWE Power nicht mehr als ein Atom- und Kohlestrom-Lobbyist.
Clement erkennt wohl selbst, dass sein Pathos der Meinungsfreiheit nur noch lächerlich wirkt und schiebt deshalb in seiner Begründung für den Parteiaustritt als zweiten Grund nach, „dass die Parteiführung …keinen klaren Trennungsstrich zur PDS/Linken zieht“. Dieses Nachtreten ist also der Dank an den Parteivorsitzenden Franz Müntefering, dass dieser sich in der Schiedskommission für Clement stark gemacht hat. Hinter dieser Begründung Clements steckt wohl eine kalte Rache dafür, dass Müntefering und übrigens auch Schröder bei der Regierungsbildung der Großen Koalition ihn wie eine heiße Kartoffel fallen ließen.
Die Steinmeiers, die Steinbrücks, die Strucks und alle die Clement eine „Brücke“ nach der anderen bauen wollten, müssen sich geradezu als Deppen fühlen. Wie tief muss eine Partei in ihrer Selbstachtung gesunken sein, dass sie nicht endlich zur Person Clement und zu dessen politischen Aussagen klare Positionen bezieht.
Vollends abstrus ist der dritte Grund, den Clement für seinen Parteiaustritt nachschiebt, nämlich dass die SPD-Führung „eine Wirtschaftspolitik treiben lässt, die …auf eine De-Industrialisierung unseres Landes hinausläuft“.
Deutschland liegt mit seinem Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt von knapp 30 % nach den osteuropäischen Staaten in Europa mit am höchsten, jedenfalls weit vor den Vereinigten Staaten (21,6 %), Frankreich (22%), Großbritannien (24,2%) und weit vor dem Durchschnitt der entwickelten „Industriestaaten“ (Welt in Zahlen). Deutschland nimmt bei der Industrieproduktion im Jahre 2007 in absoluten Zahlen mit knapp 890 Milliarden Dollar hinter den USA, Japan und China den vierten Platz in der Welt ein. Noch im April dieses Jahres meldete das Statistische Bundesamt, dass die Industrie in den zurückliegenden 15 Jahren anteilsmäßig in ihrer Bedeutung eher zugelegt hat.
Wer – wie Clement – angesichts dieser Fakten von „De-Industrialisierung“ daher quatscht, hat sich noch nachträglich als Wirtschaftsminister disqualifiziert. Clements rückwärtsgewandtes wirtschaftliches Weltbild besteht offenbar nur noch aus Atom, Kohle und Chlorchemie.
Dabei wurde er als Superminister nicht müde den Ausbau des Dienstleistungssektors zu fordern. Dort finde Arbeitsplatzwachstum statt und nicht zuletzt setzte er sich deshalb für eine Ausweitung der Zeit- und Leiharbeit ein. Seine von ihm als Ministerpräsident des Landes NRW mit dreistelligen Millionenbeträgen staatlich geförderten Medienprojekte zur „Förderung des Strukturwandels“, sind heute noch als Investitionsruinen etwa in Oberhausen oder Köln zu besichtigen.
Die Begründung seines Austritts, dass die SPD eine „De-Industrialisierung“ betreibe, ist typisch für die Sprunghaftigkeit von Clement. Wäre er ein strategischer Kopf, dann hätte man meinen können, er habe dieses Parteiordnungsverfahren bis zur Neige ausgeschöpft hat, um damit eine maximale öffentliche Wirkung für seine Person und für seine politischen Ziele in der SPD zu erzielen. Aber wer das unterstellt, kennt Clement nicht. Er ist ein notorisch jähzorniger Mensch, der bei seinen häufigen Ausrastern völlig unkalkulierbar reagiert, und der zu jedem beliebigen Vorwurf greift, um diejenigen niederzumachen, die er als Gegner ausmacht. Das allerschlimmste dabei ist, dass er – wenn er die Macht dazu hat – solche irrationalen Ausbrüche auch noch bis zu ihrem bitteren Ende verfolgt. Er glaubt ja auch immer noch, dass die Arbeitsmarkt-„Reformen“, auf die ihn Schröder angesetzt hat, obwohl Hartz I bis III inzwischen sogar regierungsamtlich zurückgenommen wurden, eine Jahrhundertreform gewesen seien.
Clement ist ein jähzorniger Egomane, bei dem man gerade nach seiner heutigen Wutattacke noch nachträglich erschrickt, dass so jemand in höchsten Staatsämtern Verantwortung getragen hat.
Man kann seinen neuerlichen Wutausbruch nur noch damit erklären, dass er sich aus einer Depression befreien musste, in die er angesichts seines beruflichen Engagements nach seinem Rauswurf als Superminister verfallen musste. Da hat er sich als „Senior Advisor“ des Bankriesens Citigroup verdingt und muss nun miterleben, dass diese Bank mit 20 Milliarden Dollar direkter Kapitalspritze und einer Bürgschaft von über 300 Milliarden Doller vor dem Kollaps bewahrt werden muss.
Da ließ er sich zum „Chairman“ des adecco-Instituts beim Weltmarktführer für Personaldienstleistungen machen und propagierte dort „zeitgemäßes Personalmanagement“. Die Zeitarbeit werde sich hierzulande „dynamischer entwickeln als der Durchschnitt“ und Clement schwärmte von den „atmenden Unternehmen“ – und jetzt soll er rechtfertigen, dass die Unternehmen tausende von Zeitarbeitnehmer „ausatmen“.
Beim meisten, was er anpackt, steht Clement am Ende vor zerbrochenen Scherben. Deshalb wird es noch einsamer um ihn werden. Auch seine Protegés in der Wirtschaft und in den Medien werden bald nichts mehr mit ihm anfangen können, da er seine Rolle als Kronzeuge gegen die SPD nun selbst aufgegeben hat.
Ob er es noch als Spott empfindet, dass ihm die nordrhein-westfälische FDP den Parteieintritt anbietet?
p.s.: Geradezu lächerlich ist es, wenn Uwe Vorkötter in der FR den Austritt Clements als Resultat einer „nach links gerückten Partei“ betrachtet.