Der Freitag und Steinbrück am gleichen Strang – Das kostet den Freitag leider Glaubwürdigkeit
Im Aufmacher des Freitag (siehe unten) wie in einem Interview Steinbrücks mit dem Stern (siehe unten) wird gegen Konjunkturprogramme polemisiert – beides etwa gleich unbegründet und voller Vorurteile. „Mit Konjunkturprogrammen wird nur Geld verbrannt“, meint Steinbrück. Das ist der Satz eines Menschen, der volkswirtschaftliche Zusammenhänge immer noch aus der Sicht eines Einzelnen betrachtet. Steinbrück hat noch nicht einmal wahrgenommen, dass seine besseren Steuereinnahmen des Jahres 2006 und 2007 ganz wesentlich mit der Verbesserung der Konjunktur zusammenhängen. Er hat noch nicht einmal in sich aufgenommen, dass der Sparkurs seines Vorgängers Eichel zwischen 2001 und 2003 „Geld verbrannt hat“, weil nämlich die Konjunktur und damit auch die Steuereinnahmen einbrachen. Steinbrück ist ein hoffnungsloser Fall. Ganz ähnlich Robert Kurz in der Titelgeschichte des Freitag. Wenn man diesem Aufmacher folgen will, dann muss man einem Klischee nach dem anderen Glauben schenken. Albrecht Müller.
Ich nenne einige und frage beziehungsweise kommentiere in Klammern:
- „Absturz der globalen Defizitkonjunktur“ (was ist das denn?),
- „Wiederkehr der Stagflation der siebziger Jahre“ (wieso war das eine Stagflation? Am Anfang sehr gutes Wachstum, dann 1973/1974 eine Ölpreisexplosion. Und dann nach Einsatz eines Konjunkturprogramms 1976 folgende vier jahrelang ein durchschnittliches Wachstum von 3,8%. Der Ablauf der gesamten Jahre von 1965 bis 2005 ist ausführlich dargestellt in „Machtwahn“ Seite 83 ff.)
- „Alle Konjunkturprogramme sind national beschränkt. Es gibt aber gar keine nationale Konjunktur mehr. … Bestandteil einer integrierten Weltkonjunktur“ (Hier fehlt jeglicher Beleg. Der Autor müsste sich mit der wirtschaftlichen Erholung ab 1992 in Großbritannien, die keynsianisch gemacht war wie auch mit den anderen (als bei uns) Wachstumsraten der neunziger Jahre in den USA oder in Schweden auseinander setzen. Das tut er nicht. – Wir hätten in Deutschland angesichts der hohen Leistungsbilanzüberschüssen und der schlechten Lohnentwicklung einen sehr großen Spielraum für eigene konjunkturbelebende Maßnahmen.)
- Dann behauptet der Autor, es gebe ein „Dilemma der Geldpolitik als Dilemma der Konjunkturpolitik“. Die Notenbanken müssten den Leitzins erhöhen, um die Inflation zu bannen, andererseits müssten sie den Leitzins senken, um die absaufende Konjunktur zu stabilisieren. Und staatliche Spritzen würden dieses Dilemma verschärfen. (Damit betet Robert Kurz nach, was die Zentralbanken bei uns vorbeten, jedenfalls verinnerlicht haben. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Die leichte Geldpolitik der britischen Zentralbank anfangs der neunziger wie auch der USA sind auf jeden Fall an diesem angeblichen Dilemma nicht gescheitert. Es gab dort keine Stagnation, im Gegenteil: die expansive Geldpolitik hat geholfen, die Rezession zu überwinden und gleichzeitig sogar noch mehr Geld für den Fiskus einzunehmen. Aber dass dies möglich ist, realisieren weder Steinbrück noch Kurz.)
Und so weiter. Lesen Sie selbst. Es ist bis zum Ende eine Zumutung. Anti-Aufklärung.
Warum setzt der Freitag einen solchen Artikel auf die erste Seite, quasi als Leitartikel? Soll das die neue Linie des Freitag sein? Dann würde man es einfach gerne wissen.
Robert Kurz
Am Krankenbett
KONJUNKTUR
Dr. Keynes wird den bankrotten Neoliberalismus nicht heilen
Je deutlicher sich der Absturz der globalen Defizitkonjunktur abzeichnet, desto lauter werden die Rufe nach einem staatlichen Konjunkturprogramm – vom Wirtschaftsweisen Bofinger über Wirtschaftsminister Glos und die Gewerkschaften bis ins linke politische Spektrum. Ausgerechnet angesichts einer Wiederkehr der Stagflation der siebziger Jahre werden Varianten der keynesianischen Rezepte exhumiert, die damals gerade gescheitert waren und die kapitalistischen Eliten eine Flucht nach vorn in die “neoliberale Revolution” antreten ließen. Jetzt kehren dieselben Probleme auf dem höherem Niveau der Globalisierung zurück. Es ist mehr als zweifelhaft, dass der offensichtliche Bankrott der neoliberalen Doktrin durch eine Auferstehung des Keynesianismus bewältigt werden kann.
Alle Konjunkturprogramme sind nationalstaatlich beschränkt. Es gibt aber gar keine nationale Konjunktur mehr. (…)
Peer Steinbrück
Konjunkturprogramme? Nix gibt’s!
Die Konjunktur schwächelt, die Bürger knapsen mit dem Geld – aber Finanzminister Peer Steinbrück will nicht gegensteuern. “Mit Konjunkturprogrammen wird nur Geld verbrannt”, sagte er im Interview mit dem stern. Eine Reihe von Ökonomen – und die US-Regierung – sehen das anders.
stern.de – 28.8.2008
Wenn er an die Politik von Finanzminister Peer Steinbrück denkt, gerät Gustav Horn in Wallung. “Das Gesundbeten hilft uns allen nicht weiter. Wenn die Politik jetzt nicht handelt, könnte es bald zu spät sein”, sagt der Direktor des gewerkschaftsnahen Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zu stern.de. “Alle Anzeichen deuten auf eine Rezession hin. Da bringt es nichts, die Augen vor der Realität zu verschließen.”
Die Realität sieht so aus: Erstmalig seit 2004 ist das Bruttoinlandsprodukt wieder geschrumpft – um 0,5 Prozent im Zeitraum von April bis Juni. Gleichzeitig steigen die Verbraucherpreise, was an der Kaufkraft zehrt. Die Wirtschaft schwächelt, aber Steinbrück will davon nichts wissen. “Ich widerspreche allen, die schnellzüngig eine Rezession herbeireden. Wir sind in keiner Rezession”, sagte der Finanzminister im Interview mit dem stern. Von staatlichen Investitionsprogrammen hält der Sozialdemokrat ohnehin nichts. “Mit kurzatmigen Konjunkturprogrammen wird nur Geld verbrannt.”