Anmerkungen zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium
Nach Jahren umwälzender Hochschulreformen hin zur „unternehmerischen“ Hochschule, nach einer weitgehend vollzogenen grundsätzlichen Umstrukturierung des Studiums in konsekutive Bachelor- und Masterstudiengänge im Rahmen des sog. Bologna-Prozesses, nach einer mit hohem propagandistischen Aufwand durchgeführten „Exzellenz-Initiative“ nimmt sich endlich ein wissenschaftspolitisch bedeutsames Gremium der neben der Forschung zentralen Aufgabe der Hochschulen an: der Lehre und dem Studium. Das ist für sich genommen schon ein Gewinn.
Aus vielen Feststellungen ergibt sich ein ziemlich kritisches Urteil über die zurückliegenden Reformen. Vielen Forderungen und Empfehlungen kann man nur zustimmen, sie sind allerdings altbekannt. Neues, wie die Einführung von Lehrprofessoren, ist kritisch zu bewerten. Der WR hat einen ganzen Bauchladen an unverbindlichen Vorschlägen vorgestellt, woraus sich jeder bedienen kann, ohne dass sich viel ändern dürfte. Eine Konzentration auf das Wesentliche wäre wirkungsvoller gewesen.
Nun ist der Wissenschaftsrat (WR) alles andere als eine Speerspitze des Fortschritts. Er setzt sich aus Mitgliedern zusammen, die von den etablierten Forschungseinrichtungen vorgeschlagen werden, also der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) dem größten öffentlichen Forschungsförderer, den außeruniversitären Forschungsorganisationen, wie der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), der Fraunhofer Gesellschaft (FhG), der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zusammen. Bis auf die Rektoren, allesamt Einrichtungen, die nun nicht gerade viel mit der Lehre an den Hochschulen zu tun haben und alles Organisationen bei denen das Old-Boys-Network einen zentralen Stellenwert hat.
Zum Wissenschaftsrat gehören ferner vom Bundespräsidenten berufene „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“, darunter überwiegend Vertreter forschungsintensiver Unternehmen, wie etwa Andreas Barner von der Boehringer-Ingelheim GmbH, Catrin Bludszuweit-Philipp, Geschäftsführerin der ASD Advanced Simulation & Design GmbH, Peter Draheim von der Philips GmbH, Nicola Leibinger-Kammüller von der Trumpf GmbH oder Corinna Nienstedt von der Handelskammer Hamburg. Dazu gehören noch die ZEIT-Journalistin Nina Grunenberg und als gewerkschaftliches „Gegengewicht“ Nikolaus Siman von der Hans-Böckler-Stiftung.
Dazu entsendet die Bundesregierung 11 hochrangige Beamte aus forschungsnahen Ressorts in den WR und „geborene“ Mitglieder sind die 16 Wissenschaftsminister der Länder.
Schon aus dieser Zusammensetzung lässt sich erkennen, dass im WR eher die etablierten Vertreter der Wissenschaft vertreten sind. Und die politische „Bank“ sorgt im Regelfall dafür, dass die Politik von den Beschlüssen und Empfehlungen des WR gewiss nicht überfordert wird.
So nimmt es auch nicht weiter Wunder, dass die Ratschläge und Empfehlungen des WR in aller Regel dem wissenschaftspolitischen Mainstream folgen. So auch bei jüngsten Empfehlung zu Studium und Lehre. Da werden natürlich die Mantras des herrschenden Reformsprechs rezitiert:
Dass „Autonomie und Wettbewerb zwischen den Hochschulen (…) Prozesse der Qualitätsverbesserung“ antreiben. Es wird ein „stärker differenziertes Hochschulwesen“ gefordert (genauer sollte man von einem hierarchisierten Hochschulwesen sprechen). Die Studienreform im Zuge des Bologna-Prozessen (also die Einführung von konsekutiven Bachelor- und Masterstudiengängen) werden nachdrücklich befürwortet und natürlich die heilsame Wirkung von „Studienbeiträgen“ betont.
Die Empfehlungen des WR zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium sind dementsprechend wesentlich vom Bemühen bestimmt, nicht als eine allzu massive Kritik an den zurückliegenden Hochschulreformen verstanden zu werden.
Dennoch ergibt sich aus vielen Feststellungen ein ziemlich vernichtendes Urteil über die Versprechungen der Hochschulreformer. Es scheint jedenfalls nicht sehr weit her zu sein, mit der „nachfrageorientierten Qualitätsverbesserung“ der Lehre durch die Einführung von Studiengebühren, wenn sich jetzt der Wissenschaftsrat um die Qualität von Studium und Lehre sorgt.
Nachdem im Zuge des Bologna-Prozesses die Studiengänge vielfach maßlos überfrachtet, Studieninhalte und Studienqualität allenfalls noch am „work-load“ gemessen wurden, nachdem statt auf die Strukturierung der Studieninhalte auf austauschbare Module gesetzt wurde und die Profilbildung nur allzu oft das Nachdenken über Lernziele ersetzte, ist es höchst erfreulich, dass der WR betont:
- „Im Zentrum aller Bemühungen sollte die Sicherung der Studierbarkeit stehen“,
- dass die Studierbarkeit eines Studiengangs auch mit Blick auf die unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen der Studierenden zu prüfen sei,
- dass hochschulische Bildung und Ausbildung immer auf der Grundlage von Wissenschaftlichkeit erfolgen müsse. Dass die Prinzipien der Wissenschaftlichkeit (fragende, kritische Haltung, Problem- und Methodenbewusstsein, Strukturierungsfähigkeit, Selbständigkeit) und des forschungsorientierten Lernens unverzichtbar seien,
- dass Studierende in die Gestaltung und Evaluation des Lehrangebotes einbezogen werden sollen und ihre Vorschläge zur Verbesserung des Studiums abgefragt und berücksichtigt werden sollten,
- dass die Absolventen nicht nur „berufsbefähigt“ sondern durch ein Studium in die Lage versetzt werden sollen, die kulturelle, soziale, technologische und wirtschaftliche Weiterentwicklung der Gesellschaft verantwortungsvoll voranzubringen,
- dass die Einübung wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens ein unverzichtbares Prinzip jeglichen Studierens bilde und als konstitutives Qualitätsmoment auch eines berufsorientierten Studiums zu betrachten sei und dass daher die Qualität der Lehre immer auch vor dem Hintergrund der zu vermittelnden Wissensinhalte betrachtet werden müsse, kurz: dass das Prinzip der Wissenschaftlichkeit ein Hochschulstudium von anderen Ausbildungs- und Bildungswegen unterscheide,
- oder dass für die Hochschule als Institution der auf Wilhelm von Humboldt zurückgehende Leitgedanke der Einheit von Forschung und Lehre nach wie vor von entscheidender Bedeutung sei.
Solche Sätze hat man aus den „Wortgeneratoren“ der eher auf den ordoliberalen Ökonomen Friedrich August von Hayek zurückgehenden „Reformer“ in den letzten Jahren nicht mehr gehört. Dort ging es nur noch um Wettbewerb, Effizienz, Flexibilisierung, Modularisierung, Profilbildung, Studienportifolio, Internationalisierung oder um andere Begriffe des betriebswirtschaftlichen Jargons. Es ist schon bemerkenswert, dass einer der meist gebrauchten Worte des Reformsprechs, die „Internationalisierung“ in den Empfehlungen nicht ein einziges Mal auftaucht.
So erfreulich die Rückbesinnung auf die Begrifflichkeiten von Bildung und Studium auch ist, der WR bietet mit seinen Analysen über die mangelnde Qualität der Lehre an unseren Hochschulen, kaum etwas, was nicht schon vor 10 oder 20 Jahren erkannt war:
- Man müsse eine veränderte „Lehrkultur“ schaffen, die sich durch einen erhöhten Stellenwert von Studium und Lehre, durch die Wertschätzung für ein Engagement in diesem Bereich und durch ein permanentes Streben nach Verbesserungen auszeichne.
- Man benötige ein erweitertes Verständnis disziplinärer Kernaufgaben und wissenschaftlicher Kompetenzen, in dem die Lehre die ihr zukommende Bedeutung erhalte.
- Um die Situation zu verbessern, fehle es nach wie vor an wesentlichen Grundvoraussetzungen für eine systematische Weiterentwicklung der Qualität von Lehre und Studium.
- Man müsse eine die Leistungen in der Lehre anerkennende und auszeichnende „Lehrkultur“ etablieren, in der Lehrleistungen in gleichem Maße wie Forschungsleistungen zur Reputation beitragen können.
- Es sei nötig ein internationalen Standards entsprechendes Qualitätsmanagement aufzubauen.
- Die Lehrkompetenz müsse professionalisiert werden.
- Der WR sieht einen dringenden Handlungsbedarf, zur Qualitätssteigerung das bisherige Kapazitätsrecht auch für die bisher im zentralen Zuteilungsverfahren verbleibenden Studiengänge durch ein reformiertes System abzulösen.
Auch zur Verbesserung des Studiums liefert der WR kaum etwas Neues:
Er beklagt unter anderem,
- dass in vielen Fällen die Studienorganisation bislang nicht im erforderlichen Umfang die Interaktion und den Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden fördere und dass vielfach ein anonymer Lehrbetrieb herrsche.
- Dass in allen Fachbereichen erhebliche Qualitätsdefizite wahrgenommen würden.
- Vielfach rückten die Lehr- und Studienangebote das forschende Lernen nicht in dem erforderlichen Maße in den Mittelpunkt. Beratung und Betreuung seien oft nicht ausreichend.
- Die mit der Einführung der gestuften Studiengänge gestiegene Präsenzanforderung erschwerten die Bemühungen der Studierenden, Studium und Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen. (Die Erwerbstätigenquote unter den Studierenden liegt je nach Fächern unterschiedlich zwischen 50 bei den Ingenieuren, 65 % bei den Wirtschaftswissenschaften, 68 % bei Kultur- und Sprachwissenschaften und gar 71 % bei den Sozialwissenschaften.)
- Auch an den Hochschulen setze sich die soziale Selektivität des deutschen Bildungssystems fort, die bereits in der Schule beobachtet werde. Wegen dieser sozial unausgewogenen Bildungsbeteiligung stammten 56 % der deutschen Studienanfänger im Studienjahr 2005/06 aus nicht-akademischen Herkunftsfamilien. Ihr Anteil an der gesamten Altersgruppe der 19- bis 24-jährigen betrage jedoch 82 %. Akademikerkinder seien hingegen an den Hochschulen stark überrepräsentiert: Während von 100 Kindern aus Akademiker-Familien 83 ein Studium aufnehmen, seien es aus Nicht-Akademiker-Familien nur 23.
- Im Hochschulsystem insgesamt, insbesondere an Universitäten, sei die Anerkennung für ein Engagement in der Lehre systematisch niedriger als für ein Engagement in der Forschung. Es gebe sowohl für die Wissenschaftler wie auch für die Institutionen mit Blick auf die Reputationszuweisung oder Drittmittel deutlich mehr Anreize, sich in der Forschung zu engagieren, außerdem gebe es eine starke Asymmetrie der in Forschung oder Lehre möglichen Reputationsgewinne.
- Der Professionalisierungsgrad der Lehre sei deutlich geringer als der der Forschung.
- Für eine Hochschulkarriere seien nachweisbare Lehrleistungen und Lehrkompetenzen von untergeordneter Bedeutung. In Berufungsverfahren von Universitäten werde, anders als an den Fachhochschulen, die didaktische Eignung und Befähigung der Kandidaten bislang in der Regel nur unzureichend geprüft.
- Erfolgreiche Forschung verhelfe zu neuen Geldern, Mitarbeitern und besserer Ausstattung, großes Engagement in der Lehre hingegen führe häufig zu einer höheren Arbeitslast durch mehr Studierende und viele Prüfungen. Ein engagierter Einsatz in der Lehre werde selten in Form von Ausstattung, Mittelzuweisung, Gehaltszuschlag oder auch Anerkennung spürbar honoriert. Selbst eine offensichtliche Vernachlässigung der Lehre und der Studentenbetreuung werde allenfalls in Ausnahmefällen sanktioniert. Überdies würden so gut wie keine (materiellen oder immateriellen) zusätzlichen Leistungsanreize zugunsten der Lehrqualität gesetzt.
- Hochschullehrer aller Hochschularten seien als Lehrende weitgehend Autodidakten. Das Lehren lernten sie vielfach nur informell in der Durchführung von Lehrveranstaltungen. Sie lehrten auf Erfahrungsbasis und ohne geregeltes professionelles Feedback.
- Die Betreuungsrelationen hätten sich verschlechtert: „Das Verhältnis von Studierenden zu hauptberuflichen Professoren betrug im WS 2005/06 an den Universitäten und gleichgestellten Hochschulen 60,4 zu 1, an den allgemeinen Fachhochschulen kamen dagegen 38,5 Studierende auf einen Professor.“ Kamen 1972/73 an den Universitäten unter 40 und an den Fachhochschulen weit unter 20 Studierende auf einen hauptberuflichen Professor, so waren es 2005/2006 über 60 bzw. knapp 40 Studierende (Das Verhältnis von sämtlichen Studierenden zu hauptberuflichen Professoren in den Sprach- und Kulturwissenschaften beträgt ca. 76 zu 1, in den Rechts-, Wirtschafts-, und Sozialwissenschaften ca. 104 zu 1, in den Mathematik- und Naturwissenschaften ca. 45 zu 1, in der Humanmedizin ca. 30 zu 1, in der Veterinärmedizin ca. 34 zu 1, in den Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften ca. 43 zu 1 und in den Ingenieurwissenschaften ca. 54 zu 1)
- Betrachte man den Anteil der Ausgaben, der abzüglich der Ausgaben für Forschung unmittelbar für die Lehre zur Verfügung stehe, zeige sich, dass Deutschland für eigentliche Bildungsdienstleistungen pro Studierenden jährlich deutlich weniger Mittel aufwende als alle relevanten Vergleichsländer. Die Schweiz wende mehr als die doppelte Summe auf, das Vereinigte Königreich über ein Drittel mehr.
Der WR fordert unter anderem:
- Die Etablierung bzw. der weitere Ausbau eines umfassenden Systems der fachlichen und persönlichen Beratung und Betreuung.
- Einen Teil der Studieneingangsphase als Orientierungsphase auszulegen und das Studium in den ersten Semestern so zu gestalten, dass Studierende ihre Fächerwahl sowie ihre Studieneignung erproben und sich ggf. neu orientieren können.
- Um Studienabbrüche oder Studienzeitverlängerungen zu vermeiden, sollten insbesondere die Übergänge von Schule zu Hochschule sowie zwischen den einzelnen Studienstufen mit Beratungsangeboten versehen sein.
- Eine auf Kompetenzgewinn ausgerichtete Lehre müsse nicht nur motivationale und soziale Aspekte des Lernens berücksichtigen, sondern verlange insgesamt eine intensivere Betreuung und Beratung der Studierenden.
- Eine fachwissenschaftliche Auseinandersetzung über Lernziele und Lehrmethoden, ihre Reflexion und Innovation sowie in den Fächern vereinbarte Bewertungsstandards.
- Im Zentrum aller Bemühungen sollte die Sicherung der Studierbarkeit stehen.
Nahezu alle dieser Klagen und fast alle dieser Forderungen hätten sich so oder so ähnlich in meinen Reden finden lassen, die ich schon vor einem Dutzend Jahren als Wissenschaftsstaatssekretär gehalten habe.
Neu, aber leider kritisch zu betrachten, ist die Forderung nach einer stärkeren Differenzierung der Personalstruktur an den Hochschulen. Nicht jede Hochschullehre sei in gleicher Weise durch Forschung definiert. Der WR plädiert dafür, verstärkt zusätzliches Personal mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in der Lehre einzustellen, und zwar auch auf Professuren. Solche Stelleninhaber sollen etwa 2/3 ihrer Zeit (max. 12 SWS) für Tätigkeiten in Studium und Lehre aufwenden, 1/3 der Zeit soll für Forschungsarbeiten zur Verfügung stehen. Maximal 20% aller Universitätsprofessuren sollten langfristig einen solchen Schwerpunkt aufweisen.
Die Juniorprofessur mit Schwerpunkt Lehre könne ein attraktives Angebot für hoch qualifizierte Nachwuchskräfte sein. Ergänzend könnten die Universitäten Personal mit Schwerpunkt Lehre auch unterhalb der Professur dauerhaft beschäftigen. Die Personalkategorie des „wissenschaftlichen Mitarbeiters“ schaffe hier die notwendigen rechtlichen Spielräume. Der Wissenschaftsrat regt an, die Hälfte der zusätzlich erforderlichen Professuren als Professuren mit dem Schwerpunkt Lehre zu vergeben mit 12 Semesterwochenstunden Lehrdeputatsverpflichtung.
Dieser Vorschlag zur Differenzierung der Personalstruktur, dürfte die ohnehin schon vorhandene rechtliche und soziale Hierarchisierung an den Universitäten noch verstärken. Es würde künftig Hochschullehrer erster, zweiter und dritter Klasse geben. Damit würde aber die Lehre auch noch durch den Gehaltszettel abgewertet. Wer wie ich an einer ehemaligen Gesamthochschule gearbeitet hat und miterleben musste, welche Prestigekämpfe dort zwischen den (formal gleichberechtigten aber) mit ihren Lehrdeputaten unterschiedlich belasteten Hochschullehrern ausgetragen wurden, kann vor einer solchen Differenzierung nur warnen. Das Problem finge damit an, dass die „Lehrprofessoren“ in die Bachelor-Studiengänge gedrängt würden und sich die „Forschungsprofessoren“ die Lehrangebote die „wissenschaftlichen und forschungsbezogenen“ Masterangebote herauspickten. Es gäbe Streit um die Kreditpunkte für die jeweiligen Lehrangebote bis hin zur Anerkennung der Prüfungsleistungen – wie wir das heute zwischen Fachhochschulen und Universitäten permanent erleben. Die ohnehin nicht ausgeprägte Kollegialität unter den Hochschullehrern und die schon derzeit schädliche Hierarchisierung zwischen den unterschiedlichen Besoldungsgruppen würde sich weiter verschärfen – zu Lasten der Lehre.
Der WR beklagt selbst dass die hohe Präsenz in den Bachelor-Studiengängen mit der (offenbar notwendigen) hohen Erwerbstätigkeit der Studierenden nicht in Einklang zu bringen ist. „Faktisch studieren allerdings viele Studierende in Teilzeit. Soweit dies erforderlich ist, um den Lebensunterhalt zu sichern, weist es auf Mängel im System einer sozialverträglichen Studienfinanzierung hin.“ Dennoch befürwortet der WR die Studiengebühren. Die gleichzeitige Forderung, dass Studierende durch die auf sie entfallende finanzielle Belastung nicht vom Studium abgehalten werden dürften und ein zügig durchgeführtes Studium möglich bleiben müsse, bleibt deshalb genauso leeres Gerede, wie der Satz, dass die Erhebung von „Studienbeiträgen und Studienfinanzierung insgesamt…von einem entsprechend wirksamen und bedarfsorientierten Fördersystem flankiert werden“ müsste. Bei 2 % (absolut 16.590) der Studierenden, die ihr Studium „unter anderem“ durch Stipendien finanzieren können, eine geradezu lachhafte Aussage.
Bis in die Zeitungsschlagzeilen hat es die Forderung geschafft, dass es der WR speziell zur Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium für erforderlich hält, dass dem Hochschulsystem kontinuierlich und verlässlich jährlich insgesamt 1,104 Mrd. Euro p. a. zusätzlich zur Verfügung gestellt wird. Allein um das Betreuungsverhältnis einigermaßen an internationales Niveau heranzubringen, seien mindestens 357,1 Mio. Euro p. a. nötig. Das hört sich gewaltig an: Verteilt auf 391 staatlichen bzw. staatlich anerkannten Hochschulen, wären das pro Hochschule aber gerade einmal etwas über 900.000 Euro für zusätzliche Hochschullehrer.
Aber es wäre immerhin etwas. Wenn man jedoch diese Zahlen einmal damit vergleicht, dass allein in diesem Jahr die Unternehmenssteuern um über 5 Milliarden gesenkt werden, dann zeigt sich in nackten Zahlen, wie es um die „Bildungsrepublik“ Deutschland steht.
Die Empfehlungen des WR zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium sind gemessen an dem Reformjargon und an der Reformpraxis der letzten Jahre ein erfreuliches Dokument. Es ist allerdings zu befürchten, dass diese Empfehlungen, wie viele andere des WR, zwar in vielen Sonntagsreden salbungsvoll zitiert werden, dass aber nur wenig daraus folgt. Das liegt auch an den Empfehlungen selbst. Sie enthalten einen vielfältigen Bauchladen an Ratschlägen und völlig unterschiedlich bedeutsamen Vorschlägen. Jeder Rektor, jeder Wissenschaftsminister kann sich daraus etwas herauspicken und sich rühmen dem WR gefolgt zu sein. Es fehlt ein zusammenhängendes Konzept und es fehlt vor allem eine auf die einzelnen Verantwortlichen bezogene Verbindlichkeit.
Weniger, wäre auch in diesem Falle mehr gewesen. Hätte sich der WR auf einen Katalog von wenigen Kernpunkten verständigt und klare Verantwortlichkeiten zugewiesen und womöglich einen verbindlichen Zeitplan vorgegeben, so wäre der Verbesserung der Qualität der Lehrer ein größerer Dienst erwiesen worden.
Quelle: Wissenschaftsrat [PDF – 396 KB]