Hinweise des Tages

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  1. Langzeitstudie: Arbeitslose sind die neuen Ausländer
    Eine in Berlin vorgestellte Studie zeigt: Die Deutschen sind 2007 weniger fremden- und frauenfeindlich als zuvor, die Beurteilung von Homosexuellen hat sich ebenfalls positiv verändert. Die Verlierer: Arme, Obdachlose und alle anderen, die nicht als “nützlich” wahrgenommen werden.

    Bewertung nach Nützlichkeit und Effizienz ist nach Ansicht von Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld die Hauptgefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Dabei geht es um Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und um alle Formen der Ablehnung gegenüber irgendwie “andersartigen” Bevölkerungsgruppen. In Berlin stellten nun der Bundesbeauftragte für die neuen Länder, Wolfgang Tiefensee, und Heitmeyer den sechsten Teil der Langzeitstudie “Deutsche Zustände“ vor.

    Das Ergebnis zeigt: Die Stimmung in der Gesellschaft ist ebenso wie in den Jahren zuvor von Angst und Unsicherheit geprägt. Angst und Unsicherheit wiederum führten zu negativen Folgen für schwache Bevölkerungsgruppen, die zunehmend Feindseligkeit, Abwertung und Diskriminierung ausgesetzt seien. Trotzdem gibt es Grund zur Hoffnung.
    Quelle: Die Zeit

    Nochmals:
    Heitmeyer: Es gibt zwar weniger Angst vor prekären Verhältnissen und deswegen einen Rückgang von Fremdenfeindlichkeit. Aber gleichzeitig hat sich die Qualität des Arbeitslebens verändert, der Druck auf den Einzelnen hat sich erhöht. Das sieht man an der wachsenden Zahl von Menschen, die zusätzlich zu ihrem Einkommen noch Hartz IV beantragen. Deswegen steigt die Wahrnehmung eines Flexibilitätszwanges. Auch die sozialen Beziehungen werden unter den Gesichtspunkten von Nützlichkeit und Effizienz gesehen. Das ist ein Indiz für eine verstärkte Ökonomisierung des Sozialen. Der Übergang von der Marktwirtschaft zur Marktgesellschaft ist in vollem Gange. Die Kalküle, die für den Wirtschaftsbereich völlig angemessen sind, dringen jetzt aber verstärkt in das Zusammenleben ein.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung: Spätestens seit der Hartz-Gesetzgebung habe wir auf den NachDenkSeiten dargelegt, dass die Logik der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre auf der Logik basiert, man müsse nur gehörig Druck auf die Arbeitnehmer und vor allem auf Arbeitslose ausüben („fordern“), dann erledige sich das Problem der Arbeitslosigkeit von selbst. Arbeitslosigkeit ist danach nicht ein Problem des Angebots an Arbeitsplätzen, sondern die Nachfrager wählten lieber Freizeit, statt für jeden Lohn und jeder Bedingung zu arbeiten. Kurz: Arbeitslose sind zu faul, der ehemalige „Sozialminister“ Clement bezeichnete viele Hartz-IV-Bezieher sogar schlicht als „Schmarotzer“. Muss man sich nach dieser jahrelangen Kampagne wundern, dass gerade verunsicherte Arbeitnehmer Opfer suchen, an denen sie ihr Selbstwertgefühl aufrichten und ihre Aggressionen ablassen können.

    Siehe dazu:

    “Diskriminieren, um sich abzugrenzen”
    Marion Drögsler leitet den Arbeitslosenverband Deutschland e.V.. Die ausgebildete Sozialarbeiterin stellt seit den Hartz-IV-Reformen eine zunehmende Stigmatisierung von Arbeitslosen fest und macht dafür auch populistische Äußerungen von Politikern verantwortlich.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Dazu auch:

    Leute, auf die es nicht ankommt
    Die Menschen der Unterschicht dagegen haben ihre politische Vertretung verloren. In den westlichen Ländern gibt es keine Unterklassen mehr, wenn darunter ein kollektives Subjekt mit historischem Selbst- und Selbstbildungsbewusstsein verstanden werden soll, vergleichbar etwa der Arbeiterklasse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Klassenbewusstsein ist heute eine Sache der Oberschicht, die sich im Inneren nach Familienzugehörigkeiten strukturiert und nach außen als offene Leistungselite rechtfertigt, die sie gerade nicht ist, weder was die Offenheit noch was die Leistung angeht.
    Quelle: Le Monde diplomatique

  2. Attac: Vertrag von Lissabon macht Bürgerinnen und Bürger mundtot
    Am 13. Dezember, haben die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union den Vertrag von Lissabon unterzeichnet, der – wenn er von allen Mitgliedsländern ratifiziert wird – für lange Jahre den europäischen Bürgerinnen und Bürgern einen unkontrollierbaren Wirtschaftsliberalismus aufgedrückt, ohne dass sie nach ihrer Meinung gefragt worden sind. Dieser Vertrag ist zu verurteilen wegen seines Zustandekommens, seines Inhalts und des geplanten Vorgehens bei der Ratifikation.
    Quelle: attac

    Siehe dazu auch:

    Die EU-Eliten ignorieren das Volk
    Der in Lissabon feierlich verabschiedete EU-Reformvertrag ist nach Ansicht vieler europäischer Wissenschaftler unsozial, demokratiefeindlich und aggressiv.
    Quelle: FR

  3. Mindestlohnlügen
    Ein gesetzlicher Mindestlohn, so die sinnige Erkenntnis des Wirtschaftsprofessors (Sinn) im Boulevardblatt, würde 470.000 Stellen in Ostdeutschland und 1,42 Mio. Stellen in Westdeutschland kosten.
    Das erscheint in jenem Springer-Verlag, der es als Miteigentümer der PIN AG gerade geschafft hat, einen privaten Zustelldienst trotz Hungerlöhnen an den Rand der Insolvenz zu führen und nun vor Massenentlassungen steht. Wie schön, dass man das eigene unternehmerische Versagen mit professoraler Hilfe einem noch nicht eingeführten Mindestlohn in die Schuhe schieben kann.
    Quelle: Bildblog
  4. Allianz Leben verlagert Risiko auf Kunden
    Die Allianz Leben verlagert bei der Gewinnbeteiligung in der klassischen Lebensversicherung das Kapitalmarktrisiko stärker auf den Kunden. Zudem gibt es schlechte Nachrichten zur Verzinsung.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Die private Vorsorge ist sicher – oder hoffentlich Allianz versichert.

  5. Reform der Erbschaftssteuer – Ein Hohn auf das Gerede von mehr Gerechtigkeit
    Ihr Aufkommen von rund vier Milliarden Euro fließt komplett in die Haushalte der Bundesländer, der Anteil an deren Steuereinnahmen liegt aber nur bei etwa zwei Prozent. Dass die Erbschaftsteuer derart marginal zu Buche schlägt, hat vorrangig einen Grund: Erben werden in Deutschland nur mäßig zur Kasse gebeten, Immobilien- und Betriebsvermögen weit unter Wert zur Besteuerung herangezogen. Die Freibeträge für nahe Verwandte sind hoch, die Steuersätze moderat. Würden Erbschaften wie in den Niederlanden oder Frankreich besteuert, würden die Einnahmen zwei- bis dreimal so hoch ausfallen.
    Quelle: Freitag
  6. Vereinbarkeit von Job und Familie immer noch zu schwierig
    Trotz Elternzeit, Elterngeld und Ansprüchen auf Teilzeit tun sich sechs von zehn Arbeitnehmern in Deutschland schwer, Job und Familie unter einen Hut zu bringen.
    Bei einer Umfrage von TNS Infratest im Auftrag des Software-Anbieters WebEx kritisierten 61 Prozent der befragten 1.500 Arbeitnehmer, dass sich Job und Familie nur schwer vereinbaren lassen. Auch die jüngsten Bemühungen der Bundesregierung scheinen an der Unzufriedenheit der Arbeitnehmer wenig zu ändern. So bezweifelt mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Deutschen mit Kindern den Erfolg des neuen Elterngeldes, das bis zu vierzehn Monate gezahlt wird und auch Männer motivieren soll, sich mehr Zeit für den Nachwuchs zu nehmen.

    Weitere Ergebnisse der Umfrage: 67 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer bemängeln, es sei kein Trend hin zu einem familienfreundlicheren Klima in Unternehmen spürbar. Zwar gäbe es eine Reihe von Unternehmens-Maßnahmen, mit denen Deutsche Job und Familie besser vereinbaren könnten, darunter Teilzeitregelungen (58 Prozent), Regelungen über flexible Arbeitszeiten (44%) und Technologien zur Ermöglichung von Home-Office (21 Prozent). Aber nur 11% der Befragten sagen, dass ihr Arbeitgeber tatsächlich Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Die Folge des familienfeindlichen Klimas in Unternehmen: deutliche Auswirkungen auf die Dauer des Erziehungsurlaubs. So mussten einerseits 14 Prozent der Arbeitnehmer mit Nachwuchs ihren Erziehungsurlaub wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten verlängern. Andererseits war rund ein Drittel (31 Prozent) gezwungen, den Erziehungsurlaub zu verkürzen, etwa aus finanziellen Gründen (12 Prozent) oder aus Angst, den beruflichen Anschluss zu verlieren (17 Prozent).
    Quelle: Personal-Magazin

  7. Die Frage ist – wie wurde man Exportweltmeister?
    Gustav Horn, Wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK, über Aufschwünge, Arbeitslose und ideologische Standhaftigkeit
    Quelle: Freitag

    Anmerkung: Wie öfters Mal bei Gustav Horn, im Grundsatz richtig, aber dann immer wieder anbiedernde Belobigungen für die Politik der Bundesregierung. Das muss man wohl leider so machen, wenn man im heutigen Politikbetrieb mit seinem Institut „im Geschäft“ bleiben will.

    Dass die Große Koalition mit ihrem Konzept „Erst stimulieren und dann sanieren“ „sehr gute Maßnahmen“ ergriffen habe, um den Aufschwung zu stimulieren, das kann Gustav Horn wohl selbst nicht glauben. Erstens war die Reihenfolge umgekehrt. Im Koalitionsvertrag hieß es: „Sanieren, reformieren, investieren“. Zweitens: Das sog. staatliche „Investitionsprogramm“ war eine reine Alibiveranstaltung: Da sollten also jährlich 35 bis 40 Milliarden eingespart und bis 2007 die Mehrwertsteuer um 3 % oder 24 Milliarden erhöht werden und dann sollte ein Investitionsprogramm verteilt auf 4 Jahre mit einem Volumen von 25 Milliarden die Wirtschaft in Schwung bringen? Da wurde erst ein Mehrfaches an Nachfrage abgezogen, was tröpfchenweise investiert wird.

    Ich vermag auch beim besten Willen nicht zu erkennen, wie Hartz IV auch nur eine „kleine Rolle“ auf dem Arbeitsmarkt gespielt haben sollte. Wohl vielleicht in der Statistik, durch statistische Bereinigungen oder dadurch dass Niedriglöhner, Aufstocker oder Leiharbeiter nicht mehr in der Statistik auftauchen. Dass „alle“ den Aufschwung verspüren, „die neu Beschäftigung gefunden haben“, das hat doch das Institut von Gustav Horn selbst schon widerlegt.
    Aber wie gesagt, man muss wohl immer wenigstens ein bisschen mit den Wölfen heulen, wenn man im Wolfsrudel wenigstens ein bisschen von der Beute abbekommen will.

  8. Aktionärsjournalismus
    Wie unabhängig sind heute noch Zeitungs-Redaktionen, wenn es um das Thema Mindestlohn geht? Sie stehen alle unter dem Generalverdacht, dass sie es nicht mehr sind. Der Grund: Jetzt, da zum Jahreswechsel das Briefmonopol fällt, wollen viele Zeitungsverleger in das Briefgeschäft einsteigen. Deshalb haben sie kein Interesse daran, dass es einen Mindestlohn für die Brief-Zusteller gibt; schon gar keinen in Höhe von 9,80 Euro (Westdeutschland), wie die große Koalition ihn gerade als allgemeinverbindlich beschlossen hat. Denn Mindestlöhne verschlechtern die Geschäfte der Zeitungsverleger. Sie hatten kalkuliert, mit Dumping-Löhnen schnell Geld zu verdienen. Der Springer-Konzern und sein Boulevardblatt Bild zeigten, wie das gehen sollte.
    Quelle: Freitag

    Siehe dazu auch:

    Powered by Hannoversche Leben: Stern: „Reich in Rente – nicht nur auf den Staat verlassen“
    Quelle: stern

    Anmerkung Martin Betzwieser: So dreist wurden Werbung und redaktionelle Inhalte zum Thema Rente & Co. bisher wohl nur bei der BILD vermischt.

    Dazu auch noch:

    Was eine freie Presse wert ist
    Wie wichtig unabhängige Buch- und Zeitschriftenverlage für die demokratische Öffentlichkeit sind, braucht nicht erklärt zu werden. Weniger klar ist, wie sie sich etablieren und überleben können. Dennoch werden es sowohl in den USA als auch in Europa immer mehr. In Frankreich sind in jüngster Zeit Dutzende kleiner Alternativverlage für Literatur und Poesie entstanden, aber auch einige politische Verlage, die Autoren und Themen publizieren, die den großen Verlagshäusern zu riskant erscheinen. Das gilt etwa für Éditions Agone in Marseille sowie für die Pariser Verlage Les Arènes und Éditions Amsterdam. Ein weiterer Kleinverlag namens Demopolis bringt in diesem Herbst sein erstes Programm heraus. Solche unabhängigen Häuser verlegen Autoren wie Noam Chomsky, den US-Historiker Howard Zinn (Agone) und Kulturkritiker wie Judith Butler und Stuart Hall (Amsterdam)
    Quelle: Le Monde diplomatique

  9. Milliardenkosten für Steuerzahler
    Bei der WestLB werden Stellenstreichungen und eine Kapitalspritze für den Konzernumbau immer wahrscheinlicher. Einem Magazinbericht zufolge sollen die Steuerzahler in NRW bei einem Zusammenschluss mit der Helaba für Risiken in Milliardenhöhe haften.
    Quelle:FR
  10. Noch ein paar Fakten zur PIN AG
    2007 wird die Pin Group, deren Mehrheit Springer erst im Juni für 510 Mio. Euro erworben hatte, bis zu 55 Mio. Euro Verlust einfahren. Für die laufenden Ausgaben wie etwa die Gehälter der Mitarbeiter muss Springer Insidern zufolge derzeit rund 15 Mio. Euro zuschießen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Rote Zahlen also trotz Hungerlöhnen und lange vor dem Mindestlohn.

  11. Kleine Kapitalisten
    Schon Fünfjährige verstehen Ökonomie. In einer Bremer Kita lernen sie als Bäcker oder Gärtner kaufen und kalkulieren. Dafür erhält die Einrichtung den Arbeitgeberpreis.
    Die Kinder haben echte Waren verkauft und echte Gewinne erzielt”, sagt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. “Einen besseren Einstieg in die Welt der Wirtschaft kann ich mir kaum vorstellen.”
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Ökonomie ist, was die Arbeitgeber für Ökonomie halten. Bildung heißt, Gewinne erzielen. Wo bleibt eigentlich ein Arbeitnehmerpreis für Bildung?

  12. Weitere Themen im „Freitag:
    Warum Kyoto II scheitern muss: Mohssen Massarat erklärt bindende Reduktionsziele und Emissionshandel zu unangemessenen und unzureichenden Maßnahmen der Klimapolitik und plädiert für eine Wende im Ansatz: weg vom Verbraucher, hin zum Anbieter.
    Quelle: Freitag

    Zum Thema der Woche:

    Stunde Null im Kosovo schreibt Jürgen Elsässer zu Haltung und Vorgehen der NATO in der Region; in einer Reportage berichtet Dirk Schneider von der unheimlichen Ungeduld der Kosovo-Albaner, was ihre Unabhängigkeit betrifft – und wie sie damit die Serben im Norden der Provinz und in den Klöstern düpieren.

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