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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 14. Dezember 2007 um 9:10 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Bewertung nach Nützlichkeit und Effizienz ist nach Ansicht von Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld die Hauptgefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Dabei geht es um Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und um alle Formen der Ablehnung gegenüber irgendwie “andersartigen” Bevölkerungsgruppen. In Berlin stellten nun der Bundesbeauftragte für die neuen Länder, Wolfgang Tiefensee, und Heitmeyer den sechsten Teil der Langzeitstudie “Deutsche Zustände“ vor.
Das Ergebnis zeigt: Die Stimmung in der Gesellschaft ist ebenso wie in den Jahren zuvor von Angst und Unsicherheit geprägt. Angst und Unsicherheit wiederum führten zu negativen Folgen für schwache Bevölkerungsgruppen, die zunehmend Feindseligkeit, Abwertung und Diskriminierung ausgesetzt seien. Trotzdem gibt es Grund zur Hoffnung.
Quelle: Die Zeit
Nochmals:
Heitmeyer: Es gibt zwar weniger Angst vor prekären Verhältnissen und deswegen einen Rückgang von Fremdenfeindlichkeit. Aber gleichzeitig hat sich die Qualität des Arbeitslebens verändert, der Druck auf den Einzelnen hat sich erhöht. Das sieht man an der wachsenden Zahl von Menschen, die zusätzlich zu ihrem Einkommen noch Hartz IV beantragen. Deswegen steigt die Wahrnehmung eines Flexibilitätszwanges. Auch die sozialen Beziehungen werden unter den Gesichtspunkten von Nützlichkeit und Effizienz gesehen. Das ist ein Indiz für eine verstärkte Ökonomisierung des Sozialen. Der Übergang von der Marktwirtschaft zur Marktgesellschaft ist in vollem Gange. Die Kalküle, die für den Wirtschaftsbereich völlig angemessen sind, dringen jetzt aber verstärkt in das Zusammenleben ein.
Quelle: tagesschau
Anmerkung: Spätestens seit der Hartz-Gesetzgebung habe wir auf den NachDenkSeiten dargelegt, dass die Logik der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre auf der Logik basiert, man müsse nur gehörig Druck auf die Arbeitnehmer und vor allem auf Arbeitslose ausüben („fordern“), dann erledige sich das Problem der Arbeitslosigkeit von selbst. Arbeitslosigkeit ist danach nicht ein Problem des Angebots an Arbeitsplätzen, sondern die Nachfrager wählten lieber Freizeit, statt für jeden Lohn und jeder Bedingung zu arbeiten. Kurz: Arbeitslose sind zu faul, der ehemalige „Sozialminister“ Clement bezeichnete viele Hartz-IV-Bezieher sogar schlicht als „Schmarotzer“. Muss man sich nach dieser jahrelangen Kampagne wundern, dass gerade verunsicherte Arbeitnehmer Opfer suchen, an denen sie ihr Selbstwertgefühl aufrichten und ihre Aggressionen ablassen können.
Siehe dazu:
“Diskriminieren, um sich abzugrenzen”
Marion Drögsler leitet den Arbeitslosenverband Deutschland e.V.. Die ausgebildete Sozialarbeiterin stellt seit den Hartz-IV-Reformen eine zunehmende Stigmatisierung von Arbeitslosen fest und macht dafür auch populistische Äußerungen von Politikern verantwortlich.
Quelle: Berliner Zeitung
Dazu auch:
Leute, auf die es nicht ankommt
Die Menschen der Unterschicht dagegen haben ihre politische Vertretung verloren. In den westlichen Ländern gibt es keine Unterklassen mehr, wenn darunter ein kollektives Subjekt mit historischem Selbst- und Selbstbildungsbewusstsein verstanden werden soll, vergleichbar etwa der Arbeiterklasse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Klassenbewusstsein ist heute eine Sache der Oberschicht, die sich im Inneren nach Familienzugehörigkeiten strukturiert und nach außen als offene Leistungselite rechtfertigt, die sie gerade nicht ist, weder was die Offenheit noch was die Leistung angeht.
Quelle: Le Monde diplomatique
Siehe dazu auch:
Die EU-Eliten ignorieren das Volk
Der in Lissabon feierlich verabschiedete EU-Reformvertrag ist nach Ansicht vieler europäischer Wissenschaftler unsozial, demokratiefeindlich und aggressiv.
Quelle: FR
Anmerkung: Die private Vorsorge ist sicher – oder hoffentlich Allianz versichert.
Weitere Ergebnisse der Umfrage: 67 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer bemängeln, es sei kein Trend hin zu einem familienfreundlicheren Klima in Unternehmen spürbar. Zwar gäbe es eine Reihe von Unternehmens-Maßnahmen, mit denen Deutsche Job und Familie besser vereinbaren könnten, darunter Teilzeitregelungen (58 Prozent), Regelungen über flexible Arbeitszeiten (44%) und Technologien zur Ermöglichung von Home-Office (21 Prozent). Aber nur 11% der Befragten sagen, dass ihr Arbeitgeber tatsächlich Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Die Folge des familienfeindlichen Klimas in Unternehmen: deutliche Auswirkungen auf die Dauer des Erziehungsurlaubs. So mussten einerseits 14 Prozent der Arbeitnehmer mit Nachwuchs ihren Erziehungsurlaub wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten verlängern. Andererseits war rund ein Drittel (31 Prozent) gezwungen, den Erziehungsurlaub zu verkürzen, etwa aus finanziellen Gründen (12 Prozent) oder aus Angst, den beruflichen Anschluss zu verlieren (17 Prozent).
Quelle: Personal-Magazin
Anmerkung: Wie öfters Mal bei Gustav Horn, im Grundsatz richtig, aber dann immer wieder anbiedernde Belobigungen für die Politik der Bundesregierung. Das muss man wohl leider so machen, wenn man im heutigen Politikbetrieb mit seinem Institut „im Geschäft“ bleiben will.
Dass die Große Koalition mit ihrem Konzept „Erst stimulieren und dann sanieren“ „sehr gute Maßnahmen“ ergriffen habe, um den Aufschwung zu stimulieren, das kann Gustav Horn wohl selbst nicht glauben. Erstens war die Reihenfolge umgekehrt. Im Koalitionsvertrag hieß es: „Sanieren, reformieren, investieren“. Zweitens: Das sog. staatliche „Investitionsprogramm“ war eine reine Alibiveranstaltung: Da sollten also jährlich 35 bis 40 Milliarden eingespart und bis 2007 die Mehrwertsteuer um 3 % oder 24 Milliarden erhöht werden und dann sollte ein Investitionsprogramm verteilt auf 4 Jahre mit einem Volumen von 25 Milliarden die Wirtschaft in Schwung bringen? Da wurde erst ein Mehrfaches an Nachfrage abgezogen, was tröpfchenweise investiert wird.
Ich vermag auch beim besten Willen nicht zu erkennen, wie Hartz IV auch nur eine „kleine Rolle“ auf dem Arbeitsmarkt gespielt haben sollte. Wohl vielleicht in der Statistik, durch statistische Bereinigungen oder dadurch dass Niedriglöhner, Aufstocker oder Leiharbeiter nicht mehr in der Statistik auftauchen. Dass „alle“ den Aufschwung verspüren, „die neu Beschäftigung gefunden haben“, das hat doch das Institut von Gustav Horn selbst schon widerlegt.
Aber wie gesagt, man muss wohl immer wenigstens ein bisschen mit den Wölfen heulen, wenn man im Wolfsrudel wenigstens ein bisschen von der Beute abbekommen will.
Siehe dazu auch:
Powered by Hannoversche Leben: Stern: „Reich in Rente – nicht nur auf den Staat verlassen“
Quelle: stern
Anmerkung Martin Betzwieser: So dreist wurden Werbung und redaktionelle Inhalte zum Thema Rente & Co. bisher wohl nur bei der BILD vermischt.
Dazu auch noch:
Was eine freie Presse wert ist
Wie wichtig unabhängige Buch- und Zeitschriftenverlage für die demokratische Öffentlichkeit sind, braucht nicht erklärt zu werden. Weniger klar ist, wie sie sich etablieren und überleben können. Dennoch werden es sowohl in den USA als auch in Europa immer mehr. In Frankreich sind in jüngster Zeit Dutzende kleiner Alternativverlage für Literatur und Poesie entstanden, aber auch einige politische Verlage, die Autoren und Themen publizieren, die den großen Verlagshäusern zu riskant erscheinen. Das gilt etwa für Éditions Agone in Marseille sowie für die Pariser Verlage Les Arènes und Éditions Amsterdam. Ein weiterer Kleinverlag namens Demopolis bringt in diesem Herbst sein erstes Programm heraus. Solche unabhängigen Häuser verlegen Autoren wie Noam Chomsky, den US-Historiker Howard Zinn (Agone) und Kulturkritiker wie Judith Butler und Stuart Hall (Amsterdam)
Quelle: Le Monde diplomatique
Anmerkung: Rote Zahlen also trotz Hungerlöhnen und lange vor dem Mindestlohn.
Anmerkung: Ökonomie ist, was die Arbeitgeber für Ökonomie halten. Bildung heißt, Gewinne erzielen. Wo bleibt eigentlich ein Arbeitnehmerpreis für Bildung?
Zum Thema der Woche:
Stunde Null im Kosovo schreibt Jürgen Elsässer zu Haltung und Vorgehen der NATO in der Region; in einer Reportage berichtet Dirk Schneider von der unheimlichen Ungeduld der Kosovo-Albaner, was ihre Unabhängigkeit betrifft – und wie sie damit die Serben im Norden der Provinz und in den Klöstern düpieren.
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