Der Spiegel hängt mal wieder hinterher und unterstellt seinen Leser/innen ein sehr kurzes Gedächtnis.
Seit Jahren warnen die nicht ideologisch verblendeten Ökonomen vor dem Niedergang des Dollars und seinen Folgen für unsere Volkswirtschaft; vor allem forderten wir rechtzeitig eine Stärkung der Binnennachfrage als Ersatz für mögliche Ausfälle beim Export. Und dies nicht erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Der Spiegel merkte es im letzten Herbst, und jetzt noch einmal. Reichlich spät. Albrecht Müller.
Heft 48/2007
Flassbeck, Bofinger, Horn, Hickel, der Chefökonom von Goldman Sachs, und eine Reihe anderer, wir in den NachDenkSeiten und ich in der „Reformlüge“, die im August 2004 erschien, und in „Machtwahn“, das in März 2006 erschien. Immer wieder warnten wir vor dem Nichtstun und wir kritisierten die gegenläufigen politischen Entscheidungen wie etwa die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Punkte die ewigen Sparversuche unserer Finanzminister.
Der Spiegel hat im letzten Jahr gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann. Gabor Steingart warnte im September 2006 vor dem Sturz des Dollars. Wir haben damals in den NachDenkSeiten am 25.9.2006 diese späte Erkenntnis kommentiert.
Hier ein Auszug:
An der Warnung vor dem Sturz des Dollar, die im Beitrag „Weltwährung auf Abruf. Brandgefährliches Spiel mit dem Dollar“ (siehe A. Link Nr. 5) ausführlich dargelegt wird, kann man zeigen, wie unoriginell und verspätet dieser Autor des Wegs kommt und dennoch so tut, als sei seine Beobachtung brandneu. Auf die Gefahren, die aus den Leistungsbilanzdefiziten und damit der wachsenden Auslandsverschuldung der USA für die Weltwährungsordnung und damit auch für unsere Wirtschaftsentwicklung in Europa folgen, haben Ökonomen, die nicht zum großen Strom der herrschenden Meinung gehören, schon seit Jahren hingewiesen und davor gewarnt, weiterhin nichts zur Minderung des Risikos zu tun. Auf den NachDenkSeiten konnten sie reihenweise Beiträge dazu lesen. Ich habe mich schon anlässlich eines Gutachtens des Sachverständigenrates vom 15.11.2000 mit der abenteuerlichen Behauptung, die Konjunktur laufe rund, mit dem heutigen Thema von Herrn Steingart beschäftigt. Immerhin blickten damals die USA auf ein schon 17 Jahre lang währendes Leistungsbilanzdefizit, meist im dreistelligen Bereich, zurück. Steingart entdeckt das Problem 23 Jahre später. Bei meinen Lesungen zur „Reformlüge“, die im August 2004 erschien, zitiere ich regelmäßig aus einem Interview des Chefökonomen von Goldman Sachs Jim O’Neill in der ZEIT vom 19.8.2004. Lesenswert. O’Neill warnt vor dem Absturz des Dollars und er empfiehlt den Deutschen dringlich, nicht nur auf den Export zu setzen, sondern endlich das zweite Bein, die Binnenkonjunktur anzukurbeln. Er beschreibt, wie absurd es ist, dazu die Steuern für die Unternehmen zu senken. Die Kaufkraft der breiten Masse muss gestärkt werden. Wörtlich: „Weil die Reichen von ihrem Einkommen relativ weniger für Konsum ausgeben als die Armen, muss die Fiskalpolitik bei den unteren Einkommensgruppen ansetzen. Dieser Aspekt wird von vielen deutschen Ökonomen und Politikern vernachlässigt.“. Wenn Herrn Steingart diese Erkenntnis wenigstens zum Zeitpunkt des Interviews mit dem Chefökonomen von Goldman Sachs gedämmert hätte, wenn er seitdem im „Spiegel“ entsprechend aufgeklärt und für die Stärkung der Binnennachfrage geworben hätte, dann sähe unsere Wirtschaftspolitik und unsere wirtschaftliche Lage heute vermutlich anders und besser aus. Jedenfalls müsste der Autor Steingart heute massiv gegen die Mehrwertsteuererhöhung im Jahre 2007 intervenieren. Tut er das? Das Kapitel über die Gefahr des Sturzes des Dollar enthält nichts Einleuchtendes dazu, was wir hierzulande tun könnten und tun müssten, um dieses gefährliche Risiko wenigstens ein bisschen abzufedern.
Zusammengefasst: Steingart verkauft einen ganz alten Hut als neu und im Gegensatz zu jenen, die rechtzeitig gewarnt haben, bietet er nicht einmal eine wirksame Therapie.
Jetzt kommt der Spiegel mit einem neuen Titel mit fast den gleichen Worten wie Steingart vor gut einem Jahr. Und wieder gilt, dass keine wirksame Therapie geboten wird.
Ob das die Leser/innen gar nicht merken?