ICE statt Transrapid
Ein interessanter Diskussionsbeitrag von Professor Karl-Dieter Bodack.
Der Streit um die Alternativen „Transrapid“ oder „Express-S-Bahn“ könnte einvernehmlich beendet werden… wenn die Befürworter und Gegner sich mit einer dritten Alternative befreunden könnten, die bislang nur wenigen Insidern bekannt ist: Die Flughafen Anbindung mit ICE- und RegionalExpress-Zügen!
Wie könnte das aussehen? Bislang im Hauptbahnhof endende ICE- und RE-Züge könnten in den Flughafen weiter fahren. Dazu müssten zwischen München Fasanerie und Feldmoching die Streckenkapazität erweitert und von Feldmoching bis nördlich Neufahrn eine Neubaustrecke entlang der Autobahn gebaut werden – dort, wo auch die Transrapid-Trasse geplant ist.
- Damit könnte ein ICE mit Höchstgeschwindigkeit 230 km/h den Flughafen in 15 Minuten, ein RE-Zug mit 160 km/h in etwa 20 Minuten erreichen. Diese Variante würde nahezu viele Vorteile der strittigen Varianten vereinigen.
- Der Flughafen ist vom Hauptbahnhof direkt und im Vergleich zu Bus, Taxi, Pkw in konkurrenzlos kurzer Zeit erreichbar.
- Der Komfort in den ICE- und RE-Zügen ist besser als im geplanten Transrapid, der aufgrund seiner größeren Breite Sitzplätze in Dreiergruppen hat, die schlecht zugänglich sind und weniger Gepäckunterbringung ermöglichen.
- Das Umsteigen geschieht im Hauptbahnhof bequemer und schneller, weil ohne Höhendifferenzen.
- Es gibt Direktverbindungen aus vielen bayerischen Regionen, ja sogar aus den Nachbarländern zum Flughafen, wie zu den Flughäfen Köln, Düsseldorf, Frankfurt. Da das Umsteigen entfällt, ist die Reisezeit ist etwa 10 Minuten kürzer als mit dem Transrapid.
- Der Energie- und CO2-Bilanz einer solchen Bahnanbindung ist gegenüber dem Transrapid günstiger: Die Rad-Schiene-Technik erfordert generell weniger Energie, die für den Transrapid geplante Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h ist unter diesem Gesichtspunkt gar nicht zu verantworten.
- Die Investitionskosten betragen nur einen Bruchteil derjenigen des Transrapids: Die vorgeschlagenen Neu- und Ausbaustrecken sind kürzer, spezielle Bahnhöfe sind nicht erforderlich, da vorhandene genutzt werden, Schienentrassen kosten nur einen Bruchteil entsprechender Magnetbahntrassen.
- Die für den Transrapid vorgesehenen Bundesmittel reichen für dieses Projekt aus.
- Zuschüsse seitens des Freistaats oder des Flughafens sind daher voraussichtlich gar nicht erforderlich.
- Neu- und Ausbaustrecken sind (im Gegensatz zu einer möglichen S-Bahn) eindeutig Bundesangelegenheit: Der Bund müsste nur den Haushaltstitel ändern.
- Da keine neue Trasse durch das Stadtgebiet erforderlich ist, sind wesentlich weniger Widerstände und Einsprüche seitens Betroffener zu erwarten.
- Da nur klassische Technologien eingesetzt werden, kann der Bau zügig realisiert werden.
Mit dieser Anbindung wird der Flughafen München so qualifiziert sowohl im Fern- wie auch im Regional und Nahverkehr angebunden wie die Konkurrenten Frankfurt und Düsseldorf und in Zukunft Berlin-Schönefeld!
Die zu erwartenden Nachteile gegenüber dem Transrapid:
- die um 5 bis 10 Minuten längere Fahrzeit für umsteigende Fahrgäste;
- die weniger spektakuläre Technik sollten in Anbetracht der gravierenden Vorteile in Kauf genommen werden.
Der Nachteil der ICE-Anbindung gegenüber der Express-S-Bahn, der häufigere Zwang zum Umsteigen aus dem Münchener Stadtgebiet, erscheint weniger gravierend, da ja die bestehenden S-Bahn-Verbindungen erhalten bleiben. Auch wäre es möglich, über diese neue Trasse S-Bahn-Züge ohne Halt fahren zu lassen – allerdings zu Lasten von Direktverbindungen aus den Regionen.
Das Projekt einer ICE-Anbindung des Flughafens wurde in zwei Studien und Machbarkeitsuntersuchungen vom Planungsbüro VIEREGG UND RÖSSLER GmbH. in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsberatung Dr. Jakob Kandler in München erarbeitet. Auftraggeber waren die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag und die betroffenen Gemeinden Unterschleißheim, Oberschleißheim, Eching und Neufahrn in den Jahren 2002 und 2003.
In Anbetracht der mehr als zehntausend Einwendungen gegen die Planfeststellung des Transrapids, der überwiegenden Ablehnung dieses „Technikdenkmals“ seitens der Bürger Bayerns, der unverantwortlich erscheinenden Haushaltsbelastung des Freistaats scheint es nun an der Zeit, die ICE-Anbindung ernsthaft in die öffentliche Diskussion zu bringen.