Noch ein Nachtrag zur strittigen Höhe der tatsächlichen Familienförderung

Ein Artikel von:

…die gestern zum wiederholten Male Gegenstand eines Hinweises der NachDenkSeiten war (siehe zuletzt Hinweis 2).
Ein Leser der NachDenkSeiten sandte uns dazu einen bedenkenswerten Kommentar.

„In mehreren Beiträgen haben sich die “Nachdenkseiten” mit der Höhe der “Familienförderung” beschäftigt und – zu Recht – darauf hingewiesen, dass die von der Bundesregierung ausgewiesenen Zahlen zu hoch gegriffen seien.
Gleichwohl ein Einwand: Alle veröffentlichten Zahlen zu diesem Thema bewegen sich auf einem schwankenden Terrain.
Denn der Begriff der “Familie” ist zunehmend ideologisch besetzt. Er dient insbesondere konservativen Vertretern, ihre Wertvorstellungen und Maßstäbe gesellschaftlich durchzusetzen und die Deutungshoheit zu gewinnen.
Auch ist generell umstritten, welche Ausgaben eigentlich zur “Familienförderung” gehören.
Häufig werden Ausgaben zugunsten von Kindern, Ehen und Familien zusammengefasst. Aus Sicht der Konservativen gehören zum Beispiel Ausgaben für Kinderkrippen (zuweilen auch für Kindergärten und Horte) aber nicht zur “Familienförderung”, denn diese öffentlichen Einrichtungen unterlaufen das Leitbild der Familie als eigentlicher Keimzelle und Erziehungsanstalt des Gemeinwesens.
Anlass für diesen Einwand ist Euer Link zum “Familienbund der Katholiken”, einer sehr konservativen Vereinigung, für die Familie aus zwei Ehepartnern sowie mindestens einem Kind besteht. Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil fallen nicht darunter und entsprechen nicht dem christlich-konservativen Familienbild
Auch ökonomisch ist die Kritik des Familienbundes der Katholiken, die die Familienförderung auf nur 56 Milliarden Euro beziffert, nicht haltbar.
Um nur drei Beispiele zu nennen:

  1. Selbstverständlich gehören auch Leistungen der Sozialversicherungen von 25 Milliarden Euro zur Familienförderung. Das Argument, diese würden von den Beitragszahlern und nicht vom Staat aufgebracht, ist absurd. Schließlich werden auch die Leistungen des Staates nicht von ihm selbst erwirtschaftet, sondern von den Steuerzahlern finanziert. Der Staat, bzw. der Gesetzgeber, ist aber selbstverständlich zuständig für die Verteilung, sei es über die Sozialversicherungen oder durch direkte Zuwendungen aus Steuermitteln.
  2. Auch familienpolitische Leistungen für Beamte und Angestellte im Öffentlichen Dienst gehören zu den familienpolitischen Leistungen des Staates. In Frage steht nur, ob die Exklusivität gerechtfertigt ist.
  3. Auch Steuerrückerstattungen gehören wie das direkt ausgezahlte Kindergeld zu den familienpolitischen Leistungen. Beide stammen aus den Steuereinnahmen; die Rückerstattungen aus der Berechnung herauszunehmen, macht überhaupt keinen Sinn.
    Will man die tatsächlichen staatlichen Leistungen berechnen, ist es wohl besser, das schwankende Terrain sogenannter “familienpolitischer” Leistungen zu verlassen.
    Denn häufig ist “Familienförderung” nichts anderes als unsoziale Verteilungspolitik zugunsten der Besserverdienenden.
    Als Beispiel ist das Ehegattensplitting zu nennen, das höherverdienende Haushalte mit Alleinverdienern bevorzugt – während zum Beispiel Alleinerziehende oder Familien mit nichtehelichen Partnerschaften von diesem Privileg nichts haben.
    Auch bei den Bildungsausgaben gibt es erhebliche Unterschiede. Auf Kinder aus höheren Beamten- und Angestelltenhaushalten, die überdurchschnittlich oft studieren, entfallen weitaus höhere Bildungsausgaben des Staates als auf Kinder aus Arbeiter- oder einfachen Angestelltenhaushalten, die nur einen Haupt- oder Realschulabschluss machen.

Das sind zwei Beispiele, wie sich hinter dem Sammelbegriff “familienpolitische Ausgaben” auch eine sozialpolitisch ungerechte Verteilungspolitik verbergen kann.
Möglicherweise haben diejenigen Kritiker recht, die sagen, es gibt nicht generell zuwenig Geld für “Familienpolitik”, sondern die Milliarden sind vor allem ungerecht verteilt.“

Rubriken:

Familienpolitik

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