Nachtrag zum Problem Abschlusskosten bei betrieblicher Altersversorgung.
Auf unseren Beitrag vom 27.4. kamen einige Meldungen mit weiterführenden und bestätigenden Hinweisen. Wie geben diese Hinweise wörtlich weiter. Vermutlich sind viele unserer Leser betroffen. Albrecht Müller.
Erster Hinweis:
Der Begriff “Zillmerung” war mir (Personalsachbearbeiter) zwar noch nicht bekannt, aber mit dem eigentlichen Problem wurde ich schon öfter konfrontiert.
So wurden mir Fälle von ausgeschiedenen Mitarbeitern/innen geschildert, für die monatlich in eine Pensionskasse eingezahlt wurde; die Mitarbeitern/innen schieden nach Befristungsablauf aus, hatten schon Lebensversicherung etc., wollten nicht noch eine weitere Versicherung bedienen, wollten ausgezahlt bekommen und kamen teilweise weniger als 10% des eingezahlten Kapitals ausgezahlt.Die Besonderheit: Unser Unternehmen hat eine Tochtergesellschaft, die Altersvorsorge vermittelt. Der Geschäftsführer war vorher leitender Angestellter eines Versicherungsriesen und die Betriebliche Altersvorsorge wird exklusiv über diesen Versicherungsriesen abgewickelt. Bereits bestehende Verträge anderer Versicherungsunternehmen werden nicht akzeptiert. Die dortigen Vermittler bekommen jedes Jahr bombastische Prämien und an den eingenommenen Gewinnen partizipiert auch die Konzernmutter. Man kann also durchaus behaupten, dass hier nicht nur der Versicherungskonzern sondern auch der Arbeitgeber an der Enteignung seiner (ehemaligen) Beschäftigten verdient.
Ob das Konstrukt mit der Tochtergesellschaft absichtlich installiert wurde, um mögliche Regresszahlungen auf ein Minimum zu beschränken, kann ich nicht sagen.
Bei Branchen mit hoher Fluktuation und vielen befristeten Beschäftigungsverhältnissen von wenigen Monaten bis zwei Jahren sind Gehaltsumwandlungen, Pensionsfonds etc. aus den von Ihnen und von mir genannten Gründen finanzieller Irrsinn.
Die demographische Hysterie und die vorgerechneten Finanzierungskatastrophen bei der gesetzlichen Rentenversicherung wurden nach meiner Einschätzung bewusst instrumentalisiert, um Gewerkschaften und Betriebsräten Tarifverträge bzw. Betriebsvereinbarungen zur Betrieblichen Altersvorsorge vorteilhaft erscheinen zu lassen.
Der Nebeneffekt ist, dass bei jedem über Direktversicherung umgewandelten Euro 35 bis 40 Cent an Sozialversicherungsbeiträgen verloren gehen; die finanziellen Engpässe der gesetzlichen Sozialversicherung werden also schlimmer. Und dieser Nebeneffekt ist natürlich von Politik, Experten und Arbeitgebern gewollt: Die Lohnnebenkosten sollen ja sinken.
Insofern kann ich mich der Warnung an gewerkschaftliche Tarifsekretäre und Betriebsräte auf jeden Fall anschließen.
Gruß, N N.
P.S.: Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch, dass es seit einigen Jahren einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung gibt. Die Umleitung von Entgelt und der Wegfall von Sozialversicherungsbeiträgen ist also vom Gesetzgeber gewollt.
Quelle: www.bmas.bund.de
Zweiter Hinweis,
wieder in einer Mail an die Redaktion von www.NachDenkSeiten.de:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Mann ist Jahre lang bei zwei führenden Versicherungsunternehmen beschäftigt gewesen. Mittlerweile sind wir beide arbeitslos. Gewinne privatisiert. Kosten für Humankapital sozialisiert.
Loyalität zu unseren früheren Arbeitgebern haben wir so natürlich nicht mehr und so können wir mitteilen, dass die Angaben aus Ihrem Artikel auch bei einer Schulungsveranstaltung zum Verticken von Betrieblicher Altersvorsorge hätten mitgeschrieben sein können.Selbstverständlich wird in den ersten Monaten möglichst viel des abgeführten Altersvorsorge-Volumens für Verwaltung, Vertrieb und Prämien abgeschöpft. Ein Großteil der Beschäftigungsverhältnisse ist ja heutzutage befristet. Ein Jahr, zwei Jahre, vielleicht etwas länger, machmal nur wenige Monate. Und nur in dieser kurzen Zeit ist etwas zu holen. Die verunsicherten ArbeitnehmerInnen nehmen auch gerne jede Gelegenheit wahr, aus Angst vor späteren Schrumpf-Renten – oder wie man es auch immer nennen möchte.
Übrigens gibt es eine Möglichkeit, sich als Arbeitgeber vor späteren Schadensersatzforderungen zu schützen. Meinem Mann sind mindestens zwei Unternehmen bekannt, bei denen Tochterfirmen gegründet worden sind. Über die Tochterfirmen werden Vermittlung, Vertrieb und Werbung abgewickelt. Für die Vermittlung von Pensionsfonds-Policen und Direktversicherungen bekommen die Tochterfirmen großzügige Prämien und verdienen ihr Stück vom Kuchen. Aus heutiger Sicht nennen wir das staatlich subventioniertes Raubrittertum. Denn das kostet einiges an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen.
Sollte dann doch jemand wegen der geringen Ausschüttung klagen, ist höchstwahrscheinlich das schlimmste was passieren kann die Insolvenz der Tochterfirma. Die wird dann liquidiert und eine neue Tochterfirma wird gegründet – mit freundlicher Unterstützung des Versicherungskonzerns.
Nicht zu vergessen die hohen Personalkosten und Lohnnebenkosten und die Globalisierung fordert es und natürlich die Demographie. Da ist es dann durchaus üblich dass eine Firma zunächst einseitig einen Manteltarifvertrag kündigt, Gehälter kürzt oder Urlaubs und Weihnachtgeld streicht. In den weiteren Verhandlungen mit den Gewerkschaften werden dann die Pensionsfonds schmackhaft gemacht. Die Rente bringt es ja nicht mehr und die meisten Gewerkschaften fallen dann darauf rein.
Vielleicht starten Sie mal eine Umfrage bei Tarifsekretären und Betriebsräten. Das könnte aufschlussreich sein.Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich weder unsere Namen noch den des Versicherungskonzerns nenne.
Machen Sie weiter so.Mit freundlichen Grüßen
Eine Sympathisantin
Der dritte Hinweis
besteht aus einer Frage eines unserer Nutzer und der Antwort des Anwalts, der zusammen mit seinen Partnern das in der Meldung vom 27.4. erwähnte Urteil des Landgerichts München erstritten hat:
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Problem der Arbeitgeberhaftung bei der “Zillmerung” kann man elegant umgehen, indem Arbeitgeber und Versicherung eine gemeinsame Versicherungs-Vermittlungs-Agentur als GmbH gründen. Keine Ahnung, ob das den Arbeitgeber im Extremfall vor Schadensersatz schützt, aber das war das Ziel, das ich von zwei ehemaligen Arbeitgebern kenne. Vielleicht fragen Sie mal bei dem Anwalt aus Ihrem Gastbeitrag nach – das würde mich noch interessieren.Mit freundlichen Grüßen und weiter so
S. L., München
Und hier die Antwort von Rechtsanwalt Fiala:
Die “Idee”, dass Versicherer und Arbeitgeber eine gemeinsame Vermittlungsagentur gründen, ist nicht neu. Es gibt Arbeitgeber, die wissen wie viel Provision da verdient werden kann: Einige haben dann eine Vermittlungsagentur durch ein Familienmitglied gründen lassen – oder vom Versicherungsvermittler einen Teil der Provision zurück erhalten.
Aber dies alles nutzt in Sachen Zillmerung/Wertgleichheit gar nichts, denn da kommt es darauf an, dass das Arbeitsrecht den Mitarbeiter schützt: Daher ist also auf das Produkt zu achten – es gibt Produkte, bei denen nach 3 Jahren 10% der Beiträge “noch” vorhanden sind incl. “Zinsen”, und es gibt andere Produkte, da sind nach 3 Jahren eben 100% vorhanden.