Glos will Arbeitspflicht für alle Hilfeempfänger

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„Jeder Erwerbslose müsste einer regulären Beschäftigung oder einer öffentlich bereit gestellten Arbeit – in Art der Ein-Euro-Jobs – nachgehen, sonst würde er keine staatliche Unterstützung mehr bekommen. Wer einen normalen Job hat, dadurch aber zu wenig zum Leben verdient, bekäme einen öffentlichen Zuschuss: Der Staat würde sein Einkommen aufstocken, sodass er genauso viel erhält wie eine Bezieher des Arbeitslosengelds II.“
Die Ökonomen des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) glauben, dass die Pläne von Glos ein wahres Job-Wunder auslösen könnten. 1,4 Millionen Stellen für Geringverdiener könnten entstehen, wenn Glos sich mit seinen Reformvorschlägen in der Großen Kolaition durchsetzt. Zugleich könnten die öffentlichen Haushalte bis zu 25 Milliarden Euro pro Jahr sparen.

Dazu schreibt uns Michael Schneider: „Die SZ-Journalistin Nina Bovensiepen weist nicht einmal in einem Nebensatz darauf hin, dass der Vorschlag eines Arbeitszwanges für ALG-II-Empfänger gegen das Verbot des Artikels 12 Absatz 3 GG verstößt. Stattdessen zitiert sie ausführlich das Lob, das dem Wirtschaftsminister von Seiten des neoliberalen Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) zuteil wurde. Demnach sei Zwangsarbeit mit einer “Belebung des Arbeitsmarktes” und einem neuen “Job-Wunder” gleichzusetzen.
Makabere Fußnote: Der IZA-Direktor für Arbeitsmarktpolitik, Dr. Hilmar Schneider, hatte im Frühjahr 2006 auf einer Veranstaltung der Hanns Martin Schleyer Stiftung eine Versteigerung der Arbeitskraft von Hartz-IV-Empfängern vorgeschlagen“.

Man muss sich das begutachtende „unabhängige“ Institut zur Zukunft der Arbeit einmal genauer anschauen, dann wird einem klar, woher da der Wind weht.
Präsident ist Klaus Zumwinkel, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Post World Net. Die Deutsche Post AG hält das IZA aus.
Direktor ist Professor Zimmerman gleichzeitig Chef des DIW. Zimmermann posiert gerne in Anzeigen für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Er hat für die neoliberale Gleichschaltung des DIW gesorgt.
Direktor Policy Fellows ist der geschasste Bundesagentur-Chef Florian Gerster und heutige Headhunter und Vorsitzender des Investitionsbeirats des Private-Equity-Unternehmens Fortress https://www.nachdenkseiten.de/?p=1513 .
Dieses ach so unabhängige Institut errechnet also die 1,4 Millionen Stellen für Geringverdiener.

Michael Schneider verweist in einem Kommentar auf seiner Website zu Recht auf das Grundgesetz.
Dort heißt es:
Art. 12 Abs. 1: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“
Art. 12 Abs. 2 ergänzt: „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen Dienstleistungspflicht.“
Art. 12 Abs. 3 schließt ab: „Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“
Aber das Grundgesetz scheint ja für einen der Logik der Wirtschaftsinteressen verpflichteten Wirtschaftsminister, das Papier nicht mehr wert zu sein, auf dem es geschrieben ist. Arbeit egal zu welchem Preis wird zur Meta-Verfassungsbestimmung. Die Präambel des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ lautet für ihn: Ein Mensch ohne Arbeit (ob freiwillig und zu welchem Hungerlohn auch immer oder unter Zwang) ist ohne Würde.

Aber werfen wir mal unser Grundgesetz mit Glos und mit der SZ in den Papierkorb, dann wäre doch immer noch die Frage zu klären, wie kommen Glos und das IZA auf 1,4 Millionen Stellen für Geringverdiener und auf eine Einsparung von 25 Milliarden Euro?

Jeder Erwerbslos „muss(!)“ also „einer regulären Beschäftigung“ nachgehen. Wo sollte diese reguläre Beschäftigung denn herkommen? Nur dadurch dass er sonst „keine staatliche Unterstützung mehr bekommt“? Ist dadurch, dass er dann gegebenenfalls verhungert, klaut oder am Besten schwarz arbeitet ein einziger regulärer Arbeitsplatz geschaffen?

Wenn jeder Erwerbslose – wenn sofern er dann auch zu einem Niedrigstlohn immer noch keine „reguläre Beschäftigung“ hat – „einer öffentlich bereit gestellten Arbeit – in Art der Ein-Euro-Jobs – nachgehen muss“, dann müssten doch eigentlich gleich sämtliche Arbeitslosen, also etwa 4 Millionen und nicht nur 1,4 Millionen Stellen geschaffen sein. Oder rechnet man damit, dass die Differenz von 2,6 Millionen, die dann keine staatliche Unterstützung mehr erhält, schlicht durch verhungert oder durch Abtauchen in die Illegalität, Kriminalität oder sonst wohin verschwindet?

Das ganze Konzept des Wirtschaftsministers und des IZA hat nur eine Rationale:
Wenn der Lohn nur niedrig genug ist und gegen null strebt, bekommt jeder Arbeit und wenn das immer noch nicht reicht, dann zwingen wir den Rest in Ein-Euro-Jobs.
Damit ist das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt wieder hergestellt und die Arbeitslosigkeit verschwunden.

Und wenn dieses Gleichgewicht hergestellt ist, dann trägt die Wirtschaft und ihres wissenschaftlichen Mietmäuler ihren Wirtschaftsminister auf Händen.

Wie man am Beispiel der Süddeutschen Zeitung sieht, berichten die Medien darüber ohne auch nur den geringsten Anstand daran zu nehmen – oder besser: ohne jeden Gedanken darüber zu verschwenden.
Ist das Berichterstatterpflicht Frau Bovensiepen?
Das ist eher Zynismus oder das totale Ausschalten des Gehirns.