Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Ukraine
  2. Ungarn kämpft gegen Arme statt gegen Armut
  3. Deutsche Doppelmoral
  4. Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht
  5. Vermögensverteilung in Deutschland
  6. Münchhausen-Check: So viel Wahrheit steckt in Wagenknechts Banken-Bashing
  7. Volksabstimmung in der Schweiz: Ende der Wirtschaftshörigkeit
  8. Ulrike Herrmann: Achtung, Chlorhuhn!
  9. Öffentliche Bildungsausgaben steigen 2013 auf über 116 Milliarden Euro
  10. EFI-Gutachten: EEG fördert weder Klimaschutz noch Innovationen
  11. Exxon-Chef wehrt sich gegen Fracking nahe seinem Wohnhaus
  12. Seehofer lässt Kreidl fallen
  13. Deutschland verliert zu viele seiner Spitzenforscher
  14. Journalisten: Streiken im Keller

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ukraine
    1. Popular Uprising, Foreign Manipulation and Rising Fascism in Ukraine
      Political economist Aleksandr Buzgalin and international law professor John Quigley discuss the internal rivalries for power taking place within Ukraine, and the history of its relations with Russia
      Quelle: The Real News Network

      Anmerkung RS: Sehr informativ und differenziert. Aber leider nur auf Englisch.

    2. Faschisten wollen die Macht
      Regierungsbildung in Kiew verschoben. Machtkampf unter Putschisten
      Die faschistische Schlägertruppe »Rechter Block« will in der Ukraine an die Macht. Nach Angaben der der bisherigen Opposition nahestehenden Internet­zeitung Ukrainska Prawda hat ihr Anführer Dmitro Jarosch für seine Gruppierung einflußreiche Posten in den »Gewaltressorts« Inneres, Justiz und Verteidigung sowie das Kommando über die paramilitärischen Truppen des Innenministeriums beansprucht. Den Posten des parlamentarischen Kontrolleurs über die Generalstaatsanwaltschaft hat bereits der Justitiar der faschistischen Freiheitspartei, Oleg Machnitzki, übernommen.
      Unter dem Deckmantel einer »Rückbindung an den Maidan« haben sich die Faschisten einen weiteren Einflußkanal geschaffen. Mit parlamentarischer Unterstützung von Politikern der »Vaterlandspartei« verlangen »Vertreter des Maidan«, in allen Ministerien Staatssekretärsposten zu bekommen. So könnten sie Korruption kontrollieren, erklärte »Vaterlands«-Politiker Arseni Jazenjuk. Was er nicht sagte: Genauso können sie natürlich an dieser Korruption teilhaben und interne Mittel und internationale Hilfsgelder in die eigene Tasche stecken oder an ihre politischen Formationen weiterleiten. Jazenjuk ist in den letzten Tagen verstärkt als Wortführer »des Maidan« aufgetreten. Er versucht offenbar, seine Bekanntheit als Anführer der Proteste in eine neue politische Machtbasis zu verwandeln, nachdem seine Stellung in der »Vaterlandspartei« durch das Comeback von Julia Timoschenko geschwächt ist.
      Quelle: junge Welt

      Anmerkung C.R.: Der deutsche Außenminister Steinmeier hat mit dazu beigetragen, dass Faschisten in Europa wieder solonfähig werden könnten: Schließlich hatte er sich ohne Not auch mit dem “Swoboda”-Anführer in der Ukraine getroffen und verhandelt, was u.a. hier nachgelesen (mit Foto) werden kann: Vom Stigma befreit.

    3. Nato warnt Russland vor Eskalation in der Ukraine
      Während Putin die Einsatzbereitschaft seiner Armee im Westen prüft, warnt die Nato vor einer Eskalation. Die Souveränität der Ukraine müsse respektiert werden – “von allen, die es betrifft”
      Quelle: Die Welt

      Anmerkung AM: Der helle Wahnsinn.

  2. Ungarn kämpft gegen Arme statt gegen Armut
    Es sei heute für jeden Obdachlosen gesorgt, betonte die konservative Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban im Zusammenhang mit ihrer vielkritisierten Gesetzgebung, die Kommunen ermächtigt, Obdachlosen den Aufenthalt an vielen Orten zu verbieten. Tatsächlich ist die Zahl der Schlafplätze in Budapest in den letzten Jahren auf 6000 gestiegen. Damit fehlen aber immer noch Tausende von Betten. Behörden und Nichtregierungsorganisationen schätzen die Zahl der Betroffenen in Budapest aber auf mindestens 10 000. Dennoch seien die Notquartiere nur zu etwa 80 Prozent ausgelastet, heisst es seitens der Regierung. Lindeborg erklärt allerdings, dass die einigermassen akzeptablen Unterkünfte im Winter stets ausgelastet seien und Wartelisten führten. Lindeborg ist an diesem Tag im Krisendienst für die Stiftung Menhely (Obdach), der ältesten und wichtigsten unabhängigen Hilfsorganisation für Obdachlose in Ungarn Die Zahl der Obdachlosen habe in dieser Zeit, bedingt durch die Wirtschaftskrise, deutlich zugenommen, erklärt der Direktor Zoltan Aknai. Tausende von Ungarn hatten sich ab dem Jahr 2000 mit Fremdwährungskrediten verschuldet, die viele nach dem Absturz des Forint nicht mehr bedienen konnten. Sie verloren deshalb ihre Wohnung. Zudem wurden aus Kostengründen mehrere psychiatrische Kliniken geschlossen, darunter 2007 von der sozialistischen Regierung das grösste Institut Lipotmezö im II. Bezirk Budapests. Über 1000 Patienten standen über Nacht auf der Strasse. Viele von ihnen seien obdachlos geworden, sagt Aknai. Die Menschen, die sich von Obdachlosen gestört fühlten, sähen diesen Hintergrund oft nicht. Das Problem bitterer Armut ist in Budapest jederzeit sichtbar, im herausgeputzten Stadtzentrum ebenso wie an der Peripherie der Stadt. Menschen schlafen in Lüftungsschächten, wühlen in Mülleimern, betteln um ein paar Forint. Doch für Unmut in der Bevölkerung hätten nur wenige gesorgt, psychisch Kranke und Alkoholiker, sagt der Sozialarbeiter mit langjähriger Erfahrung. Diese benötigten ärztliche Hilfe. Das neue Gesetz aber gelte für alle, und es begegne einem sozialen Problem mit dem Strafrecht. Obdachlos zu sein, sei keine Wahl. Das Gesetz sei geeignet, die Wahrnehmung von Obdachlosen in der Bevölkerung negativ zu beeinflussen und diese zu stigmatisieren. Das Geld für Repression und Strafen könne man für die Problembewältigung besser gebrauchen. Balog spricht der Regierung den guten Willen gänzlich ab. Sie habe versprochen, gegen die Armut zu kämpfen, doch stattdessen kämpfe sie gegen Arme. – Im vergangenen September erliess das ungarische Parlament mit den Stimmen der konservativen Regierungspartei Fidesz ein Rahmengesetz, wonach die Kommunen nach eigenem Ermessen Zonen bestimmen dürfen, in denen Obdachlosen der Aufenthalt im Interesse der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung verboten ist. Der Aufenthalt an Orten, die zum ungarischen Weltkulturerbe gehören, ist ihnen grundsätzlich verwehrt. Im Widerhandlungsfall drohen Bussen, gemeinnützige Arbeit oder Freiheitsstrafen.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Als das Budapester Stadtparlament Ende letzten Jahres umfangreiche Sperrzonen für Obdachlose beschlossen hatte, ging die Meldung kritisch kommentiert durch die Presse. Das war es dann aber auch. Nun mag die Ausgrenzung von Obdachlosen nicht die Aufmerksamkeit erfahren wie die Zunahme antisemitischer Zwischenfälle, aber dem Wesen nach ist die Ausgrenzung von Obdachlosen eben auch Ausgrenzung. Freiheitsstrafen oder gemeinnützige Arbeit, warum nicht gleich Arbeitslager. Der schwarze Winkel lässt grüßen. Es ist bedauerlich, dass die EU auf solche Vorgänge nicht reagieren kann/will, aber seit Berlusconi wissen wir, dass das, was man europäischen Wertekanon nennt, vor allem auf dem Papier steht. Dass Orban dem Obdachlosengesetz sogar Verfassungsrang verlieh, weil ein ähnliches Gesetz vom Verfassungsgericht abgelehnt worden war, wen kümmert es. Die EU schreitet dann ein, wenn es um das Geld geht, präziser um das Wohl der Banken.
    Im NZZ-Artikel verweist Meret Baumann auf die vielen Obdachlosen, die Fremdwährungskredite nicht mehr bedienen konnten und deshalb obdachlos wurden. Vor zwei Jahren hatte Orban die Banken gezwungen, diese Kredite in Forint-Darlehen umzuwandeln. Daraus entstanden hohe Verluste für die Banken. Als sich Orban im Herbst letzten Jahres  erneut des Problems der Fremdwährungskredite (Abwertung des Forints) annehmen wollte, warnte EZB-Präsident Mario Draghi die ungarische Regierung, keine einseitigen Schritte zu unternehmen, um die Banken zu einer Umwandlung der Kredite in Forint-Darlehen zu zwingen. Diese Kredite wurden vor allem von ausländischen Banken angeboten, welche etwa 60 Prozent des ungarischen Finanzsektors kontrollieren. – Aber soll man schweigen, weil in Europa schon längst gilt: Banken vor Obdachlosen.

  3. Deutsche Doppelmoral
    Eine Kommission des Europarats wirft der Bundesregierung mangelnde Bemühungen im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung von Minderheiten vor. Wie es in einem Bericht der European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) heißt, der am gestrigen Dienstag veröffentlicht worden ist, ist das Niveau von Gewalt aus rassistischer oder lesben- und schwulenfeindlicher Motivation in Deutschland weiterhin “hoch”. Auch im Alltag seien zahlreiche Diskriminierungen zu verzeichnen. So trauten sich fast drei Viertel aller lesbischen, schwulen, bi- oder transsexuellen (LGBT) Schüler nicht, in ihrer Schule über ihre sexuelle Orientierung zu sprechen; die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeitsstelle zu erhalten, sinke um rund ein Viertel, wenn man sich in einem kleineren oder mittleren Unternehmen unter einem türkischen Namen bewerbe. Dabei sei zu konstatieren, dass die Bundesregierung sich diversen Gegenmaßnahmen verweigere; so habe sie etwa das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention bis zum heutigen Tag nicht unterzeichnet. Die Vorwürfe wiegen umso schwerer, als Berlin in wachsendem Maße die Diskriminierung von Minderheiten in anderen Staaten instrumentalisiert, um außenpolitisch Druck auf diese auszuüben. Die von der ECRI neu belegten doppelten Standards entlarven einmal mehr den instrumentellen Charakter der deutschen Menschenrechtspolitik.
    Quelle: german-foreign-policy.com
  4. Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht
    1. Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht ist unter den gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen verfassungswidrig
      Die Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht ist verfassungswidrig. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden. Unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen ist der mit der Sperrklausel verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und
      Chancengleichheit nicht zu rechtfertigen. Eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung kann sich ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Künftige Entwicklungen kann der Gesetzgeber dann maßgeblich berücksichtigen, wenn sie aufgrund
      hinreichend belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte schon gegenwärtig verlässlich zu prognostizieren sind. Die Entscheidung ist mit 5:3 Stimmen ergangen; der Richter Müller hat ein Sondervotum abgegeben.
      Quelle 1: Bundesverfassungsgericht Pressemitteilung
      Quelle 2: Urteil des Bundesverfassungsgerichts
    2. Entscheidung zur Drei-Prozent-Hürde: Urteil gegen Europa
      Drei Monate vor der Europa-Wahl hat das Bundesverfassungsgericht offenbart, welche Bedeutung es dem am 25. Mai zu bestimmenden Parlament beimisst: eigentlich keine. Die europäische Volksvertretung ist aus Karlsruher Sicht eine Schwatzbude, in der die möglichst präzise Abbildung des Wählerwillens viel wichtiger ist als die Mehrheitsbildung, weil das Parlament in den europäischen Entscheidungsprozessen ja ohnehin wenig zu sagen hat. Das Gericht sagt, dass man die Funktionen des europäischen Parlamentes und des Bundestages nicht gleichsetzen kann. Das ist richtig. Das Gericht ist weiter der Meinung, dass eine größere politische Rolle des Parlamentes zwar angestrebt werde, diese aber in den Anfängen stecke. Auch diese Lagebeschreibung ist korrekt, aber die Konsequenz daraus völlig unverständlich. Denn den Zustand, den das Gericht moniert, festigt es noch, weil eine weitere Zersplitterung die großen Fraktionen in noch mehr Kooperation zwingt. Wie soll das Parlament da sein Profil schärfen? Und warum hat Karlsruhe in den tatsächlich bedeutungslosen ersten drei Dekaden des Parlaments die Sperrklausel geduldet, verwirft sie aber in dem Moment, in dem das Parlament Einfluss gewinnen soll? Logisch ist das nicht.
      Das größte Problem an der Entscheidung besteht jedoch darin, dass das Gericht die Argumente für die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl allmählich selber sturmreif schießt. Bei der Europa-Wahl 2009 blieben 2,8 Millionen Stimmen für insgesamt 27 Parteien im Parlament unberücksichtigt. Das hält Karlsruhe nun nicht mehr für statthaft. Bei der Bundestagswahl 2013 indes reichten allein zwei Millionen Zweitstimmen für die FDP nicht für den Einzug ins Parlament, weitere zwei Millionen für die AfD ebenfalls nicht, eine Million für die Piraten auch nicht – und rund eine halbe Million für die NPD glücklicherweise auch nicht. Wenn Karlsruhe die Bedeutung, die es jetzt der Chancengleichheit zumisst, ernst nimmt, wird es diese gewaltige Diskrepanz künftig selbst mit den unterschiedlichen Rollen der Parlamente kaum noch rechtfertigen können.
      Quelle: SZ

      Dagegen: Weil jede Stimme gleich viel wert sein soll
      Das Bundesverfassungsgericht hat nach der Fünfprozenthürde jetzt auch die vom Bundestag ersatzweise eingeführte Dreiprozenthürde für verfassungswidrig erklärt. Aus demokratischer Sicht ist das zu begrüßen. Denn jede Prozenthürde verzerrt das Wahlergebnis. Nicht nur weil Stimmen für die kleinen Parteien nicht mitgezählt werden, vielmehr werden die Wähler schon abgeschreckt, überhaupt für kleine Parteien zu stimmen. Eine Wahl ohne Prozenthürden stellt sicher, dass jede Stimme gleich viel wert ist, und ist damit gerechter. Zwar gilt das Urteil nur für die Europawahl, aber es ist zu hoffen, dass langfristig auch die Legitimität der Fünfprozenthürde bei Bundestags- und Landtagswahlen ins Wanken gerät. Eine Dreiprozenthürde wäre dort auch schon ein Fortschritt.
      Quelle: taz

  5. Vermögensverteilung in Deutschland
    1. Vermögen in Deutschland: Durchschnittlich 83.000 Euro für jeden – aber höchst ungleich verteilt
      In keinem Land der Eurozone sind die Vermögen ungleicher verteilt als in Deutschland – Männer besitzen mehr als Frauen, Ostdeutsche nicht mal halb so viel wie Westdeutsche – Das Vermögen der Arbeitslosen ist um 40 Prozent geschrumpft – Die Zahl der Personen, die mehr Schulden als Vermögen haben, ist gestiegen
      Rund 83.000 Euro – so hoch ist einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zufolge das Nettovermögen, über das jeder Erwachsene in Deutschland im Durchschnitt verfügt. Allerdings sind die insgesamt rund 6,3 Billionen Euro Nettovermögen im Land auch weiterhin höchst ungleich verteilt: Während diejenigen, die zum reichsten Prozent der Bevölkerung zählen, ein persönliches Vermögen im Wert von mindestens 800.000 Euro besitzen, verfügt gut ein Fünftel aller Erwachsenen über gar kein Vermögen. Bei rund sieben Prozent der Erwachsenen sind die Schulden sogar größer als der Besitz. In keinem anderen Land der Eurozone liegt das Maß für Ungleichheit, der sogenannte Gini-Koeffizient, höher als in Deutschland. Gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, haben die DIW-Verteilungsforscher Markus M. Grabka und Christian Westermeier die neuesten Vermögensdaten der am DIW Berlin angesiedelten repräsentativen Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) für das Jahr 2012 ausgewertet und mit denen der Jahre 2002 und 2007 verglichen. „Insgesamt hat sich an der Vermögensverteilung im Land wenig geändert, die Ungleichheit verharrt auf hohem Niveau. Deutliche Vermögensverluste mussten allerdings die Arbeitslosen hinnehmen. Sie verfügten im Jahr 2002 noch über ein durchschnittliches Vermögen von rund 30.000 Euro, zehn Jahre später waren es nur noch etwa 18.000 Euro“, sagt Grabka.

      Im Jahr 2012 verfügten die Bürger ab 17 Jahren insgesamt über ein Bruttovermögen (ohne Fahrzeuge und Hausrat) im Wert von 7,4 Billionen Euro. Dem standen Schulden in Höhe von 1,1 Billionen Euro gegenüber. Den größten Teil des Vermögens macht mit 5,1 Billionen Euro der Grund- und Immobilienbesitz aus. Rund 40 Prozent der Erwachsenen bewohnen eine eigene Immobilie, ihr Vermögensanteil ist im Durchschnitt 141.000 Euro wert. Etwa zehn Prozent der Bürger besitzen andere Arten von Immobilien wie vermietete Wohnungen, Grundstücke oder Ferienwohnungen. Rund 47 Prozent der Erwachsenen besitzen Geldvermögen, im Durchschnitt waren es 29.000 Euro. Etwa 51 Prozent verfügen über Vermögen in Form von privaten Versicherungen oder Bausparverträgen, der Durchschnittswert lag bei 18.000 Euro.
      Einen signifikanten Anstieg gab es bei der Verschuldung: Im Jahr 2002 waren etwa 27,5 Prozent aller Erwachsenen verschuldet, zehn Jahre später lag der Anteil bei 32 Prozent. „Dabei muss man unterscheiden zwischen Konsumentenkrediten, die von immer mehr Menschen, aber in kleinerer Höhe aufgenommen werden, und Hypotheken, die von gleichbleibend vielen Menschen, aber mit höheren Summen aufgenommen werden“, so Grabka.

      Auch fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung zeigen sich deutliche Vermögensunterschiede zwischen Ost und West. Während Erwachsene in Westdeutschland im Schnitt 94.000 Euro Vermögen besitzen, sind es im Osten nur etwas mehr als 41.000 Euro. Der durchschnittliche Wert des selbstgenutzten Immobilienbesitzes liegt im Westen bei etwa 151.000 Euro, im Osten bei etwa 88.000 Euro. „Der Unterschied zwischen Ost und West zeigt sich erst mit fortschreitendem Alter“, erläutert Verteilungsexperte Grabka. „Während der Ausbildung oder zu Beginn der Berufslaufbahn sind alle relativ vermögensarm, erst ab Mitte 30 entwickeln sich die Besitzverhältnisse auseinander. Ältere Kohorten bleiben im Osten mit einem durchschnittlichen Vermögen von etwa 50.000 Euro deutlich hinter ihren westdeutschen Altersgenossen zurück.“ Da so auch der Nachlass für die nachfolgende Generation niedriger ausfalle, werden diese Unterschiede auch in künftigen Statistiken fortbestehen.
      Die Vermögen von Männern liegen den SOEP-Daten zufolge mit durchschnittlich 97.000 Euro rund 27.000 Euro höher als die der Frauen. Besonders gering fiel das Vermögen von Alleinerziehenden aus: Alleinerziehende mit zwei Kinder verfügten im Schnitt über ein Nettovermögen von 21.000 Euro, mit einem Kind lag es bei 35.000 Euro. Aber auch wenn die Eltern zusammenleben, sinkt das Vermögen mit steigender Kinderzahl: Ehepaare ohne Kinder besaßen durchschnittlich 108.000 Euro, mit einem Kind waren es durchschnittlich 63.000 Euro, mit zwei Kindern etwas mehr als 50.000 Euro, bei drei oder mehr Kindern sinkt es auf im Schnitt 44.000 Euro. Das höchste Pro-Kopf-Vermögen weisen alleinlebende Männer im Alter von 60 Jahren auf (150.000 Euro).

      Die Ungleichheit der Vermögen hat sich in den drei Beobachtungsjahren nicht verändert. „Sie verharrt auf einem international sehr hohen Niveau“, urteilt Grabka. „Nirgendwo in der Eurozone sind die Vermögen ungleicher verteilt als in Deutschland.“ Das Medianvermögen, also der Wert, der die reichere Hälfte der Bevölkerung von der ärmeren trennt, lag mit knapp 17.000 Euro wesentlich niedriger als das durchschnittliche Nettovermögen. Das reichste Zehntel der Bevölkerung besaß ein Nettovermögen von mindestens 217.000 Euro. In Ostdeutschland gehören Personen mit einem Vermögen von 110.000 Euro bereits zu den reichsten zehn Prozent, im Westen waren 240.000 Euro nötig. „Da die Menschen mit den größten Vermögen in solchen befragungsgestützten Statistiken unterrepräsentiert sind, fallen diese Zahlen tendenziell eher niedriger aus, als sie es in der Realität sind,“, sagt Grabka.

      Der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit misst, lag in Deutschland im Jahr 2012 bei 0,78. Je höher dieser Wert, umso größer ist die Ungleichheit. Bei einem Wert von eins ist die Ungleichheit maximal, bei Null ist sie minimal ausgeprägt. In Frankreich liegt er bei 0,68, in Italien bei 0,61 und in der Slowakei bei 0,45. Höher als in Deutschland ist die Vermögensungleichheit in den USA. Dort lag der Gini-Koeffizient im Jahr 2010 bei 0,87.
      Quelle 1: Pressemitteilung des DIW
      Quelle 2: Ausführlich DIW Wochenbericht 9/2014
      Quelle 3: Die DIW-Studie [PDF – 616 KB]

    2. Arme bleiben arm, Reiche werden reicher
      Nirgendwo in der EU ist das Vermögen so ungleich verteilt wie hier: Forscher des Wirtschaftsinstituts DIW zeigen, dass die Kluft in Deutschland zwischen Arm und Reich besonders groß ist. Wie viele Superreiche es tatsächlich gibt, wissen aber selbst die Forscher nicht.
      Gut ein Fünftel aller Erwachsenen in Deutschland verfügt über kein persönliches Vermögen. Bei sieben Prozent waren die Schulden sogar höher als das Bruttovermögen. Das geht aus einer neuen Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor.
      Demnach besaß das reichste Zehntel der Bevölkerung ein Nettovermögen von mindestens 217 000 Euro, beim reichsten ein Prozent waren es wenigstens 817 000 Euro. Es gibt laut der Analyse aber große Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland: So gehören in den neuen Bundesländern Personen mit einem Nettovermögen von mindestens 110 000 Euro bereits zu den reichsten zehn Prozent der Bürger ab 17 Jahren. Im Westen waren dafür knapp 240 000 Euro erforderlich.
      Dem Bericht zufolge konnten die oberen Einkommensgruppen zwischen 2002 und 2012 “ihren Vermögensbestand weiter ausbauen”. Bei den 30 Prozent Einkommensschwächsten habe sich das Vermögen in diesem Zeitraum dagegen nicht verändert.
      DIW-Forscher Markus Grabka weist jedoch darauf hin, dass die Arbeitslosen als einzige soziale Gruppe in den vergangenen zehn Jahren signifikant an Vermögen eingebüßt hätten. “Wir interpretieren dieses Ergebnis so, dass hier aller Wahrscheinlichkeit nach die Hartz-IV-Gesetzgebung wirkt, weil der Bezug dieser staatlichen Transferleistung erst dann möglich ist, wenn bis auf ein geschütztes Schonvermögen kein nennenswertes Vermögen mehr vorhanden ist”, sagt er.
      Quelle: SZ

      Anmerkung JK: Das muss man sich schon auf der Zunge zergehen lassen: Nirgendwo in der EU ist das Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Wesentlich dazu beigetragen hat ohne Zweifel die Einführung von Harz IV. Und diese Verelendungspolitik möchte Merkel zum Rollenmodel für ganz Europa machen. Und hierzu scheint Griechenland das Freiluftlabor abzugeben. Offensichtlich testet man dort aus wie weit man die Verelendung der Bevölkerung treiben kann.

  6. Münchhausen-Check: So viel Wahrheit steckt in Wagenknechts Banken-Bashing
    “Verluste werden sozialisiert, Gewinne privatisiert”, kommentiert Sahra Wagenknecht die Politik nach der Krise. Die SPIEGEL-Dokumentation macht den Faktencheck: Ergibt sich die hohe Staatsverschuldung aus der Sozialisierung privater Verluste?
    Sobald die Deutsche Bank in den vergangenen Jahren ihre Geschäftsergebnisse, mal besser, mal schlechter, verkündete, meldete sich Sahra Wagenknecht zu Wort.
    Gewinne der Deutschen Bank, so Wagenknecht, gäbe es nicht ohne den Steuerzahler. Ohne die Rettung der Hypo Real Estate oder die Bankenrettung in Irland und Spanien wäre die Deutsche Bank pleite.
    “Verluste werden sozialisiert, Gewinne privatisiert”, mit diesem Prinzip müsse “endlich gebrochen werden”. Mit solchen Worten forderte die prominente Linke die Überschüsse der Deutschen Bank für die Allgemeinheit ein.
    Folgen wir der Logik dieses nicht nur unter Marxisten beliebten Schlagworts, dann müssten wir in einer immer höheren und stärker risikobehafteten privaten Verschuldung und den daraus im Laufe der Zeit immer wieder resultierenden staatlichen Stützungs- und Rettungsaktionen eine wichtige Ursache für ansteigende öffentliche Schulden sehen.
    Eine im Februar im Aushängeschild deutscher bürgerlicher Ökonomie, dem “German Economic Review”, publizierte Untersuchung scheint nun genau diese alte linke Folgerung empirisch zu bestätigen. […]
    Fazit: Neue Studien zeigen, dass die private Verschuldung in den vergangenen 140 Jahren weitaus stärker angestiegen ist als die staatliche, und verweisen auf den privaten Sektor als den Hauptverantwortlichen für die wiederkehrenden Finanzkrisen. In der Folge erscheint die seit 1970 international stark anwachsende Staatsverschuldung zu einem nicht unwesentlichen Teil – aber natürlich nicht allein – als das Ergebnis privater Verluste. In dieser Hinsicht haben die Linken recht, selbst wenn man ihre politischen Folgerungen nicht teilen mag.
    Note: Zwei rote Sterne für Sahra Wagenknecht
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ein positives Urteil – erstaunlich genug.

    Ergänzende Anmerkung RS: In der Tat erstaunlich, aber nicht ohne abfällige Formulierungen im Bezug auf Wagenknecht und die Linken, wie z.B. „Wagenknechts Banken-Bashing“.

  7. Volksabstimmung in der Schweiz: Ende der Wirtschaftshörigkeit
    selbst wenn man unterstellen würde, dass alle Anhänger der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) Ausländerhasser sind, was nicht der Fall ist, würde dies das Resultat nicht erklären. Das Wählerpotenzial der SVP liegt bei 25 Prozent, aber doppelt so viele Schweizer haben Ja gesagt. Das Votum war vielmehr auch eine Entscheidung gegen hemmungsloses Wirtschaftswachstum um jeden Preis – und damit für Schweizer Verhältnisse gefährlich kapitalismuskritisch. Nicht von ungefähr prangte auf den SVP-Plakaten das sperrige Wort “Maßlosigkeit” und nicht die eingängige Vokabel “Fremde”. Erst allmählich dämmert es den Schweizern, wem sie eigentlich ihr Misstrauen ausgesprochen haben: ihrer Wirtschaft mit deren Unternehmen und Managern. Auch diesmal hatten der Industriellenverband Economiesuisse und die wirtschaftsnahen bürgerlichen Parteien die volkswirtschaftlichen Folgen einer Annahme der Einwanderungsinitiative in den schwärzesten Farben ausgemalt. Doch diesmal verfingen die Warnungen und Drohungen nicht.
    Die Personenfreizügigkeit nützt der Wirtschaft, lautete das Kernargument der Gegner. Wirklich?, fragten sich viele Wähler. Nützt sie nicht vielmehr einzelnen Unternehmen, die preisgünstig in einem unerschöpflichen Pool von Arbeitskräften fischen können? Wir aber zahlen den Preis, angefangen bei Unannehmlichkeiten im Alltag über Wohnungsprobleme bis hin zur Sorge um den Arbeitsplatz. Es ist schon das zweite Beispiel in kurzer Zeit, das zeigt, wie sehr der Rapport zwischen Bevölkerung und Wirtschaft aus dem Gleichgewicht geraten ist. Letztes Jahr überraschte das Volk seine Politiker, seine Unternehmer, das Ausland und vermutlich auch sich selbst, als es die Abzocker-Initiative guthieß, die Manager-Boni Kontrollen unterwirft. Der einst so mächtige Unternehmerverband hat sich von dieser Niederlage bis heute nicht erholt. Die neue Schlappe von vergangener Woche beweist es. Die nächste Nagelprobe droht schon im Mai, wenn die Schweizer über einen Mindestlohn befinden. Das Unwohlsein angesichts einer außer Rand und Band geratenen Wirtschaftselite, die nur die eigenen Mitglieder opulent zu entlohnen scheint, treibt indes nicht nur Schweizer um. Deshalb hat ihre Entscheidung in Europa ein derart lebhaftes, positives Echo ausgelöst. Von diesem Signal sollten Europas Eliten aufgeschreckt werden – und nicht von der Furcht vor dumpfer Fremdenfeindlichkeit.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein fast übersehener Artikel von Wolfgang Koydl, der darauf zielt, die Motive der Unternehmerschaft zu hinterfragen, die so offensiv für die Personenfreizügigkeit eintritt. In der Tat könnte man auch bei uns den Eindruck haben, dass die Unternehmensverbände seit jeher die einzig wahren Europäer wären. So treten sie z.B. ungeachtet der Vorbehalte der sie unterstützenden Unionspolitiker vehement für die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union ein. Dabei sollte man nie außer Acht lassen, dass das europäische Kapital sich kaum für die Politische Union und schon gar nicht für ein soziales Europa stark gemacht hat, sondern den vom ihm auch initiierten Europäischen Binnenmarkt vorantreibt, mit den vier Grundfreiheiten: freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit, freier Kapital- und Zahlungsverkehr. Wenn der BDI für ein Assoziationsabkommen mit der Ukraine eintritt, so geht es ihm noch viel weniger als einer Frau Merkel um die dortigen Notlage der Bevölkerung, sondern um die bequeme Erschließung neuer Märkte und, wie es Koydl schön formuliert, das preisgünstige Fischen in einem “unerschöpflichen Pool von Arbeitskräften”. Wie meinte noch der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Eckhard Cordes, als er mit die Kanzlerin und einer Wirtschaftsdelegation zum St. Petersburg International Economic Forum fuhr: “Wirtschaftspolitisch erhoffen wir uns vom St. Petersburger Wirtschaftsforum neue Impulse zur Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums in Europa. Eine gemeinsame Freihandelszone der EU mit Russland und den Ländern der Zollunion stärkt die Wachstumskräfte in Europa und muss langfristig unser Ziel sein. Es liegt im Interesse beider Seiten, die wirtschaftlichen Standards in Europa zu vereinheitlichen, Zollschranken abzubauen und Visa-Hürden zu beseitigen. Wir brauchen mehr Tempo bei diesem Prozess.” Die Politik mag meinen, sie betreibe so etwas ähnliches wie Geopolitik. Das Kapital kennt nur eine Richtung, Expansion, und verkauft diese als Streben nach Gemienwohl.

  8. Ulrike Herrmann: Achtung, Chlorhuhn!
    TTIP Die Kritiker mobilisieren gegen das Freihandelsabkommen – und beschwören falsche Gefahren herauf. Lobbyisten können sich freuen.
    Die Schlagworte sind bestens geeignet, um wütende Massen zu mobilisieren: Chlorhühnchen, Hormonfleisch, Genfood. Das klingt ekelig und soll ekelig klingen.
    Selbst Bundesbürger, die sich sonst nicht für Politik interessieren, haben vom “Chlorhühnchen” gehört, das angeblich auf deutschen Tellern landen soll, wenn die EU und die USA ein Freihandelsabkommen abschließen, das auf den Namen TTIP hört.
    In der Politik ist es wichtig, Begriffe zu besetzen, was der Anti-TTIP-Bewegung grandios gelungen ist. Es gibt nur ein Problem: Das Chlorhühnchen wird nicht kommen. Es steht gar nicht auf der Verhandlungsagenda.
    Für Europa werden die TTIP-Verhandlungen vom Handelskommissar Karel De Gucht geführt, der kein Interview auslässt, um zu versichern: “Ich werde keine europäischen Gesetze ändern, um eine Unterschrift unter das Abkommen zu bekommen“….
    Dennoch gibt Corporate Europe Observatory keine Entwarnung, im Gegenteil. Doch statt sich auf so konkrete Objekte wie Chlorhühnchen zu konzentrieren, macht die NGO eine prinzipielle Bedrohung aus: Sie warnt vor den Verfahrensweisen, auf die sich Amerikaner und Europäer verständigen könnten, um sich langfristig weiter anzunähern. Das Problem wäre also die Zukunft, nicht die Gegenwart.
    TTIP soll nämlich als “living agreement” gestaltet werden. Das Abkommen würde vorsehen, dass bei jeder neuen Gesetzesinitiative sehr frühzeitig geprüft werden muss, ob sie einen “wesentlichen” Einfluss auf den transatlantischen Handel hätte. Derartige Klauseln würden es den europäischen und amerikanischen Unternehmen erlauben, ihr Lobbying extrem auszuweiten, weil sie auf beiden Kontinenten ständig einbezogen werden müssten. Ob beim Umwelt- oder Verbraucherschutz: Immer müssten die Firmen gefragt werden. Doch für diese langfristige Bedrohung hat die Anti-TTIP-Bewegung noch keinen Begriff gefunden, der die Massen mobilisiert.
    Quelle: taz

    Anmerkung H.H.: Nicht alles in dem Artikel ist zutreffend: Daß de Gucht den Investorenschutz bei TTIP “vorerst auszuklammern” versprochen hat (aus den Verhandlungen), ist mitnichten eine “Beerdigung”, wie die taz-Autorin schreibt. Es ist der durchsichtige Versuch, die Sonderklagerechte für Konzerne aus dem EU-Wahlkampf herauszuhalten, weil sie den Charakter des Abkommens in seiner Unannehmbarkeit zu enthüllen besonders geeignet sind. Das könnte die Konservativen und Liberalen viele Stimmen kosten.

  9. Öffentliche Bildungsausgaben steigen 2013 auf über 116 Milliarden Euro
    Bund, Länder und Gemeinden haben für das Jahr 2013 Bildungsausgaben in Höhe von 116,6 Milliarden Euro veranschlagt, 4,6 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Bundesamt (Destatis) im Bildungsfinanzbericht 2013, der am 26. Februar 2014 veröffentlicht wurde. Der Bildungsfinanzbericht wurde vom Statistischen Bundesamt (Destatis) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Kultusministerkonferenz erstellt.
    Endgültige Angaben zu den öffentlichen Bildungsausgaben liegen derzeit bis zum Jahr 2010 vor. Demnach beliefen sich im Jahr 2010 die öffentlichen Bildungsausgaben auf 106,3 Milliarden Euro. Davon stellten der Bund 7,8 Milliarden Euro, die Länder 75,1 Milliarden Euro und die Gemeinden 23,4 Milliarden Euro bereit.
    Im Bildungsfinanzbericht sind neben den Bildungsausgaben der öffentlichen Haushalte auch die von Unternehmen, privaten Haushalten, der Bundesagentur für Arbeit und die vom Ausland finanzierten Bildungsausgaben sowie Forschungsausgaben enthalten. Die gesamten privaten und öffentlichen Ausgaben werden durch das konzeptionell umfassendere Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft dargestellt.
    Im Jahr 2010 stieg das Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft auf insgesamt 235,4 Milliarden Euro, das waren 10,6 Milliarden Euro mehr als 2009. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt entsprach dies einem Anteil von etwa 9,4 %. Nach vorläufigen Berechnungen erhöhten sich die Ausgaben im Jahr 2011 um weitere 7,6 Milliarden Euro, auf 243,0 Milliarden Euro. Dies entsprach 9,3 % des Bruttoinlandsprodukts.
    Von den Gesamtausgaben des Budgets für Bildung, Forschung und Wissenschaft entfielen im Jahr 2010 insgesamt 173,1 Milliarden Euro auf den Bildungsbereich, einschließlich der Ausgaben für Forschung und Entwicklung an Hochschulen in Höhe von 12,7 Milliarden Euro. Weitere 57,3 Milliarden Euro wurden für Forschung und Entwicklung in Unternehmen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ausgegeben. 5,0 Milliarden Euro entfielen auf Ausgaben für Museen, Bibliotheken, Fachinformationszentren und die außeruniversitäre Wissenschaftsinfrastruktur.
    Quelle 1: Statistisches Bundesamt
    Quelle 2: Bildungsfinanzbericht Ausgabe 2013 zum Download

    Anmerkung WL: In einer Pressemitteilung er Bundestagsfraktion der Grünen heißt es zu Recht: „Im Vergleich zu den festgestellten Bildungsausgaben für 2010 ist dies ein Anstieg von gerade mal 0,006 Prozent. Diese Stagnation ist ein Armutszeugnis. Eine Bildungsrepublik, wie Kanzlerin Merkel sie ausgerufen hat, sieht anders aus. Das Ziel, sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Bildung zu investieren, ist weit entfernt. Die Zahlen machen deutlich, dass größere Anstrengungen von Bund und Ländern nötig sind. Auch zeigen sie, wie überfällig die Abschaffung des Kooperationsverbotes ist: Die Kleinstaaterei in der Bildungspolitik ist kontraproduktiv und schädlich. Bund und Länder müssen endlich gemeinsam ihre Verantwortung für den notwendigen Ausbau des Bildungssystems übernehmen. Nur wenn das Kooperationsverbot endlich aufgehoben wird, kann der flächendeckende Ausbau der Ganztagschulen endlich umgesetzt werden…
    Und Ernst Dieter Rossmann, bildungspolitischer Sprecher der SPD erklärte: „Der Bildungsfinanzbericht zeigt, dass wir von dem Ziel sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung auszugeben, noch weit entfernt sind. Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist in Deutschland mit 5,3 Prozent weiterhin deutlich niedriger als im OCED-Durchschnitt mit 6,3 Prozent. Das ist beschämend, denn Bildung ist die Schlüsselressource unserer Gesellschaft, die nicht nur für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands von zentraler Bedeutung ist, sondern auch für die persönliche Teilhabe jedes Einzelnen in unserer Gesellschaft.
    Der Bildungsfinanzbericht bestätigt die Forderung der SPD nachdrücklich, dass 20 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung notwendig sind, um die Nähe des OECD-Durchschnitts zu kommen und mittelfristig sieben Prozent zu erreichen.
    Speziell Gemeinden und Länder, die mit rund 92 Prozent den Großteil der Bildungsausgaben in Deutschland finanzieren, müssen insbesondere im Zuge der Schuldenbremse in dieser Legislaturperiode entsprechend entlastet werden, um zumindest das jetzige Niveau der öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland halten zu können. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Mehrausgaben für Bildung in Höhe von sechs Milliarden Euro und die damit verbundene Entlastung auch der Länder und Kommunen sind damit ein unverzichtbarer Beitrag für die Arbeit der nächsten Jahre, aber bei weitem nicht genug, um die internationale Anschlussfähigkeit Deutschlands bei den Bildungsausgaben zu erreichen.“

  10. EFI-Gutachten: EEG fördert weder Klimaschutz noch Innovationen
    Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) sieht keine Rechtfertigung für die Fortführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).
    Das EEG mache den Strom teurer, trage aber weder zu mehr Klimaschutz bei noch habe es zu Innovationen geführt , so das Fazit der Experten in ihrem aktuellen Jahresgutachten.
    Quelle 1: Pressemitteilung [PDF – 24.5 KB]

    Anmerkung WL: Wir werden uns mit dem Gutachten noch ausführlich auseinandersetzen.

  11. Exxon-Chef wehrt sich gegen Fracking nahe seinem Wohnhaus
    ExxonMobil-Chef Rex Tillerson liebt die ländliche Beschaulichkeit seines Wohnortes Bartonville, etwa 50 Kilometer außerhalb der texanischen Ölmetropole Dallas. Der 61-jährige Tillerson und seine Frau besitzen dort nach Angaben des “Wall Street Journal” eine etwa 33 Hektar große Pferderanch und wohnen auf einem etwa 73.000 Quadratmeter großen Grundstück. Doch seit einiger Zeit gerät die Idylle in Gefahr. Schon länger suchen Öl- und Gasfirmen – darunter Exxon-Tochter XTO  – nach Rohstoffen in der Gegend und setzen dabei auf die umstrittene Fördermethode Fracking. Dabei werden Wasser, Sand und Chemikalien in den Untergrund gepresst, um die Brennstoffe zu extrahieren. Umweltschützer warnen vor Gefahren für das Grundwasser. Obwohl ExxonMobil mit diesem Geschäft selbst Milliardenumsätze macht und weltweit für die Fördermethode trommelt, sieht Tillerson das Treiben nahe seinem Hause skeptisch, berichtet die US-Zeitung. Konkret stören sich seine Mitstreiter und er an einem 49 Meter hohen Wasserturm, aus dem die Förderunternehmen vor Ort Nachschub beziehen. Die Anwohner fürchten demnach Lärmbelästigung und Gefahren durch Lastwagen, die große Mengen Wasser zu den Fördertürmen bringen. Nach Angaben seines Anwalts sorgt sich Tillerson vor allem um den Wert seines Grundstücks.
    Quelle: Spiegel Online
  12. Seehofer lässt Kreidl fallen
    Wochenlang hatte sich CSU-Chef Horst Seehofer um eine klare Ansage im Fall Jakob Kreidl gedrückt – am Montag schlug der Ministerpräsident dann zu. Im Parteivorstand ordnete Seehofer einen Rückzug Kreidls von der Kandidatur für den Miesbacher Landratsposten bei den anstehenden Kommunalwahlen an. Die verschiedenen Affären um den CSU-Politiker seien “jetzt nicht mehr eine persönliche oder lokale Angelegenheit”, sagte Seehofer nach der Sitzung. Sie hätten nun Auswirkungen für die ganze Partei. Die oberbayerische Bezirkschefin der CSU, Ilse Aigner, wollte Kreidl die schlechte Nachricht noch am Abend persönlich erläutern.
    Weil die Fristen für einen offiziellen Rückzug vom Stimmzettel für die Wahl am 16. März bereits abgelaufen sind, wird es nun zu einer höchst ungewöhnlichen Situation kommen. Für einen Ersatzkandidaten ist es nämlich schon zu spät. Kreidl bleibt also Kandidat. Seehofer will aber, dass der Landrat die verbindliche Erklärung abgibt, dass er eine Wahl nicht annehmen würde. Daran dürfe nicht gerüttelt werden, machte der Parteichef deutlich. “Es stimmt”, sagte er, “die CSU wird damit nicht den Landrat stellen.”
    Quelle: SZ

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: “Und täglich grüßt das Murmeltier”, könnte man angesichts der neuesten Posse um den CSU-Granden Kreidl mit einem Hauch Verzweiflung ausrufen. Es ist schier unglaublich, was sich hier abspielt: Plagiator, Initiator oder zumindest Nutznießer opulenter Geburtstagsfeiern, Schwarzbau-Herr. Und als ob das nicht alles längst genügen würde, wollte dieser Vorzeige-Kandidat erneut den Landrat geben.Ein weiteres Beispiel das zeigt, wie verkommen unsere so genannte Eliten sind.

  13. Deutschland verliert zu viele seiner Spitzenforscher
    Die besten deutschen Wissenschaftler gehen ins Ausland – und kommen nicht mehr zurück. Davor warnen Regierungsberater. Für Spitzenforscher sei das deutsche Forschungssystem derzeit nicht attraktiv genug. Darunter leide die Forschungsqualität in Deutschland, heißt es im aktuellen Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).
    Insgesamt hat Deutschland laut EFI-Bericht im internationalen Vergleich eine “eher mäßige” und “ernüchternde” Bilanz von Zu- und Abwanderung bei Wissenschaftlern aufzuweisen. Zwischen 1996 und 2011 sind 19.000 Forscher nach Deutschland gekommen, aber 23.000 sind ins Ausland gegangen. Mit einem negativen Saldo von 4.000 Abgewanderten liegt Deutschland im internationalen Vergleich lediglich an 19. Stelle und damit deutlich hinter vielen anderen OECD-Staaten.
    Besonders problematisch sind aus Sicht der Experten die Qualitätsunterschiede zwischen zu- und abwandernden Wissenschaftlern. Die Qualität eines Forschers wird daran gemessen, wie oft er in Fachzeitschriften zitiert wird. Auch diese Bilanz fällt für Deutschland klar negativ aus: Die Abwandernden sind im Schnitt besser als die Zuwandernden. “Die internationale Wissenschaftlermobilität führt tendenziell zu einer Reduktion der Forschungsqualität in Deutschland”, urteilen die Experten.
    Deutlich besser als Deutschland schneiden etwa die USA, die Schweiz, Dänemark und Kanada bei der Zu- und Abwanderung von Wissenschaftlern ab. Insbesondere die USA, die Niederlande und Großbritannien schaffen es, die besten ihrer ins Ausland abgewanderten Forscher ins Land zurückzuholen.
    Ganz anders ist die Situation in Deutschland: “Die Besten wandern ab, kehren aber nur selten nach Deutschland zurück. Sie verbleiben an attraktiven Forschungsdestinationen im Ausland”, schreibt die Kommission. Dort bilden sie in vielen Fällen die größte Zuwanderergruppe, etwa in den USA oder in mehreren europäischen Ländern wie zum Beispiel Dänemark, Großbritannien und der Schweiz.
    Die Experten fordern die Politik auf, das deutsche Wissenschaftssystem an der Spitze noch wettbewerbsfähiger zu machen und eine gute Grundfinanzierung und exzellente Projektfinanzierung für die öffentliche Forschung sicherzustellen, um mehr Spitzenforscher nach Deutschland zu holen. Deutschland muss sich stärker bemühen, internationale Talente zu gewinnen und insbesondere die besten jungen Wissenschaftler in der Doktoranden- und PostDoc-Phase nach Deutschland zu holen und zu halten. Die Einwanderungsregelungen für ausländische Forscher und ihre Familien sollten deutlich erleichtert werden.
    Quelle 1: Expertenkommission Forschung und Innovation EFI [PDF – 23.2 KB]
    Quelle 2: Das gesamte Gutachten [PDF – 4.6 MB]

    Anmerkung WL: Siehe dazu hier.

  14. Journalisten: Streiken im Keller
    Das Ansehen der Journalisten ist im Keller. Im Job-Ranking liegen sie auf Platz 29, kurz vor den Politikern. Das kommt nicht von ungefähr: Ihre Kundschaft glaubt ihnen nur noch eingeschränkt. Wenn überhaupt. Dann wird streiken schwer. Vor allem, wenn das Motto „Gutes Geld für gute Arbeit“ heißt. Ein notwendiger Weckruf…
    Noch nie haben die Verleger und ihre Manager derart dreist die Daumenschrauben angezogen. Bis zu 20 Prozent wollen sie die Einkommen ihres journalistischen Personals kürzen, ran ans Urlaubs- und Weihnachtsgeld, an die Altersversorgung und hin zu einer Entlohnung, gestaffelt nach regionaler Kaufkraft. Und dafür wollen sie immer mehr: Content für die gedruckte Zeitung, fürs Internet, für Facebook & Co., Fotos und Videos. Alles am besten gleichzeitig, von immer weniger Personal, was einleuchtet, weil den meisten von ihnen ohnehin egal ist, was drin- und draufsteht. Hauptsache billig. Dagegen müsste eigentlich Sturm gelaufen werden. Aber es geschieht nicht. Was geschieht, sind fruchtlose Verhandlungen zwischen Verlegern und Gewerkschaften, schon sieben seit August vergangenen Jahres.
    Einer jüngsten Umfrage zufolge rangieren Journalisten an 29. Stelle unter 32 Berufsgruppen, wenn bewertet wird, welche Jobs in Deutschland das höchste Vertrauen genießen. Ein schlechteres Ansehen genießen nur noch Werbeleute, Versicherungsvertreter und Politiker.
    Quelle: Kontext:Wochenzeitung

    Hinweis: In der aktuellen Kontext:Wochenzeitung finden Sie wieder eine Reihe interessanter Beiträge, u.a.:

    • EnBW-Deal: Anwaltskanzlei auf der Anklagebank: Freunde werden Stefan Mappus und sein Ex-Berater Martin Schockenhoff in diesen Leben nicht mehr. Mit einer Feststellungsklage will der frühere Ministerpräsident die Rechtsanwaltskanzlei Gleiss Lutz verpflichten, ihm „sämtliche Schäden“ zu ersetzen, die ihm aus dem EnBW-Deal bereits entstanden sind oder noch entstehen werden.
    • Fahnder Filius: Zum zweiten Mal wird demnächst ein Untersuchungsausschuss des Landtags den Versuch unternehmen, die Ereignisse des „Schwarzen Donnerstags“ aufzuklären. Zum ersten Mal sitzt einem solchen Gremium ein Grüner vor: Der Ulmer Abgeordnete Jürgen Filius.
    • Keine weiteren Fragen? Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat in einem Bericht die Beziehungen der rechten Terrorgruppe NSU im Südwesten zusammengefasst. Ergebnis: Der NSU habe im Land keine nennenswerte Unterstützung erfahren. Statt offenen Fragen der Vergangenheit nachzugehen, will der Landtag die Weichen für die Zukunft der Sicherheitsbehörden stellen.
    • Gysi unterstützt Petition: Die Deutsche Bahn soll nicht länger Verschiebebahnhof für Politiker sein, fordert Kontext in einer Online-Petition. Gregor Gysi, Chef der Linken-Bundestagsfraktion, unterstützt das Vorhaben.
    • Der Krieg als Geschäft: Der erste Weltkrieg ist im Netz angekommen. Pünktlich zum Jahrhundertjubiläum toben die letzten Materialschlachten des Grande Guerre im World Wide Web. Das große Sterben dient als Deko-Material für simple Ballerspiele.
    • Faires Futter im Napf: Die Drogeriemarktkette dm reagiert auf Vorwürfe, Produkte von Lieferanten mit zweifelhaftem Leumund im Sortiment zu haben. Nachdem Kontext über fragwürdige Arbeitsbedingungen beim Tiernahrungshersteller Deuerer berichtet hatte, hinterfragte der Drogeriekonzern die Situation der eingesetzten Leiharbeiter.
    • Das haut die stärkste Biene um: Peter Grohmann über das große Bienensterben, von Hummeln und chinesischen Facharbeitern.

    Kontext:Wochenzeitung, morgen am Kiosk, am Samstag als Beilage zur taz.

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!