“Die gelähmte Republik” – ein Phantom
Die Phoenix-Runde “Die gelähmte Republik” vom 4.10.2006 ist jetzt auch online abrufbar.
Phoenix hat in dieser Sendung die immer wieder bemühte Behauptung aufgegriffen, wir litten unter einer Reformblockade, Deutschland sei gelähmt. Siehe dazu auch den Tagebucheintrag vom 6.10.: „Die Ausreden der Reformer werden immer bunter“.
Ich wies in der Sendung darauf hin, dass man von einer politischen Lähmung wahrlich nicht sprechen kann. Von Kohl über Schröder bis zu Merkel sind eine Reihe von Entscheidungen für so genannte Reformen getroffen worden, meist solche, die man besser nicht getroffen hätte. Das Problem ist, dass die getroffenen Reformerentscheidungen anders als erwartet keine positiven Folgen haben. Im Gegenteil. Sie haben in vielfältiger Weise geschadet.
Es ist permanent reformiert worden. Hier einige Beispiele:
- Die Steuern für die höheren Einkommen und Unternehmen sind permanent gesenkt oder gar ganz gestrichen worden: Gestrichen wurden zum Beispiel die Vermögensteuer, die Gewerbekapitalsteuer und die Besteuerung der Gewinne bei Unternehmensverkäufen, also die Besteuerung der so genannten Heuschrecken. Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer wurde auf 42% gesenkt, die Körperschaftsteuer wurde abgesenkt, den Steuerflüchtlingen wurde Straffreiheit gewährt, der Versicherungswirtschaft wurden durch Änderung der Besteuerungsregeln mindestens 5 Milliarden € Steuern erlassen, und so weiter.
- Im Gegenzug wurde die große Mehrheit der Steuerzahler von der großen Koalition mehr belastet. Siehe dazu auch den Tagebucheintrag vom 2.10.: Eine gigantische Steuerumverteilung – Die Steuerbeschlüsse der großen Koalition spülen bis 2010 fast 140 Milliarden Euro zusätzlich ins Staatssäckel
- Die Mehrwertsteuer wird zum 1.1.2007 um drei Punkte erhöht.
- Das ÖPP-Beschleunigungsgesetz ist kurz vor dem Ende der Regierung Schröder noch schnell verabschiedet worden. Es erleichtert die Privatisierung öffentlichen Eigentums.
- Hartz I bis IV sind verabschiedet worden. Mit Hartz IV wurde das Vertrauen in die Arbeitslosenversicherung nachhaltig zerstört. Damit sind nicht nur die Arbeitslosen betroffen, den Arbeitenden ist ein wichtiger Rest an Sicherheit genommen worden.
- Das Erziehungsgeld ist durch ein Elterngeld ersetzt worden. Besserverdienende bekommen bis zu 1800 € Geld pro Kind. Kinder von Niedrigverdienern und Arbeitslosen sind dem Staat hingegen nur noch 300 € wert.
- Demnächst wird auch noch der Börsengang von Immobilienfonds und damit die Verschleuderung von öffentlichem und betrieblichem Wohnungseigentum erleichtert.
- Das Renteneintrittsalter wurde auf 67 Jahre erhöht.
- Und die Bundeswehr durfte nach Afghanistan, in den Kongo und jetzt auch in den Libanon.
Das ist doch eine „stattliche“ Bilanz! Wer angesichts dieser Liste von Lähmung spricht, leidet offensichtlich unter Sprachverwirrung. Nachbemerkung: Ich meine damit ausdrücklich nicht die Redaktion von Phoenix. Sie hatte nur aufgegriffen, was öffentliche gemachte Meinung ist.
Der jetzt bei der Diskussion über die Gesundheitsreform entstandene Eindruck von Lähmung folgt vor allem daraus, dass bilden eine sinnvolle Konzeption bei dieser Reform nicht erkennbar ist. Niemand weiß zum Beispiel ernsthaft zu erklären, was der Gesundheitsfonds soll und warum man neue bürokratische Einrichtungen schafft.