Nachtrag zum IMK-Report zu den Eckpunkten der Gesundheitsreform
Ein Leser hat uns Anmerkungen zu unserem Eintrag vom 02.08.06. zukommen lassen, die vor allem die Therapievorschläge des IMK-Reports, insbesondere die Forderung nach deutlich mehr Steuer- statt Beitragsfinanzierung kritisieren.
Der von euch veröffentlichte IMK-Report zur Gesundheitsreform ist sicherlich sehr interessant. Vor allem die Passagen, die auf die Ursachen der Probleme (sinkende Einnahmen infolge gesunkener Lohnsumme) hinweisen, sind sehr lesenwert; partiell auch die Kritik an der aktuellen “Reform”.
Nicht einleuchtend sind allerdings alle Therapievorschläge des IMK – insbesondere die Forderung nach deutlich mehr Steuer- statt Beitragsfinanzierung.
Die Gründe:
- Wenn die gesunkene sozialversicherungspflichtige Lohnsumme einer der entscheidenden Ursachen für das Einnahmeproblem ist, warum wird dann nicht zuallerst die Forderung erhoben, die massive Ausuferung der gesetzlich erleichterten sozialversicherungspflichtfreien Jobs (Mini-Midi-Jobs, Scheinselbständigkeit usw.) einzudämmen und so mehr Beiträge zu mobilisieren. Weiterhin könnte durch eine deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze mehr Einnahmen bei Besserverdienenden mobilisiert werden; der Übertritt zu PKV’s sollte deutlich erschwert werden. Außerdem könnte der Kreis der Versicherten durch eine Bürgerversicherung deutlich ausgeweitet werden und die Finanzstruktur der GKV durch mehr sog. “gute Risiken” verbessert werden. Auf der Ausgabenseite sind aktuell eindeutig die explodierenden Pharmapreise das größte Problem. Hier könnte durch eine wirksame “Positivliste” gegengesteuert werden.
- Das IMK spricht sich für eine Senkung der Beiträge aus und für höhere Einkommenssteuern und argumentiert dabei angebotspolitisch. Unterschlagen wird die verteilungspolitische Seite. Beiträge werden paritätisch (50:50) von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebracht. Bei den Einkommenssteuern sind die Unternehmen vollkommen außen vor und sparen Milliardensummen an Versicherungsbeiträgen, wenn die Sätze gesenkt werden. Angesichts explodierender Unternehmergewinne in den vergangenen Jahren einerseits und stagnierender bzw. rückläufiger Realeinkommen der Arbeitnehmer andererseits wäre eine Steuerfinanzierung (über die Einkommensteuer) eine weitere Umverteilung von unten nach oben und würde die Binnenkaufkraft erheblich einschränken.
Da das IMK ansonsten nicht so angebotspolitisch argumentiert sondern vor allem auf die schwache Nachfrage im Inland hinweist, bin ich hier doch überrascht. Entlastung der Unternehmer bei den Sozialbeiträgen und Belastung der Verbraucher mit höheren Steuern, das wäre (wie schon die Mehrwertsteuererhöhung) Gift für die Konjunktur.
Verwundert hat mich auch, dass das IMK Überlegungen zu einer Wertschöpfungssteuer bzw. höheren Unternehmenssteuern gar nicht erst anstellt. Wenn man verteilungspolitisch neutral weniger Beitrags- und mehr Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme will, dann gehört dies unbedingt zu den Überlegungen. Wer aber einseitig nur Verbrauchs- oder die Lohnsteuer erhöhen will, um die Beiträge zu senken, muss sich die Kritik gefallen lassen, dass er einer weiteren Umverteilung von unten nach oben – auch ungewollt – das Wort redet.