Über den Zusammenhang zwischen unseren „verpissten“ Autobahnparkplätzen und der neoliberalen Ideologie.
Unsere herrschenden Meinungsführer in der Wirtschaftspolitik kommen bei ihrer Ablehnung von Maßnahmen zur Stärkung der Binnenkonjunktur immer wieder auf die siebziger Jahre zurück und behaupten, damals sei ja bewiesen worden, dass die von Keynesianischem Denken geprägten Konjunkturprogramme und andere expansiven Maßnahmen nichts gebracht hätten.
Das ist in zweifacher Hinsicht eine falsche Wahrnehmung:
Erstens gab es damals schon ein Gezerre zwischen jenen politisch Verantwortlichen und Ratgebern, die antizyklische Maßnahmen des Staates und der Geldpolitik der Bundesbank für notwendig und richtig hielten, und jenen, die davon nichts mehr hielten. Beide Gruppierungen haben sich in der praktischen Politik wechselweise durchgesetzt. Es gab damals keine durchgehende wirtschaftspolitische Linie. Dies habe ich ausführlich in „Machtwahn“, Seite 88 ff. geschildert.
Zweitens waren die Konjunkturprogramme, soweit sie als Mittel der Wirtschaftspolitik eingesetzt wurden, um vieles erfolgreicher, als es heute dargestellt wird. Damals wurde die positive Bewertung übrigens auch von Wissenschaftlern und Instituten geteilt, die heute in das Horn der falschen Wahrnehmung blasen. Zur Performance der Konjunkturprogramme habe ich Einschlägiges in „Die Reformlüge“ geschrieben.
Die Ignoranz gegenüber der Sinnhaftigkeit öffentlicher Investitionen zur Konjunkturbelebung nahm damals auch obskure Formen an, mit Konsequenzen bis heute. Ein Freund, der schon damals in Diensten der Bundesregierung stand und bei den Verhandlungen um ein öffentliches Konjunkturprogramm nach der ersten Ölpreisexplosion zugegen war, hat mir die folgende amüsante Begebenheit berichtet:
„Bei den Verhandlungen zum Konjunkturprogramm zur Stärkung der Bauwirtschaft im Sommer 1975 ging es um schnell realisierbare und wirksame Projekte. Der Verkehrsminister präsentierte ein Projekt WC’s für alle Autobahn-Parkplätze. Der federführende Bundeswirtschaftsminister, vertreten durch Ministerialdirektor Hans Tietmeyer, lehnte das mit dem Hinweis ab, „er mache doch kein Scheißhaus-Programm“. Das Ergebnis kann man heute noch an jedem 2. Autobahn-Parkplatz bewundern.“
Der spätere Bundesbankpräsident, Staatssekretär bei Kohl und CDU-Mitglied Tietmeyer war schon damals einer der Matadoren gegen eine expansive Wirtschaftspolitik. Er hat im Hintergrund schon als Mitarbeiter der sozialliberalen Regierung gegen deren Grundlinie gearbeitet und dann wesentlich das Lambsdorff-Papier vom September 1982 beeinflusst – ein Dokument der neoliberalen Angebots-Ökonomen, das seit damals Stück für Stück umgesetzt wird.
P.S. und am Rande:
Hans Tietmeyer wurde später Staatssekretär in der Regierung Kohl und Bundesbankpräsident und danach Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen Bundesumweltstiftung. Sein Verständnis für Umwelt ist etwa so groß wie die für die Notwendigkeit von „Scheißhäusern“ auf unseren Autobahnparkplätzen. Oberster Boss der Bundesumweltstiftung blieb er auch, als Schröder Kanzler wurde. Fast noch 5 Jahre lang. Er blieb es sogar noch, als er im Oktober 2000 Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, dieser Kampforganisation der neoliberalen Bewegung in Deutschland, wurde. – So ohne Verstand war die Personalpolitik von Rot-Grün.
Auch daran sollten Sie denken, wenn Sie mal wieder an einer der Kloaken, genannt Parkplatz, anhalten. Hans Tietmeyer macht es möglich.