BSW-Regierungsbeteiligung verändert Abstimmungsverhalten im Bundesrat zu Waffenlieferungen und Sanktionen gegen Russland

BSW-Regierungsbeteiligung verändert Abstimmungsverhalten im Bundesrat zu Waffenlieferungen und Sanktionen gegen Russland

BSW-Regierungsbeteiligung verändert Abstimmungsverhalten im Bundesrat zu Waffenlieferungen und Sanktionen gegen Russland

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Seit 2023 wird im Bundesrat jedes Jahr ein sogenannter Entschließungsantrag eingebracht, der eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland sowie weitere Waffenlieferungen und Finanzhilfen an die Ukraine sowie deren EU-Mitgliedschaft fordert. Bisher wurde dieser Antrag immer einstimmig, auch von den Ländern mit Regierungsbeteiligung der Linkspartei, angenommen. Doch dieses Jahr haben erstmals die vom BSW mitregierten Bundesländer dem nicht zugestimmt. Und auch Sachsen hat sich erstmalig enthalten. Schafft es das BSW tatsächlich, wie zuvor angekündigt, über die Regierungsbeteiligung auf Länderebene Einfluss auf die Außenpolitik des Bundes zu nehmen? Von Florian Warweg.

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Am 14. Februar 2025 hatte der Bundesrat, initiiert unter anderem von Baden-Württemberg (Grüne, CDU), Mecklenburg-Vorpommern (SPD, Linkspartei) sowie Nordrhein-Westfalen (CDU, Grüne), und zwei Tage nach der Ankündigung der USA, dass sie einen Verhandlungsprozess mit Russland zur Beendigung des Krieges in der Ukraine eingeleitet haben, einen Entschlussantrag unter dem Titel „Entschließung des Bundesrates zum Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine“ (Drucksache 62/25) angenommen. Der Inhalt hat es in sich und ist aus mehreren Gründen höchst problematisch:

  1. In der aktuellen Entschließung plädiert der Bundesrat unter anderem für eine „effektive militärische“ sowie finanzielle Unterstützung der Ukraine „durch die EU und ihre Mitgliedstaaten“. Ebenso spricht das Verfassungsorgan der Länder sich für weitere „Sanktionen der EU gegen die Russische Föderation und deren konsequente Umsetzung“ aus. Die Russische Föderation müsse, so der Bundesrat, „weitere wirtschaftliche, finanzielle und diplomatische Konsequenzen“ zu spüren bekommen.
  2. Zugleich begrüßt der Bundesrat „die Fortschritte“, die die Ukraine „in den Bereichen der Rechtsstaatlichkeit und der Mediengesetzgebung“ angeblich gemacht habe soll und spricht sich für die Eröffnung von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine bereits in diesem Jahr aus. Doch die Realitäten in der Ukraine zeigen in eine ganz andere Richtung: Massive Korruptionsfälle und -vorwürfe, verwiesen sei exemplarisch auf den Fall des aktuellen Verteidigungsministers Rustem Umjerow, oder auch die ebenso massive Einschränkung der Pressefreiheit und politische Verfolgung sowie Repression von Regierungskritikern.

    Dazu kommt, dass, wer den ärmsten Staat Europas nun im Eiltempo in die EU aufnehmen will, dem deutschen Steuerzahler zuvor zumindest erklären sollte, wer diesen Schritt und mit welchen sozialen Einschnitten bezahlen und was dies die Bürger in den strukturschwachen Regionen Deutschlands an bisher gezahlten EU-Fördermitteln kosten wird. Doch nichts davon findet sich in dem Antrag.

  3. Gleichzeitig fehlt in dem Antrag jegliche Orientierung auf diplomatische Lösungsansätze des Konfliktes, für die eine Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen aller Beteiligten, also auch der russischen Seite, erforderlich wäre. So finden die Worte „Frieden“, „Waffenruhe/Waffenstillstand“, „Verhandlungen“ und „Diplomatie/diplomatisch“, in der Entschließung des Bundesrats kein einziges Mal Erwähnung.
  4. Die Ukraine-Resolution im Bundesrat wirkt nach den Ankündigungen der USA wenige Tage zuvor, dass Washington einen Verhandlungsprozess mit Moskau zur Beendigung des Krieges in der Ukraine begonnen habe, zudem völlig aus der Zeit gefallen und geradezu trotzig. Dass der Bundesrat die Resolution unverändert in dieser Form dennoch weiter abgestimmt hat, ist ein weiteres Zeugnis der anhaltenden Realitätsverweigerung in großen Teilen des bundesdeutschen Politikbetriebes sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene.
  5. Die Voten der Landesregierungen – von den BSW-mitregierten Bundesländern Thüringen und Brandenburg sowie der Enthaltung Sachsens abgesehen – für weitere Waffenlieferungen und Sanktionen ignorieren zudem die schwindende Unterstützung für diese Positionen in der Bevölkerung. Es ist in diesem Zusammenhang auch bezeichnend, dass unlängst der Chef des Chemieparks Leuna, Christof Günther, eine Wiederaufnahme russischer Gasimporte über Pipelines forderte, um „irreparable Schäden“ für Leuna zu vermeiden. Ebenso gilt der Ölraffineriestandort Schwedt, einer der wenigen Industriestandorte in einer weithin bereits deindustrialisierten und strukturschwachen Gegend, durch die Sanktionen in seiner Existenz gefährdet.

Diese „Jahrestags“-Entschließungen des Bundesrates gab es wie erwähnt bereits in den Jahren 2023 und 2024. Besonders auffällig ist hierbei die fragwürdige und widersprüchliche Rolle der Partei Die Linke. Sie war bzw. ist in diesem Zeitraum an den Regierungen Berlins (bis 2023), Thüringens (bis 2024), Bremens (bis heute) und Mecklenburg-Vorpommerns (bis heute) beteiligt. In diesem Zeitraum hat sie einige offizielle Gremienbeschlüsse gegen Waffenlieferungen gefasst. Doch in ihren aktiven Regierungsbeteiligungen im Bundesrat stimmte Die Linke bisher stets für diese Resolutionen und damit für immer weitere Waffenlieferungen sowie einen Text, in dem das Wort und Konzept „Verhandlung“ überhaupt nicht vorkommt. Ebenso legt die Linke aktuell in ihrem Bundestagswahlkampf den Fokus auf die steigenden Lebenshaltungskosten – hat aber gleichzeitig mit der jährlichen Zustimmung zu den Resolutionen die (völkerrechtswidrigen) Wirtschaftssanktionen, die vor allem die Energiepreise haben massiv steigen lassen, befürwortet und deren weitere Verschärfung gefordert. Die rot-rote Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern ist sogar im zweiten Jahr in Folge eine der Initiatoren dieser Resolution.

Bei aller Kritik, die man an den Regierungsbeteiligungen des BSW äußern kann, muss man durchaus anerkennen, dass das Bündnis unter Führung von Sahra Wagenknecht das Versprechen, das Thema Friedensverhandlungen mit Russland und Sanktionsabbau über ihre Regierungsbeteiligung auf Länderebene einzubringen und so einen Unterschied zu machen, bisher tatsächlich umgesetzt hat. Neben entsprechenden Initiativen auf Landesebene ist dieses Wahlversprechen durch Druck des BSW auf seine jeweiligen Koalitionspartner in Thüringen (CDU) und Brandenburg (SPD) jetzt auch auf Ebene des Bundesrats umgesetzt worden. Das ist, eingedenk der Tatsache, dass das BSW in beiden Fällen der kleinere Koalitionspartner ist, keine Selbstverständlichkeit. Dies zeigt auch das aufgezeigte bisherige Abstimmungsverhalten der Linkspartei im Bundesrat, die bisher immer brav für diese Bundesrats-Anträge für mehr Waffen und mehr Sanktionen gestimmt und diese sogar 2024 und 2025 proaktiv miteingebracht hat.

Titelbild: Screenshot Entschließungsantrag