„Konventionell“ – Eine kurze Klarstellung

„Konventionell“ – Eine kurze Klarstellung

„Konventionell“ – Eine kurze Klarstellung

Leo Ensel
Ein Artikel von Leo Ensel

„Konventionell“ klingt irgendwie harmlos. (Jedenfalls nicht bedrohlicher als „konventionelle Landwirtschaft“.) Geht es um Waffensysteme, sollte man sich allerdings klarmachen, dass dies nur deshalb der Fall ist, weil die Zerstörungskraft der thermonuklearen Bomben den Maßstab ins Unvorstellbare verrückt hat. Zur Erinnerung: Alle Kriege der Weltgeschichte – minus Hiroshima und Nagasaki – wurden „konventionell“ geführt! Von Leo Ensel.

Immer mal wieder wird uns von Politik und Medien im Zusammenhang mit der uns – und nur uns Deutschen! – für kommendes Jahr ins Haus stehenden (von Noch-Bundeskanzler Scholz mit den USA im Alleingang eingebrockten) „Nachrüstung 2.0“ beschwichtigend versichert, die zu stationierenden weitreichenden Hyperschallraketen und Marschflugkörper würden ja „nur“ konventionell bestückt.

Dazu wäre Folgendes anzumerken:

  1. Selbst wenn das stimmen sollte: Solche Maßnahmen lassen sich jederzeit korrigieren. Auch wenn sie heute „nur“ mit „konventionellen“ Sprengkörpern ausgestattet sein sollten, so können sie doch morgen heimlich, still und leise nuklear bestückt werden.
  2. Unabhängig davon: Entscheidend wird hier gar nicht sein, womit die Hyperschallraketen und Cruise-Missiles tatsächlich ausgerüstet werden, sondern was die gegnerische Seite – also die Russische Föderation und ihre Verbündeten – diesbezüglich annehmen wird. Entsprechend wird sie sich nämlich verhalten.
  3. Militärs aller Länder denken bekanntlich in „Worst Case“-Kategorien. Die Konsequenzen bezüglich einer russischen „präventiven Antwort“ kann sich daher jedes Kind an fünf Fingern abzählen.
  4. Dem Kreml dürfte es im Übrigen herzlich egal sein, ob von deutschem Boden aus russische Städte, Atomwaffenlager, Befehls- und logistische Zentren oder die Kreml-Bauten selbst nuklear oder „konventionell“ pulverisiert würden. (Das Gleiche würde auch für die entsprechenden russischen Präventiv- oder Vergeltungsschläge gelten.)
  5. „Konventionelle“ und nukleare Waffen bewegen sich gerade in einer gegenläufigen Entwicklung aufeinander zu: Zusätzlich zu den seit Jahrzehnten existierenden großen Atom- und übergroßen thermonuklearen Bomben werden zunehmend ‚kleine‘, sogenannte „Mininukes“ (mit variabler Sprengkraft zwischen einem Vierundvierzigstel und weniger als einem Drittel der Zerstörungskraft der Hiroshimabombe) produziert. Parallel dazu entwickelt man, jenseits jeglicher Abschreckungsfunktion, Szenarien für ihren tatsächlichen Einsatz, z.B. als Bunkerbrecher.

    Umgekehrt reicht die Sprengkraft bestimmter neuer „konventioneller“ Waffen längst an die bestimmter Nuklearsprengköpfe heran. (Laut Präsident Putin hätte allein der kinetische Aufprall der neu entwickelten, derzeit „nur konventionell“ bestückten Mittelstreckenrakete Oreschnik die „Zerstörungskraft eines Meteoriten“.) Die Grenzen zwischen nuklearen und „konventionellen“ Waffensystemen verschwimmen also zusehends.

  6. Dass das Wort „konventionell“ in unseren Ohren mittlerweile schon fast harmlos klingt, ist ausschließlich der Tatsache geschuldet, dass die existierenden Atom-, gar thermonuklearen Sprengköpfe – die größte jemals getestete Wasserstoffbombe hatte eine 4.000-fache (in Worten: viertausendfache) Sprengkraft der Hiroshimabombe – die Maßstäbe längst ins Unvorstellbare nach oben verrückt haben.
  7. Sämtliche Kriege der Weltgeschichte – minus Hiroshima und Nagasaki – wurden „konventionell“ geführt! Die Folgen sind bekannt.

Es lässt sich also auch mit „konventionellen“ Waffen einiges anrichten …

Mit freundlicher Genehmigung von Globalbridge.

Titelbild: Dresden 1945 – von den Amerikanern und Briten „konventionell“ zerstört … (Foto Richard Peter)