Parallelwelten: Merkel und Sarkozy feiern sich, während ihr Versagen offenkundig und gefährlich ist.
Gerade erschien eine Studie [PDF – 1 MB] der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema „Scheitert der Euro?“, die Sie zur Aufklärung über das Versagen der Verantwortlichen und über die Lösung der gravierenden Probleme nutzen könnten. Sie können die Studie hier bestellen: [email protected] oder selbstverständlich elektronisch weiterleiten bzw. ausdrucken. Es folgen in Abschnitt A. Informationen zum Inhalt der Studie von Klaus Busch. In Abschnitt B. versuche ich mit ein paar wenigen Anmerkungen zu erklären, wie die Verantwortlichen ihre schöne Scheinwelt zu erzeugen vermögen. Albrecht Müller.
Abschnitt A.
Wir zitieren einfach die Originalfassung der Zusammenfassung der Studie
„Scheitert der Euro?
Strukturprobleme und Politikversagen bringen Europa an den Abgrund“
KLAUS BUSCH vom Februar 2012:
- Die Defizite des Maastrichter Vertrages und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Staatsschulden sind als die entscheidenden Ursachen der Eurokrise zu betrachten.
- Krisen verschärfend wirkt sich ein mehrfaches Politikversagen aus. Es gründet in der Wirtschaftsphilosophie des Sparprimats, die die Anpassungsprogramme in Griechenland und Portugal, aber auch die Härtung des Stabilitätspakts sowie die im Dezember beschlossene »Fiskalunion« bestimmt. Die falsche »Therapie des harten Sparens« beschert Europa zu Beginn des Jahres 2012 eine Rezession, welche die Schuldenkrise weiter vertiefen wird.
- Als weiterer Kardinalfehler der Politik erweist sich der im Juli 2011 beschlossene Schuldenschnitt für Griechenland. Seitdem sind die Finanzmärkte außer Rand und Band. Die nachfolgenden Gipfel trugen durch das Verweigern einer massiven Intervention der EZB (Bazooka) sowie die stümperhafte Hebelung von EFSF und ESM weder zu einer kurzfristigen noch zu einer mittelfristigen Lösung der Krise bei.
- Die Analyse ergibt, dass nur durch Lösungsschritte jenseits von Maastricht, wie einer neuen Wachstumsstrategie, Eurobonds, einer Überwindung des Systems der Wettbewerbsstaaten, einer Reform der Finanzmärkte sowie einer supranationalen Europäischen Wirtschaftsregierung die Krise dauerhaft überwunden werden kann.
Die Analyse und die Vorschläge für Lösungsschritte entsprechen in weitem Maße dem, was Sie in den vergangenen Monaten auf den NachDenkSeiten lesen konnten. Wir haben vielleicht die Auseinanderentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und der Lohnstückkosten der einzelnen Euro Staaten etwas mehr betont, als es in dieser Studie geschieht. Die Differenzen sind jedoch gering.
Die Studie ist eine gute Zusammenfassung der Fehlkonstruktion Maastrichter Vertrag und vor allem auch der stufenweisen Fehlentscheidungen der Verantwortlichen und ihres Konzeptes zur Überwindung der Krise im Rahmen der Logik des Maastrichter Vertrages. Es wird gezeigt, wie mit der von Angela Merkel geprägten politischen Linie die Lage immer mehr verschärft worden ist.
Die Analyse geht bis zum Gipfel des Europäischen Rates und dem dort ausgehandelten neuen Vertrag für die Eurozone im Dezember 2011. Sie ist also sehr aktuell.
Der Autor bezeichnet die „Therapie des harten Sparens“ als falsch und nennt den im Juli 2011 beschlossenen Schuldenschnitt für Griechenland als Kardinalfehler. Damit wird nicht nur Angela Merkel, sondern auch manche linke Stimme kritisch betrachtet. Mit Recht.
Die Studie enthält brauchbare Tabellen und Daten, zum Beispiel zu den Staatsschuldenständen und ihrer Entwicklung seit Beginn der Finanzkrise.
Abschnitt B.
Das Meisterwerk der Angela Merkel: Die Erzeugung einer Scheinwelt.
Bei aller Kritik an unsere Bundeskanzlerin muss man mit Bewunderung feststellen, dass sie ihr Versagen und das Versagen der mit ihr verbundenen Personen und Gruppen meisterhaft zu verbergen vermag. Beispielhaft war dies am Montagabend im Heutejournal wieder einmal dokumentiert: eine gespenstische Sendung mit Interview des ZDF mit Sarkozy und Merkel und bei SpiegelOnline hier.
Auch in vielen anderen Medien wird immer wieder vermittelt:
- Deutschland ist einzigartig durch die Krise gekommen. Dass Arbeitslosenzahlen und Wachstumsziffern geschönt sind, spielt kaum eine Rolle.
- Das Deutschland von der Agenda 2010 bis zu den angeblichen Sparerfollgen wird als Modell verkauft.
- Obwohl das Scheitern der Spar-Versuche im Fall Griechenlands offenbar geworden ist und selbst Deutschland kein Vorbild an Haushaltsdisziplin darstellt, wird Deutschland als Modell dargestellt.
Die Methoden der Meinungsmache sind nicht neu, aber professionell eingesetzt:
- Übertreibung ist eine bewährte Methode. Man nennt das eigene Verhalten modellhaft. Selbst bei jenen, die diese Behauptung für übertrieben halten, bleibt hängen, dass die Politik so falsch nicht gewesen sein kann.
- Es ist eine bewährte Methode, sich selbst dadurch zu erhöhen, dass man andere niedermacht. Im konkreten Fall ist das gedemütigte und immer wieder kritisierte Griechenland der Hintergrund, auf dem Deutschland (und übrigens begrenzt auch Frankreich) als Vorbild erscheinen. Man wertet diesen Vorgang vermutlich nicht falsch, wenn man darin reine Wahltaktik vermutet.
- Dazu gehört offenbar auch eine grobe Sprache, ein spezieller Jargon und ein nicht mehr partnerschaftlicher Umgang mit anderen Völkern. Zum Beispiel: „Die Griechen müssen endlich liefern.“ Interessant auch, wie der Umgangston von Medien aufgenommen wird. Z.B. hier bei SpiegelOnline: „Euro-Retter nehmen Griechen in die Mangel“. In konservativen Kreisen ist dieser Umgangston übrigens nicht neu. So ähnlich gingen sie in den fünfziger Jahren mit den Russen und den Polen um.
- Es ist eine alte und bewährte Methode, zur Feier der eigenen Glorie Testimonials zu bemühen, also Zeugen, die bestätigen, wie großartig man ist. Im konkreten Fall haben Merkel und Sarkozy offensichtlich verabredet, dass sie gegenseitig die Funktion des Testimonials übernehmen, sich also gegenseitig hoch loben. Ein einfaches und billiges Prinzip. Aber wirkungsvoll.
- Ohne Unterstützung eines großen Teils der Medien ist der Aufbau der Scheinwelt nicht möglich gewesen. Es wird immer deutlicher, dass es kaum noch kritische Medien in Deutschland gibt. Angela Merkel ist die Verpflichtung der meisten Medien als Unterstützer inzwischen noch besser gelungen, als dies Kohl geschafft hatte. Es gibt kaum noch linksliberale Medien. Man hat den Eindruck, die Mehrheit richtet sich jetzt schon auf den Wahlkampf 2013 ein und befolgt die Grundlinien der Merkelschen Strategie.
Die Folgen für uns:
Wie leider immer wieder zu beklagen ist: Auf Versagen und Fehlverhalten folgen keine Sanktionen mehr; die politischen Entscheidungen werden immer schlechter; im konkreten Fall kann das sehr gefährlich werden, wenn der Euro scheitert. Selbst dann aber sind Frau Merkel und Herr Sarkozy fein raus. Dann sind ja die Griechen schuld, die nicht geliefert haben. Oder später die Portugiesen, die Italiener, die Spanier. Wer auch noch folgen wird, wenn der Euro im Falle Griechenlands gescheitert ist und die Spekulanten neues Blut riechen.