Bahnprivatisierung – Von Wortbruch redet niemand

Es ist so gekommen, wie zu befürchten, allerdings auch zu erwarten war: Entgegen einer breiten Mehrheit der Bevölkerung (70 Prozent) und entgegen einer Mehrheit der SPD-Mitglieder haben die SPD-Gremien für eine Privatisierung der Bahn votiert.

In einem sog. Holdingmodell sollen der Mutterkonzern und das Schienennetz zu 100 Prozent im Besitz des Bundes bleiben, an den Betriebsgesellschaften (Fahrbetrieb und Güterverkehr) sollen sich private Investoren mit bis zu 24,9 Prozent beteiligen können. Dagegen heißt des im Beschluss des Hamburger SPD-Parteitages: “Private Investoren dürfen keinen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben. Zur Erreichung dieses Ziels stellt die stimmrechtslose Vorzugsaktie die geeignete Form dar …eine andere Beteiligung privater Investoren lehnen wir ab.“ Wo bleiben jetzt die Gegner der Privatisierung? Fordern sie einen Sonderparteitag? Nein, die Vorstandlinke Andrea Nahles begrüßte den Beschluss und wirbt SPD-intern um Zustimmung – mit der merkwürdigen Begründung: Rettet Kurt Beck. Die Linke mag damit den Parteivorsitzenden retten, doch was nützt das schon, wenn die SPD mit diesem „Wortbruch“ weiter an Vertrauen verliert? Wolfgang Lieb

Es gibt auch keinen Grund, 24,9% der Bahn zu verscherbeln.

Heute wird berichtet, die SPD-Arbeitsgruppe habe sich auf den Verkauf von 24,9% der Zwischenholding für den Personen- und Frachtverkehr an private Anleger verständigt. Das ist der Fuß in der Tür. Wie wir auf den NachDenkSeiten schon oft belegt haben, gibt es keinen Grund für diese Privatisierung. Hier wollen einige am Börsengang verdienen und außerdem ihren Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Bahn verstärken. Und sie wissen ganz genau, dass dies die Öffnung der Tür ist für weitere Privatisierungen. Albrecht Müller.

Hinweise des Tages

(KR/WL)
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Rentner-Mobbing wegen 0,64 Prozent – „Generationenkrieg“ statt „Klassenkampf“

Ab 1. Juli 2008 sollen die Renten um 1,1 Prozent steigen. Nach der derzeit geltenden Rentenformel wären sie nur um 0,46 Prozent gestiegen. Mit diesem lächerlichen Anstieg wagte die Bundesregierung jedoch nicht vor die Rentner zu treten, deshalb hat sie den „Altersvorsorgeanteil“ (also den sog. Riesterfaktor) für zwei Jahre ausgesetzt und auf die Jahre 2012/2013 verschoben, was die Renten zusätzlich um 0,64 Prozent auf 1,1 Prozent erhöht. Mit der vorübergehenden Aussetzung des Riesterfaktors wird von den Gegnern dieser Rentenerhöhung ein Generationenkonflikt inszeniert. Das regelrechte Rentner-Mobbing lenkt von zwei viel entscheidenderen Problemen ab. Diese sind

  1. die aktuelle Einkommensverteilung, die sich im geringen Anstieg der Löhne und Gehälter im vergangenen Jahr um nur 1,4 Prozent auswirkt,
  2. und

  3. die Umdeutung der Debatte um mehr Verteilungsgerechtigkeit in der heutigen Gesellschaft zu einem Konflikt zwischen Jung und Alt: Statt „Klassenkampf“ nun also „Generationenkrieg“.

Wolfgang Lieb

Heilige Rentenformel

Die Kritiker der Rentenerhöhung, angefangen vom DIW, über die Junge Union, die Grünen bis zu den Arbeitgeberverbänden, werfen der Bundesregierung einen „kalten, willkürlichen Eingriff“ in die Rentenformel vor.

Wenn Sie einmal nachlesen wollen, wie viele „Eingriffe“ in die Rentenversicherung seit 1978 vorgenommen worden sind, dann müssen Sie die „Sozialpolitische Chronik“ der Arbeitnehmerkammer Bremen, zusammengestellt von Johannes Steffen, überfliegen. In 30 Jahren gab es 60 (sechzig!) Änderungen auf dem Feld der Rentenpolitik – in den letzten zwei Jahrzehnten meistens verbunden mit Verschlechterungen für die Rentner und Beitragszahler. Kaum eine dieser teilweise gravierenden Änderungen hat einen solchen Widerstand vor allem konservativer Kreise hervorgerufen wie die jetzt beschlossene Erhöhung um 1,1 Prozent (0,6 Prozentpunkte mehr als die nach der bisherigen Rentenformel vorgesehenen 0,5 Prozent). Schon daran kann man die Scheinheiligkeit dieser Kritik ablesen. Die Einführung des „Riester-Faktors“, der jetzt zwei Jahre ausgesetzt werden soll, war zumindest genauso „kalt“ und „willkürlich“ wie nun seine Aussetzung für (nur) zwei Jahre.

Die wesentlichen Änderungen in der Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie bei der Sozialhilfe (HLU) und der Grundsicherung für Arbeitsuchende – von den siebziger Jahren bis heute.
Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen [PDF – 1 MB]

Ein wirklich lesenswertes Dokument für alle, die den Sozialabbau der vergangenen Jahrzehnte einmal schwarz auf weiß nachverfolgen möchten.

Auch „Die Rheinpfalz“ gibt Kurt Beck zum Abschuss frei.

In Kurt Becks Heimatgemeinde Steinfeld erscheint wie in der gesamten Pfalz die Monopolzeitung „Die Rheinpfalz“. Auf deren erster Seite konnte der SPD-Vorsitzende am Sonntag früh lesen, dass die SPD seinetwegen untergehe und dies insbesondere deshalb, weil er „das Erbe Gerhard Schröders verweigert“. Beck habe die SPD an den Abgrund geführt, nicht Schröder. Da muss man sich angesichts der Fülle der verlorenen Landtags- und Kommunalwahlen in der Regierungszeit von Schröder und angesichts des Verlustes von sechs Ministerpräsidenten in seiner Regierungszeit die Augen reiben. Wir sehen eine Reihe von Gründen, den jetzigen SPD-Vorsitzenden zu kritisieren. Aber Beck für den Niedergang der SPD verantwortlich zu machen und das Scheitern Gerhard Schröders in eine Erfolgsstory umzudeuten, das ist schon höchste Kunst der Gehirnwäsche. Albrecht Müller.

Ein Alt-Bundespräsident als Volksverhetzer – der Sittenverfall beschleunigt sich

„Der hat gut hetzen, der hat ein dickes Polster“, meinte meine Nachbarin, als sie Roman Herzogs Äußerungen in der Bild-Zeitung las. Einer unserer Leser machte mich auf § 130 (Volksverhetzung) des Strafgesetzbuches aufmerksam. Text und Geist dieses Paragraphen passen auf die Warnungen Herzogs vor einer „Rentner-Demokratie“. Albrecht Müller

Lohnnebenkosten. Dazu 1. Volker Pispers und 2. ein Praktiker und Freund der NDS

Über Lohnnebenkosten wird maßlos dummes Zeug erzählt. Sie werden trotz Gegenaufklärung immer wieder ins Spiel gebracht, um Sozialstaatlichkeit abzubauen. Senkung der Lohnnebenkosten – das ist so etwas wie der neoliberale Zauberstab. Von Volker Pispers gibt es dazu ein einmalig gutes, aufklärerisches Stück. Und dann dazu noch eine kurze Erläuterung eines unserer Leser, der es in der Praxis mit Unternehmen zu tun hat. Albrecht Müller

Hinweise des Tages

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Zwischenergebnis der SPD-AG Bahnreform

Uns liegt ein Brief des Generalsekretärs der SPD mit dem Zwischenergebnis der SPD Arbeitsgruppe Bahnreform vor [PDF – 88 KB]. Wenn dort richtig notiert ist, was als Rest an strittigen Problemen bleibt, dann sieht es erwartungsgemäß düster aus. Im zweiten Spiegelstrich auf der Seite 2 des Ergebnisberichts wird der Eindruck erweckt, es sei nur noch strittig, ob DB Regio und/oder Fernverkehr der neuen Verkehrs- und Logistik AG (VuL) zugeordnet werden soll. Das ist doch nicht das Kernproblem. Auch wenn der Güterverkehr teilprivatisiert ist, haben fremde Investoren den Fuß in der Tür und bestimmen mehr und mehr, was bei der Bahn geschieht. Schon heute ist es ja glatt die Unwahrheit, was auf der gleichen Seite unten unter 3 steht: „Die DB AG hält mindestens 50,1% der Aktien an der VuL AG und sichert damit den beherrschenden Einfluss des Bundes.“ Albrecht Müller

Hinweise des Tages

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Verteilungsbericht des DGB für das Jahr 2008. Wir zitieren das Wichtigste in Kürze

Trotz des Konjunkturaufschwungs der Jahre 2006 und 2007 sind nicht nur nach den im vergangenen Jahr vorgelegten Zahlen aus amtlicher Statistik und Forschungsarbeiten unabhängiger Institute, sondern auch nach dem Empfinden der breiten Mehrheit der Bundesbürger die Unterschiede zwischen Arm und Reich eher größer geworden. Nur noch 15 Prozent der Bundesbürger sind laut einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung davon überzeugt, dass die Einkommensverteilung in Deutschland „im Großen und Ganzen gerecht zugeht“. Weit mehr als 50 Prozent halten die Einkommensverteilung dagegen für ungerecht. Trotz des kräftigen Wirtschaftswachstums der vergangenen zwei Jahre haben sich die Stimmung in der Bevölkerung und die Zufriedenheit mit der Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland kontinuierlich verschlechtert. Dies steht in krassem Gegensatz zu Erfahrungen in vorherigen
Aufschwungsphasen, in denen die Mehrheit der Deutschen stets die Einschätzung vertrat, die Boomzeiten würden zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen. Wolfgang Lieb

Die Logik des Herrn Prof. Raffelhüschen

In der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 8.4.08 versucht Prof. Raffelhüschen, der dort als „einer der renommierten deutschen Rentenexperten“ vorgestellt wird, den wahrheitsuchenden Lesern klarzumachen: „Es werden Rentengeschenke verteilt“. Negative Rentengeschenke gibt es freilich seit Jahren durch die Preisinflation für die Lebenshaltung der Rentner, die inzwischen doppelt so hoch ist wie die offiziell im Durchschnitt statistisch ausgewiesene.
Aber das kümmert den zitierten Rentenexperten wenig, denn er hat seine eigene Logik: Da die Beschäftigten dieses Jahr „nochmals 0,5 Prozent mehr für die private Altersvorsorge aufwenden“, „hätten die Renten in diesem Jahr nur um 0,5 Prozent steigen dürfen und nicht um 1,1 Prozent.“
Übersetzt heißt das: der Anstieg der freiwilligen privaten Rentenbeiträge von Beschäftigten begrenzt den zulässigen Rentenanstieg sämtlicher Bestandsrentner aller Altersstufen. Von Karl Mai

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