Hinweise des Tages (2)

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Unter anderem zu folgenden Themen: Die nervösen Beschwichtiger; das Wunder; warum der Euro nicht funktioniert; Gemeindefinanzkommission; wenn Menschen nur noch Müll sind; politische Führung in der „Postdemokratie“; Wirtschaftssenator Gedaschko tritt zurück; Bruchlandung der Strippenzieher; der doppelte Ramsauer; patentierter Brokkoli gehört Monsanto; Piraterie in Somalia dient vielen Interessen; China ist der stärkste Kapitalmagnet; Taliban-Offensive; Entwicklung in der Bildung verschlafen. (WL)

  1. Die nervösen Beschwichtiger
  2. Das Wunder
  3. Warum der Euro nicht funktioniert
  4. Gemeindefinanzkommission Arbeitsgruppe „Standards“
  5. Wenn Menschen nur noch Müll sind
  6. Wie man Ministerien zugrunde richtet
  7. Politische Führung in der „Postdemokratie“
  8. Primat der Politik sichern und Missbrauch von Wirtschaftsmacht verhindern: mit Whistleblowing
  9. Nochmals Bundesbank-Bericht
  10. Hamburgs Wirtschaftssenator Gedaschko tritt zurück
  11. Die Bruchlandung der Strippenzieher
  12. Der doppelte Ramsauer
  13. Glosse zu “Private Investoren bei der Bahn
  14. Patentierter Brokkoli gehört Monsanto
  15. DIW-Studie: Piraterie in Somalia dient vielen Interessen
  16. China ist der stärkste Kapitalmagnet
  17. Taliban-Offensive nahe Kunduz: Herausfordern, hinrichten, herrschen
  18. Klaus Klemm : “Wir haben die Entwicklung verschlafen”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die nervösen Beschwichtiger
    Die “Stresstests” für 91 europäische Banken, deren Ergebnis am Freitagabend veröffentlicht werden, sind eine Show, die der Vertrauensbildung dienen sollte. Solche Tests werden regelmäßig von der europäischen Bankenaufsicht durchgeführt. Neu ist nur, dass diesmal Ergebnisse veröffentlicht werden, eben damit das Vertrauen ins Bankensystem wieder zunimmt. Geprüft wird, wie Banken mit simulierten Krisen fertig würden. Worin diese bestehen könnten, muss freilich jedes mal neu prognostiziert werden. Nicht immer wird das simuliert, was später tatsächlich eintritt. Ein früherer Aufseher sagte, er könne sich nicht erinnern, “dass schon einmal etwas getestet wurde, was in der Zukunft wirklich Stress gemacht hätte”.
    Von Anfang an war die Nervosität groß und wurde die Gelassenheit, die man zur Schau stellen wollte, eher dementiert.Der allgemeine Eindruck, der sich aufdrängt, ist der, dass die europäischen Regierungen zwar immerzu behaupten, die Wirtschaftskrise sei bewältigt, in Wahrheit aber selbst fürchten, dass sie sich fortsetzen und wohl gar noch steigern kann.
    Quelle: der Freitag
  2. Das Wunder
    1. Nur ein paar Kleinigkeiten
      Die Einkaufsmanagerumfragen in Europa fallen großartig aus und verzücken die Anleger. Aber wieso sind die EU-Industriebestellungen dann auf dem Niveau von 2005 – und 17 Prozent unter der alten Spitze?
      Quelle: FTD
    2. Thomas Fricke – Kein Wunder
      Je heißer die Tage, desto mehr wimmelt es bei uns von (ökonomischen) Wundern und Sommermärchen. Das ist Quatsch. Die Erfolge lassen sich einfach erklären – und können bei falscher Handhabung bald vorbei sein.
      Das Ganze erinnert an den Sommer 2006… Damals galt bis weit ins Jahr, dass die deutsche Wirtschaft bestenfalls schwächeln kann. Da hieß es nach eingeübtem Standard, dass noch viel mehr reformiert werden müsse. Und als die Arbeitslosigkeit plötzlich fiel, war von Wundern und Sommermärchen die Rede – bis gewandte Großdenker der Republik auf die Idee kamen, die gerade noch als unzureichend gescholtenen Reformen doch als grandios umzudefinieren und damit den Aufschwung nachzuerklären.
      Vieles spricht dafür, dass eher die Dauerkrise 2001 bis 2005 missverstanden wurde…
      Zu den angeblichen Wundern 2010 zählt, dass hiesige Einkaufsmanager ihre Geschäfte als so gut einstufen wie sonst nur zu besten Zeiten – trotz Griechen und anderen Desastern. Und dass die kürzlich noch totgesagte Autoindustrie mehr Aufträge kriegt als vor dem Lehman-Schock 2008. Oder dass es in Deutschland fast so viele Erwerbstätige gibt wie damals, obwohl die Wirtschaftsleistung zwischendurch um fünf Prozent eingebrochen ist. Der Euro steht wieder bei 1,30 Dollar. Nicht einmal Hyperinflation haben wir, obwohl im Euro-Raum alle (deutschen) Prinzipien gebrochen wurden und die Notenbank, furchtbar, Staatsanleihen kauft, wie selbst ernannte Gralshüter zeterten.
      Je mehr sich die Schockstarre löst, desto mehr Geschäfte werden nachgeholt – was erklärt, warum die Industrie weltweit mittlerweile wieder mehr produziert als vor dem Lehman-Schock; oder dass der Welthandel fast wieder so hoch ist wie damals.
      Nur so ist auch erklärbar, warum die Deutschen so relativ glimpflich davonkamen.
      All das ist weder Wunder noch Märchen, teils eher Zufall – und Ergebnis glücklicher Wirtschaftspolitik. Das heißt auch, dass es kein Garant ist für fortgesetzte Wunder. Noch ist der Aufschwung zu frisch, um bei größeren Schocks nicht zu kippen. Da wäre es gut, Konjunkturhilfen bereitzuhalten.
      Quelle: FTD

      Anmerkung unseres Leser G.K.: Thomas Fricke schreibt:
      “Bei der nächsten Krise könnte es wieder interne Gründe, Überkapazitäten und Überhitzungen geben, die zu beheben sind. Dann könnte die Regierung Kurzarbeit noch so stark subventionieren – die Unternehmen würden eher entlassen, weil es nicht nur um Überbrückung eines Psychoschocks geht. Dann werden sie auch nicht mehr mit einem solchen Polster jahrelang gedrückter Löhne in die Krise gehen; dazu kam es diesmal nur durch den einschüchternden Mix aus Fünf-Millionen-Arbeitslosigkeit und Hartz-IV-Einführung. Wenn die Arbeitslosigkeit bald unter drei Millionen fällt, wird Personal in vielen Branchen zunehmend knapp werden – und die Löhne entsprechend steigen. Gut so.”

      Ob sich Thomas Frickes Hoffnung auf steigende Löhne in Deutschland Wirklichkeit wird, darf bezweifelt werden:

      • Für die im Jahre 2004 zur EU beigetretenen osteuropäischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn) gilt ab Mai 2011 die uneingeschränkte Freizügigkeit bei der Arbeitsplatzwahl in Europa. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die deutsche Wirtschaft die Arbeitnehmer aus den osteuropäischen Staaten als Druckmittel gegen die hiesigen Arbeitnehmer instrumentalisieren wird.
      • Auch der drastische Anstieg der befristet abgeschlossenen Arbeitsverträge gibt den Unternehmen ein potenzielles Druckpotenzial gegenüber den Beschäftigten an die Hand. Betrug der Anteil der im Jahre 2001 befristet abgeschlossenen Arbeitsverträge “nur” 32 Prozent, so erhöhte sich dieser Anteil bis zum Jahre 2008 auf 44 Prozent und im Jahre 2009 auf 47 Prozent.
      • Die deutschen Arbeitslosendaten sind massiv geschönt (siehe den NachDenkSeiten-Beitrag “Das angebliche Jobwunder
        Vergleicht man EU-weit statt der monatlich offiziell veröffentlichten Arbeitslosenquoten die umfassenderen Quoten der Unterbeschäftigung, dann verflüchtigt sich das von den Mainstream-Medien ausgerufene “Jobwunder”.

      Ulrike Herrmann (taz) zu dem ernüchternden Befund:
      “Es ist ein monatliches Ritual, das stets viel Aufmerksamkeit findet: die Präsentation der Arbeitsmarktzahlen. (…) Aber was sagen die Zahlen eigentlich? Was bedeutet es, dass im Mai etwa 3,2 Millionen Menschen offiziell arbeitslos waren? Nicht viel.
      Wie unvollständig die Zahlen der Bundesagentur sind, führte am Dienstag das Statistische Bundesamt vor, das die Unterbeschäftigung in Deutschland erhebt. Danach würden 8,6 Millionen Menschen zwischen 15 und 74 Jahren gern mehr arbeiten, als sie es derzeit tun. Dazu gehören nicht nur die 3,2 Millionen Erwerbslosen. Hinzu kommen 1,2 Millionen in der “stillen Reserve”, die sich durch Fortbildungen hangeln oder keine Kinderbetreuung finden. Dann gibt es Millionen Teilzeitbeschäftigte, die am liebsten ihre Arbeitszeit aufstocken würden. Auch manche Vollzeitkraft könnte sich Überstunden vorstellen, um den Verdienst aufzubessern.
      Es ist nicht trivial, welche Statistik von Politik und Medien beachtet wird. Zählt man nämlich nur die offiziellen Erwerbslosen, dann steht Deutschland unter den 27 EU-Staaten sehr gut da: Zuletzt war es Platz 7, wie die Bundesagentur ausweist. Wird jedoch auch die Unterbeschäftigung berücksichtigt, landet Deutschland plötzlich weit hinten – auf Platz 20.”

  3. Warum der Euro nicht funktioniert
    Etwas läuft grundsätzlich schief in Europa. Eine einheitliche Geldpolitik – der Euro – behandelt einen Wirtschaftsraum mit großen Unterschieden wie ein homogenes Gebilde.
    Quelle: Magazin Mitbestimmung
  4. Gemeindefinanzkommission Arbeitsgruppe „Standards“
    „Die Arbeitsgruppe „Standards“ wurde im Rahmen der 1. Sitzung der Gemeindefinanzkommission eingesetzt. Ziel ist, auf der Ausgabenseite auf der Basis einer
    Bestandsaufnahme Lösungsvorschläge zu den drängenden Problemen des kommunalen Finanzsystems zu erarbeiten und zu bewerten. Hierzu gehören zum einen Entlastungen durch mögliche Flexibilisierungen von Standards und zum anderen die Ausgabeentwicklung im Bereich Sozialausgaben.“
    Quelle: der Betrieb

    Anmerkung WL: Wieder einmal eine „Reform“ die im Wesentlichen die Kürzung von Sozialausgaben z.B. Mietkosten für Hartz-IV-Empfänger zum Ziel hat.
    Siehe dazu: „Politik im Defizit – Austerität als fiskalpolitisches Regime
    Siehe dazu die Kleine Anfrage der Fraktion der Grünen „Diskussion über Standards und Kürzung von sozialen Leistungen in der Gemeindefinanzkommission [PDF – 91 KB]

    Siehe dazu auch: Hartz-IV-Empfängern droht Mietschock Die Kommunen wollen künftig die Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger selbst festlegen. Zahlreiche Betroffene müssten sich dann wohl eine neue Wohnung suchen. Die Mietkosten zu senken ist nur ein Vorschlag für die klammen Kommunen. Die “Arbeitsgruppe Standards” hat in ihrem Zwischenbericht zahlreiche weitere Sparideen gesammelt: Behinderte könnten etwa nicht mehr kostenlos Bus und Bahn nutzen dürfen, und der Zugang zu Behindertenwerkstätten könnte für alle beschränkt werden, die einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben. Was von den über 200 anderen Ideen umgesetzt wird, ist offen – neben dem Arbeitsministerium müssen auch noch andere Fachressorts die Vorschläge prüfen.

  5. Wenn Menschen nur noch Müll sind
    Nick Flynn hat seinen verschollen geglaubten Vater durch Zufall in einem Obdachlosenasyl in Boston wiedergefunden. Im FR-Interview spricht der US-Schriftsteller über einen persönlichen Schock, die Verrohung seiner Landsleute und die schmutzigen Praktiken der CIA.
    Quelle: FR
  6. Wie man Ministerien zugrunde richtet
    Der frühere sächsische Datenschutzbeauftragte kritisiert Klientelwirtschaft in sächsischen Ministerien. Eine Verwaltung, die nach einer politischen Decke gestreckt wird, sei ein rechtsstaatliches Gräuel.
    Ganz deutlich aber hat die Korruption, mittlerweile durch Studien und Vergleiche anerkannter Organisationen belegt, in Deutschland zugenommen: Viele wichtige Entscheidungen gelten als „gekauft“. Größte Gefahr droht dabei vom Einfluss der politischen Parteien, die doch in der öffentlichen Verwaltung nichts zu suchen haben; ihren Auftrag begrenzt das Grundgesetz auf die „Mitwirkung an der politischen Willensbildung“. Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker stellte schon vor 25 Jahren fest: „Sie machen sich den Staat zur Beute.“
    Die Bereiche, die von Behörden gelenkt und beeinflusst werden, prägen das gesamte soziale Dasein. Deshalb muss das neutrale, gesetzmäßige und reibungslose, das verlässliche Funktionieren dieses Dienstes im Zentrum aller rechtsstaatlichen Bemühungen stehen. Den Ministerien kommt dabei eine vorbildhafte Funktion zu.
    Quelle: Sächsische Zeitung
  7. Politische Führung in der „Postdemokratie“
    Die postdemokratische Konstellation lässt sich nach Crouch durch vier Merkmale charakterisieren, die in zunehmendem Maße in westlichen Demokratien beobachtet werden
    können:
    Auf der formal-institutionellenEbene bleiben demokratische Institutionen und Prozeduren erhalten, so dass der Blick von außen, ohne Kenntnis des internen Prozesses der Demokratie, sie für normativ intakt halten würde; das entspricht jedoch nicht der Realität, da sie massiv an Bedeutung für die demokratische Entscheidung verloren haben.
    Daraus resultiert das zweite Merkmal der Postdemokratie, wonach Parteipolitik und der Wettkampf der Parteien um Wählerstimmen zunehmend von Inhalten, die später Regierungspolitik programmieren sollen, befreit werden. An die Stelle klarer Programmatik und der Diskussion politischer Handlungsoptionen treten personalisierte Wahlkampfstrategien.
    Die Inhalte der Politik werden drittens zunehmend von der „Firma“ bestimmt, also als Folge des Zusammenwirkens politischer und ökonomischer Akteure.
    Daraus folgt viertens, dass die Bürgerinnen und Bürger als Demos zwar nicht de jure, aber de facto entmachtet werden. Postdemokratie ist in diesem Verständnis eine Scheindemokratie im institutionellen Gehäuse einer vollwertigen Demokratie.
    Der seit dem Ende des Ost-West-Konflikts steigende Anteil „unzufriedener Demokraten“ – von Bürgern, die zwar überzeugt davon sind, dass Demokratie die beste Herrschaftsform ist, die jedoch Kritik an der Funktionsweise und Performanz der implementierten Demokratieform üben – ist wohl weniger auf einen Mangel an politischen Führern zurückzuführen als auf die Wahrnehmung einer nicht ausreichenden Responsivität. Belegt wird dies durch das sinkende Vertrauen in politische Institutionen und in die politische Elite sowie durch die massiven Ansehensverluste, die das Berufsbild des Politikers erlitten hat.
    Quelle: Aus Politik und Zeitgeschichte, bpb S. 9 ff. [PDF – 2.3 MB]

    Anmerkung: Arno Klönne schreibt dazu im Ossietzky: Eine lesenswerte Lagebeschreibung, die da im Fachjargon geliefert wird. »Postdemokratie« als gesellschaftliche Zukunft? Der Begriff verharmlost. »Post« bedeutet, wie der Lateiner weiß, einen Zustand nach dem Ende des vorhergehenden Zustandes. »Postdemokratie« wäre demnach ein politisches Entscheidungssystem, in dem die Demokratie abgeschafft ist, die Verpackung aber die alte bleibt, damit keine Aufregung entsteht.

  8. Dazu:

  9. Primat der Politik sichern und Missbrauch von Wirtschaftsmacht verhindern: mit Whistleblowing
    Beim Versuch, die Ursachen der Finanzkrise anzugehen und staatliche Kontrollmechanismen auszubauen, setzen die USA jetzt verstärkt auf ein Instrument, welches diesseits des Atlantiks noch weitgehend unbekannt ist: Whistleblowing. Nach Meinung des Whistleblower-Netzwerks sollten sich Politiker in Deutschland und Europa hieran ein Beispiel nehmen.
    Schon beim Entstehen der Finanzkrise hatte es immer wieder Whistleblower, also Brancheninsider, wie z.B. Harry Markopoulos oder Paul Moore gegeben, die frühzeitig auf Fehlentwicklungen aufmerksam gemacht haben. Leider hatten die Aufsichtsbehörden ihnen kein Gehör geschenkt. Stattdessen wurden sie von ihren Arbeitgebern abgestraft oder vor die Tür gesetzt.
    Quelle: Pressemitteilungen WebService

    Anmerkung WL: Auch die NachDenkSeiten bekommen öfters Tipps von Insidern, die aufgrund Ihrer beruflichen Stellung anonym bleiben möchten. Whistleblowing wäre wenigstens ein Element, mehr Transparenz herzustellen.

  10. Nochmals Bundesbank-Bericht
    Heiner Flassbeck schreibt uns dazu:
    Dieser Bericht ist wirklich ein Skandal ohnegleichen…die Bundesbank wirbt implizit für Deflation.
    Man müsste ihnen noch einmal unter die Nase reiben, dass ihr Ergebnis “Letztlich liegt der Schluss nahe, dass nicht die Leistungsbilanzdefizite per se die derzeitigen Probleme in den Peripheriel ändern generiert haben, sondern die volkswirtschaftlich ineffiziente Verwendung des vom Ausland bereitgestellten Kapitals.” ja wohl bedeutet, dass die sonst so weisen Märkte so dumm sind, dass sie dauernd schlechten Schuldnern Kredite zur Verfügung stellen.
  11. Hamburgs Wirtschaftssenator Gedaschko tritt zurück
    Gedaschko – seit rund dreieinhalb Jahren Senator – sagte, er habe Beust schon vor Wochen über seinen Plan informiert, in die Wirtschaft zu wechseln. Er habe nie bis zum Ende seines beruflichen Lebens Politik machen wollen, sagte der frühere Landrat im niedersächsischen Landkreis Harburg.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung WL: Immer mehr Politiker geben ihre Ämter auf und wechseln in die Wirtschaft und es ist schon üblich geworden, dass abgewählte oder ausgeschiedene Politiker bei der Wirtschaft anheuern oder sich als Berater von Wirtschafts- und Finanzunternehmen verdingen. Einmal abgesehen davon, dass dieser Drehtüreffekt Gefahren der politischen Vorteilsbeschaffung für die anheuernden Unternehmen heraufbeschwört, um nicht zu sagen ein hohes Risiko der politischen Korruption in sich birgt, der Hintergrund dürfte ein bedrohlicherer sein:
    Immer weniger werden politische Ämter – pathetisch gesprochen – als „Dienst an der Allgemeinheit“ betrachtet. Im Zeitalter, in dem Geld die Welt regiert und das Einkommen den gesellschaftlichen Status bestimmt, wird es für Politiker immer wichtiger mehr Geld zu verdienen als das in ihren Ämtern möglich ist. Und die Wirtschaft zahlt halt für weniger Ärger und weniger Aufwand um ein Vielfaches besser.
    Ein weiteres kommt hinzu: Politiker sind häufig Menschen, die Macht ausüben möchten. Mehr und mehr wird jedoch erkennbar, dass wirkliche Macht gar nicht mehr über die Politik ausgeübt wird, sondern durch Wirtschaftsmacht. Es ist daher naheliegend, dass gerade solche Politiker, die sich gerne als Alphatiere sehen, dort hingehen, wo sie wirkliche Macht haben und dazu noch viel Geld verdienen und Vergünstigungen in Anspruch nehmen können, die sie ohne öffentliche Kritik in ihren Ämtern nicht hätten in Anspruch nehmen können.

  12. Die Bruchlandung der Strippenzieher
    Eine Milliarde Euro soll die Luftfahrt zum Sparpaket beitragen. Die Branche kocht, doch langsam verliert sie an Einfluss – Schäuble rechnet bereits mit den Einnahmen.
    Warum muss der Chef der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft in einem Leitartikel gegen eine getroffene Entscheidung polemisieren, obwohl seinesgleichen sonst lieber jenseits der Öffentlichkeit Einfluss nimmt? Warum halten die großen Parteien und die Ministerialbeamten nicht mehr schützend ihre Hand über eine Branche, die sie sonst stets päppelten?
    Zwischen 1998 und 2009 verschliss die SPD fünf Minister im Verkehrsressort: Franz Müntefering, Reinhard Klimmt, Kurt Bodewig, Manfred Stolpe, Wolfgang Tiefensee. Matthias von Randow blieb. Der heute 51-jährige Sozialdemokrat diente fast ein Jahrzehnt lang an führender Stelle im Ministerium. Erst als Chef des Leitungsstabs, dann der Grundsatzabteilung, dann als Staatssekretär. Ende 2008 ließ ihn Wolfgang Tiefensee in der Affäre um überhöhte Bonuszahlungen für Bahnmanager fallen. Schon nach wenigen Wochen hatte er einen neuen Job – als Direktor für internationale Verkehrsrechte bei Air Berlin und “Bevollmächtigter des Vorstandes für Politik”.
    Pikant ist auch der Fall des CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus Brähmig: Der Vorsitzende des Tourismusausschusses beschäftigte in der vergangenen Wahlperiode einen Mitarbeiter, der gleichzeitig Pressesprecher der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen war. Als Süddeutsche.de dies öffentlich machte, erklärte Brähmig, er finde den Zweitjob “überhaupt nicht problematisch”.
    Auch finden viele Fachpolitiker nichts dabei, wenn die Branche alljährlich Bundestagsabgeordnete zum Expertenseminar nach Mallorca lädt. Offiziell geht es um Sachthemen. Doch Gratisflug und Hotel sind inklusive, Nähe zwischen Politikern und Lobbyisten sowieso.
    Schon von Berufs wegen haben viele Politiker großes Verständnis für die Branche. Sie zählen selbst zu den Vielfliegern. In der Affäre um privat genutzte Bonusmeilen musste 2002 der heutige Grünen-Chef Cem Özdemir vom Amt des innenpolitischen Sprechers der Fraktion zurücktreten, PDS-Mann Gregor Gysi nutzte die Affäre für den Absprung vom Amt eines Berliner Wirtschaftssenators. Die meisten Abgeordneten flogen mit dem Branchenführer Lufthansa.
    Es gibt kaum ein Bundesland, das nicht mit hoch subventionierten Regionalflughäfen Airlines anlocken will.
    Und es gibt kaum eine Branche, die der Öffentlichkeit eine so hohe Aufmerksamkeit zukommen lässt: Air Berlin gewährt seit Jahren Journalisten einen Rabatt von fünfzig Prozent auf private Flüge.
    Im Gegensatz zu anderen Branchen zahlen Fluggesellschaften keine Steuern auf den Treibstoff, sie müssen keine Zertifikate für ihre Emissionen kaufen, die Landegebühren auf kleineren Flughäfen werden oft von den Landesregierungen subventioniert, zudem entfällt für internationale Flüge die Mehrwertsteuer. Wenn die Branche ab 2012 in den EU-weiten Emissionshandel einbezogen wird, erhalten Airlines 85 Prozent der Verschmutzungsrechte gratis. Kein anderes Verkehrsmittel genießt so viele Privilegien, weder die Bahn noch das Auto.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: „Noch ist die Abgabe vom Bundestag nicht beschlossen, noch versucht die Branche, ihren Einfluss geltend zu machen“, schreibt die taz selbst. Mal sehen, ob Schäuble die Rechnung nicht ohne die Lobby gemacht hat.

  13. Der doppelte Ramsauer
    Verkehrsminister Peter Ramsauer als Vorkämpfer der Verbraucher? Nichts als Heuchelei, denn die Probleme bei der Bahn gehen auch auf sein Konto.
    Verkehrsminister Ramsauer ist derjenige in unserer Regierung, der sich unerschrocken auf die Seite der Schutzlosen und Entrechteten schlägt, kurz: der Verbraucher. Der gegen Unternehmensgier und kurzfristige Profitinteressen vorgeht.
    Der wilde, sonnengebräunte Typ, der einst als Chef der CSU-Landesgruppe gegen die Vätermonate (“Wickelvolontariat”) kämpfte. Der noch 2007 ablehnte, den Bahn-Börsengang zu verschieben. Der zusammen mit Bahn-Chef Grube unverdrossen die alte Vision von der Bahn als schlankem Global Player verfolgt.
    Jener zweite Ramsauer war es auch, der die Bahn erst kürzlich in die Lage brachte, noch mehr sparen zu müssen: einmal weil er als oberster Bahnaufseher nichts gegen den teuren Zukauf des britischen Unternehmens Arriva hatte. Zum zweiten, weil die Bundesregierung gerade jetzt Rendite von der Bahn AG sehen will, 500 Millionen im Jahr. Und das, wo sich nicht nur die Debakel häufen: Das Streckennetz wimmelt ohnehin vor Langsamfahrstellen, im Fernverkehr fehlen Reservezüge, manche Bahnhöfe lassen Besucher spontan glauben, sie seien in Rumänien gelandet.
    Ist jetzt also mit den 500 Euro für Hitzeopfer wirklich alles gut? Natürlich nicht. Wenn die Bahn auf Kurs bleibt, ist die nächste Panne schon fast in Sichtweite. Ein Verkehrspolitiker, der auf sich hält, muss sich in diesen Tagen noch einmal die alte Frage stellen, ob die Bahn in Deutschland nicht doch eine öffentliche Aufgabe erfüllt, bei der überhöhte Einsparungen und Renditeerwartungen nicht nur ein verkehrstechnischer GAU wären.
    Quelle: Zeit Online Reisen
  14. Glosse zu “Private Investoren bei der Bahn: Ich behaupte, dabei können am Ende viele gewinnen. Die Bahnkunden zum Beispiel.”
    Oliver Günther, HR vom 27. Oktober 2007 –
    Nach den aktuellen Geschehnissen muß man den Befürwortern der Bahnprivatisierung, für die exemplarisch Günthers schon etwas angestaubte Aussage steht, anerkennend die Hände schütteln. Ja, die Privatisierung würde Bahnkunden zu Gewinnern machen, zu gut gekühlten Gewinnern, die nicht wie Grashalme zusammenklappen, nicht in einem rollenden Dampfgarer durch die Lande zuckeln müssten. Die Bruthitze wäre nie und nimmer in Bahnwaggons eingezogen, wenn der Laden in Hand eines privaten Unternehmens wäre – da irren sich die Freunde der Privatisierung ausnahmsweise einmal nicht!
    Eine privatisierte Bahn hätte Hitzekoller und Zusammenbrüche vermeiden können; sie hätte dafür Sorge getragen, dass es so weit nicht gekommen wäre – jedenfalls nicht in diesem Ausmaß. Denn bei einem privatisierten Bahnunternehmen wären die Züge entweder so spät gekommen, dass viele Bahnreisende liebend gerne auf ein Zusteigen verzichtet hätten – oder bestimmte Bahnhöfe wären schon seit Jahren tot, sodass eine ganze Menge Bahnkunden erst überhaupt nicht in die Bredouille gedrängt würden, ein Bahnticket erwerben zu müssen…
    Quelle: ad sinistram
  15. Patentierter Brokkoli gehört Monsanto
    Eigentlich dachte man, das Patent auf Brokkoli gehöre einer kleinen englischen Firma. Doch auch hinter dem Brokkoli-Patent steckt Saatgut-Multi Monsanto.
    Das Patent auf Brokkoli, das im Moment vom Europäischen Patentamt überprüft wird, schien eine Ausnahme zu sein – ist es doch von der kleinen britischen Firma Plant Bioscience angemeldet worden. Nun aber stellt sich heraus: Auch hinter diesem Patent steckt Monsanto.
    “Unser Tochterunternehmen Seminis ist Lizenznehmer des Patents”, sagte Monsanto-Sprecher Andreas Thierfelder am Freitag der taz.
    Der Konzern ist der größte Produzent von gentechnisch verändertem Saatgut. Doch zunehmend meldet er auch Patente auf Pflanzen an, die wie der Brokkoli ohne Genmanipulation erzeugt wurden. Solche Pflanzen dürfen Züchter nur noch mit Genehmigung des Patentinhabers weiterzüchten und verkaufen.
    Quelle: taz
  16. DIW-Studie: Piraterie in Somalia dient vielen Interessen
    Der internationale Militäreinsatz gegen die Piraterie vor der Küste Somalias hat keine spürbare Abschreckungswirkung. Die Zahl der Piratenangriffe hat sich seit Beginn der Militäraktion sogar nahezu verdoppelt. Zugleich hat sich der Wirtschaftskreislauf der Piraterie so stabilisiert, dass er für die Beteiligten zu einem kalkulierbaren Geschäft geworden ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Die wichtigen Akteure in der Region haben ein Interesse am Fortbestehen der Piraterie, solange die Situation nicht eskaliert und die Lösegeldzahlungen im bisherigen Rahmen bleiben. Genau dazu hat aber der Marineeinsatz beigetragen“, sagte DIW-Expertin Anja Shortland.
    Die DIW-Studie untersucht die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Piraterie am Horn von Afrika. Zentraler Befund der Berliner Ökonomen: Die größten Hindernisse für eine Bekämpfung der Piraterie liegen in den geschäftlichen Interessen der Beteiligten. „Die Piraterie ist nicht nur für die beteiligten Somalier ein gutes Geschäft“, sagte Anja Shortland bei der Vorstellung der Studie. „Die Versicherer zum Beispiel machen gute Gewinne und verlangen deshalb von den Schiffseignern keine Sicherheitsvorkehrungen, die Kaperungen schwieriger machen würden. Man darf nicht erwarten, dass die Versicherungen an dem Ast sägen, der Ihnen diesen Versicherungsmarkt möglich macht.“
    Quelle 1: DIW Pressemitteilung
    Quelle 2: DIW Wochenbericht [PDF – 488 KB]

    Anmerkung Orlando: Eine schöne Wochendendlektüre: Der internationale Militäreinsatz als Stabilisierung der Erträge der Piraten- und Versicherungswirtschaft.

  17. China ist der stärkste Kapitalmagnet
    Entwicklungs- und Schwellenländer wie China und Indien gewinnen als Empfänger wie auch als Geber von Kapital eine immer größere Bedeutung für die Weltwirtschaft. Nach dem am Donnerstag vorgestellten Weltinvestitionsbericht der UN-Entwicklungsorganisation Unctad floss 2009 die Hälfte aller Investitionen in diese Volkswirtschaften. 2007 empfingen sie erst ein Viertel aller Investitionen.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wie üblich werden wieder einmal die Relationen zwischen den Wirtschaftsräumen kaum berichtet. So fließen in die EU Direktinvestitionen im Wert von 362 Mrd. USD, während Ostasien (Inklusive China) auf 155 Mrd. und Südamerika auf 55 Mrd. kommen. Allein Deutschland und Frankreich zusammen erreichen, obwohl krisengebeutelt, mit 95 Mrd. mit China Gleichstand. Die Verteilung der Direktinvestitionszuflüsse bleibt auch im Jahre 2009 höchst ungleich. Die Entwicklungsländer kommen kaum zum Zuge, der afrikanische Kontinent kommt nur auf 59 Mrd. Auch China hat bei Betrachtung der inländischen Direktinvestitionsbestände, wenn man die Größe des Landes berücksichtigt, noch einen beträchtlichen Aufholbedarf. So stehen dem deutschen Direktinvestitionsbestand im Wert von 702 Mrd. USD ein chinesischer im Wert von 473 Mrd. USD gegenüber.

  18. Taliban-Offensive nahe Kunduz: Herausfordern, hinrichten, herrschen
    Die Gewalt im Süden des Bundeswehrstützpunkts Kunduz eskaliert. Taliban haben eine Polizeiwache attackiert, sechs Polizisten enthauptet – als Zeichen der neuen Stärke. Die Region Baghlan droht von den Radikalen überrannt zu werden, die westlichen Truppen schlagen mit Kommandoaktionen zurück.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Kontrapunkt zur aufwendigen internationalen Konferenz in Kabul ließ nicht lange auf sich warten. Wenn der Auswahlort, Kabul, der Welt signalisieren sollte, dass die Aufständischen weder die Regeln im Land bestimmen noch über seine Zukunft entscheiden, so haben die Taliban vor allem der afghanischen Bevölkerung wieder einmal die Realität aufgezeigt. Wenn ein Sprecher der ISAF die Taliban mit den Worten verurteilt: “Dieses Ereignis demonstriert erneut die brutalen, barbarischen und sinnlosen Taten der Taliban”, wird nur allzu deutlich, dass die ISAF nur noch Worte zu bieten hat. Das Gesetz des Handelns liegt bei der afghanischen Guerilla. Das Grauen ist systemimmanent, wenn Menschen zum Krieg als ultima ratio greifen. Was der Sprecher der ISAF nicht sagt, ist, dass innerhalb der Rationalität des Krieges Furcht und Schrecken ein gängiges Mittel aller Beteiligten ist. Es ist die Strategie des Terrors schlechthin. Explizit “Schock and Awe” nannten die USA ihre Strategie im Irak.
    Allein die Aufzählung der im Irakkrieg eingesetzten Waffen der US-Armee und der von ihnen erzielten Wirkung macht die Brutalität und Barbarei heutiger Kriege deutlich.

  19. Klaus Klemm : “Wir haben die Entwicklung verschlafen”
    Bildungsforscher Klaus Klemm erklärt, warum eine längere Grundschulzeit wichtig für die Gesellschaft ist und was bei der Lehrerausbildung falsch läuft.
    Quelle: SZ

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