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Wahlen

Bundespräsident Köhler begreift seine Rolle nicht – dafür ergreift er einseitig Partei

Statt seine Ermessensentscheidung zu begründen, warum er dem Vorschlag des Bundeskanzlers folgt, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen, malt Bundespräsident Horst Köhler ein parteipolitisch gefärbtes Bild der Lage des Landes und fällt politische Urteile, die seinem Amt nicht zustehen und die mit der allein zu entscheidenden Frage, ob der Misstrauensantrag des Bundeskanzlers dem Wortlaut und dem Geist der Verfassung entspricht, kaum etwas zu tun haben.

Die Kampagne gegen die Linkspartei läuft auch in der ZEIT

Auch die sich liberal und intellektuell gebende ZEIT stimmt in den Chor derjenigen ein, die durch die neue Linkspartei den politischen Mainstream bedroht sehen und folgt der von den verängstigten Parteien vorgegebenen Tonart: Das Linksbündnis würde sich rechtsextremer Sprache bedienen, es würde sich der Realitätsverweigerung, es sei rückwärtsgewandt und betreibe „sozialpopulistische Anbiederung“. Es ist schon beachtenswert, wie es einmal mehr funktioniert, dass – wie auf ein geheimes Kommando hin – in den sogenannten meinungsprägenden Medien die selben Klischees, emotionalisierende und personalisierende Urteile und persönlichen Angriffe aufgetischt werden. Sie finden im folgenden Links zu fünf Beiträgen in der ZEIT.

Peter Conradi ehrenwert, aber auf dem grünen Auge blind

Die Frankfurter Rundschau veröffentlichte am 9.7. einen Beitrag von Peter Conradi, in dem dieser ehemalige Bundestagsabgeordnete begründete, warum er seine Mitgliedschaft in der SPD ruhen lässt. Seine Begründung ist schlüssig – genauso wie seine Forderung nach einer Kurskorrektur der Politik der Bundesregierung. Nicht schlüssig ist seine Ankündigung, bei einer Bundestagswahl im Herbst 2005 die Grünen zu wählen.

SPD als Phönix aus der Asche – Gibt es eine Vergebung des Wählers ohne Buße?

„Wir haben Vertrauen in Deutschland“ heißt es im Wahlmanifest der SPD, die entscheidende Frage bei den möglichen Neuwahlen wird aber sein, ob Deutschland noch oder wieder Vertrauen in die SPD hat. Ob die SPD mit einem neuen optischen Erscheinungsbild in den Zeitungsanzeigen dieses Vertrauen zurückgewinnen kann? Ob das mit einem Wahlmanifest gelingen kann, das den Eindruck erwecken soll, als stünde es dank der SPD über Nacht in Deutschland alles zum Besten, als wäre die siebenjährige Regierungszeit eine einzige Erfolgsgeschichte gewesen und als schwebte die SPD auf einer Woge der Zustimmung? Ob die Wählerinnen und Wähler der SPD ohne Buße und Reue über die Zumutungen durch die zurück liegende Agenda-Politik eine weitere Wahlabstrafung erlassen wird?

Schröder gewinnt an Misstrauen – eine Groteske im Deutschen Bundestag

Der Bundeskanzler hat die Misstrauensabstimmung im Deutschen Bundestag „gewonnen“. Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern hat er damit nicht gewonnen. Obwohl um die Begründung des Antrages nach Art. 68 GG viel Geheimniskrämerei betrieben wurde, hat man Neues nicht erfahren. Über die wahren Ziele, die Gerhard Schröder mit der Vertrauensfrage verfolgte, kann man mangels einer plausiblen, geschweige denn in sich stimmigen Begründung weiter nur spekulieren.

Die Koalitionsvereinbarung in NRW: Eine konservative Fortschreibung der Modernisierungspolitik

Die Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP wurde auf den jeweiligen Parteitagen ohne weitere Debatten nahezu einstimmig angenommen. Kein Wunder: Was da auf 65 Seiten aufgeschrieben wurde, ist das Papier nicht wert, auf dem der Text gedruckt wurde, denn alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter einem Haushaltsvorbehalt. Ansonsten finden wir nahezu alle Tarnwörter, die im Augenblick im konservativen Falschwörterbuch aufgeführt sind.

„Lohnt es sich, die SPD zu ruinieren?“

So lautete die Frage über einer „Außenansicht“ von mir in der Süddeutschen Zeitung vom 20.06.04. Manchmal lohnt sich der Blick in frühere Texte. Leider ändert sich die Politik kaum. Damals schrieb ich: „Die Medien sagen, eine Kurskorrektur wäre dem Bundeskanzler nicht möglich. Er würde alle vor den Kopf stoßen. Ich bestreite nicht, dass dies schwer für ihn sein wird. Aber er hat keine andere Wahl. Die jetzt gewählte Alternative ist noch um vieles schlimmer: der weitere Niedergang des Landes, neue Verluste für die SPD, Zweidrittelmehrheit für die Union nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen in 2005. Der Trost, den die SPD-Führer verbreiten, schmeckt fad: Es würde sich noch zeigen, dass die Agenda 2010 auch den „kleinen Leuten“ zugute käme. Das ist fadenscheinig.“

Ein Befreiungsschlag für die neoliberale Ideologie – und für Schröder persönlich

Seit gestern Abend denke ich darüber nach, was die strategischen Überlegungen von Schröder und Müntefering sein könnten, wenn sie für den Herbst Neuwahlen vorschlagen. Auch beim bestem Willen kann ich nicht erkennen, dass dieser Coup unserem Land oder der SPD helfen könnte. Die „geniale Vorwärtsverteidigung” (Politologe Falter) hilft allenfalls Gerhard Schröder, dann aber bestimmt der Union und FDP und vor allem der neoliberalen Bewegung. Sie ist der wahre Gewinner dieses angeblichen Befreiungsschlags; sie muss den fälligen Bankrott ihrer politischen Konzepte nicht erklären, im Gegenteil, für sie besorgt der Gerhard Schröder ein neues Votum für die nächsten vier Jahre. Der Union und der FDP macht er damit das Bett. Und einer kommenden Oppositionspartei SPD nimmt Gerhard Schröder die Chance, die dann von Angela Merkel betriebene konservative Fortsetzung der neoliberalen Reformen grundsätzlich in Frage zu stellen und zu kritisieren.

Mit vorgezogenen Neuwahlen will Schröder davon ablenken, dass er für den historischen Niedergang der SPD verantwortlich ist

Das Wunder blieb aus. Die SPD erzielt mit 37,1 Prozent in NRW ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 50 Jahren; mit 5,7 Prozent ist sie so weit abgestürzt wie noch bei keiner Landtagswahl. Die SPD ist mit ihrem Agenda-Kurs an der Mehrheit der Bevölkerung auf ganzer Linie gescheitert. Schröder hat seine Partei bundesweit an die Wand gefahren. Um zu verhindern, dass seine Person und sein Kurs von seiner Partei in Frage gestellt wird, zwingt er wie ein politischer Hasardeur Rot-Grün in vorgezogene Neuwahlen im Herbst dieses Jahres. So hofft er, bei einer voraussehbaren Niederlage der SPD auch noch im Bund sein persönliches politisches Scheitern auf seiner Partei abladen zu können.