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Sozialstaat

Links blinken, rechts regieren – Geißler demonstriert seine strategischen Fähigkeiten (Von wegen Sozialdemokratisierung der Union IV)

Ich bewundere den früheren Generalsekretär der Union als großen politischen Strategen, und ich wundere mich immer wieder über jene, die auf seine Strategie hereinfallen. Dazu gehören viele vermeintlich progressiven Zeitgenossinnen/en. Deshalb muss man dankbar dafür sein, wenn dieser große Politikstratege seine Strategie – einschließlich beachtlicher Mängel in der Sache – selbst offen legt. Zur Demonstration reichen einige wenige Absätze eines Interviews mit Focus vom 9. Juni. Siehe dazu hier und Auszüge in Anlage A. Albrecht Müller

Rolf Dietrich Schwartz zum 70. Geburtstag

Wer die „Bonner Republik“ noch bewusst miterlebt hat, der kam an Rolf Dietrich Schwartz nicht vorbei. Der studierte Volkswirt – seit 1972 als Bonner Parlamentskorrespondent der damals noch wirklich „links-liberalen“ Frankfurter Rundschau – war über fast drei Jahrzehnte ein mutiger und von den Politikern gefürchteter Kämpfer für den Sozialstaat und gegen die damals schon vorangetriebene Umverteilungspolitik der schwarz-gelben Koalition unter Helmut Kohl. Und er war einer der wenigen Wirtschaftsjournalisten, die schon vor langer Zeit der herrschenden neoliberalen Wirtschaftslehre theoretisch fundiert und faktenreich ihr Scheitern vorhersagte. Wolfgang Lieb

Die Arbeitslosigkeit und die Tafeln gleichzeitig abschaffen! – eine realistisch-unrealistische Utopie

Fast 900 Tafeln versorgen vor allem in den Städten die Armen Bürgerinnen und Bürger mit notwendigen Lebensmitteln. Die Tafelbewegung gehört zu den erstaunlichsten Sozialen Bewegungen der Republik. Das Lob für die Tafeln ist politikübergreifend überschwänglich, menschenwürdige Versorgung und bürgerschaftliches Engagement haben eine scheinbar gute Verbindung gefunden. Aber in Wahrheit ist der Erfolg ambivalent: Die Blüte der Tafeln ist gleichzeitig der Niedergang des bröckelnden Sozialstaats. Von Peter Grottian

rbb manipuliert mit Miegels Hilfe

Bisher hatte ich geglaubt, der Wahnsinn finde irgendwo eine Grenze. Es stimmt nicht. Gestern lief im ARD Magazin Kontraste ein Beitrag, der das Maß zugleich an Ignoranz wie auch an faktischer Manipulation noch einmal steigerte. Der Titel “Wachstum ade – Wo und wie muss Deutschland sparen?” lässt ahnen, wohin der Hase läuft: Propaganda für die weitere Verarmung des Staates und des Volkes gepaart mit der Ignoranz für die Gefahr verstärkter Arbeitslosigkeit und Deflation. Näheres gleich. Albrecht Müller

Neuorganisation der Job Center – Messlatte sind Betreuung aus einer Hand und Integration in den Arbeitsmarkt

Neuorganisation der Job Center – Messlatte sind Betreuung aus einer Hand und Integration in den Arbeitsmarkt
Die jahrelange Hängepartie bei der Reform der Job Center geht ihn eine neue Runde. Im nachfolgenden Beitrag warnt die ehemalige DGB-Vizechefin und frühere Vizepräsidentin der Bundesagentur für Arbeit, Ursula Engelen-Kefer, davor, die nach dem Kompromiss zwischen CDU und SPD weiterhin zulässigen sog. Optionskommunen sogar noch auszuweiten. Nach ihrer Auffassung wäre das der Weg zurück in die arbeitsmarktpolitische Kirchturmspolitik vor dem Arbeitsvermittlungsgesetz des Jahres 1927 – mit zersplitterten lokalen Arbeitsnachweisen. Im Zeitalter der Europäischen Integration sei dies geradezu ein Schildbürgerstreich. Der Bundesrechnungshof habe festgestellt, dass das Interesse eines Teils der Länder und Kommunen an der alleinigen Verantwortung für die Betreuung von Hartz IV vor allem wahltaktischen Erwägungen entspringt. Das bringe zwar viel Geld für lokale Wirtschaft und Bildungs- wie Beschäftigungsträger, aber die betroffenen Menschen spielten dabei nur eine zweitrangige Rolle. Außerdem würde dies erheblich teurer für die Steuerzahler. Ursula Engelen-Kefer nennt ihren Beitrag selbst ein arbeitsmarktpolitisches “Realostück”.

»Studiengebühren sind sozial gerecht«?

Schwarz-Gelb in NRW ist abgewählt, und es gibt eine Mehrheit für die Abschaffung der Studiengebühren. Sowohl SPD und Grüne als auch die Linkspartei hatten erklärt, diese abschaffen zu wollen. Pünktlich nach der Wahl beginnen sich nun die GebührenbefürworterInnen mit alten Argumenten zu positionieren. Gerade dieser Tage haben neun ProfessorInnen der Ruhr Universität Bochum wieder einmal die These vertreten dass der „Verzicht auf Studiengebühren sozial ungerecht“ sei. Wer die Gerechtigkeit von Studiengebühren behauptet löst die Betrachtung jedoch aus dem gesellschaftlichen Kontext. Wir veröffentlichen dazu einen Beitrag von Sonja Staack aus dem Jahr 2009 aus dem Sammelband herausgegeben von Klemens Himpele und Torsten Bultmann: Studiengebühren in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung.

Rente mit 67 aussetzen! Rentenzugangsalter: Auch eine Herausforderung für die EU

Die Bundesregierung ist verpflichtet, in diesem Jahr zu prüfen, ob die arbeitsmarkt- und gesundheitlichen Voraussetzungen zur Anhebung des gesetzlichen Rentenalters von 65 auf 67 Jahre ab dem Jahr 2012 bis 2029 überhaupt vorliegen. Dabei gibt es kaum ein sozialpolitisches Thema, das die Menschen ähnlich stark bewegt: 80 Prozent der Bundesbürger lehnen die Rente mit 67 ab. Dafür haben sie gute Gründe: Über 60- Jährige sind nur zu einem Drittel überhaupt noch erwerbstätig; Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer sind überdurchschnittlich hoch; für die heute über 50-Jährigen und die nachkommenden Generationen – vor allem in den neuen Bundesländern – wird das Schicksal der Armutsrenten dramatisch steigen. Eine Anhebung des gesetzlichen Rentenalters unter diesen Bedingungen auf 67 bedeutet für die große Mehrheit der älteren Arbeitnehmer: unwürdige Arbeitsbedingungen, längere Zeit in Hartz IV, noch höhere Abschläge bei den Altersrenten und damit wachsende Altersarmut. Von Ursula Engelen-Kefer

NachDenkTreff

ver.di lädt zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung ein:
Die Rolle der Bertelsmann Stiftung beim Abbau des Sozialstaates und der Demokratie oder: Wenn ein Konzern Politik stiftet – zum gemeinen Nutzen?
Ref.: Dr. Wolfgang Lieb / Köln Dienstag, den 13. April 2010, 19.00 Uhr ver.di-Haus Dortmund, Königswall 36 (2.Etage – Sitzungsraum A/B)
Quelle: ver.di [PDF – 100 KB]

Lässt sich die soziale Einstellung der Menschen in einer Gesellschaft verändern? Und einige Anmerkungen zu einem Interview von Rifkin.

Gibt es Veränderungen im sozialen Bewusstsein, im Umgang miteinander? Sind Menschen von Natur aus egoistisch oder eher empathisch und auf Zusammenhalt angelegt? Wird die soziale Einstellung geprägt? Zum guten, zum schlechten und wie? Diese Fragen bewegen einen – insbesondere angesichts der zurzeit sehr aggressiven Töne gegen die Schwächeren unter uns. In einem Interview mit dem Tagesspiegel äußert sich auch der amerikanische Soziologe Rifkin zum Thema. Albrecht Müller

Gunnar Heinsohn und die „Aufartung“ des deutschen Volkes

Historische Parallelen sind stets fragwürdig. Besonders problematisch werden sie, wenn die deutsche NS-Vergangenheit bemüht wird, um in denunziatorischer Absicht aktuelle Gescheh­nisse zu kommentieren. Denn ein Regime, das unter neuzeitlichen Bedingungen und in kühler Rationalität den industriell durchgeführten Massenmord praktizierte, entzieht sich jedem Ver­gleich. Wenn der Autor dieser Zeilen gleichwohl den Aufsatz von Gunnar Heinsohn „Sozial­hilfe auf fünf Jahre begrenzen“ in der FAZ vom 17.03.10 zum Anlass nimmt, auf Affini­täten zur NS-Ideologie in diesem Text hinzuweisen, so ist er sich dieser Problematik bewusst. Von Friedhelm Grützner

Die Spitze will die Schröder Agenda 2010 reparieren – Kann ein „Befreiungsschlag“ gelingen?

Vor sieben Jahren – am 14.März 2003 – verkündete der damalige Bundeskanzler der rot-grünen Regierungskoalition, Gerhard Schröder, seine Agenda 2010. Damit leitete er den bis heute höchst umstrittenen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik zu mehr Druck auf Arbeitslose und Arbeitnehmer und der Schaffung eines sich bis heute rasant ausbreitenden Niedriglohnsektors ein. Die mit der Agendapolitik verbundenen Fehlentwicklungen sollen jetzt durch ein neues SPD-Programm mit dem bezeichnenden Titel „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“ wieder ins politische Lot gebracht werden. Dass dies rechtzeitig vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai erfolgt, hat besondere Symbolkraft: In NRW haben die Wähler die SPD 2005 für ihre Agendapolitik hart abgestraft und damit auch das Ende der rot-grünen Bundesregierung eingeleitet.
Von Ursula Engelen-Kefer

Wie Europa seine Zukunft verspielt

Nach der von EU-Kommissionspräsident Barroso vorgestellten Strategie für Wachstum und Beschäftigung “Europa 2020” soll die EU künftig wirtschaftlich stabiler, bildungspolitisch erfolgreicher und umweltfreundlicher werden. Die neue Strategie löst die “Lissabon-Strategie” der EU ab, die als gescheitert gilt. Nach der neuen Strategie sollen bis 2020 mindestens 75 Prozent der Bevölkerung eines jeden Landes einen Arbeitsplatz haben. Mindestens 40 Prozent der jüngeren Menschen sollen über einen Hochschulabschluss verfügen. Die Zahl armer Menschen soll um 20 Millionen auf 60 Millionen Menschen sinken.
Strategien und soziale Wirklichkeit klaffen in der EU seit Jahren weit auseinander. Von Walter Edenhofer

SPD-Arbeitsmarktkonzept: Eiertanz in der Sackgasse

Wie schwer sich die SPD tut, um aus der Sackgasse herauszufinden, in die sie sich mit der schröder-steinmeierschen Agenda-Politik hineinmanövriert hat, belegt der gestrige Präsidiumsbeschluss „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“ . Da wird zunächst ein Eiertanz aufgeführt, um die Hartz-Reformen zu rechtfertigen. Deren Grundfehler werden ignoriert. Statt eine wirtschafts- und beschäftigungspolitische Alternative anzubieten, wird an dem Irrglauben festgehalten, man könne Arbeitslosigkeit bekämpfen, indem man Arbeitslose „fordert“. Man will durch das neue Arbeitsmarktkonzept bestenfalls einem Gerechtigkeitsgefühl entgegen kommen und die Akzeptanz erhöhen. Wolfgang Lieb

„Banken in Schwierigkeiten sollen übernommen und aufgelöst werden“

Banken zu retten und das Management zu behalten ist ungewöhnlich und gefährlich, meint James Galbraith im Interview mit den NachDenkSeiten. Er sieht die Krise als noch lange nicht vorbei. Die Spekulation läuft weiter. Es ist nicht nur möglich, sondern notwendig, das Casino zu schließen. Von Albrecht Müller und Roger Strassburg.