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Hartz-Gesetze/Bürgergeld

Nachtrag zu den vergessenen „Neben“-Wirkungen von HartzIV

Vier Ergänzungen zum Thema sind fällig: 1. Eine PDF-Datei zum Ausdrucken; 2. Verantwortung der Grünen für die „Reformen“ nicht ausblenden; 3. Hinweis Nr. 13 b von heute und 4. dazu passend wie die Faust aufs Auge: die TAZ mit einem unglaublichen Kommentar. Albrecht Müller

Über die vergessenen „Neben“wirkungen von Hartz IV und Agenda 2010: Die Zerstörung der sozialen Sicherheit.

Ein Freund berichtete mir gestern davon, seiner Tochter sei nach 18 Jahren Betriebszugehörigkeit die Kündigung „empfohlen“ worden, weil sie im letzten Jahr zu viele Krankheitstage hatte – verbunden mit entwürdigenden Drohungen. Einer unserer Hinweisgeber aus Thüringen hat seinen Arbeitsplatz im Süden wieder einmal verloren, obwohl er die Mühe der Mobilität auf sich nimmt. Fünfzigjährige verlassen nach der Kündigung heulend ihren langjährigen Arbeitsplatz. So geht es Tausenden. Hartz IV droht. Albrecht Müller

Eine kritische Bilanz von Hartz IV fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.2005

Die sog. Hartz-Gesetze, vor allem das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene vierte als ihr unrühmlicher Höhepunkt, sind Kernbestandteil eines Projekts zur Restrukturierung der Gesellschaft, das die ganze Architektur und die innere Konstruktionslogik des bisherigen Sozialstaates in Frage stellt. Es ging dabei nicht bloß um Leistungskürzungen in einem Schlüsselbereich des sozialen Sicherungssystems, vielmehr um einen Paradigmawechsel, anders formuliert: um eine gesellschaftliche Richtungsentscheidung, die das Gesicht der Bundesrepublik seither prägt. Die rot-grüne, durch eine Mehrheit der damaligen Oppositionsparteien CDU/CSU und FDP im Bundesrat und die Kompromissbereitschaft der Regierungsparteien radikalisierte Arbeitsmarktreform hat unser Land so tiefgreifend verändert, dass es kaum übertrieben erscheint, von der „Hartz-IV-Republik“ oder der „Hartz-IV-Gesellschaft“ zu sprechen. Von Christoph Butterwegge

Die Weißwäscher aus Nürnberg

Eine „grundsätzlich positive Einschätzung“ hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) [PDF – 895 KB] nach fünf Jahren Hartz IV. Das ist nicht weiter erstaunlich, denn das IAB ist eine Abteilung der Bundesagentur für Arbeit und die BA hat „ihre Aufgaben, im Rahmen des für sie geltenden Rechts“ durchzuführen. Erstaunlich wäre allenfalls, wenn das IAB das geltende Recht der Hartz-Gesetze in Frage stellen würde. Das muss nicht heißen, dass die vorgelegten Zahlen falsch sind, aber bei ihrer Interpretation fungiert das IAB als Weißwäscher einer gescheiterten „Reform“. Wolfgang Lieb

Was sich unser Land leistet und was nicht

Es leistet sich eine Milliarde Steuersubventionen für Übernachtungen in Hotels, Pensionen oder Gasthöfen. Es leistet sich nicht eine halbe Milliarde für die Erhöhung des Kindergeldes für Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind. Von unserem Leser Rüdiger Frohn.

Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik hin zur Prävention

Bei einem erwarteten Wachstumseinbruch in der Wirtschaft um bis zu 6 Prozent und einem drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit auf bis zu 5 Millionen 2010 kommt der präventiven Arbeitsmarktpolitik eine besonders bedeutsame Rolle zu.
Natürlich kann die Arbeitsmarktpolitik kein Patentrezept zur Bekämpfung der größten Weltwirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg bieten. Hierzu brauchen wir weitere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen.
Jedoch spielt die präventive Arbeitsmarktpolitik gerade in der jetzigen Krise eine wichtige Rolle.
Ursula Engelen-Kefer fordert deshalb in ihrem Diskussionsbeitrag einen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik hin zu mehr Vorbeugung und Prävention.
Es sei unerträglich, wenn jetzt bereits wieder die neoliberalen Ideologen, die uns diese verheerende Krise eingebrockt haben, aus den Schützengräben kämen und davor warnten, den Sozialstaat überzustrapazieren. Wo war der ordnungspolitische Aufschrei der meist wohlbestallten und abgesicherten Wirtschaftskapitäne, Politiker und Wissenschaftler, als auf Kosten der Steuerzahler in bisher unvorstellbar riesigen Größenordnungen Schutzschirme über die marode Finanzdienstleistungsindustrie und notleidende Wirtschaftskonzerne gespannt wurden? Die Lasten der größten weltweiten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg dürfen nicht vor allem auf dem Rücken der arbeitenden Menschen und der sozial Schwachen abgeladen werden. Von Ursula Engelen Kefer

Selbst Wendehälse kommen mit guten Vorschlägen: die OECD plädiert u.a. für eine wirksame Ausdehnung der Arbeitslosenversicherung.

Seit Jahren werbe ich dafür, die soziale Sicherung gegen Arbeitslosigkeit, also langes Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe wieder herzustellen und damit Hartz IV loszuwerden. Begründung: die Wiederherstellung einer einigermaßen befriedigenden sozialen Sicherheit. Jetzt kommt ein wichtiges konjunkturpolitisches Argument hinzu. Die Einkommen der von der Krise gefährdeten Arbeitnehmer und der Arbeitslosen müssen stabilisiert und verbessert werden. Andernfalls geraten wir in eine Spirale von weiter sinkenden Masseneinkommen, sinkender Nachfrage, sinkender Beschäftigung und wieder sinkenden Einkommen usw. – Selbst die OECD, die seit 1975 mit neoliberalen Sprüchen über die Bedeutung der Flexibilität der Löhne nervt, ist zur Einsicht gekommen. Der Generalsekretär der OECD Gurria warnte gestern in einer Rede vor den G8-Arbeits- und Sozialminister vor dem gefährlichen Absturz und schlägt eine Reihe von sinnvollen Maßnahmen vor. Siehe dazu die Pressemitteilung in Anlage 1 und den Text der Rede selbst in Anlage 2. Albrecht Müller.

Hartz-IV-Sätze für Kinder und Erwachsene erhöhen!

Mit dem „Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (Hartz IV), das am 1. Januar 2005 in Kraft trat, wurde die Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitslosengeld II ersetzt – eine reine Fürsorgeleistung, die nicht mehr den früheren Lebensstandard zum Maßstab der Leistungsgewährung für Langzeitarbeitslose macht. Dies führte zur Schlechterstellung von Millionen Menschen sowie zur Aufspaltung der bisherigen Sozialhilfeempfänger/innen in erwerbsfähige, die Alg II beziehen, einerseits und nichterwerbsfähige, die Sozialgeld bzw. -hilfe erhalten, andererseits. Daraus wiederum erwuchsen neue Gefahren einer Stigmatisierung dieser Personenkreise nach dem Grad ihrer Nützlichkeit bzw. ihrer ökonomischen Verwertbarkeit. Von Christoph Butterwegge.

Die Hartz-Gesetzgebung wirkt. Aber wie?

In einem Schwerpunktheft des Archivs für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit zu Erfahrungen, Auswirkungen und Schlussfolgerungen nach drei Jahren SGB II ist Helga Spindler speziell dem „Fordern und Fördern“ und seinen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nachgegangen. Nicht nur dass Sanktionen immer umfangreicher verhängt werden und immer mehr Menschen selbst die unzureichenden Regelsätze nur gekürzt erhalten, der Staat bleibt auch noch nicht einmal beim Fördern neutral, sondern greift durch den Umgang mit den Arbeitslosen einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer in den Markt ein, nimmt ihnen Verhandlungsmacht und verhindert den Aufbau notwendiger Arbeitsplätze.

„Krieg dem Pöbel“. Die neuen Unterschichten in der Soziologie deutscher Professoren

Die Entdeckung der „neuen Unterschicht(en)“ zu Beginn des neuen Jahrtausends ist kein so­ziologisches, kein wissenschaftliches Datum, sondern das Produkt einer der politischen Pro­paganda dienenden „öffentlichen Soziologie“, in der einige Wissenschaft­ler – vor allem Paul Nolte und Heinz Bude – als professorale Autoritäten, aber auch als akti­ver Teil einer publizistischen Welle fungieren. Diese hat in Deutschland nicht zufällig im Jahr 2004 einen Höhepunkt erreicht: Sie begleitete und legitimierte die Einführung von „Hartz IV“: die Abkehr vom bis dahin dominierenden sozialstaatliche Ziel der Statussicherung hin zum Ziel der Existenzsicherung.
Eine Kritik des Lehrers in einer Abendhauptschule Hans Otto Rößer.

„Hartz IV“ würde korrekter „Steinmeier IV“ heißen

Der ehemalige Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Bonn und „Vater“ von WISO (ZDF), Hans-Ulrich Spree, – nebenbei Freund der NDS – schreibt: „Es ist anscheinend aussichtslos, gegen den Begriff „Hartz IV“ anzugehen – selbst bei den NDS. Wer dem Sachverhalt nachspürt, muss jedoch feststellen: die so genannte Hartz-Kommission, in der u.a. Gewerkschafter, Unternehmensvertreter und Kommunalpolitiker mitarbeiteten, trat beim beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld I einstimmig (!) dafür ein, dass „die Ansprüche in Höhe und Dauer im Grundsatz dem bisherigen Regelwerk entsprechen“. Albrecht Müller.

Nochmals: „Die Sarazzins der Wissenschaft: Hartz-IV-Regelsatz von 132 Euro ausreichend“

Einige Stunden nachdem wir gestern diesen Beitrag ins Netz gestellt hatten, schrieb uns ein Leser, dass der angegebene Link zu der „Studie“ der TU-Chemnitz ins Leere führe (HTTP Error 404: File not found). Im Laufe des Tages wurde der Link wieder geschaltet.
Der „Studie“ wurde jedoch zwischenzeitlich eine abwiegelnde „Präambel“ vorangestellt: Die Studie habe aus ihren Neuberechnungen der sozialen Mindestsicherung von 123 Euro „keine Konsequenzen abgeleitet“.
Daraus lassen sich nach meiner Meinung nur folgende Schlüsse ziehen:

  • Entweder die Hochschule oder die Autoren haben erkannt, dass sie mit Ihrem Vorstoß zur Senkung der Hartz-IV-Leistungen doch zu zynisch waren und versuchen nun abzuwiegeln.
  • Oder – und das ist die wahrscheinlichere Erklärung, da die „Studie“ ja wieder im Netz steht -: das ist die typische Art einer verantwortungslosen „Wissenschaft“, die irgendwelche inhumanen Berechnungen in die Welt setzt, ohne die Verantwortung für die Folgen übernehmen zu wollen und sich dann anschließend damit freizeichnen will, dass man ja daraus keine „Konsequenzen abgeleitet“ hätte. Genau so haben sich auch die „Wissenschaftler“ in der NS-Zeit etwa mit ihrer Rasse-„Forschung“ aus der Affäre ziehen wollen.

Wolfgang Lieb

Die Sarazzins der Wissenschaft: Hartz-IV-Regelsatz von 132 Euro ausreichend

Zwei Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler halten einen Hartz-IV-Regelsatz von 132 Euro für ausreichend, d.h. nur rund ein Drittel der bisherigen Höhe. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am Mittwoch auf der Internetseite der Technischen Universität Chemnitz veröffentlicht wurde.Maßstab für die Berechung dieser „Wirtschaftswissenschaftler“ sind die einkommensmäßig unteren 20% der deutschen Haushalte, diese geben angeblich für Essen, Kleidung, Kommunikation, Reisen etc. knapp 500 Euro pro Monat und Person (Single-Haushalt) aus. Die Logik dieser „Studie“: Ist erst einmal das untere Fünftel der Gesellschaft arm genug, dann kann man auch Ärmsten der Armen noch ärmer machen oder anders gesagt: In den Elendsvierteln der Welt ist schon derjenige nicht arm, der eine handvoll Reis und einen Schluck Wasser hat. Wolfgang Lieb