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Finanzen und Währung

Werner Rügemer: Subvention, Korruption, Marktzerstörung

Die staatliche Bankenrettung zeigt: Die Verantwortlichkeit der beherrschenden Eigentümer ist gleich Null. Die korruptiv erlangte Subvention zerstört den Markt. Der Kapitalismus ist an sein marktwirtschaftliches und demokratisches Ende gekommen. Im 21. Jahrhundert wird entschieden, ob freie Bürger in einer neuen Verfassung die Verantwortung übernehmen können.
Ein Referat von Werner Rügemer auf der 6. Gottfried von Haberler-Konferenz (Haberler war der Referent von Friedrich August von Hayek), gehalten am 24. September 2010 in Vaduz/Liechtenstein.

Jubelstimmung – Deutschland, einig Vaterland?

20 Jahre deutsche Einheit – ein Grund zum Feiern? Das ist die Frage. Zunächst aber habe ich mich gefragt, wie es denn 1989 und 1990 in Deutschland aussah. Da gab es nach dem sich anbahnenden Zerfall des sogenannten Ostblocks immer noch die BRD und die DDR. Die Bundestagswahlen in der BRD standen bevor; als Kanzlerkandidat trat Oskar Lafontaine 1990 gegen Helmut Kohl an. Laut den statistischen Erhebungen stand die SPD mit ihrem Kandidaten Lafontaine in der Wählergunst vorn.
Aber der damalige Bundeskanzler Kohl reiste nach der Öffnung der Grenze und der Auszahlung von Begrüßungsgeld an die „armen“ Brüder und Schwestern zum Wahlkampf in die DDR. Er versprach blühende Landschaften und die D-Mark und erreichte die Vereinigung der beiden deutschen Staaten – oder vielmehr die Übernahme der DDR durch die BRD – noch kurz vor der Wahl, sodass die Menschen in der ehemaligen DDR ebenfalls den neuen gesamtdeutschen Bundestag wählen konnten. Durch diesen Schachzug, der heute in den Medien allgemein als großartige Leistung Kohls gefeiert wird, gewann er seinerzeit die Wahl. Und das Leben in Deutschland veränderte sich grundlegend. Sozialabbau, Finanzmarktkapitalismus, Kriegseinsätze, Entstaatlichung und Entsolidarisierung der Gesellschaft sind nur einige wenige Stichworte dafür. Von Wolfgang Bittner

Herrliche Belege für Kampagnenjournalismus

Es gibt immer noch Journalisten, die bestreiten, dass ein beachtlicher Teil ihrer Kolleginnen und Kollegen in Kampagnen der Meinungsbeeinflussung eingebaut sind, beziehungsweise sich dafür nutzen lassen. Ich muss – in Ergänzung eines Beitrags vom 15. Mai – gestehen, dass ich diese Zweifel nur noch kopfschüttelnd wahrnehmen kann. Denn Kampagnenjournalismus wird inzwischen vermutlich zum beherrschenden Charakteristikum der schreibenden und sendenden Zunft. Zwei Beispiele aus der neueren Zeit stelle ich Ihnen vor: die Kampagne zu Steinbrück und die Kampagne zum angeblichen, neuen Wirtschaftswunder. Albrecht Müller

Aus dem Versager Steinbrück wird auch weiterhin der erfolgreiche Retter gemacht – ein Musterbeispiel für die Möglichkeit der nahezu totalen Manipulation

Am 13. September erschien ein Spiegelinterview mit Peer Steinbrück über die „dramatischen Tage der Bankenkrise“ und das Frankfurter Fußballstadion, das eigentlich „Steinbrück-Arena“ statt Commerzbank-Arena heißen müsste. Drei Tage vor Erscheinen dieses Interviews war bekannt geworden, dass eine der von Steinbrück zusammen mit Angela Merkel geretteten Banken, die Münchner HRE, noch einmal 40 Milliarden Garantien braucht und sich – wie prophezeit – als Fass ohne Boden erweist. Aber nicht dieses offensichtliche Scheitern der Bankenrettung war Gegenstand der Fragen des Spiegel-Chefredakteurs Müller von Blumencron und seines Redakteurs Sauga. Sie begannen das Interview mit Elogen auf den „Mann“, „der die deutsche Wirtschaft vor dem Zusammenbruch gerettet hat“ und bringen am Schluss Steinbrück als potentiellen Kanzlerkandidaten der SPD ins Spiel. Dazwischen viel Stichwortgeberei und kaum kritische Nachfragen. Albrecht Müller

Empfehlenswert: „Zocken bis der Staat hilft“ (Finanzkrise XLVI)

Mehrere NachDenkSeiten-Leser haben schon auf die Sendung der ARD aufmerksam gemacht und sie wird auf EinsExtra am 17. September 2010, 21:02 Uhr und auf EinsExtra am 18. September 2010, 18:00 Uhr wiederholt.
Ich habe mich darüber gewundert, dass selbst eine solch kritische Sendung nicht ohne die üblichen Klischees auskommt. Wörtlich heißt es in der Ankündigung: „Und dann waren deutsche Landesbanken die trickreichsten Bilanztäuscher, aber immer mit Deckung der höchsten Politik.“ Albrecht Müller.

„Beutezug Ost – Die Treuhand und die Abwicklung der DDR“

Endlich kommen die Zweifel an der Arbeit der Treuhand und an der Weisheit der Währungsunion breiter zur Sprache. Heute Abend um 21:00 h setzt Frontal 21 seine Aufarbeitung der Vorgänge um die Treuhand und um die Währungsunion mit einer Dokumentation fort. Die Vorschau auf diese Sendung „Beutezug Ost – Die Treuhand und die Abwicklung der DDR“ finden Sie hier und als Anlage 1. In der Vorschau finden Sie auch weitere Links zu Teilen der Sendung. Albrecht Müller

Eine kritische Einordnung der neuerlichen Milliarden für die HRE (Finanzkrise XLV)

Am vergangenen Freitag wurde bekannt, dass die Münchner Hypo Real Estate eine zusätzliche Garantie von 40 Milliarden € erhalten solle. Die ersten Meldungen dazu waren vornehmlich Produkte des Verlautbarungsjournalismus. Es wurden die meist aus dem „Stern“ zitierten Erklärungen des Soffin, des Bankenrettungsfonds, einfach übernommen. Die Texte der Online-Seiten der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, von Financial Times Deutschland und von Spiegel Online sind in Anlage 1 wiedergegeben, damit Sie sich ein Bild von dieser harmlosen Berichterstattung machen können. Wer die NachDenkSeiten bisher schon gelesen hat, weiß, dass wir in vielen Beiträgen seit Ende September 2008 auf die Vorgänge um die HRE eingehen. Im folgenden wird auf einige Zusammenhänge hingewiesen, ohne die man den neuerlichen Vorgang nicht einzuordnen und zu verstehen vermag. Albrecht Müller

Auch die Börsen und die spekulativen Anlagen bei Instituten wie HRE sind im Kern Schneeballsysteme (Finanzkrise XLIV)

Am 4. September 2010 berichtete SpiegelOnline, in Benin seien Tausende Afrikaner auf ein Schneeballsystem herein gefallen. Im Text wird auf den Erfinder des Systems, den Italiener Ponzi aufmerksam gemacht und auf den neuerlichen Fall des Milliardenbetrügers Madoff in den USA. Das klingt ziemlich exotisch und weit weg von uns. Tatsächlich sind bei uns ähnliche Systeme mit sehr ähnlichen Methoden im Detail gelaufen und tatsächlich ähneln die Vorgänge an der Börse wie auch zumindest die Vorgänge um die HRE und die IKB dem Fall in Benin. Albrecht Müller.

Wie man Legenden strickt – mithilfe noch glaubwürdiger Personen, zum Beispiel Heribert Prantls von der SZ

Zurzeit wird an der Legende des ehemaligen Bundesfinanzminister Steinbrück gestrickt. Er habe uns gut durch die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise gesteuert und sich um unser Land verdient gemacht, behauptet der Innenpolitikchef der Süddeutschen Zeitung. Siehe Hinweis von heute. Dabei wird unterschlagen, 1. dass Steinbrück wesentlich daran beteiligt war, unser Land in die Krise hinein zu manövrieren, 2. dass wir ihm persönlich die hohen Kosten der Bankenrettung verdanken und es wird 3. dabei noch transportiert, unser Land sei gut durch die Krise gekommen. Albrecht Müller

Der Reiche als der ausgebeutete Gutmensch und der Arme als Schmarotzer

Unter der Überschrift „7 Wahrheiten über Milliarden-Spender“ singt die Bild-Zeitung das hohe Lied über die Großzügigkeit und will unser Mitgefühl für die Steuerlast der Reichen wecken. Es heißt da:
„REICHE ZAHLEN: Weil die Steuerbelastung in Deutschland mit steigendem Einkommen stark zunimmt, finanzieren die Reichen bei uns den Sozialstaat über Steuern und Abgaben. Das oberste Zehntel der Einkommensbezieher zahlt 55 % des gesamten Steueraufkommens, das letzte Prozent der Superreichen finanziert alleine 22,2 %.“
Das ist mal wieder eine halbe Wahrheit, die eine ganze Lüge ist. Wolfgang Lieb

Steinbrücks Fehler

Gestern strahlte der NDR eine Personality-Show unter dem Titel „Steinbrücks Blick in den Abgrund – Macht und Ohnmacht eines Krisenmanagers“ aus. Die Inszenierung der Sendung war darauf angelegt, Steinbrücks Bild in den Geschichtsbüchern schön zu färben. Die Show zeigte prompt ihre Medienwirkung: von der Tagesschau über den Spiegel bis hinab zur Bild-Zeitung wurde die Sendung nahezu flächendeckend aufgegriffen. Die „Rentengarantie“ als Eingeständnis des „schwersten Fehlers“ wurde zur Schlagzeile. Bei viel wichtigeren Themen, wo Steinbrück selbstkritisch wurde, gab es allerdings kaum ein Medienecho. Wolfgang Lieb

Politische Korruption ist brisanter als die Steuerhinterziehung

Der „Stern“ hat verdienstvoller Weise den versteckten Datendieb interviewt, der für die Aufdeckung der Gelder des ehemaligen Postchefs Klaus Zumwinkel gesorgt hat. Im Bericht zum Interview erfährt man, dass der Datendieb Daten von 3929 Stiftungen, Gesellschaften und Trusts und von 5828 natürlichen Personen gesammelt und weitergegeben hat. Darunter sind 46 sogenannte PEPs, das heißt „politisch exponierte Personen“. Nur einer wurde öffentlich: Zumwinkel. Das Opferlamm. Die Sache ist nicht nur brisant wegen der Steuerhinterziehung, sondern wegen der mit hoher Wahrscheinlichkeit in vielen Fällen dahinter steckenden Korruption und der Verschiebung von Schwarzgeld. Albrecht Müller

Stresstest der Banken durch die Bankenaufseher der EU

In der Finanzbranche werden Banken und Versicherungen Stresstests unterzogen. Banken werden überprüft, ob diese bei künftigen Krisen ausreichend mit Eigenkapital ausgestattet sind. Im Zentrum stehen die Auswirkungen einer dramatischen Verschlechterung der Konjunktur sowie hohe Kursverluste der Wertpapiere. Die strategische Messgröße für die Belastbarkeitstests ist die Eigenkapitalquote, also das Eigenkapital einer Bank im Verhältnis zur Bilanzsumme. Von Rudolf Hickel

„Politik im Defizit – Austerität als fiskalpolitisches Regime“

So lautet der Titel einer Studie von Wolfgang Streeck und Daniel Mertens vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln [PDF – 1,3 MB]. Der Soziologe Wolfgang Streeck und heutige Direktor des MPIfG beschreibt mit seinem Koautor wie es zu einer graduellen Verschärfung der fiskalischen Situation und zu chronischen Defiziten mit dem Ergebnis einer zunehmenden Staatsverschuldung kam. Diese Staatsverschuldung sei zur beherrschenden Rahmenbedingung wohlfahrtsstaatlicher Politik geworden und habe zu einem fiskalpolitischen Regime der „Austerität“, also einer strikten staatlichen Sparpolitik geführt.
Das Diskussionspapier ist eine Beschreibung der politischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte, aber es enthält weder eine ausreichende Analyse der Ursachen für die herrschende „Austeritätspolitik“, noch ein Angebot zur Überwindung des Weiter-so. Wolfgang Lieb

Finanztest beklagt, dass die Banken falsch beraten und das Gesetz brechen, und sagt nicht warum: Sie können nicht anders. (Finanzkrise XLIII)

Im Hinweis Nummer 5 von heute haben wir auf ein Testergebnis von Finanztest aufmerksam gemacht. Siehe hier und hier. Ich hatte davon in der Frankfurter Rundschau gelesen, die die prominenten Seiten 2 und 3 damit füllt. Im Testergebnis und in den Medien wird offen davon berichtet, dass die Banken Gesetze nicht einhalten, dass sie miserabel beraten und in der Mehrheit der Fälle das gesetzlich verordnete Beratungsprotokoll nicht überreichen. – Das ist doch seltsam: Gesetze und Regeln werden auffallend eindeutig nicht eingehalten und nichts geschieht, auch nichts von Seiten der Bankenaufsicht. Das müsste doch (auch bei Finanztest) Fragen auslösen. Warum beraten die Banken falsch? Albrecht Müller.