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Finanzen und Währung

„Hoher Anstieg der Arbeitskosten“ – Das Statistische Bundesamt lässt sich als PR-Agentur der Bundesregierung und der Arbeitgeber instrumentalisieren

„Hoher Anstieg der Arbeitskosten im 1. Quartal 2011: + 2,0% zum Vorquartal“, das war die Überschrift der gestrigen Pressmitteilung des Statistischen Bundesamtes und natürliche musste in dieser Meldung noch ein Superlativ folgen: „Das ist der zweithöchste Anstieg seit Beginn der Zeitreihen des Arbeitskostenindex im Jahr 1997.“
Solche Schlagzeilen, die dann erst im „Kleingedruckten“ relativiert werden und die letztlich nur eine geringe Aussagekraft für die Rentabilität der Produktion und für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft haben, können eigentlich nur zwei Interessen bedienen:
Sie sind Wasser auf die Mühlen der Bundesregierung, dass der „Aufschwung“ bei den Arbeitnehmern ankomme und sie liefern Munition für den Abwehrkampf der Arbeitgeberseite gegen Lohnerhöhungen und für die Senkung der sog. „Lohnnebenkosten“. Wolfgang Lieb

Rezension: Inside Steuerfahndung

Die Deutsche Steuergewerkschaft schätzt, dass in Deutschland jedes Jahr 30 Milliarden Euro Steuern in betrügerischer Absicht hinterzogen werden. Einem Heer von 86.000 Steuerberatern stehen gerade einmal 2.600 Steuerfahnder entgegen. Jeder dieser Steuerfahnder erwirtschaftet im Schnitt jedes Jahr eine Million Euro für den Fiskus. Wer nun denkt, dass die Steuerfahndung, die gleichzeitig Verbrechen bekämpft und dem Staat Milliardeneinahmen verschafft, politische Protektion genießen würde, der irrt. Im Gegenteil – wie die Hessische Steuerfahnder-Affäre zeigt, wendet sich der Staat manchmal sogar mit allen nur denkbaren Mitteln gegen erfolgreiche Staatsdiener, die der Macht zu nahe kommen. Frank Wehrheim war einer dieser Frankfurter Steuerfahnder, die der Macht zu nahe gekommen sind. Sein Buch „Inside Steuerfahndung“ ist zugleich ein anekdotenreicher und erschreckender Einblick in das weitgehend unbekannte Feld der Steuerfahndung sowie in die hessische Steuerfahnder-Affäre, es ist gleichzeitig auch eine Abrechnung mit der Politik. Von Jens Berger

Rückfall der SPD auf Merkel in Sachen Griechenland

Am 27.5 hatten wir das Papier „Umschuldung und Gläubigerbeteiligung – die Fortsetzung eines Irrwegs“ von Werner Schieder, SPD-MdB, veröffentlicht. Jetzt wird ein Papier der SPD-Fraktions-Planungsgruppe („Kompaktinfo [PDF – 423 KB]“) bekannt, das wir Ihnen zusammen mit einer Stellungnahme [DOC – 34 KB] Schieders zur Kenntnis geben. Es ist interessant, weil es einiges zur Sache wie auch über die seltsamen Innereien der SPD offenbart. Albrecht Müller.

Milliarden-Subventionen ohne Gegenleistung

Das „Maritime Bündnis“ zwischen der Bundesregierung und den deutschen Reedern wurde an diesem Wochenende von den Reedern einseitig aufgekündigt. Als Gegenleistung für milliardenschwere Subventionen hatten sich die Reeder verpflichtet [PDF – 197 KB], mindestens 600 Schiffe unter deutscher Flagge fahren zu lassen und somit die Ausbildung des inländischen nautischen Personals zu gewährleisten. Da die Reeder sich nicht an ihre Zusagen gehalten haben, lässt Berlin in diesem Kalenderjahr die Lohnkostenzuschüsse für Schiffe unter deutscher Flagge auslaufen. Für die Reeder ist dies jedoch zu verschmerzen, solange nicht eine andere, wesentlich größere, Subvention auf die Liste der Einsparungen gesetzt wird – die unter Rot-Grün eingeführte Tonnagesteuer, die de facto eher eine Steuerbefreiung für die gesamte Branche darstellt. Statt einzulenken, gehen die Reeder jedoch zum Frontalangriff über und kündigten am gestrigen Montag an, nun auch die letzten unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe auszuflaggen. Wie lange will sich Berlin noch auf der Nase herumtanzen lassen? Von Jens Berger

Neue Urteile: Rückabwicklung von Zinsdifferenzgeschäften und Hebelmodellen

Weshalb Versicherer den Schaden zahlen, wenn der Finanzdienstleister pleite ist. Darüber und über ein riskantes Anlagemodell mit zahlreichen Produktnamen berichtet Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Mathematiker Schramm.
Statt mühelosem Reichtum türme sich bei hunderttausenden Anlegern oft ein Berg an Schulden, nicht selten der Verlust aller Ersparnisse oder sogar die Privatinsolvenz ein. Einige Gerichtsurteile stehen gegen die massenhafte Irreführung in der Versicherungsbranche. Albrecht Müller.

Weniger Urlaub für die Südeuropäer?

Eine Entgegnung auf Jens Bergers Beitrag „Die Kanzlerin der Stammtische“ von Heiner Flassbeck.
Nun ist es endlich raus, was schief läuft in Euroland. Frau Merkel sagt (lt. WELT online vom 18.5.): „Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig. Das geht auf Dauer auch nicht zusammen.“ Jetzt kann man endlich verstehen, warum für die schwere Krise in Euroland offenbar keine Lösung gefunden werden kann. Die europäische Tragödie ist laut der deutschen Bundeskanzlerin die Folge der Weigerung der Südeuropäer, auf Urlaub zu verzichten. Diese Äußerung zeigt aber besser als alles bisher Gesagte, was wirklich die europäische Tragödie ausmacht: Die Unfähigkeit unserer Spitzenpolitiker und ihre ökonomischen Berater auch nur im Ansatz zu begreifen, was eine Währungsunion bedeutet und wie sie funktioniert.

Guy Burgel: Strauss-Kahn war nicht der Retter Griechenlands

Inhalte eines am 18. Mai 2011 in der französischen Tageszeitung Le Monde erschienenen Artikels von Guy Burgel, Professor an der Pariser Universität Paris-Ouest-Nanterre-la Défense.
Originaltitel: „Non, M.Strauss-Kahn n’est pas le sauveur de la Grèce“.
Burgel ist Autor eines Buches über die Entwicklung Griechenlands im 20. Jahrhundert („Miracle athénien au XXe siècle, Verlag CNRS Editions 2002“). Übertragen von Gerhard Kilper

Die Kanzlerin der Stammtische

Die Umfragewerte sind im Keller, die CDU verliert wichtige Wahlen – in ihrer Not versucht es die Kanzlerin mit Populismus. Dass auch Bundeskanzlerin Merkel die Parolen des Stammtisches beherrscht, bewies sie gestern auf einer Veranstaltung im sauerländischen Meschede. Vor 1.500 jubelnden Sympathisanten umriss Merkel, an welche Bedingungen sie weitere Kredite an die angeschlagenen südeuropäischen Euro-Staaten knüpfen will und spielte dabei wieder einmal mit dem Klischee vom fleißigen und sparsamen Deutschen, der dem faulen Griechen sein hart erarbeitetes Geld in den Rachen werfen muss, so dass die Südeuropäer es in Saus und Braus verprassen können. Von Jens Berger

Spiel auf Zeit – wie Griechenlands Schulden verstaatlicht werden

Die EU-Finanzminister ziehen Griechenland die Daumenschrauben an und spielen gleichzeitig auf Zeit. Frankreichs Finanzministerin Lagarde beklagt öffentlich das schleppende Tempo der griechischen Privatisierungsanstrengungen und Euro-Gruppen-Chef Juncker sekundiert Berlin mittlerweile bei der Forderung nach einer „sanften“ Umschuldung. Anstatt die griechischen Probleme durch eine schnelle Umschuldung zu lindern, spielt man auf Zeit und verwässert dabei die Gläubigerstruktur. Banken und Versicherungen gehören zu den Gewinnern dieser Hinhaltetaktik, kann der griechische Staat doch die auslaufenden Kredite dank neuer Kredite von EU und IWF ohne Abzug begleichen. Von Jens Berger

Wenn Genosse Steinbrück Wall Street spielt – eine aufschlussreiche Skizze seiner teuren Politik findet sich bei Sahra Wagenknecht

Wer Steinbrück kennt, wer die Kette seiner Misserfolge von der verlorenen Nordrhein-Westfalen Wahl bis zum Bankenrettungsschirm und der zig-Milliarden schweren Rettung der HRE noch zu erinnern im Stande ist, begreift nicht, wie man auch nur das Schwarze unter dem Fingernagel eines Gedankens darauf verwenden kann, diesen Mann zum Kanzlerkandidaten der SPD zu machen. Sahra Wagenknecht hat in ihrem neuen Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ kompakt und faktenreich dokumentiert, wie Steinbrück und Eichel, Merkel und Schröder den „Finanzplatz Deutschland“ den Spekulanten geöffnet und uns Milliarden-Lasten aufgebürdet haben. (Hier finden Sie die einschlägigen Seiten 47-55 [PDF – 123 KB] *) Albrecht Müller.

Betrug erzeugt Betrug

Der ehemalige Bankenregulierer William K. Black geht der Frage nach, was den Günstlingskapitalismus in den USA ausmacht und wie es dadurch unter anderem zur Finanzkrise 2008 kam, obwohl das FBI schon 2004 vor einer “Betrugsepidemie“ warnte. Von William K. Black, Übersetzung Lars Schall

Zusammenspiel von Spiegel Online und Bild zu Gunsten der Spekulanten

Nehmen Sie an, Sie wären der Stratege einer großen Investmentbank, eines Hedgefonds oder der Deutschen Bank. Dann wissen Sie: Die großen Gewinne kommen nicht vom ordentlichen Bankgeschäft, sondern vom Mitspiel und Antreiben der Spekulation. Und dieses Spiel ist dann besonders sicher, wenn die Spekulationsgewinne staatlich abgesichert werden. Das ist dann besonders sicher, wenn Staaten oder staatliche Gemeinschaften aus übergeordneten Gründen gezwungen sind, zu intervenieren. Das trifft zum Beispiel auf Griechenland und die Eurozone zu. Deshalb ist es so lukrativ, die Spekulation in diesem Bereich immer wieder neu anzuheizen. Das geschieht auf vielfältige Weise und in Zusammenarbeit mit Medienpartnern und gefügigen Wissenschaftlern und anderen Experten. Albrecht Müller.

Gefährliche Gerüchte aus Berlin

Am gestrigen Montag hat in Athen die leitende Staatsanwältin Elena Raikou eine strafrechtliche Vorermittlung gegen die Redaktion von SPIEGEL-Online in die Wege geleitet. Verfolgt werden soll ein Delikt namens „Verbreitung falscher Nachrichten“, das in Griechenland eine Panik ausgelöst habe. Gemeint ist damit die Publikation vom vergangenen Freitag, wonach die Regierung Papandreou überlege, den Euro aufzugeben und wieder eine eigene Währung einzuführen.
Die Ermittelungen werden wahrscheinlich in einer juristischen Sackgasse enden, aber der Vorgang zeigt, wie intensiv das vom SPIEGEL verbreitete Gerücht die griechische Öffentlichkeit beschäftigt. Dabei sind informierte Beobachter und die seriöse Presse in der Meinung einig, dass hinter der Publikation politische Kreise in Berlin stehen. Das ist nicht unrealistisch, weil SPIEGEL-Online in der Vergangenheit mehrmals als Outlet für Ideen aus der Regierung und speziell aus dem Finanzministerium diente. Von Niels Kadritzke