Kategorie:
Ungleichheit, Armut, Reichtum

Die Sozialenzyklika von Benedikt XVI. – Eine Moralpredigt über Liebe und Wahrheit

Die Mächtigen und Reichen in der Welt können nach dem Rundschreiben des Papstes „Über die ganzheitliche Entwicklung in der Liebe und in der Wahrheit“ [PDF – 443 KB] ruhig schlafen. In wohlabgewogenen Worten „beleuchtet“ die Enzyklika zahllose Missstände und ruft im Sinne einer positiven Motivation „alle Menschen guten Willens“ auf, in „von Wahrheit erfüllter Liebe, caritas in veritate“ „entsprechend ihren Einflussmöglichkeiten in der Polis“ zu handeln.
Die gegenwärtige Krise ist nach Meinung der höchsten kirchlichen Autorität den „schädlichen Auswirkungen einer schlecht eingesetzten und darüber hinaus spekulativen Finanzaktivität auf die Realwirtschaft“ geschuldet. “Die Kompliziertheit und Schwere der augenblicklichen wirtschaftlichen Krise besorgt uns zu Recht, doch müssen wir mit Realismus, Vertrauen und Hoffnung die neuen Verantwortungen übernehmen“, tröstet der Papst. Die Kirche habe keine „technischen Lösungen“ anzubieten und beanspruche keineswegs, „sich in die staatlichen Belange einzumischen“. „Die Liebe und die Wahrheit –, zeigt uns, was das Gute ist und worin unser Glück besteht. Es zeigt uns somit den Weg zur wahren Entwicklung.“
„Die Soziallehre der Kirche beleuchtet die immer neuen Probleme, die auftauchen, mit einem Licht, das sich nicht verändert.“ Mit vielen Worten also nichts Neues von der katholischen Kirche. Wenn wir uns nur von der „Kultur der Liebe“ beseelen lassen, dann wird alles gut: „Die Finanzmakler müssen die eigentlich ethische Grundlage ihrer Tätigkeit wieder entdecken, um nicht jene hoch entwickelten Instrumente zu missbrauchen, die dazu dienen können, die Sparer zu betrügen.“
„Die Krise verpflichtet uns, unseren Weg neu zu planen, uns neue Regeln zu geben und neue Einsatzformen zu finden, auf positive Erfahrungen zuzusteuern und die negativen zu verwerfen. So wird die Krise Anlass zu Unterscheidung und neuer Planung.“ Genau so reden auch die weltlichen Würdenträger. Vom Papst haben sie also nichts zu befürchten. Und wenn es mit der „Liebe in der Wahrheit“ im realen Leben nicht so ganz klappt, dann kann man ja beichten gehen. Der Papst steht als gnädiger Beichtvater zur Verfügung. So viel ist nach dieser Enzyklika gewiss. Wolfgang Lieb

Armut untergräbt das Fundament der Demokratie

Wo die Armut grassiert, wird die Demokratie automatisch paralysiert. Armut ist eine permanente Gefahr für die Demokratie, weil diese mehr beinhaltet, als dass Bürger/innen alle vier oder fünf Jahre zur Wahlurne gerufen werden, nämlich auch einschließt, dass sie gleichberechtigt an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen teilnehmen können. Hierzu müssen sie über die materiellen Mittel verfügen, um auch in ferner gelegenen Orten stattfindende politische und Bildungsveranstaltungen sowie Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen zu besuchen. Eine alleinerziehende Mutter, die nicht weiß, wie sie eine bevorstehende Klassenfahrt oder teure Schulmaterialien für ihre Kinder bezahlen soll, wird sich kaum an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligen können. Von Christoph Butterwegge

Institut der deutschen Wirtschaft: Soziale Umverteilung von oben nach unten?

Mit einer geradezu trotzigen Provokation rechtzeitig zum Vorwahlkampf bestreitet das IW [PDF – 11 KB] nicht nur die für jedermann spürbare, immer weiter auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich, es widerspricht auch allen Befunden und Studien, wonach in den letzten Jahren die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer geworden sind. Dass der Sozialstaat von unten nach oben verteile, dass sei nur ein Vorurteil, meint Michael Hüther, der Chef das arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Wolfgang Lieb

Unser Spitzenpersonal in der Politik und in der Wirtschaft ist volkswirtschaftlich ungebildet und voller Vorurteile. Zum Beispiel Exportweltmeister

Mit dem Hinweis Nr.5 vom 19. Mai wurde schon auf die Wiedergabe eines FTD-Interviews mit dem Siemens-Chef-Löscher aufmerksam gemacht und kritisiert, dass hier der Fortsetzung eines außenwirtschaftlichen Ungleichgewichtes das Wort geredet wird. Der Artikel zeigt darüber hinaus, dass unser Spitzenpersonal, im konkreten Fall die Bundeskanzlerin und der Chef eines der größten deutschen Unternehmen, die einfachsten volkswirtschaftlichen Zusammenhänge nicht begreift und Vorurteilen und Legenden hinterher rennt, unkritisch begleitet von Medienschaffenden. Das ist nicht ohne Bedeutung, weil diese Vorurteilsbeladenheit immer wieder zu falschen politischen Entscheidungen führen kann und führt. Albrecht Müller

Zum Bundestagswahlprogramm der Partei der Linken

In letzter Zeit liest man allenthalben die oft nur vorgespiegelt fürsorgliche Frage, warum die Krise der Linken nicht in die Hände spielt. Heribert Prantl begründet dieses erklärungsbedürftige Phänomen in der Süddeutschen Zeitung damit: „Wenn die Leute in der Klemme sitzen, dann wollen sie nicht immer nur hören, warum das so ist. Sie wollen wissen, wie sie da wieder herauskommen. Dazu ist von der Linkspartei nicht viel zu hören.“ Ein ausgewiesener Realo aus der Linkspartei, das Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus Carl Wechselberg, wirft seiner eigenen Partei im Spiegel vor, sie biete den „Bürgern und Wählern, die sich in der Krise existentiell bedroht sehen“ keine „echte Antworten und Konzepte“ und keine „politische Strategie zu deren Umsetzung“.
Auch der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering schlägt im ZDF in die gleiche Kerbe: Die Linke habe ihren Höhepunkt überschritten, sie „hat keine Orientierung an den Lebenswirklichkeiten, sie versucht sozialpopulistischer sein als die anderen.
Umso interessanter ist es, das Bundestagswahlprogramm [PDF – 320 KB] einmal danach abzuklopfen, ob die Linke tatsächlich keine Antworten und Konzepte oder keine Orientierung an der Lebenswirklichkeit hat. Wolfgang Lieb

Nachtrag: Der Bundespräsident täte gut daran, sich zu entschuldigen.

Eine Leserin der NachDenkSeiten, Gewerkschafterin und frühere Betriebsrätin bei Siemens, Karin Hujer, hat sich in einem Brief an den Bundespräsidenten darüber beklagt, dass Horst Köhler in seiner Berliner Rede – Kommentar siehe hier – wie selbstverständlich davon ausgeht, dass wir alle „über unsere Verhältnisse gelebt“ hätten. Sie spricht über eine Kränkung durch den Bundespräsidenten, die jene Menschen, die arbeitslos sind oder wenig verdienen, jedenfalls seit Jahren wirtschaftliche Sorgen haben, noch mehr empfinden müssen als sie selbst. Deshalb stellen wir Ihren Brief – mit kleinen Auslassungen – ins Netz.
Geben Sie den Brief mit dieser Einführung bitte weiter. Vielleicht können Sie ihn auch bei der Demo am Samstag verteilen. Darauf machen wir nochmals aufmerksam. Albrecht Müller

Köhler: „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt“

Das ist für unseren Bundespräsident „die tiefere Lehre aus der Krise“. Das erklärte er jedenfalls in seiner vierten Berliner Rede in der Elisabethkirche. Wir haben uns letztlich also selbst die hunderte von Milliarden eingebrockt, für die wir jetzt als Steuerzahler zur Stabilisierung der Finanzkrise geradestehen müssen, und deswegen müssen wir in Zukunft auch dafür bluten. Deshalb muss nach Köhler künftig „Sparsamkeit…ein Ausdruck von Anstand werden“. Zufriedenheit und Zusammenhalt sollen nicht länger „nur von einem quantitativen „Immer Mehr“ abhängig“ gemacht werden.
Da haben Banker mit kriminellen Mitteln Billionen verzockt und eingesackt, und jetzt sind „wir alle“ der „tiefere Grund“ für die Krise. Wo blieb Köhlers Vorschlag, wie diejenigen, die das Geld eingesackt haben, zur Verantwortung gezogen werden könnten?
War es vor der Krise die Wettbewerbsfähigkeit, so ist es nun die Krise, mit der begründet wird, warum die Bevölkerung den Gürtel enger schnallen soll. Die Zielrichtung bleibt immer die gleiche, nur die Begründung änderte sich. Wolfgang Lieb

Merkel bei Anne Will: „Ich glaube, wir haben bis jetzt das Richtige getan.“

Man habe in den ersten drei Jahren der Großen Koalition bis die Krise kam „erfolgreich“ gearbeitet. Nicht in Deutschland seien die Fehler gemacht worden. Nicht die Politik trage eine Mitverantwortung für die Krise, sondern nur die Banken seien „außer Rand und Band geraten“. Es sei „eben nicht“ eine Krise der sozialen Marktwirtschaft, es habe einfach nur „Exzesse der Märkte“ gegeben.
Wie soll jemand in einer Krise das Richtige tun können, der offensichtlich meint, dass er mit den Ursachen der Krise rein gar nichts zu tun hat. Wolfgang Lieb

Hornberger Schießen

Da werden von Müntefering, Steinbrück über Merkel bis hinauf zum Bundespräsidenten die „übertriebenen Managergehälter“ gegeißelt. Der EZB-Chef Trichet, Politiker, Kirchenleute, ja selbst Unternehmer warfen sich in Pose und beklagen die sich öffnende Schere zwischen Manager- und Durchschnittsgehältern und da wird vor dem Koalitionsausschuss ein großes Getöse gemacht. Herausgekommen ist fast nichts. Vor allem CDU/CSU müssen wohl ihre Geldspender und Unterstützer in den Chefetagen gerade in Wahlkampfzeiten bei Laune halten und blockierten jede Regelung, die die Obszönitäten bei der Selbstbedienung der Manager einschränken könnten. Wolfgang Lieb

Armut als Politisches Problem

Ein Referat von Johanno Strasser auf der Fachtagung „Armut bedroht unsere Gesellschaft“ der AWO-Landesarbeitsgemeinschaft Nordrhein-Westfalen am 18. Februar 2009 in Düsseldorf.

Die Gefahr für unsere Demokratie geht nicht von den Armen, sondern von der Armut aus

Zur Vorbereitung für ein Referat „Armut gefährdet unsere Demokratie“ habe ich Ergebnisse von Meinungsumfragen über die Zustimmung zu unserer Demokratie und zur Einschätzung der gegenwärtigen Politik gesammelt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Eine Gefahr für die Demokratie geht nicht von den Armen und an den gesellschaftlichen Rand Gedrängten aus, sondern von einer Politik, die immer mehr Armut zulässt und die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich nicht aufhält, sondern vertieft hat. Diese Datensammlung wollte ich Ihnen gerne zur Kenntnis bringen. Wolfgang Lieb

Hartz-IV-Sätze für Kinder und Erwachsene erhöhen!

Mit dem „Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (Hartz IV), das am 1. Januar 2005 in Kraft trat, wurde die Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitslosengeld II ersetzt – eine reine Fürsorgeleistung, die nicht mehr den früheren Lebensstandard zum Maßstab der Leistungsgewährung für Langzeitarbeitslose macht. Dies führte zur Schlechterstellung von Millionen Menschen sowie zur Aufspaltung der bisherigen Sozialhilfeempfänger/innen in erwerbsfähige, die Alg II beziehen, einerseits und nichterwerbsfähige, die Sozialgeld bzw. -hilfe erhalten, andererseits. Daraus wiederum erwuchsen neue Gefahren einer Stigmatisierung dieser Personenkreise nach dem Grad ihrer Nützlichkeit bzw. ihrer ökonomischen Verwertbarkeit. Von Christoph Butterwegge.

Den Kapitalmarkt effizienter organisieren – Konversion ist angesagt (Teil I)

Am 25. November konnten Sie in den NachDenkSeiten lesen: „Ist die Geldschwemme Ursache der Finanzmarktkrise? Ein Anstoß zu ein paar Zweifeln an einer gängig werdenden These.“ Dieser Beitrag führte zu einer teilweise heftigen Diskussion. Insbesondere meine Zweifel an der häufig wiederholten Annahme, die ungerechte Einkommensverteilung habe eine Geldschwemme verursacht, die wiederum verantwortlich sei für die Aufblähung der Finanzmärkte und die jetzige Krise, stießen auf Widerstand und Kritik. – Meine Zweifel sind nicht beseitigt. Die so oft wiederholte Vorstellung, die miserable Einkommensverteilung habe zu einer Art Geldschwemme und damit zur Finanzkrise geführt, lenkt eher von der Diagnose der wichtigeren Ursachen und damit von der richtigen Therapie ab. – Es ist jetzt notwendig, den Kapitalmarkt auf notwendige Funktionen zu beschränken und ihn von dem Element der Spekulation, den dafür forcierten Vermögenstransaktionen und überhöhten Renditevorstellungen zu befreien. Diese Beschränkung auf die notwendigen Aufgaben stellt die Volkswirtschaften vor ein ähnliches Problem wie bei der Rüstungskonversion. Albrecht Müller.