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Denkfehler Wirtschaftsdebatte

Die politische Debatte kreist oft um wirtschaftliche Zusammenhänge. Vielen Menschen sind diese fremd. Denkfehler und Vorurteile zur Wirtschafts- und Finanzpolitik sind schon deshalb weit verbreitet. Die NachDenkSeiten klären immer wieder darüber auf.

Die Kanzlerin bei Günther Jauch – Regierungs-PR und Pseudojournalismus auf Kosten der Gebührenzahler

Als der CNN-Mann Peter Arnett im Jahre 1997 als erster westlicher Journalist den Terrorfürsten Osama Bin Laden interviewen durfte, musste er zuvor seine Fragen schriftlich vorlegen. Um unangenehme Nachfragen zu verhindern, sorgte bin Ladens PR-Abteilung dafür, dass während des gesamten Interviews kein Dolmetscher vor Ort war. So kam es, dass Arnett das Interview seines Lebens führte, ohne zu verstehen, was sein Gegenüber sagte und ohne dass er in der Lage gewesen wäre, an interessanten Punkten nachzuhaken. Da hatte es Günther Jauch an diesem Sonntag mit Angela Merkel schon bedeutend einfacher, immerhin sprechen sie beide die gleiche Sprache. Dennoch machte Jauch von seinem Recht, Nachfragen zu stellen und an interessanten und kontroversen Punkten nachzuhaken, keinen Gebrauch. Jauch fühlte sich offensichtlich wie Arnett gebauchpinselt, dass er ein 60-minütiges Exklusivinterview mit einer Person führen durfte, die ansonsten keine Exklusivinterviews gibt. So verkam die Sendung zu einer faden PR-Veranstaltung für die Bundeskanzlerin und markierte dabei einen neuen Tiefpunkt im öffentlich-rechtlichen Reigen der journalistischen Minderleistungen. Von Jens Berger

Albrecht Müllers Wochenrückblick: Zur besonderen Verankerung der Union bei Medien und Vorfeldorganisationen.

Bei den Wahlen in Berlin am vor-vergangenen Sonntag ist die FDP abgestraft worden. Die CDU nicht. Warum eigentlich nicht? Die Politik von Merkel (CDU) und Schäuble (CDU) in der wichtigen Frage, wie man mit der Finanzkrise und der Krise um Griechenland umgeht, ist nur in Nuancen kompetenter. Auch diese beiden haben die Spekulation im Zusammenhang mit Griechenland immer wieder angeheizt. Und sie huldigen der populären aber falschen Vorstellung, mit Sparabsicht könne man immer und überall einen Sparerfolg erzielen. Die Union kommt trotz ihrer wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Inkompetenz besser weg als die FDP, und als SPD, Grüne und Linke sowieso, weil CDU und CSU in den Medien und auch in anderen wichtigen Einrichtungen ausgezeichnet vertreten ist. Albrecht Müller.

Studie: Auslagerung zu Privaten ist oft teurer als in öffentlicher Regie.

Die New York Times berichtet über eine Studie, deren Ergebnisse die übliche Behauptung widerlegen, die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen bzw. die Auslagerung von öffentlicher Tätigkeit in den privaten Sektor sei billiger als dann, wenn der Staat die Leistungen mit eigenen Angestellten erbringt. Hier der Link zur so genannten POGO-Studie. Der falsche Eindruck, wonach die Auslagerung in den privaten Sektor den Staat weniger kostet, wird mit einem Trick erreicht. Albrecht Müller.

Peter Bofinger bringt es auf den Punkt: Marktversagen statt Schuldenkrise.

Bei Spiegel online erschien ein sehr lesenswerter Debattenbeitrag des Sachverständigenratsmitglieds Professor Bofinger mit dem Titel „Der fatale Irrtum der Stabilitätsfanatiker“. Bofinger zeigt in diesem Beitrag, wie falsch und von Ideologie getrieben deutsche Ökonomen von Weber über Stark und Issing bis Sinn die Lage analysieren und wie die Politik bis hoch zum Bundespräsidenten diesen Trampelpfaden „deutscher Ordnungspolitiker“ folgen. Wörtlich: „Die meisten deutschen Ökonomen haben ein unerschütterliches Vertrauen in die “Marktdisziplin”. In einer kollektiven Amnesie wird dabei völlig verdrängt, dass der größte Teil der heutigen Probleme nicht auf eine mangelnde Fiskaldisziplin, sondern vielmehr ein massives Marktversagen zurückzuführen ist.“ Die Mehrheit unserer sich gleichschaltenden Medien kennt nur ein Etikett: „Schuldenkrise“. Albrecht Müller.

Eurokrise in Zahlen (II) – Krisengewinnler Neoliberalismus

Während die Welt unter dem Joch der Spekulation an den Finanzmärkten leidet, konnte Deutschland seine finanzpolitische Situation in den letzten beiden Jahren merklich verbessern. Beleg dafür sind die deutlich gesunkenen Zinsen für Staatsanleihen, von denen nicht nur Deutschland, sondern auch andere Länder profitieren, die in den Turbulenzen der Finanzkrise als sicherer Hafen gelten. Anstatt diesen positiven Effekt dazu zu nutzen, zumindest im eigenen Lande die Krisenfolgen zu mildern, nutzt Deutschland die Gunst der Stunde, um ganz Europa auf den neoliberalen Kurs deutscher Schule zu zwingen. Die Folgen dieser Politik sind verheerend – auch für Deutschland. Von Jens Berger

Die Eurokrise in Zahlen (I) – Wie Musterschüler zu Problemkindern wurden

Mit steter Regelmäßigkeit behaupten die deutsche Regierung und viele deutsche Medien, dass die Eurokrise eine direkte Folge des finanzpolitischen Schlendrians einiger Eurostaaten sei. Eine unwahre Aussage wird jedoch nicht wahrer, wenn man sie regelmäßig wiederholt. Ein Blick auf die statistischen Daten der OECD reicht aus, um diese Aussage zu widerlegen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall – am Vorabend der Finanzkrise galten die heutigen Problemkinder noch als finanzpolitische Musterschüler. Von Jens Berger

Es ist die Rezession, Dummkopf

Nach all dem Unsinn, der über das Auf und Ab des Aktienmarktes an der Börse erzählt wurde, allmählich geht offenbar manchen ein Licht auf: Nicht irgendwelches Gerede etwa über Arbeitslosenzahlen in den USA, über eine in den Sternen stehende Einführung einer Transaktionssteuer, über irgendwelche Gipfeltreffen oder Erklärungen von Zentralbankchefs, nicht einmal – so die am meisten gebrauchte Floskel – die Krise der „Staatsverschuldung“ treibt den aktuellen Herdentrieb der Börsenmakler an. Es ist schlicht die Angst vor einer weltweiten Rezession. Von Wolfgang Lieb

Goldfinger – die Spekulation mit der Angst

Der Goldpreis erklimmt mit jedem Handelstag ein neues Rekordniveau. Wie bei einem Herdentrieb lassen sich immer mehr eingeschüchterte Bürger in Goldinvestments treiben. Gold ist jedoch keinesfalls der sichere Hafen, wie er oft scheint oder vorgegaukelt wird. Der Markt für physisches Gold ist gefährlich klein, die Spekulation hat jedoch in den letzten Jahren ein gigantisches Volumen erreicht. Es scheint fast so, als haben einige große Spieler es darauf abgesehen, mit der Goldblase das ganz große Geschäft zu machen. Anstatt zu warnen, heizen Medien und viele sogenannte „Experten“ die Spekulation zusätzlich an. Von Jens Berger

Plan B des Sachverständigenrats – Statt Prinzip Hoffnung, Prinzip Zeitgewinn

Wie sehr Deutschlands die sog. „Wirtschaftsweisen“ auf eine eindimensionale Gläubiger-/Schuldner-Logik fixiert sind, belegte einmal mehr ihr Ratschlag an die Kanzlerin [PDF – 15.3 KB] für den heutigen EU-Krisengipfel. Es geht ihnen nur um Schuldenmanagement und nicht um Realwirtschaft und schon gar nicht um die wirtschaftspolitische Ursache der Europa-Misere. Von Wolfgang Lieb

Weniger Urlaub für die Südeuropäer?

Eine Entgegnung auf Jens Bergers Beitrag „Die Kanzlerin der Stammtische“ von Heiner Flassbeck.
Nun ist es endlich raus, was schief läuft in Euroland. Frau Merkel sagt (lt. WELT online vom 18.5.): „Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig. Das geht auf Dauer auch nicht zusammen.“ Jetzt kann man endlich verstehen, warum für die schwere Krise in Euroland offenbar keine Lösung gefunden werden kann. Die europäische Tragödie ist laut der deutschen Bundeskanzlerin die Folge der Weigerung der Südeuropäer, auf Urlaub zu verzichten. Diese Äußerung zeigt aber besser als alles bisher Gesagte, was wirklich die europäische Tragödie ausmacht: Die Unfähigkeit unserer Spitzenpolitiker und ihre ökonomischen Berater auch nur im Ansatz zu begreifen, was eine Währungsunion bedeutet und wie sie funktioniert.

Wachstumswahn, Wachstumszwang, Wachstumskritik, Postwachstumsgesellschaft, etc. – seltsame Begriffe und eine vergleichsweise irrelevante und in die Irre leitende Debatte

Es ist richtig und überaus wichtig, auf einen schonenden Umgang mit den knappen Ressourcen zu pochen, das Bewusstsein dafür zu schärfen und die notwendigen politischen Entscheidungen zu erzwingen. Ist dafür die anschwellende Debatte um das wirtschaftliche Wachstum von großer Bedeutung? – Vor einiger Zeit schon habe ich es übernommen, in den NachDenkSeiten etwas zur aktuellen Wachstumsdiskussion und Wachstumskritik zu schreiben und dabei auch Position zu beziehen zu Begriffsbildungen wie „Postwachstum“ und „Wachstumszwang“ und zu Aktivitäten wie dem Attac-Kongress „Jenseits des Wachstums?!“ Diese Debatte ist gemessen an unseren wirklichen Problemen herausragend irrelevant und sie wird in einer verwirrenden, oft unverständlichen Sprache geführt, mit Texten und Aussagen, deren Logik man nicht hinterfragen darf. Sie ist im Kern arbeitnehmer- und sozialstaatsfeindlich. Albrecht Müller.

Iudex non calculat – Die Verfassungsrichter in NRW als Oberökonomen

„Iudex non calculat“ oder „Richter können nicht rechnen“, so wird scherzhaft ein Rechtsgrundsatz aus dem römischen Recht übersetzt. Dieser Satz gilt offenbar auch noch nach 2000 Jahren. Diesen Schluss muss man ziehen, wenn man das Urteil des Verfassungsgerichtshofs NRW in Münster liest, mit dem der Nachtragshaushalt des Landes für das zurückliegende Jahr 2010 für verfassungswidrig erklärt wird.
Hier wird die Propaganda der Bundesregierung, dass wir uns schon wieder in einem Aufschwung befinden, zur Entscheidungsgrundlage gemacht und die herrschende einzelwirtschaftliche Perspektive beim Umgang mit Staatsschulden zum Verfassungsprinzip erhoben. Wolfgang Lieb