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Agenda 2010

Pleisweiler Gespräch mit Heiner Flassbeck am 20. November

Hier folgt die Einladung mit Thema, Zeit und Ort. Wir erwarten eine interessante und auch spannende Diskussion darüber, was in der Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitikpolitik notwendig ist. Sie sind herzlich eingeladen. Es wäre schön, Sie würden die Einladung auch an interessierte Freunde und Bekannte weitergeben. Bitte den Hinweis zur Anmeldung beachten. Albrecht Müller.

Wenn sich Anbieter und Nachfrager suchen: Nobelpreis an ein Arbeitsmarktforscher-Trio

In diesem Jahr ist das Komitee zur Vergabe des durch die Schwedische Reichsbank 1968 gestifteten Preises für Ökonomik im Gedächtnis an Alfred Nobel seiner Linie in den letzten Jahren treu geblieben: Geehrt und damit gefördert wird die Grundlagenforschung zur Funktionsweise von Märkten unter allerdings realistischen Verhaltensannahmen und bei Berücksichtigung institutioneller Beziehungen. Die reine Marktlehre, die modellhaft auf die Preisbildung aus dem Zusammenspiel der von einander unabhängigen Nachfrage gegenüber dem Angebot setzt, ist nicht in der Lage, die Prozesse auf den heutigen Märkten zu erklären. Sind noch vor Jahren die Forschungsarbeiten zu ungleich verteilten Informationen (J.A. Stieglitz / George A. Ackerlof, geehrte 2001) belohnt worden, so geht es in diesem Jahr um Forscher mit dem Schwerpunkt: Akteure auf den Märkten befinden sich auf Suche nach der angemessenen Entscheidung und bringen dafür Kosten und Zeit auf. Wegen dieser Kritik der reinen Marktlehre lassen sich diese Theorien auch nicht als neoliberal abtun. Allerdings steht bei der Suche nach der Arbeitslosigkeit das Verhalten der Arbeitslosen bei der Suche nach einem Job im Vordergrund. Fehlverhalten der Arbeitgeber beispielsweise wegen zu geringer Ausbildungsangebote wird zu wenig thematisiert. Ausgeblendet wird vor allem der Einfluss der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die eine aktive Finanzpolitik und expansive Lohnpolitik fordert. Dafür hatte Paul Krugman den Nobelpreis 2009 erhalten. Von Rudolf Hickel

Soziale Kälte unter dem Deckmantel der Integrationsdebatte

Während sich die Schlagzeilen, die Kommentatoren und das Feuilleton darüber auslassen, ob „der Islam zu Deutschland gehört“ (Wulff), beschleunigt die schwarz-gelbe Bundesregierung ihren Kurs der sozialen Kälte. Unter dem Deckmantel der „Integrationsdebatte“ wird zum einen, ohne dass das Gesetz verabschiedet ist, den Hartz IV-Beziehern schon mal vorab das Elterngeld entzogen und zum anderen beschließt die Regierungskoalition über Nacht eine Neuregelung der Hinzuverdienstgrenzen, wonach einige wenige Hartz IV-Aufstocker gerade mal bis zu 20 Euro im Monat hinzuverdienen dürfen. Solche Meldungen verschwinden unter Verschiedenes.
Der Verlust des Elterngeldes für Hartz IV-Beziehern von 300 Euro pro Monat und 3.600 Euro für ein Jahr ist nur noch Nebensache. Ein „Minischritt“ beim Zuverdienst für etwa dreihundert Tausend der 1,4 Millionen Aufstocker, darf als „Anreiz“ zur Aufnahme zur eine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung schöngeredet werden, ohne dass ein lautes Hohngelächter ausbricht. Wolfgang Lieb

Herrliche Belege für Kampagnenjournalismus

Es gibt immer noch Journalisten, die bestreiten, dass ein beachtlicher Teil ihrer Kolleginnen und Kollegen in Kampagnen der Meinungsbeeinflussung eingebaut sind, beziehungsweise sich dafür nutzen lassen. Ich muss – in Ergänzung eines Beitrags vom 15. Mai – gestehen, dass ich diese Zweifel nur noch kopfschüttelnd wahrnehmen kann. Denn Kampagnenjournalismus wird inzwischen vermutlich zum beherrschenden Charakteristikum der schreibenden und sendenden Zunft. Zwei Beispiele aus der neueren Zeit stelle ich Ihnen vor: die Kampagne zu Steinbrück und die Kampagne zum angeblichen, neuen Wirtschaftswunder. Albrecht Müller

„Deutscher Alterssurvey“- Die Rente mit 67 ist eine Kopfgeburt

„Deutsche gehen später in Rente“ titelt die Süddeutsche Zeitung und übernimmt damit kritiklos die Sprachregelung von Bundessozialministerin von der Leyen. Die SZ stützt sich dabei auf den gestern veröffentlichten „Alterssurvey [PDF – 49 KB]“. Die Befürworter der Rente mit 67, die behaupten, dass Ältere wachsende Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, können aus dem Alterssurvey jedoch keinen Honig saugen. Selbst bei einer angestiegenen „Erwerbsbeteiligung“ der 60 bis 64-Jährigen von derzeit 33 Prozent (von der Leyen sprach sogar von 40 Prozent), bliebe aus heutiger Sicht die Rente mit 67 für den allergrößten Teil der Arbeitnehmer eine faktische Rentenkürzung. Wolfgang Lieb

Bildungs(bananen)republik auf einen Blick

Die nachfolgenden Grafiken aus dem neuen OECD-Bildungsbericht sprechen eigentlich für sich und sagen mehr als tausend Worte. Deutschland nimmt bei fast allen Daten zur Finanzierung des Bildungsbereichs und bei allen Statistiken über die Bildungsbeteiligung und –erfolge vor allem im tertiären Bereich bestenfalls einen Platz im Mittelfeld, ja vielfach sogar am unteren Tabellenende der Rankings ein.
Und die Bundesregierung hat nichts Besseres zu tun, als sich zu loben: Deutschland liege als Zielland für ausländische Studierende an dritter Stelle in der Welt – ohne darauf hinzuweisen, dass dies auch daran liegt, dass an den meisten deutschen Universitäten noch keine Studiengebühren erhoben werden. In Deutschland sei der Anteil junger Menschen, die einen Hochschlussabschluss erworben haben, gestiegen – ohne darauf hinzuweisen, dass auch die anderen Länder zugelegt haben und wir immer noch im hinteren Mittelfeld liegen. Statt aber den großspurigen Ankündigungen über den Vorrang der Bildung Taten folgen zu lassen, wird angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels, nach ausländischen Fachkräften gerufen. Wolfgang Lieb

Konsequent asozial

Vier von fünf Bundesbürgern halten das „Sparpaket“ für sozial unausgewogen und sie haben Recht. Die Ärmsten der Armen und die Arbeitnehmer werden die Hauptlast der Krise bezahlen. Von einem „fairen Ausgleich“ zwischen Sozialkürzungen und Belastungen „der Wirtschaft“, über den Kanzlerin Merkel gesprochen hat, kann keine Rede sein. Die Gewinner der Finanzspekulationen bleiben ungeschoren, die Verluste tragen die Arbeitslosen und die sozial Schwachen. Wolfgang Lieb

Tarifeinheit und Tarifautonomie

Für die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen gibt es eine weitere Hängepartie: Den gemeinsamen Vorstoß von BDA und DGB zur gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil zur Aufhebung der Tarifeinheit am 23. Juni 2010 erheblichen Wirbel verursacht. Danach wurde mit dem bisher geltenden Grundsatz gebrochen: Ein Betrieb- eine Gewerkschaft. Damit ist das bisherige Prinzip nicht mehr gültig, dass in einem Betrieb für vergleichbare Arbeitsverhältnisse nur einheitliche Tarifverträge angewendet werden.
Politik und Gesetzgeber ist anzuraten, den konkurrierenden Spartengewerkschaften nicht die Luft abzudrehen. Ohne die Möglichkeit zu Tarifverträgen mit den erforderlichen Arbeitskampfmaßnahmen wären die im Grundgesetz verankerte Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie als Eckpfeiler unseres Sozialstaates und unserer Demokratie nicht durchzusetzen. Von Ursula Engelen-Kefer

Gängelung der Armen

Ursula von der Leyens Plan, höhere Sozialleistungen für Kinder im Hartz-IV-Bezug nicht auszuzahlen, sondern ihnen Gutscheine, einen „Bildungspass“ bzw. eine Chipkarte auszuhändigen, findet über die parteipolitischen Lagergrenzen hinweg zahlreiche Anhänger/innen. Einer der Hauptgründe hierfür dürfte das in der Gesellschaft weit verbreitete Vorurteil sein, eine vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 angemahnte Erhöhung des Regelsatzes komme bei vielen Kindern aus sog. Hartz-IV-Familien gar nicht an, weil die Eltern das Geld eher zur Befriedigung ihrer eigenen Konsumbedürfnisse ausgeben würden. Zwar mag es tatsächlich den einen oder anderen Vater geben, der sich eher den beinahe schon sprichwörtlichen Flachbildschirm kaufen würde, als das zusätzliche Geld seinen Kindern zugute kommen zu lassen. Mit den seltenen Ausnahmen „vergnügungssüchtiger“ Familienväter zu begründen, dass keine Erhöhung der Regelsätze stattfinden soll, womit alle übrigen Eltern und Kinder völlig schuldlos benachteiligt würden, wäre aber mehr als perfide. Dass auch Unternehmen staatliche Subventionen zweckentfremden, zeigt der jüngste Missbrauchsskandal beim Kurzarbeitergeld, hat bisher freilich bezeichnenderweise nie die Forderung nach sich gezogen, ihnen keine Subventionen mehr zu gewähren oder bloß noch Gutscheine auszuhändigen. Von Christoph Butterwegge

Von der Leyen spielt die Bildungskarte aus – oder die Kapitulationserklärung der Bildungspolitik

Lassen wir uns nichts vormachen, hinter dem mit viel öffentlichem Wirbel angekündigten „Bildungspaket für Kinder und Jugendliche“ stehen folgende Prämissen:

  • das (Vor-)Urteil, dass die Hartz IV beziehende Eltern das Sozialgeld, das sie für ihre Kinder bekommen, (um es mit den beschönigenden Worten der Sozialministerin zu sagen) nicht „zielgenau“ für „mehr Bildung“, für „mehr soziale Integration“, für „mehr positive Persönlichkeitsentwicklung“ und für „mehr Lebenschancen“ ihrer Schul- und Kitakinder einsetzen,
  • dass die Regelsätze zur Sicherung des Existenzminimums minderjähriger Kinder nicht entsprechend des kinder- und alterspezifischen Bedarfs deutlich erhöht werden sollen,
  • dass gleichzeitig das „Lohnabstandsgebot“ gegenüber niedrig verdienenden Vollzeiterwerbstätigen eingehalten wird,
  • und schließlich, dass die staatlichen Investitionen in auch Benachteiligte fördernde Kitas und Schulen und damit die Steuern nicht erhöht werden müssen.

Aus diesen politisch selbst aufgestellten „Fallen“ will nun die Sozialministerin organisatorisch mit dem „Bildungspaket“ und technisch mit der „Bildungskarte“ entkommen. Eine Kapitulationserklärung der Bildungspolitik und ein schleichender Leitbildwechsel vom Sozial- in den Almosenstaat. Wolfgang Lieb

Dienstleistungs- und Entsenderichtlinie: Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion [PDF – 77,3 KB] räumt die Bundesregierung ein, dass eine seriöse eindeutige Zuordnung bzw. Quantifizierbarkeit der Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie nicht möglich sei. Einen Dumpingwettbewerb von Dienstleistern aus anderen EU-Ländern, die – weil sie nicht dauerhaft niedergelassen sind – ihre Arbeitnehmer lediglich zu Arbeits- und Entlohnungsbedingungen des Heimatlandes beschäftigen, sieht die Regierung nicht, da über die über das Arbeitnehmerentsendegesetz geltenden Branchenmindestlöhne auch von den ausländischen Dienstleistungserbringern einzuhalten seien.
Das ist leider wieder einmal nur die halbe Wahrheit, denn in der Mehrheit der Niedriglohnbranchen gibt es aber entweder keine nationalen Tarifverträge oder die Arbeitgeber zeigen bislang keine Bereitschaft, einen Mindestlohn auszuhandeln, oder die Tarifbindung liegt unter 50 Prozent.
Darüber hinaus sind gewerkschaftliche Gegenmaßnahmen gegen ein solches Lohndumping nach EU-Vertragsrecht erheblich eingeschränkt. Wolfgang Lieb

Bleibt Ostdeutschland ein Niedriglohnland?

Ostdeutschland ist auch im 20. Jahr der Vereinigung als generelles Niedriglohngebiet einzuordnen, wie die jüngsten Daten der Bundesstatistik zeigen. Zwar gibt es im Westen auch regionale bzw. branchentypische Niedriglöhne, aber die faktischen und tariflichen Unterschiede sind im Durchschnitt in den neuen Bundesländern (NBL) am stärksten ausgeprägt. Die Rangfolge der ostdeutschen Bundesländer in den effektiven Brutto-Stundenlöhnen offenbart eine dramatische Bilanz nach zwanzig Jahren bundesdeutscher Lohn- und Einkommensentwicklung. Von Karl Mai

Die Bild-Zeitung hetzt Arbeitnehmer und Rentner gegen Hartz-IV-Empfänger auf

Was die Bild-Zeitung mit ihrer Kampagne gegen eine Anpassung der Hartz-IV-Regelsätze an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts betreibt, hat kein anderes Ziel als Bevölkerungsgruppen gegen Bedürftige aufzuhetzen und mit dieser Hetze öffentlichen Druck auf die Senkung solcher Fürsorgeleistungen aufzubauen, auf die gerade diejenigen angewiesen sind, die aufgehetzt wurden. Mit dieser Kampagne wird gleichzeitig einer weiteren Senkung der Löhne und einer Ausweitung des Niedriglohnsektors Vorschub geleistet.
Es ist bekannt, dass die Bild-Zeitung überwiegend von Menschen mit niedrigem Einkommen gelesen wird. Deshalb ist es geradezu zynisch, dass gerade diese Menschen den Kakao auch noch trinken sollen, durch den sie gezogen werden. Wolfgang Lieb