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Strategien der Meinungsmache

Wer über viel Geld oder/und publizistische Macht verfügt, versucht die politischen Entscheidungen in seinem Sinne zu beeinflussen. Durch Lobbyarbeit und durch Meinungsmache. Meinungsmache wird strategisch und professionell geplant. Die NachDenkSeiten beschreiben und analysieren solche Strategien.

Wer sich bei der Privatvorsorge auf FINANZtest verlässt, spielt mit einem hohen Risiko.

Es ist erstaunlich, wie offen und zugleich unredlich Einrichtungen, von denen wir das nicht erwartet hätten, Reklame für Privatvorsorge machen. So zum Beispiel die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender; insbesondere das ZDF (siehe Hinweise vom 15. 11., Nr. 4) Auch Volkshochschulen und selbst die Deutsche Rentenversicherung lassen sich einspannen. Und sogar FINANZtest, der Ableger der Stiftung Warentest. FINANZtest empfiehlt den Privatvorsorgern Riester-Fondssparpläne mit einer voraussichtlichen Rendite von 9% bis zum Jahr 2035. Nicht zu glauben. Unseriös. Lesen Sie selbst. Albrecht Müller.

Der so genannte Sachverständigenrat ist nur noch eine Maschinerie der Meinungsmache.

Freunde warnen mich immer wieder davor, einen Vergleich mit der Nazizeit anzustellen, weil dies einen von vornherein diskriminiert. Aber was ist, wenn die Parallelen erdrückend sind? Was ist, wenn genauso professionell gelogen wird und die Meinungsmache gleichgeschaltet ist? Darf man dann immer noch nicht darauf hinweisen, wie sich die Bilder und die Methoden gleichen? Wir haben unsere Väter gefragt, warum sie der durchschaubaren Propaganda glaubten. Wenn sie klug waren, verwiesen sie auf die teuflischen Methoden und die gleich lautenden Stimmen. Meist waren sie aber nur hilflos. So wie wir heute, wenn über uns eine Armada von Propagandisten herfällt wie jetzt bei der Verbreitung der Botschaften: Der Aufschwung ist da! Wir verdanken ihn den Reformen! Die Reformdividende nicht verspielen! Weitermachen mit den Reformen! – Das Gutachten des Sachverständigenrates, seine Präsentation und die Begleitpropaganda – mustergültig in „Spiegel Online“ – sind ein eindrucksvolles Anschauungsmaterial für diese Beobachtung. Albrecht Müller.

Newsweek über Angela Merkel – Ein Medienspiel über die amerikanische Bande

Der Aufmacher in der früher einmal links-liberal geltenden amerikanischen Wochenzeitung über einen angeblichen Links-Ruck in Deutschland kam wie gerufen. Die Sprachrohre der Reformpolitik vom „Spiegel“ über die „Welt“ bis hin zur „Zeit“ stiegen mächtig darauf ein. BILD machte sogar mit der Schlagzeile auf: “US-Magazin nennt Angela Merkel ,verlorene’ Kanzlerin”. Was unterging: Mit einer Ausnahme stammen die Meinungsmacher in Newsweek alle aus Deutschland, so etwa der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer, Zeit-Herausgeber Josef Joffe oder der BILD-Kolumnist Hugo Müller-Vogg. Autoren, die in Deutschland mit ihrer Reformeuphorie kaum noch ernst genommen werden, benutzten jetzt die USA als ihren Resonanzboden. Dazu die SZ süffisant: Das US-Spezifische der Hauptgeschichte besteht darin, dass sie von einem nach Pittsburgh ausgewanderten Deutschen auf Englisch geschrieben wurde, der offenbar seit 2001 Deutschland-Korrespondent von Newsweek ist. Seine Hauptquellen sind das Allensbach-Institut, der Forsa-Chef, Zeit-Kommentator Jörg Lau und ein in London lebender Chef-Ökonom der Bank of America mit dem Namen Holger Schmieding. Unser Leser Roger Strassburg hat einen Leserbrief an Newsweek geschrieben.

Die herrschende neoliberale Ideologie ist nicht nur ungerecht, sie ist ineffizient

Wir haben schon mehrmals auf das Gerangel zwischen der neoliberalen Meinungsmehrheit und ihren Kritikern hingewiesen, das wir zur Zeit erleben. Dazugehört auch ein Artikel von Dr. Ursula Weidenfeld. (Siehe Hinweise von heute.) Sie beklagt, dass „unter der Flagge der Gerechtigkeit Fehler gemacht werden. Fehler, die einmal und endlich durchgesetzte Reformen korrumpieren, die das wenige Erreichte fundamental infrage stellen.“ – Darin steckt ein cleverer Trick: Indem die Existenz einer Gerechtigkeitslücke vordergründig anerkannt wird, transportiert die Journalistin zugleich ihre Hauptbotschaft: Wir haben „spektakuläre Erfolge auf dem Arbeitsmarkt“ und diese verdanken wir den Reformen, die nun leider wegen des Drangs des Volkes nach Gerechtigkeit wieder zur Disposition gestellt würden. – Das ist clever und zeigt die Schwäche einer einseitig auf die mangelnde Gerechtigkeit abhebenden Kritik an der Reformpolitik. Albrecht Müller.

Abgehoben im siebten Stock

Wer einmal Gelegenheit hatte in den siebten Stock im Kanzleramt vorzudringen, der dürfte ein beklemmendes Gefühl bekommen haben, wie abgeschottet und abgehoben von der Wirklichkeit man dort arbeiten muss. Dorthin gelangen nur noch abgestimmte Vermerke und Sprachregelungen auf Sprechzetteln. Zu welcher abgekapselten und von der Wirklichkeit losgelösten Gedankenwelt das führen muss, kann man beispielhaft nachlesen, wenn man in der Welt am Sonntag ein Gespräch mit Angela Merkel, der Bewohnerin dieser Etage, nachliest. Wolfgang Lieb.

Ein „cleverer“ Herr Clever oder wie die Bundesagentur für Arbeit die Öffentlichkeit manipuliert

In einem Interview vom 25.10.2007 („Mitteldeutsche Zeitung“) erklärt der Arbeitsmarkt-Experte Herr Clever, Vize im Bundesvorstand der BfA, dass er für die Jahre 2009 bis 2011 nur mit einem BIP-Wachstum von 1,4 % rechne – daher könne das ALG I nicht wieder verlängert werden. Bei jedoch nur 1,4 % nomineller BIP-Wachstumsrate wäre mit wieder steigender Arbeitslosigkeit in den Jahren 2009 bis 2011 in Deutschland zu rechnen, und dafür gilt es also schon jetzt zu sparen. Karl Mai

Rückblick – nur noch Meinungsmache entscheidet. Die Sache – nahezu irrelevant.

Erstens über den Ausgang der Tarifauseinandersetzung der Lokführer mit der Bahn. Zweitens über das Urteil über den SPD Parteitag. Drittens darüber, wem der kleine Aufschwung zu verdanken ist. Viertens Börsengang der Bahn. Fünftens Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 km/h. Ich skizziere in Stichworten, was mir aufgefallen ist. Der durchgehende Grundzug – was sachlich richtig ist, ist vergleichsweise zweitrangig, entscheidend ist die Potenz der öffentlichen Meinungsführung. Albrecht Müller.

Gezielte Stimmungsmache zum Lokführerstreik.

Heute früh begrüßte die Frankfurter Rundschau ihre Leser auf der ersten Seite mit der Hauptschlagzeile „Die Stimmung kippt“. Begründet wurde diese Behauptung mit dem Hinweis auf eine Forsa-Umfrage. Auch Maybritt Illner sprach gestern Abend davon, die Stimmung kippe. Und auf SpiegelOnline findet sich ein Beitrag wonach ein Stimmungswechsel bei den Menschen stattfinde, demzufolge die Lokführer sich mit dem Angebot der Bahn zufrieden geben sollten. Seltsam, die quasi gleichzeitig veröffentlichten Ergebnisse des ARD-Deutschland-Trends besagen das Gegenteil. Danach wächst das Verständnis für die Streikenden noch.
Offenbar versuchen manche Medien, zusammen mit der Bahn und einigen Politikern die Stimmung zu verändern. Albrecht Müller.

Der Streit zwischen Beck und Müntefering nur ein Fake?

Stellen Sie sich einmal für einen Augenblick vor, Sie wären Anfang September in einer strategischen Planungsgruppe im Willy-Brandt-Haus in Berlin oder im Beraterumfeld von Kurt Beck gesessen und hätten eine Strategie zur Verbesserung der Lage der SPD und zur Steigerung des Ansehens des Parteivorsitzenden und dazu noch eine Choreografie für einen erfolgreichen SPD-Bundesparteitag entwerfen müssen.
Was hätten Sie vorgeschlagen? Wolfgang Lieb

Konflikte prägen und korrigieren Images – und entscheiden Wahlen

Zur Zeit sind wir Zeitzeugen eines interessanten, schon oft erprobten Effektes in der politischen Kommunikation: Über einen (Sach-)Konflikt unter Personen können Images von Politikern geprägt, verändert, aufgebaut und (selten) ruiniert werden. Im konkreten Fall baut Kurt Beck sein Image als sozialdemokratisch gesonnener Sozialdemokrat auf, und Franz Müntefering gewinnt das Image eines an der Sache und daran allein orientierten Politikers, und nebenbei wird noch relativ erfolgreich versucht, die Agenda 2010 als wirtschaftlich wirksame, allenfalls mit Gerechtigkeitsdefiziten getrübte Tat in den Köpfen zu verankern. Albrecht Müller.

Thema Bahn bei Anne Will – ganz gut, aber es fehlte der Blick hinter die Kulissen

Anne Will und ihre Sendung ist gemessen an der Vorgängerin eine wirkliche Erholung. Dennoch kann ich im Blick auf die gestrige Sendung über die Bahn die euphorische Bewertung von Spiegel Online nicht teilen. Es fehlte der Blick hinter die Kulissen, im konkreten Fall vor allem der Hinweis auf die politische Korruption, ohne die das Drängen auf Privatisierung und die Festlegung der Koalitionspartner darauf nicht verständlich ist, und es wurde nicht offenbar, wie wir bei diesen Fragen manipuliert werden, obwohl dies bei der Sendung selbst konkret geschah. Es fehlte, kurz und etwas unbescheiden gesagt, das, was wir Ihnen mit den NachDenkSeiten bieten, auch im konkreten Fall.

Becks-Korrektur Vorschlag ist nur glaubwürdig, wenn die Arbeitslosenversicherung wieder hergestellt wird und die Agenda 2010-Macher nicht noch befördert werden.

SPD-Vorsitzende Beck schlägt eine leichte, ungenügende Korrektur der Agenda 2010 vor und schon revoltieren die Macher dieses Unheils. Die jetzt laufende Diskussion ist in mehrerer Hinsicht interessant. Man kann daran studieren, wie versucht wird, Meinung zu machen und Images zu korrigieren, ohne ernsthaft etwas zu verändern.

Unsere Oberen fühlen sich wie Helden, weil sie gegen unseren Willen regieren

Es wird immer mehr zum Usus, dass unsere Führungseliten den Willen der Mehrheit missachten, gegen diesen Willen entscheiden und dann mit massiver Propaganda versuchen, die Menschen zu beeinflussen. Natürlich weiß ich auch, dass politische Entscheidungen nicht auf der Basis von Umfragen gemacht werden können. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der heute Mehrheitsmeinungen missachtet werden, ist schon bemerkenswert. Das gilt für die grundsätzliche Frage der Einstellung der Mehrheit der Menschen zu Sozialstaat und zu Solidarität in einer Gesellschaft. Die Mehrheit will das. Die Politik missachtet das. Es gilt dann für solche Fragen wie den Transrapid zur Flughafenanbindung in München. Die betroffenen Münchner spielen keine große Rolle. Siehe dazu unten Beispiel A. – Es gilt für die Linie von Arbeits- und Sozialminister Müntefering. Er macht aus der Missachtung der Wünsche der Mehrheit eine Tugend. Albrecht Müller.