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Strategien der Meinungsmache

Wer über viel Geld oder/und publizistische Macht verfügt, versucht die politischen Entscheidungen in seinem Sinne zu beeinflussen. Durch Lobbyarbeit und durch Meinungsmache. Meinungsmache wird strategisch und professionell geplant. Die NachDenkSeiten beschreiben und analysieren solche Strategien.

‚Attacs und Merkels Ziele sind identisch.’ Ja, Sie haben richtig gelesen.

In meiner Tagebuchnotiz vom 5.6. zur Kommunikationsstrategie von Angela Merkel bin ich bewusst freundlich mit Heiner Geißlers Rolle umgegangen. Sein neues Interview, diesmal mit FAZ.NET vom 6.6., irritiert jedoch gehörig. Da wird allen Ernstes behauptet, die Ziele von Attac „sind identisch mit denen der Bundeskanzlerin“. Hier wird das Bild der inhaltlichen Orientierung von Bundeskanzlerin Merkel auf nicht mehr nachvollziehbare Weise beschönigt. Und Attac muss dafür herhalten. Dieser aktuelle Versuch einer Gehirnwäsche zwingt mich dazu, an einige markante Positionen und Einlassungen, Taten und Unterlassungen von Angela Merkel zu erinnern.

Merkels clevere Kommunikationsstrategien zur Imageerweiterung

Seit einiger Zeit schon beobachte ich Angela Merkels teils sehr erfolgreichen Versuche zur Imageerweiterung. Sie gibt sich ein fortschrittliches Image vor allem über die Klima- und Entwicklungsthematik, nimmt bewusst Kontakt auf zur progressiven Pop-Szene und kritisiert gelegentlich den US-Präsidenten Bush. Und sie versucht, sich und ihrer Partei ein sozialeres Image zu geben. Das zielt auf eine strategische Erweiterung des Wählerpotenzials und der Koalitionsmöglichkeit mit den Grünen. Jetzt sind diese Vermutungen durch ein öffentlich gewordenes so genanntes geheimes Protokoll aus dem Bundeskanzleramt bestätigt worden. Außerdem sprechen verschiedene Äußerungen von Dr. Heiner Geißler für die Planung und den Erfolg dieser Strategie. Albrecht Müller.

Zum Entstehen eines Mainstream ein Zitat aus „Mein Kampf“

Einer unserer freundlichen Leser macht uns nach Lektüre unseres Hinweises Nr. 10 vom 25.5. auf einen einschlägigen Text in „Mein Kampf“ aufmerksam. Zu Hitlers Text ist meinerseits noch anzumerken, dass er viel über die Verführbarkeit der „Masse“ schreibt, unsere Erfahrung heute wie schon damals aber dafür spricht, dass jene, die sich für Eliten halten, mindestens so leicht manipulierbar sind – und dann auch noch selbst manipulieren. In „Machtwahn“ habe ich einige gravierende Fälle dokumentiert, zum Beispiel den Irrlauben an die ideale Bevölkerungspyramide, der von einer Kommission der Robert Bosch Stiftung unter dem Vorsitz von Kurt Biedenkopf und hochmögenden Mitwirkenden wie Prof. Sinn und Landesbischöfin Margot Käßmann geteilt wird. Albrecht Müller.

Al Gore oder Aufwachen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Schön, aber es reicht nicht.

Der frühere Vizepräsident und Präsidentschaftskandidat Al Gore beklagt in einem neuen Buch die Gefahr, die für die Demokratie aus der totalen Fernsehgesellschaft erwächst. Das ist eine ehrenwerte und wichtige Erkenntnis, aber ein bisschen spät kommt sie schon. Wenn wir immer erst wach werden, wenn wichtige Bedingungen demokratischer und sozialer Verhältnisse zerstört sind, dann findet das offensichtlich großes publizistisches Interesse, aber es ist gesellschaftspolitisch nicht sonderlich relevant. Was Al Gore jetzt schreibt, das wissen wir seit mehr als 30 Jahren. Genau in diesen 30 Jahren sind die Weichen immer wieder falsch gestellt worden und zwar so, dass wegen der auch von Al Gore beklagten Konzentration von Medienmacht die Verhältnisse nur noch schwer zum Besseren gewendet werden können. Albrecht Müller.

Jens Wernicke/Thorsten Bultmann (Hrsg.): Netzwerk der Macht – Bertelsmann

Statt einer Rezension geben wir ein Interview mit einem der Herausgeber einer lesenswerten Buchneuerscheinung über den medial-politischen Komplex aus Gütersloh wieder. Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Westfälischen aus Bielefeld.
Das Buch, in dem 30 Autoren zu Wort kommen, unternehme zum ersten Mal den Versuch einer systematischen Darstellung der Macht dieses Konzerns. Im Interview fordert Jens Wernicke eine öffentliche Diskussion über die Rolle der AG und der Stiftung, „die zu Unrecht den Status der Gemeinnützigkeit genießt“.

Déjà-vu – neuer kalter Krieg

Die für mich unangenehmste Meldung der letzten Woche war: „Merkel geht offen auf Konfrontationskurs zu Putin. – Ein heftiges Wortgefecht haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der russische Präsident Wladimir Putin auf dem EU-Russland-Gipfel in Samara geliefert. Merkel kritisierte das Anreiseverbot für Oppositionsführer Garri Kasparow. Putin konterte scharf.“ Hier wird ein neuer Kalter Krieg angezettelt. Und noch mehr als der letzte hat er innenpolitische Gründe. Albrecht Müller.

INSM-Kampagne für die private Pflegeversicherung – diesmal mittels einer manipulierten Forsa-Umfrage?

„Die Kosten für die Pflege älterer Menschen werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten rapide (!) ansteigen. Die Pflegeversicherung wird bei den aktuellen Beitragssätzen dann jedoch nur noch einen Bruchteil (!) dieser Kosten übernehmen können.“
Wären Sie unter diesen Umständen bereit, „einen Betrag von bis zu maximal 20 Euro zusätzlich im Monat zu bezahlen, um im Alter als Pflegefall finanziell abgesichert zu sein“? So leitet das Forsa-Meinungsforschungsinstitut seine Umfrage „Meinungen zur Pflegeversicherung“ ein [PDF – 84 KB].
Bei dieser katastrophalen Aussicht für die gesetzliche Pflegeversicherung müssten Sie schon ziemlich arm dran oder ziemlich dämlich sein, wenn Sie darauf nicht mit „Ja“ antworten würden.
So haben das auch zwei Drittel der im Auftrag der INSM von Forsa Befragten getan und die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ macht daraus die Schlagzeile: „Drei von vier Bundesbürger würden lieber privat für das Pflegefallrisiko vorsorgen.“
Suggestiver kann man eine Umfrage zu einem erwünschten Ergebnis kaum formulieren und plumper kann man eine Kampagne für die private Pflegeversicherung kaum betreiben.

Spiegel-Leser bezahlen ihre eigene Gehirnwäsche – mit 171,60 € im Jahr. Helfen Sie ihnen, sich dieser zu entziehen.

Wir starten zu diesem Zweck eine weitere Aktion zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit: Sie finden unten eine Analyse mit Kommentar zu einem Spiegel-Artikel dieser Woche. Er hat den Titel „Konjunktur. Wirtschaftswunder 2.0“ (Ausgabe Nr. 17 Seite 80 bis 82). Der Autor schwärmt von der „Kraft des deutschen Aufschwungs“ und ordnet ihn selbstverständlich vor allem den Reformen zu. An diesem Text kann man gut zeigen, wie systematisch und wie dreist Spiegel-Leser in die Irre geführt werden. Eine Reihe von Aussagen stimmen einfach nicht, anderes wird falsch und unsinnig interpretiert.
Drucken Sie bitte die Analyse aus und geben Sie Kopien an Spiegel-Leser weiter. Wenn Sie dann Abonnenten des Spiegel überzeugen können, dass ihr Geld beim Ausbau und der Weiterverbreitung der NachDenkSeiten um vieles besser angelegt ist, dann ist das ein Nebeneffekt, der dem Aufbau einer Gegenöffentlichkeit direkt zugute kommt. Albrecht Müller.

Lebhaft nachgefragte Ladenhüter

Wenn sich einer jenseits der überwiegend veröffentlichten wirtschaftspolitischen Meinung bewegt: was bringt ihm das ein? Nun, es wird natürlich einsam um ihn. Aber dafür kann er nachdenken. Zum Beispiel darüber, warum die Wirtschaftspolitik so manches untaugliche Erzeugnis im Angebot hält. Denn gäbe es für die Wirtschaftspolitik eine Stiftung Warentest, müsste deren Urteil „nicht empfehlenswert“ oder „mangelhaft“ lauten. Doch diese Stiftung gibt es nicht, und deshalb sind untaugliche Erzeugnisse nicht etwa als Ladenhüter oder Ramschware bekannt, sondern wie Qualitätsware lebhaft nachgefragt. Bei erheblichem Werbungsaufwand, allerdings. Dank der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, gesponsert vom Unternehmensverband Gesamtmetall.
Anmerkungen zu den Angeboten der vorherrschenden Wirtschaftspolitik von Hans-Ulrich Spree.

Beliebige Manipulation mit dem Thema Abwanderung

An einem unserer heute eingestellten Hinweise können Sie schön beobachten, wie wir manipuliert werden. Gemeint ist der Artikel im ManagerMagazin über „Die Rückkehr der Reumütigen“. Wenn Sie dann diese Abwanderungsdebatte konfrontieren mit dem Beitrag in der taz „Globalisierung in Franken“, dann können Sie erkennen, wie sehr die Debatte an dem vorbeigeht, was wirklich politisch entschieden und geregelt werden müsste: Das Gebaren der Finanzinvestoren zum Beispiel. Zunächst zum ManagerMagazin. Was dieses Magazin über Verlagerung und Rückkehr jetzt im April 2007 schreibt, konnten Sie in der „Reformlüge“ 2004 schon lesen. Das erwähne ich nicht, um die Richtigkeit meiner Analysen zu bestätigen, sondern um auf die Willkür hinzuweisen, mit der bei uns Meinung gemacht wird und mit einem so ernsten Thema wie der Abwanderung umgegangen wird. Albrecht Müller.

Setzt die Politik die richtigen Prioritäten? Und warum nicht?

In wichtigen Reden unserer Politiker – von Schröder über Köhler bis zu Merkel und Müntefering – wird oft von wichtigen Herausforderungen gesprochen. Und dann werden sie markiert: erstens die Globalisierung und zweitens der demographische Wandel. Wir haben das alle im Ohr. Diese „Herausforderungen“ prägen dann die Prioritäten der Politik. Tun sie das zurecht? Sind die genannten Herausforderungen wirklich die dringlichsten? Der demographische Wandel zumindest scheint mir gemessen an anderen Herausforderungen geradezu negligable. Albrecht Müller.

Bezüge der Aufsichtsräte der Dax-Unternehmen stiegen um bis zu 20 Prozent – Eine Orientierungsgröße für die Tarifverhandlungen der Gewerkschaften?

Die Chefaufsichtsräte der Dax-Konzerne erhalten für das Geschäftsjahr 2006 durchschnittlich 321 000 Euro. Gegenüber dem Vorjahr sind das 15 bis 20 Prozent mehr, wie Berechnungen des Handelsblatts ergeben. Bestbezahlter Aufsichtsratsvorsitzender ist Jürgen Strube von der BASF mit 469 000 Euro, gefolgt von Ulrich Hartmann (Eon, 408 000 Euro) und Gerhard Cromme (Thyssen-Krupp, 396 000 Euro). Wolfgang Lieb.

Neoliberale Netzwerke: Jörg Tremmel und die “Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen”

Wer im hr-Fernsehen die Sendung “Stadgespräch” sah, fragte sich vielleicht, was für ein Mensch dieser Jörg Tremmel von der “Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen” ist.
Wenn wir uns die Personalliste von wissenschaftlichem Beirat, Kuratorium etc. der Stiftung anschauen, finden wir dort so illustre Prominenz wie z.B. Prof. Bernd Raffelhüschen (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Stiftung Marktwirtschaft, Aufsichtsrat ERGO-Versicherung), Lord Ralf Dahrendorf (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft), Dr. Jürgen Borchert (Familienrichter, neoliberales IZA, Buchautor: “Renten vor dem Absturz – Ist der Sozialstaat am Ende?”) und Prof. Dr. Werner Weidenfeld (Centrum für angewandte Politikforschung / Bertelsmann-Stiftung).
Erstaunt ist man allerdings auch, dass sich etwa Dieter Birnbacher, Claus Offe oder Ernst Ulrich von Weizsäcker oder gar Hildegard Hamm-Brücher als wissenschaftliche Beiratsmitglieder hergeben. Wolfgang Lieb.

„Unicheck“, ein als studentisches Projekt getarnte Studiengebühren-Kampagne der INSM

Die mit 8,8 Millionen im Jahr vom Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie finanzierte, sich selbst als „neoliberal“ bekennende Gehirnwaschagentur „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ hat sich für ihre Kampagne für die Studiengebühren mal wieder ein neues Täuschungsmanöver ausgedacht: Unter der Deckadresse „Unicheck.de von Studenten für Studenten“ sollten Studierendenvertretungen bewerten, wie gut oder wie schlecht die eingenommenen Studiengebühren von den Hochschulen verwendet werden. Die Ergebnisse sollen offenbar heute auf einer Pressekonferenz vorgestellt werden und von der Financial Times Deutschland und von der als Werbebroschüre verpackten und meistverteilten Studentenzeitung „Unicum“ medial vermarktet werden: „Wer Anfang April ahnungslos auf die Mail von Thorsten Schröder geantwortet hat, könnte sich dann plötzlich als Statist einer gut geplanten Pro-Gebühren-Kampagne wiederfinden“ schreibt der ausnahmsweise einmal INSM-kritische UniSpiegel. Wolfgang Lieb.