Die Entwicklung beim Thema Privatisierung der Deutschen Bahn ist Besorgnis erregend.
Sachliche Gründe für eine Privatisierung gibt es nach wie vor nicht. Aber der Beschluss des SPD-Parteitages erweist sich keinesfalls als Hinderungsgrund. Im Gegenteil. In dem sich die SPD damit darauf eingelassen hat, das „Ob“ der Privatisierung nicht mehr auf die Tagesordnung setzen, rollt der Zug weiter, sogar in Richtung Aufspaltung des Unternehmens. Die Regierungsriege spielt m.E. sowieso falsch. – In der Behandlung des Streiks der Lokführer durch den Aufsichtsrat wird sichtbar, dass das Unternehmen schon lange nicht mehr zum Volksvermögen gehört, offensichtlich nicht einmal zum Bundesvermögen.
Zu Ihrer Information dokumentieren wir einige interessante Unterlagen:
- Die Pressemitteilung über die Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn AG vom 15. 11. 2007
- Die Liste der Aufsichtsratsmitglieder.
- Eine sehr aufschlussreiche Mail des Referenten für Verkehrspolitik im Arbeitskreis V (Infrastruktur und Umwelt) der FDP-Bundestagsfraktion Volker Neuhoff vom 12.11.2007
- Einen Bericht über die Bahn in der Schweiz: Privatisierung nicht geplant
- Einen Bericht des Handelsblatts über die Rücknahme des Betriebs eines teilprivatisierten Teils der Londoner Metro: Volle Fahrt rückwärts.
Diese Unterlagen finden Sie im folgenden. Zuvor einige Anmerkungen. Albrecht Müller.
Anmerkungen zu den folgenden Unterlagen:
- Wir denken, die Bahn sei ein Unternehmen in öffentlicher Hand, es gehöre dem Bund. Wir hören, dass der Bund die Streik-Parteien aufruft, sich zusammensetzen. Spiegel Online berichtet am 15.11.2007:
Tiefensee betonte, die Bundesregierung halte sich direkt aus dem Tarifkonflikt heraus, versuche aber im Hintergrund “mit allen Hebeln”, die Tarifpartner an einen Tisch zu holen. Dabei sei das von allen Seiten unterzeichnete Verhandlungsergebnis mit den Moderatoren Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler (beide CDU) ein “ganz tragfähiges Fundament” und ein Ausgangspunkt für die Gespräche.
Und dann beschließt der Aufsichtsrat dieses Bundesunternehmens am gleichen Tag, der „Vorstand muss im Tarifkonflikt hart bleiben“. Siehe Dokument Nr.1.
- Wenn wir uns die Zusammensetzung des Aufsichtsrates (Dokument Nr.2) anschauen, dann sehen wir, dass wir – die Eigentümer – die Verfügung über die Bahn abgegeben haben: Die Wirtschaft stellt den Aufsichtsratsvorsitzenden, sie vertritt mehrheitlich den Eigentümer. (Das ist wie bei vielen Universitäten, wo das Sagen auch schon an die Wirtschaft abgegeben worden ist.) In jedem dieser Fälle ein ernster Vorgang, aber kein öffentliches Thema.
- Der Aufsichtsrat fordert die Teil-Privatisierung und behauptet wieder,
nur unter der Voraussetzung der Zuführung privaten Kapitals ist durch die hervorragende Arbeit auf allen Ebenen der DB AG ein ertragskräftiger und national wie international wettbewerbsfähiger Logistikkonzern entstanden.
Der zitierte Satz ist schon als solcher eine glatte Lüge, denn bisher ist privates Kapital doch noch gar nicht zugeführt worden. Hinzukommen die kleinen Lügen zur Ertragskraft, die wir wissen mit allen Tricks herbeigeführt worden ist. Siehe dazu auch das Dokument Nr. 3.
- An dieser Formulierung erkennt man im übrigen das Doppelspiel von Tiefensee und Steinbrück (und vermutlich auch von Beck). Wenn Sie noch etwas hätten retten wollen vom Beschluss des SPD Parteitages, dann hätten ihre Staatssekretäre im Aufsichtsrat dieser Äußerung nicht zustimmen dürfen. Mein Fazit: De facto arbeiten die Vertreter der SPD in der Bundesregierung, namentlich Steinbrück und Tiefensee, letztlich für die andere Seite. Im Grunde für die Finanzindustrie. Besonders deutlich wird das am Vorschlag von Steinbrück zur Lösung des Problems. Sein Vorschlag mit der Holding spielt eindeutig in die Hände der Befürworter der Privatisierung und zusätzlich in die Hände jener, die die Trennung des Unternehmens in Netz und Betrieb wollen.
- Tiefensee hält die Propaganda für die Privatisierung mithilfe der Behauptung, nur mit privatem Kapital könne die Bahn sich behaupten, konsequent durch. Er wiederholt diese Behauptung seit Wochen unentwegt, wie mir eine Google-Suche bestätigte hat. Immer die gleiche Unwahrheit in Variation: Die Bahn braucht privates Kapital. Und nirgendwo finden Sie auch nur den Versuch, diese Behauptung begründen. Das könnte er auch nicht, genauso wenig wie der Aufsichtsrat, weil das Kapital auf dem Kapitalmarkt mindestens so billig zu schaffen wäre.
Rationalität ist in diesem Geschäft mit der Bahn schon lange nicht mehr gefragt. Deshalb haben Meldungen darüber, dass man in der Schweiz nicht daran denkt, die Schweizer Bahn zu privatisieren, und dass man in Großbritannien große Mühe und Kosten hat, die Scherben einer Teilprivatisierung bei der Londoner U-Bahn zusammen zu kehren. (Siehe Nr. 4 und Nr. 5) - Wirklich spannend und erhellend ist die Mail des FDP-Verkehrsreferenten Neuhoff. (Dokument Nr. 3) Er feiert die entstandene Konstellation und vor allem den Vorschlag von Finanzminister Steinbrück. Das ist das, was die FDP und andere Privatisierungsbefürworter gewollt haben: die Aufspaltung des Konzerns, die Möglichkeit des Verkaufs einzelner Teile. Wenn man weiß, wie eng bei der Bahn Netz und Betrieb miteinander verbunden sind, wenn man weiß, wie verheerend sich die erste Trennung in mehrere Bereiche im Jahr 1994ff. ausgewirkt hat, wenn man weiß, wie gut ein zusammengehöriges Unternehmen in der Schweiz funktioniert und wie schlecht ein aufgespaltenes in Großbritannien funktioniert, dann kann man nur mit großer Sorge der weiteren Entwicklung entgegensehen.
- An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass die Befürworter der Vorzugsaktien dem Versuch, die Privatisierung der Bahn zu verhindern, einen Tort angetan haben. Sie haben nämlich verhindert, dass die Frage des „Ob“ der Privatisierung auf den Tisch kommt beziehungsweise auf dem Tisch des Hamburger Parteitages der SPD bleibt. Peter Conradi hatte das „Ob“ auf die Tagesordnung gesetzt. Als die Zustimmung zu seiner grundsätzlichen Befürwortung der Erhaltung des Unternehmens im öffentlichen Eigentum erkennbar war, gab die Vorzugsaktienlösung Kurt Beck die Möglichkeit, Conradis Vorstoß abzuwehren. Und wo sind die Vertreter der Vorzugsaktien jetzt? Wo ist Hermann Scheer? Wo ist der Berliner Finanzsenator Sarrazin? Letzterer hat vermutlich gewusst, welches Spiel er treibt. Er ist ein Befürworter der Trennung. Die bekommt er jetzt vermutlich.
- Presseerklärung der DB AG
DB-Aufsichtsrat: Vorstand muss im Tarifkonflikt hart bleiben
Neuer Vorschlag zur Zukunftssicherung der DB AG
(Berlin, 15. November 2007) Der Aufsichtsrat der DB AG hat sich zu einer Sondersitzung getroffen, um Berichte des Vorstands zu dem Thema “Streik der GDL-Lokführer” und “Privatisierung” zu hören und zu erörtern.
Als Ergebnis stellt der Aufsichtsrat fest:
Aufsichtsrat und Vorstand sind in Sorge, dass eine politische Absage des Gangs auf den Kapitalmarkt unabsehbare negative Konsequenzen für die DB AG haben wird. Denn nur unter der Voraussetzung der Zuführung privaten Kapitals ist durch die hervorragende Arbeit auf allen Ebenen der DB AG ein ertragskräftiger und national wie international wettbewerbsfähiger Logistikkonzern entstanden.
Aufsichtsrat und Vorstand begrüßen deswegen die im Koalitionsausschuss erörterten neuen Überlegungen zur Sicherung der Zukunft durch Zuführung von Kapital über den Bundeshaushalt hinaus. Wenn die DB AG als integrierter Konzern erhalten bleibt und damit die Arbeitnehmerinteressen geschützt bleiben, ist auch die Beteiligung privater Kapitalgeber (bis zu 49,9%) nur an der “Verkehrs-AG” als
Tochter der DB AG ein aus Sicht aller Vertreter des Aufsichtsrats praktikabler Weg.In Sachen Streik stützt der Aufsichtsrat die Position des Vorstands, nicht auf die Forderung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach Auflösung der Tarifeinheit einzugehen, auch wenn diese unentwegt weiter streiken sollte. Der Aufsichtsrat bittet die GDL, mit dem Vorstand der DB AG in Verhandlungen einzutreten.
Deutsche Bahn AG
Oliver Schumacher
Leiter Unternehmenskommunikation / Konzernsprecher
Herausgeber: Deutsche Bahn AG
Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin, Deutschland
Verantwortlich für den Inhalt: Konzernsprecher /
Leiter Unternehmenskommunikation
Oliver Schumacher - Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG
Quelle: www.db.deDer Aufsichtsrat umfasst 20 Mitglieder
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG
Zehn Mitglieder werden von der Hauptversammlung der Aktionäre gewählt. Zehn Mitglieder werden von den Arbeitnehmern gewählt. Die Bundesrepublik Deutschland hat, solange sie mehrheitlich Aktionär ist, das Recht, drei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden.Dr. Günther Saßmannshausen
Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats
HannoverDr. Werner Müller
Vorsitzender des Aufsichtsrats
Vorsitzender des Vorstandes
Evonik Industries AG
EssenNorbert Hansen*
Vorsitzender der TRANSNET Gewerkschaft GdED
BerlinGeorg Brunnhuber
Mitglied des Deutschen Bundestages
BerlinNiels Lund Chrestensen
Geschäftsführender Gesellschafter
N.L. Chrestensen, Erfurter Samen- und Pflanzenzucht GmbH
ErfurtDr.-Ing. Dr. h.c. Jürgen Großmann
Vorsitzender des Vorstandes RWE AG
Gesellschafter der
Georgsmarienhütte Holding GmbH
HamburgHorst Hartkorn*
Vorsitzender des Betriebsrates
S-Bahn Hamburg GmbH
HamburgJörg Hennerkes
Staatssekretär im Bundesministerium
für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung,
BerlinJörg Hensel*
Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates
Railion Deutschland AG
Vorsitzender des Spartenbetriebsrats Stinnes
MainzKlaus Dieter Hommel*
Bundesvorsitzender der
Verkehrsgewerkschaft GDBA
Frankfurt am MainGünter Kirchheim*
Vorsitzender des Konzernbetriebsrates DB AG
Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates DB Netz AG
Frankfurt am MainHelmut Kleindienst*
Spartenbetriebsratsvorsitzender
Unternehmensbereich Dienstleistungen
DB Dienstleistungen GmbH
BerlinLothar Krauß*
Stv. Vorsitzender der
TRANSNET Gewerkschaft GdED
Frankfurt am MainDr. Jürgen Krumnow
Ehem. Mitglied des Vorstandes
Deutsche Bank AG
Frankfurt am MainVitus Miller*
Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates
Regio/Stadtverkehr
Frankfurt am MainHeike Moll*
Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates
DB Station&Service AG
BerlinDr. Axel Nawrath
Staatssekretär im
Bundesministerium der Finanzen
KönigsteinDr. Bernd Pfaffenbach
Staatssekretär im Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie
BerlinUte Plambeck*
Konzernbevollmächtigte der DB AG
für die Länder Hamburg/Schleswig-Holstein
HamburgDr. Eggert Voscherau
Stellvertretender Vorstandsvorsitzender
BASF Aktiengesellschaft
LudwigshafenDr.-Ing. E.h. Dipl.-Ing. Heinrich Weiss
Vorsitzender der Geschäftsführung
SMS GmbH
Düsseldorf* Arbeitnehmervertreter
Letzte Aktualisierung: 16.10.2007
Position: Unternehmen / Konzern / Unternehmensführung / Aufsichtsrat - Email vom 12.11.2007
von Volker Neuhoff
Referent für Verkehrspolitik im Arbeitskreis V (Infrastruktur und Umwelt) der FDP-BundestagsfraktionLiebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,heute Abend tagt der Koalitionsausschuss und danach werden wir folgende Lage haben:
- Das Gesetzgebungsverfahren zum „Bahnbörsengang“ wird eingestellt
- Die Koalition erteilt einen Prüfauftrag für das Steinbrück-Holdingmodell, mit dem nicht die Deutsche Bahn AG, sondern nur die Transport- und Logistiksparten teilprivatisiert werden (ohne dass ein Gesetz erforderlich ist)
- Die Teilprivatisierung mit Netz ist damit endgültig gescheitert
Letzte Woche waren Glückwünsche, die uns erreicht haben, noch verfrüht. Aber jetzt darf man es wohl sagen: der Börsengang der Bahn mit Netz ist verhindert. Mit dem Eigentumssicherungsmodell von Tiefensee ist die letzte Variante einer Teilprivatisierung mit Netz vom Tisch. Unser jahrelanges Ringen war erfolgreich und das ist angesichts der Kräfteverhältnisse alles andere als selbstverständlich. Dort ein Lobbyapparat mit unbegrenzten finanziellen und personellen Ressourcen sowie Unterstützung der (fachlich ahnungslosen) Regierungsspitzen. Hier eine Handvoll Akteure mit nichts als besseren Argumenten, einem guten Netzwerk über die Partei- und Verbändegrenzen hinweg und einer 2/3 Lufthoheit in den Medien, um unsere Gegenkampagne zu transportieren.
Warum ist es entscheidend, dass der Börsengang mit Netz verhindert wurde?
Wer eine Wettbewerbsbranche Schienenverkehr im Geiste der Bahnreform will, der ist für die Trennung von Netz und Transport. Dafür gibt es aber keine politische Mehrheit, solange die SPD an der Regierung beteiligt ist. Auch ohne SPD wird es schwer, die Mehrheit zu organisieren, aber es ist möglich. Das weiß auch die andere Seite, also die SPD-Verkehrsminister der letzten Jahre, Mehdorn und Transnet-Boss Hansen und ihre Unterstützer im BMVBS. Deshalb suchten sie nach einer Möglichkeit, die integrierte Konzernstruktur (=mit Netz), gegen geänderte politische Mehrheiten abzusichern. Das Instrument dazu sollte die Teilprivatisierung mit Netz sein. Wären erst einmal Private an der integrierten DB beteiligt, könnte gegen deren Willen eine Trennung nicht mehr durchgesetzt werden.
So kam es zu dem Zweckbündnis von Mehdorn und Hansen. Gemeinsam wollten sie eine Teilprivatisierung des integrierten Konzerns (= mit Netz),
- um die Integration auf Dauer unumkehrbar zu machen, und
- um den Bund dauerhaft als Mehrheitsgesellschafter auch der Transport- und Logistiksparten einzubinden
Beide Konsequenzen ergeben sich bei einer Teilprivatisierung mit Netz aus Artikel 87e Grundgesetz. Da Art. 87 e GG außerdem bestimmt, dass für eine Privatisierung mit Netz ein Privatisierungsgesetz erforderlich ist, wurde 2001 ein darauf gerichteter Lobbyprozess in Gang gesetzt. Gezielt unter Umgehung der Fachpolitiker wurde den Partei- und Fraktionsführungen in SPD und Union die Idee einer Teilprivatisierung schmackhaft gemacht. Um die genannten Ziele zu erreichen, musste auf Biegen und Brechen sichergestellt werden, dass eine Teilprivatisierung mit Netz kommt – und sei es in der Version „Eigentumssicherungsmodell“. Auch das Eigentumssicherungsmodell erfüllte die o.g. Ziele, weil die Netzgesellschaft in der Konzernbilanz geführt und nur gegen einen prohibitiv hohen Wertausgleich herauslösbar gewesen wäre.
Um diese Pläne zu durchkreuzen, haben wir seit Jahren eine 2-Stufen-Strategie verfolgt. In der ersten Stufe ging es darum, irreversibel falsche Strukturentscheidungen zu verhindern. In der 2.Stufe wollen wir dann das Richtige selber tun. Nachdem jetzt der Börsengang mit Netz politisch tot ist, haben wir alle Optionen für die Zukunft gesichert.
Wie liefen zuletzt die Entwicklungen?
Es ist atemberaubend, mit welchem Tempo am Schluss die Argumente für einen Börsengang mit Netz zusammengestürzt sind. Bis vor kurzem hieß es stereotyp, ohne Netz sei die Bahn nicht privatisierbar. Von „Bilanzverkürzung“ war die Rede, wenn das Netz nicht mitprivatisiert werde; der „Track-Record“ sei dann unterbrochen und so weiter und so fort. Es waren zwar alles unsinnige Argumente, aber sie wurden konsequent wiederholt.
Es ist verständlich, dass Transnet-Boss Hansen die Welt nicht mehr versteht. Plötzlich stimmt Mehdorn einem Privatisierungsmodell zu, das sie jahrelang zusammen bekämpft haben. Denn das jetzt von Steinbrück vorgeschlagene Holding-Modell hingegen erfüllt die o.g. Zielsetzungen nicht, um die es im Zweckbündnis Mehdorn/Hansen ging. Das zeigt ein konkreter Vergleich der Ausgestaltungen und Auswirkungen.
Warum ist das Steinbrück-Holdingmodell etwas völlig Neues?
Abb.1: Strukturmerkmale der bisherigen Modelle: privatisiert wird die DB AG Holding (Rot).
Abb.2: Strukturmerkmale des Steinbrück-Holdingmodells: privatisiert wird die Transport- und Logistik Holding AG (Rot).
Damit ergeben sich grundlegende Unterschiede, die den neuen Vorschlag nicht einfach nur zu einer Modellvariante machen. Es handelt sich um die Absage des bisherigen Teilprivatisierungsprojekts und dessen Ersetzung durch etwas völlig Neues – das sich von allen bisher zur Auswahl stehenden Modellen unterscheidet:
Bisherige Modelle Steinbrück Holding-Modell Was wird privatisiert? DB AG Holding Transportsparten (Holding) Wer verkauft die Aktien? Bund DB AG Wer erhält den Erlös? Bund DB AG Wird das Netz mitprivatisiert? Ja Nein Netztrennung später möglich? Nein Ja Gesetz erforderlich? Ja Nein Wenn Mehdorn jetzt so tut, als ginge es ihm nur um die Beteiligung Privater und das Modell dazu sei zweitrangig, so ist das nicht nur aus Sicht Hansens eine unerhörte Wendung. Mehdorn hatte erst vor kurzem den Vorschlag des Abgeordneten Scheuer (CSU), zunächst Anteile des Logistikers Schenker zu verkaufen, als „Milchmädchenrechnung“ bezeichnet. (Quelle: www.db.de)
Im Kern beinhaltet der Vorschlag Scheuers nichts anderes als das, was Steinbrück jetzt vorschlägt. Im BMF ist immerhin auch davon die Rede, dass mit Schenker begonnen werden könne. Die Vorstellung, eine Transport- und Logistik-Holding bliebe dauerhaft bestehen, ist naiv und bestenfalls ein frommer Wunsch. Diese Holding würde mit den Sparten Nah-, Fern- und Güterverkehr sowie Logistik Geschäftsfelder umfassen, bei denen untereinander kaum und teilweise sogar keinerlei Synergien bestehen. Daher wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die verbindende Zwischenholding aufgegeben würde. Es ist völlig unbestreitbar: das Steinbrück-Holdingmodell ist der Einstieg mindestens in die Trennung von Infrastruktur und Transport/Logistik, sehr wahrscheinlich ist es außerdem der Einstieg in eine – sinnvolle und auf Dauer sowieso unvermeidliche – Diversifizierung, die von Transnet (und bis vor kurzem auch von Mehdorn) mit dem Kampfbegriff „Zerschlagung“ gegeißelt wird.
Welche Gründe hat Mehdorn für seinen Positionswechsel?
Dazu folgende Einschätzung:
- Er hat eingesehen, dass eine integrierte Teilprivatisierung – wie sie seinem Zweckbündnis mit Hansen zugrunde liegt – nicht mehr erreichbar ist wegen des Volksaktienbeschlusses der SPD und dessen Ablehnung durch die Union.
- Sein wichtigstes Ziel in dieser Situation ist: seinen Ruf als „Macher“ zu retten. Eine Absage würde als persönliche Niederlage für ihn gedeutet.
- Seine Hoffnung ist, das Publikum werde seine Spitzkehre nicht bemerken, wenn am Ende nur irgendeine Art von Privatisierung steht. Dass diese mit seinen eigentlichen Zielsetzungen nichts mehr gemein hat und dass Hansen dabei zum großen Verlierer wird, ist ihm egal – das Zweckbündnis hat ausgedient.
- Die Ergebnisentwicklung der DB AG ist auf eine Privatisierung in den Jahren 2007-2009 zugeschnitten. Danach ist der Peak überschritten, weil die Ergebnisreserven aufgebraucht sind. Das Make-Up darf aber erst wegbröckeln, wenn die Braut unter der Haube ist.
Können Tiefensee, Mehdorn und Hansen nicht irgendwie auch mit dem Steinbrückmodell ihre Ziele erreichen und die Integration unumkehrbar machen?
Nein, erfreulicherweise nicht. Alles, was jetzt zur Beruhigung angekündigt und beschlossen wird – es bleibe beim integrierten Konzern und der Bund bleibe Mehrheitseigentümer – hat ein Verfallsdatum mit der SPD-Regierungsbeteiligung. Nur durch eine Teilprivatisierung mit Netz hätte verhindert werden können, dass neue Mehrheiten in Zukunft neue Wege beschließen können. Den privaten Miteigentümern hätte man gegen ihren Willen das Netz nicht mehr wegnehmen können (oder nur gegen einen prohibitiv hohen Wertausgleich, der faktisch niemals gezahlt worden wäre). Beim Steinbrück-Holdingmodell hingegen bleiben einem zukünftigen Gesetzgeber alle Möglichkeiten, selbst wenn jetzt per Gesetz beschlossen würde, dass sich niemals etwas ändern darf im DB-Konzern. Auch dieses Gesetz könnte man ändern. Und per Vertrag kann man die Integration nicht zementieren, jeder Vertrag ist kündbar – erst Recht, wenn es eines Tages neue Akteure im Bahnvorstand gibt. Transnet-Boss Hansen wird seinen Leuten zwar erzählen, er hätte diese und jene Zusagen und Garantien ausgehandelt – aber das dient nur dazu, seine Totalniederlage zu kaschieren.
So viel als Einschätzung zum Beginn dieser spannenden bahnpolitischen Woche.
Freundliche Grüße
Lothar Neuhoff
AG Verkehr der FDP-Bundestagsfraktion - Schweiz: Privatisierung nicht geplant
Die Schweizer Bundesbahnen (SBB) setzen auf Kontinuität. “Eine Privatisierung der SBB ist derzeit nicht geplant. Diese politische Frage steht in der Schweiz nicht zur Debatte”, sagt Roland Binz, Sprecher der Schweizer Bundesbahnen in Bern.
Quelle: Berliner Zeitung - Londons Metro
Volle Fahrt rückwärts
Von Dirk Heilmann
Chaos und Milliardenlöcher: Vier Jahre nach dem Verkauf der Metro an ein Firmenkonsortium ist Londons Verkehrsgesellschaft TFL der einzige Interessent, um die bankrotte Metronet Rail zu übernehmen. Das ist nicht nur im wirtschaftsliberalen Königreich eine kleine Revolution, sondern auch eine peinliche Niederlage für Premierminister Gordon Brown.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 9. November 2007