„perspektive deutschland“. Ein neues Tarnwort wurde erfunden: Die „soziale Leistungsgesellschaft“

„Die Mehrheit der Deutschen fordert eine energische Modernisierung ihres Landes. Drei Viertel der Bundesbürger sind der Meinung, dass die Reformen der vergangenen Jahre nicht ausreichen. Große Einigkeit auch bei der Richtung der Veränderung: 83 Prozent sprechen sich für eine bessere Belohnung von Leistung aus, 54 Prozent plädieren für weniger Staat mit einer stärkeren privaten Risikoabsicherung. Gleichzeitig wünscht sich der Großteil mehr sozialen Ausgleich und nimmt den Staat in den Bereichen Gesundheit, Rente und Bildung in die Pflicht.“ So fasst die „Perspektive Deutschland“, eine Initiative von McKinsey, Stern, ZDF und WEB.DE ihre neueste Online-Umfrage zusammen, an der sich 620.000 Menschen beteiligt haben sollen.
Ein typisches Beispiel einer politisch einseitigen Propagandakampagne, in der mit unseriösen Umfrageergebnissen Gehirnwäsche zugunsten des herrschenden „Reform“-Kurses betrieben werden soll.

Wirtschaftsforscher und Interpreten des SPIEGEL haben nicht mehr alle Tassen im Schrank

Verzeihen Sie die drastische Sprache. Aber wenn eine Korrektur der erwarteten Wachstumsrate von 1,2 auf 1,8 in diesem Jahr als „kräftiger Aufschwung“ interpretiert wird – siehe unten, dann ist diesen Experten nicht mehr zu helfen. Das ist kein Aufschwung, und schon gar kein kräftiger, so gerne wir das hätten. Die 1,8% dürften knapp über der Rate des Produktivitätszuwachses liegen. Das heißt: das bisschen Wachstum wirkt sich kaum auf dem Arbeitsmarkt aus. Was wir wirklich an wirtschaftlicher Dynamik bräuchten, habe ich vor kurzem in einem Beitrag skizziert. Siehe Ziffer 3. meiner Einführung zur Vorstellung von “Machtwahn” am 11.4.2006.

Hinweis für weibliche 1-€-Jobber –auch Alice Schwarzer gibt sich die Ehre

Der FrauenMediaTurm – eine Art Unterorganisation von EMMA und Alice Schwarzer – sucht „qualifizierte Mitarbeiterinnen für “1-Euro-Jobs” und Praktikantinnen“. Sollten Sie Bedenken haben wegen der Frage, ob durch solche 1-Euro-Jobs sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse ersetzt werden, dann sollten Sie immer daran denken, dass Sie die Ehre haben, für eine Unterstützerin unserer Bundeskanzlerin zu arbeiten. Ob diese Form der Ausbeutung von Frauen im Sinne von Jan Philipp Reemtsma ist, der für dieses Frauenarchiv eine Anschubfinanzierung geleistet hat? Ob das im Sinne des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist, das dieses Projekt als Modellversuch gefördert hat? Gilt die Gewährung von 1-Euro-Jobs an Frauen durch emanzipierte Frauen als emanzipativer Akt?

WSI-Tarifhandbuch 2006 – Abschied vom Flächentarifvertrag? Das deutsche Tarifsystem im Umbruch

Die Tarifbindung gehe seit Mitte der 90er Jahre zurück. Die Tariflandschaft und auch die Tarifverträge unterliegen einem starken Wandel. Differenzierung und Dezentralisierung sind die beiden Trends, die das Tarifsystem grundlegend verändern. “Diese Entwicklung stellt die Tarifpolitik der Gewerkschaften vor grundlegende Herausforderungen”, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung, Dr. Reinhard Bispinck, bei der Vorstellung des neuen WSI-Tarifhandbuchs 2006 in Berlin. “Gefordert ist eine neue Verknüpfung von Tarif- und Betriebspolitik, um die sich die Gewerkschaften in vielen Bereichen bemühen. Das Tarifsystem kann und muss aber auch gesetzlich stabilisiert werden”.

„Doppelagent Beckmann

Wie der Moderator seine Sendung als Plattform für das Thema Privatvorsorge nutzt“.

Auch Dank der Hilfe unserer Nutzer, die die Sendung Beckmanns/Ruges mit Blüm ausgeschrieben haben ist Beckmann Thema eines Artikels im Tagesspiegel von heute.

Zu beachten: die naiven bis dreisten Einlassungen des Redaktionsleiters von „Beckmann“ Markus Peichl im 3. Absatz des Tagespiegel. Ihm sollte die ARD eine Lesebrille kaufen.

„WWK verpulvert Kundengeld“

… meldet die Verbraucherzentrale Hamburg. Wir verweisen dazu auf unseren Tagebucheintrag vom 11.4. „Auch Reinhold Beckmann ist in Diensten der Versicherungswirtschaft und nutzt die ARD im Sinne der Privatvorsorge,“ hatten wir berichtet und darauf aufmerksam gemacht, dass Beckmann für die WWK wirbt. Jetzt erreicht uns der Hinweis auf eine interessante Pressemitteilung zu Beckmanns Unternehmen WWK.

Demografie-Experte Herwig Birg grast am rechten Rand, er tritt bei der schlagenden Verbindung „Kölner Burschenschaft Germania“ auf.

Wir haben uns – obwohl die gedanklichen Verbindungen nahe liegend sind – bisher gescheut, dem Bielefelder Demografie-Experten, Herwig Birg in die Nähe reaktionären Gedankengutes zu stellen. Jetzt stellt er sich selbst dort hin und tritt bei einer Burschenschaft auf, die z.B. immer noch alle drei Strophen des Deutschlandliedes singt, die keine Ausländer aufnimmt, die Schwarz-Weiß-Rot im Panier trägt, die die Nation als Grundlage öffentlicher Meinungs- und demokratischer Willensbildung sieht.

Lobbycontrol: Berichterstattung über die INSM: unkritisch und nicht transparent

Die Medienberichterstattung über die Arbeitgeber-Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) übernimmt weitgehend die INSM-Perspektive und macht deren strategische Funktion für die Arbeitgeberverbände unzureichend transparent. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung von Christian Nuernbergk (Universität Münster). Eine Zusammenfassung erschien bereits im Januar in der journalistischen Fachzeitschrift message und ist seit kurzem auch auf deren überarbeiteter Webseite online zugänglich. Dass die Ergebnisse weiter aktuell sind, zeigt die Medienkooperation der INSM mit der Wirtschaftszeitschrift Impulse bei der “exklusiven” Veröffentlichung einer Studie zur Deregulierung diese Woche.

Programmdebatte in der SPD. Sorge über den vorsorgenden Staat

Das Wort „Sorge“ hat laut Duden im Deutschen zwei Grundbedeutungen: Einerseits „Unruhe, Angst, quälender Gedanke“; andererseits „Bemühung um Abhilfe“. Ob die zu „Aktivierenden“ bei dem neuen Leitbegriff des SPD-Grundsatzprogramms in Angst ausbrechen oder auf quälende Gedanken kommen müssen oder ob sich die zukünftige Politik der SPD wirklich um Abhilfe bemühen will und kann, da ist Sorge angebracht.
Man will ja vom „nachsorgenden Staat“ abgehen. Hatten wir, bevor der neue Begriff „vorsorgender Staat“ erfunden wurde, etwa einen Nachsorgestaat? Hatten wir nicht vielmehr einen Sozialstaat, der soziale Sicherheit vor den elementaren Lebensrisiken gewährleisten sollte? Was für ein Menschenbild steckt dahinter, wenn der Staat seine Bürger „aktivieren“ soll? Sind diejenigen, die bisher solidarische Hilfe benötigten etwa zu „inaktiv“, z.B. zu wenig aktiv, um wieder in Arbeit und zu Lohn zu kommen? Ist der „vorsorgende Staat“ vielleicht ein Rückfall in den „fürsorglichen“ (also karitativen, vormodernen) Staat? Mit ziemlicher Sicherheit kann man jetzt schon sagen, dass der „vorsorgende Staat“ kein Schritt hin zur Begründung eines „sozialen Grundrechts“ ist, wie das dem skandinavischen Modell vom Wohlfahrtsstaat entspräche. Wolfgang Lieb.

Zur Programmdebatte der SPD siehe die Süddeutsche Zeitung, aber auch die Besorgnis in der Internet-Zeitung www.wahl-stimmen.de.