Statistisches Bundesamt: Gesetzliche Sozialversicherungen erzielen 8,5 Milliarden Euro Überschuss – Ein weiteres Beispiel für den falschen Ansatz der „Reformen“

Eine geringe Zunahme an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und eine Umstellung des Beitragseinzugs bescherten allein der Rentenkasse im ersten Halbjahr 2006 einen Überschuss von 5 Milliarden Euro, meldet jetzt das Statistische Bundesamt. Das zeigt einmal mehr, dass die Vielzahl der Renten-„Reformen“ von Rot-Grün und Großer Koalition nur an Symptomen kurierten. Hätte man eine vergleichbare politische Energie auf eine vernünftige Beschäftigungspolitik gerichtet, dann hätte sich das ganze Gerede von der demografischen Entwicklung und dem dadurch bedingten Niedergang der gesetzlichen Rente als das entpuppt, was es von Anfang an war, nämlich eine gezielte Verunsicherungskampagne zur Durchsetzung einer privaten Altersvorsorge.

“Die gelähmte Republik” – ein Phantom

Die Phoenix-Runde “Die gelähmte Republik” vom 4.10.2006 ist jetzt auch online abrufbar.
Phoenix hat in dieser Sendung die immer wieder bemühte Behauptung aufgegriffen, wir litten unter einer Reformblockade, Deutschland sei gelähmt. Siehe dazu auch den Tagebucheintrag vom 6.10.: „Die Ausreden der Reformer werden immer bunter“.
Ich wies in der Sendung darauf hin, dass man von einer politischen Lähmung wahrlich nicht sprechen kann. Von Kohl über Schröder bis zu Merkel sind eine Reihe von Entscheidungen für so genannte Reformen getroffen worden, meist solche, die man besser nicht getroffen hätte. Das Problem ist, dass die getroffenen Reformerentscheidungen anders als erwartet keine positiven Folgen haben. Im Gegenteil. Sie haben in vielfältiger Weise geschadet.

Die Ausreden der Reformer werden immer bunter

Die Reformer haben seit langem das Problem, dass ihre Reformen die versprochenen Wirkungen nicht haben. Das gilt zum Beispiel für die vielen Steuersenkungen und Steuerreformen von Kohl über Schröder bis zu Merkel, es gilt für die vielen Entscheidungen zum Abbau von Sozialstaatlichkeit wie zum Beispiel Hartz I bis IV und die damit verbundene Agenda 2010. Die Reformer haben die Wirkungslosigkeit häufig damit übertüncht, dass sie beklagten, die Reformen seien nicht weit genug gegangen. Und sie empfahlen, die Dosis zu erhöhen. Oder sie haben die Schuld für das Versagen bei den Opfern gesucht. Typisch dafür war der Angriff des früheren Wirtschaftsministers Clement auf die Hartz IV-Empfänger. Sie wurden von ihm vor einem Jahr schon, als das Scheitern von Hartz IV erkennbar war, als Abzocker gebrandmarkt.
Immer wieder haben die Reformer ihre Erfolglosigkeit auf die angebliche Blockade durch unser politisches System und die geltende Verfassung geschoben. Der Föderalismus war schuld. Deshalb beschlossen sie eine Föderalismusreform und fordern noch eine weitergehende. Zum Thema Blockade gibt es jetzt neue Variationen der Strategie von Ausreden und Alibis.

Gesundheitsreform – der geplante Flop?

Der Koalitionsbeschluss zur Gesundheitsreform ist so schwer nachvollziehbar, dass der Verdacht nahe liegt, es handle sich gar nicht um den Versuch zur Lösung eines Problems sondern um Weichenstellungen zu ganz anderen Entwicklungen. Schon die Andeutungen von CDU-Generalsekretär Pofalla deuten daraufhin, dass der Beschluss von Mittwoch auf Donnerstag Nacht den Charakter von Spielmaterial hat. “Wir haben die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung in Richtung der solidarischen Gesundheitsprämie erreicht”, sagte Ronald Pofalla am 5.10. in Berlin. Ein Freund der NachDenkSeiten äußert einen interessanten ergänzenden Verdacht. Er mailte mir : „… in der PHOENIX-Diskussion fragten Sie (gemeint: AM) im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfond berechtigt, wie das denn alles funktionieren solle. Da machte es bei mir KLICK: Ich bin der Meinung, es soll gar nicht funktionieren.“

Ex-Arbeitsminister Clement hat einen weiteren Arbeitsplatz gefunden: Er wird Vorsitzender des neuen ‚‚Adecco Institute’’ zur Erforschung der Arbeit

Das von Adecco – dem nach eigenen Angaben „Weltmarktführer für Personaldienstleistungen“ – finanzierte Institut mit Sitz in London soll eine führende Forschungseinrichtung zum Thema Arbeit werden, meldet dpa. Den Vorsitz in diesem neuen Institut soll der ehemalige Arbeitsminister Wolfgang Clement übernehmen. Wie sich der Finanzier des Forschungsinstituts dem Thema Arbeit nähert, kann man aus der Unternehmenstätigkeit von Adecco ablesen: Das Unternehmen handelt mit Arbeitnehmern, vor allem mittels Zeitarbeit, Outcourcing und Personalvermittlung.
„Wir vermitteln weltweit täglich mehr als 700.000 Menschen an mehr als 15.000 Kunden“ heißt es stolz auf der firmeneigenen Hompage.
Man kann sich also vorstellen in welche Richtung die „Erforschung neuer Wege für Arbeit und soziales Leben“ gehen wird. Clement sagte laut Presseagentur: Er freue sich, am Aufbau einer Institution mitwirken zu können, die einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung Europas leisten möchte. „Better work, better life“ – so das Adecco-Motto – mit modernem Menschenhandel?

Sönke Wortmanns WM-Filmtagebuch „Ein Sommermärchen“, hat nicht der Fußball sondern die Werbung das Drehbuch geschrieben?

„Bei der Produktion dieses Films wurde auf Product Placement und jede andere Art verbraucherfeindlicher Werbung verzichtet“, so soll es im Vor- oder Nachspann des Filmes heißen. In einer Mail der Filmproduktionsgesellschaft an den DGB wird die Dachgewerkschaft unverfroren eingeladen, das – wie DGB-Chef Sommer beklagt – „Drehbuch gegen Geld mitzuschreiben“: „Wir können uns sehr gut vorstellen, Ihre Organisation optimal in den Handlungsstrang des Films zu integrieren. Innerhalb der Handlung gibt es wiederholt Szenen, in denen sich eine reale Einbindung Ihres Produktes z. B. durch mehrmalige Einblendung eines Plakates, anbietet und somit einen positiven Imagetransfer für den DGB bewirken würde. Für die Integration Ihrer Produkte würden in Ihrem Haus Kosten in Höhe von 15.000 Euro entstehen. Der Film hat eine Mehrfachauswertung: Kinostart, DVD und Video-Verleih, DVD/Video-Verkauf, Pay-TV und Free-TV-Ausstrahlungen mit Wiederholungen. Es werden also Kontakte im zweistelligen Millionenbereich erzielt.“ (Quelle DGB mediennewsletter September 2006)
Mal sehen, welche Rolle der Fußball in diesem Film noch spielt.

Eine gigantische Steuerumverteilung – Die Steuerbeschlüsse der großen Koalition spülen bis 2010 fast 140 Milliarden Euro zusätzlich ins Staatssäckel

Mit 60 Milliarden Euro jährlich entlastete die Regierung Schröder mit ihrer Steuerreform im Jahre 2000 vor allem Unternehmen, Kapital- und Vermögenseinkommen, Spitzenverdiener und nur zu einem kleinen Teil die untersten Lohneinkommen. Die große Koalition holt nun durch ihre Steuerbeschlüsse von 2007 bis 2010 mit durchschnittlich 35 Milliarden Euro pro Jahr mehr als die Hälfte der rot-grünen „Steuergeschenke“ wieder zurück und zwar ganz überwiegend von den unteren und mittleren Lohneinkommensbeziehern. Das mittlere Drittel der Beckschen „Dreidrittelgesellschaft“ ist somit durch die Steuerpolitik des ersten Jahrzehnts in diesem Jahrhundert doppelt gekniffen: Es profitierte von der „größten Steuersenkung in der Geschichte“ unter Rot-Grün kaum und die große Koalition greift ihm mit ihren zahlreichen Steuerbeschlüssen jetzt zur „Sanierung“ der durch die Steuergeschenke gerissenen Haushaltslöcher dafür um so kräftiger in den Geldbeutel. Die Unternehmen wiederum sollen um bis zu 16 Milliarden Euro entlastet werden.

Heuschrecken und Globalisierung – zum Nichtstun verdammt? Auch Wiedeking (Porsche) sieht das anders.

In der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Debatte unseres Landes wird häufig so getan, als wären unsere Handlungsmöglichkeiten gleich null. Das ist abgrundtief falsch.
Niemand zwingt uns zum Beispiel dazu, die von Schröder und Eichel zum 1.1.2002 eingeführte Steuerbefreiung der Gewinne beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen nicht wieder zu streichen. Denn sie war von Anfang an nicht nur ungerecht gegenüber allen anderen, die ihre Lohn-Einkommen und Gewinne versteuern müssen. Sie ist auch unsinnig, weil sie den Ausverkauf von intakten Unternehmen an so genannte Investoren massiv gefördert hat.
Niemand zwingt uns auch, nichts dagegen zu unternehmen gegen den unfairen Standortwettbewerb innerhalb Europas.