Die politisch Verantwortlichen haben systematisch an der Verschleierung der Finanzkrise in Deutschland mitgearbeitet (Teil VI Finanzkrise)
Und sie haben die Finanzindustrie, also die Lobby, ihre Politik bestimmen lassen. Unmittelbar im Anschluss an die Veröffentlichung des Beitrags „Über das Zusammenspiel von Medien, Finanzwirtschaft und Politik …“ erreichten uns zwei Mails mit interessanten weiteren Informationen. Es geht einmal um Informationen über die Auslagerung schlechter Risiken in Zweckgesellschaften und andere Bad Banks. Diese stammen von Dr. Hauke Fürstenwerth, dem Autor des Buches „Geld arbeitet nicht“. Seine Mail einschließlich sehr nützlicher Folien zum Thema finden Sie im folgenden unter: A. Dr. Hauke Fürstenwerth. – Ein anderer Leser macht uns auf die „Zuarbeit“ der Finanzwirtschaft bei der Formulierung von Gesetzen etc. aufmerksam. „Personalaustauschprogramm Seitenwechsel” nennt sich das. Siehe: Ein Leser. Albrecht Müller
Auf die Leihbeamten wie auch auf die hilfreiche Förderung der Zweckgesellschaften und Verbriefungen haben wir zwar schon mehrmals hingewiesen, aber die beiden Mails enthalten kompakte zusätzliche Informationen. Dafür herzlichen Dank.
Ich verbinde diesen Dank, bevor ich zur Sache komme, mit einer Anmerkung und mit einer Bitte an unsere Leser/innen:
Die folgenden Informationen kommen, wie erwähnt, von Lesern/innen der NachDenkSeiten. Sie waren 2 Stunden nach Einstellung meines Textes schon bei uns eingegangen. Das spricht für das große Engagement und die Umsicht unserer Leser/innen. Und es besagt, dass sich die NachDenkSeiten dankenswerterweise auf die Zuarbeit und qualifizierten Hinweise vieler Menschen verlassen können.
Umso wichtiger ist eine dynamische weitere Verbreitung des Mediums.
Wenn Sie also die nun folgenden Informationen oder andere Informationen in den NachDenkSeiten interessant finden, dann lassen Sie doch bitte Menschen in Ihrem Umfeld daran teilhaben. Nutzen Sie Ihren E-Mail-Verteiler, um ihre Freunde und Bekannten auf interessante Artikel aufmerksam zu machen. Bauen Sie sich einen NachDenkSeiten-e-mail-Verteiler auf, wenn Sie noch nicht darüber verfügen. Sie können damit auch interessante Debatten innerhalb Ihres Freundes- und Bekanntenkreis auslösen. Das hilft beim Aufbau der so wichtigen Gegenöffentlichkeit.
Für Menschen in Ihrem Umfeld, die über keinen E-Mail-Anschluss verfügen, könnten Sie gelegentlich Artikel ausdrucken und/oder auf die beiden NachDenkSeiten Jahrbücher hinweisen; hier die nötigen Informationen zum Jahrbuch 2007 und zum Jahrbuch 2008/2009.
Und nun zur Sache:
A. Dr. Hauke Fürstenwerth:
Lieber Herr Müller,
In Ihrem heutigen Beitrag “Über das Zusammenspiel von Medien, Finanzwirtschaft und Politik” schreiben Sie:
(…) zu Jahresbeginn 2003 zugegen waren. Damals ging es um die Gründung einer Bad Bank, einer üblen Bank. Die Banken und die Versicherer wollten ihre faulen Papiere auslagern. Die offizielle Gründung einer solchen üblen Bank kam nicht zu Stande, weil das Gespräch öffentlich wurde. Offensichtlich hat man sich dann zu inoffiziellen Gründungen deutscher, übler Banken entschlossen. Eine davon dürfte die HRE gewesen sein.
Die in 2003 als Folge der Gespräche zwischen Banken und Regierung beschlossenen Gesetze belegen, dass es keiner “inoffiziellen” Gründungen von Bad Banks mehr bedurfte. Diese wurden offiziell genehmigt, nur hat man diese dann nicht mehr “Bad Banks” genannt, sondern “Zweckgesellschaften” oder auch “Special Purpose Vehicle”, “Conduits”, “Special Investment Vehicle” und ähnliches mehr. Die Möglichkeit, risikobehafteten Finanzmüll aus den Bilanzen auszugliedern, wurde in das im Sommer 2003 verabschiedete aber rückwirkend zum Januar 2003 wirksam werdende Gesetz zur “Förderung von Kleinunternehmern” (!!) eingebaut. Mit dem gleichzeitig verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung wurden diese Zweckgesellschaften auch noch von der Gewerbesteuer befreit. HRE, IKB, Landesbanken, Commerzbank und andere mehr haben von diesen vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeiten der Auslagerung von Finanzmüll aus den Bilanzen ausgiebig Gebrauch gemacht und in ihren Geschäftsberichten hierauf verwiesen. Politik und Öffentlichkeit sind also davon in Kenntnis gesetzt worden – nur hat es offenbar keiner wahrnehmen wollen. Auch der Bund bedient sich dieser Methode, hier heissen die Zweckgesellschaften dann “Sondervermögen”, Schuldenpositionen, welche nicht im Haushalt aufgeführt werden.
Ich füge einige Folien aus einem Vortrag zu “Geld arbeitet nicht” [PDF – 1.2 MB] bei, auf denen dieser Sachverhalt beschrieben wird.
Viele Grüße,
Dr. Hauke Fürstenwerth
Ein Leser zu den Leihbeamten etc.:
Sehr geehrter Herr Müller,
nicht in jedem Fall kann man der Bundesregierung vorwerfen, daß sie die Unwahrheit sagen würde: denn sie hat schon vor mehr als zwei Jahren offen zugegeben, daß sie sich die wichtigsten ihrer Finanzgesetze von Vertretern der Banken und der Börse schreiben läßt. Aufgrund eines Programms mit dem lustigen Namen „Personalaustauschprogramm Seitenwechsel” bekamen sogenannte Leihbeamte oder externe Mitarbeiter aus der Privatwirtschaft ihre Schreibtische direkt in den Ministerien aufgestellt. Als einige FDP-Abgeordnete in einer Kleinen Anfrage nachhakten, antwortete die Bundesregierung am 13. November 2006 wortwörtlich:
Eine auf die Mitwirkung an Gesetz- und Verordnungswürfen ausgerichtete Tätigkeit besteht derzeit in vier Fällen (…) Im Bundesarbeitsministerium der Finanzen bearbeiten je ein Mitarbeiter vom Bundesverband Öffentlicher Banken, von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und von der Deutschen Börse AG Fragen zur Anwendung und Auslegung sowie Fortentwicklung des Kreditwesengesetzes, des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes bzw. die gesetzliche Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie.
Nachzulesen ist das unter “Deutscher Bundestag – Antwort der Bundesregierung” [PDF – 80 KB].
Am 4. Dezember 2006 bestätigte die Bundesregierung auf die Kleine Anfrage einiger Grünen-Abgeordneter [PDF – 110 KB]:
Die derzeit im Bundesministerium der Finanzen tätigen externen Mitarbeiter sind in der Abteilung ‚Nationale und Internationale Finanzmarkt- und Währungspolitik’ tätig. Sie bearbeiten dabei Fragen zur Anwendung und Auslegung sowie Fortentwicklung des Kreditwesengesetzes, des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes und zur gesetzlichen Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie.
Zu diesen Antworten war die Bundesregierung durch eine „Monitor”-Sendung genötigt worden, die am 19. Oktober 2006 ausgestrahlt wurde. Das Autorenteam erhielt dafür zwar den Grimme-Preis, danach aber hat man von den Leihbeamten fast gar nichts mehr gehört. Nachdem der Bundesrechnungshof den Filz überprüft hatte, faßte das „Handelsblatt” vom 4. April 2008 das Ergebnis so zusammen:
In Einzelfällen hätten vorübergehend aus der Privatwirtschaft entsandte “Leihbeamte” sogar “Führungsfunktionen” in Ministerien ausgeübt, schreiben die Rechnungsprüfer. Dabei seien “Einflussmöglichkeiten von erheblicher Tragweite” festgestellt worden.
Aber sogar das hatte die Bundesregierung schon selbst zugegeben. Auf der Homepage der Bundesregierung steht nämlich über die Ergebnisse des „Personalaustauschprogramms Seitenwechsel”:
Die Teilnehmer der öffentlichen Verwaltung erwarteten besonders stark, neue fachliche Fähigkeiten erwerben zu können. Diese hohen Erwartungen wurden nur teilweise erfüllt. Dagegen waren die Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer sehr viel niedriger und konnten daher übertroffen werden.
Die Bankenvertreter hatten wohl nicht erwartet, daß ihre Gesetzesentwürfe 1:1 in Gesetze umgegossen würden; aber ihre Erwartungen konnten übertroffen werden. Aus der Aufstellung der Bundesregierung, welche Vertreter in welchen Ministerien sitzen, geht hervor, daß in nahezu jedem Ministerium der Vertreter einer Bank, meistens der Deutschen Bank, oder der Börse sitzt. Zusammengefaßt ist diese Liste auf Wikipedia.
Vielleicht sind diese Links ja von Interesse für Ihre Leser? Oder doch wenigstens für diejenigen unter Ihren Lesern, die sich noch über irgendetwas wundern?
Mit herzlichem Dank für Ihre Arbeit und den besten Wünschen
Ein Leser