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Titel: Faktencheck der Faktenchecker: „dpa-factchecking“ bezeichnet Aussage von Daniele Ganser zu US-Armee und Bundeswehr als „falsch“
Datum: 27. Juni 2023 um 12:24 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Florian Warweg
Ausgerechnet die Deutsche Presseagentur (dpa), die regelmäßig mit extrem einseitiger Quellenauswahl, erfundenen Zitaten und nachweislichen Fakenews auffällt, betreibt nach Selbstauskunft „eines der größten Faktencheck-Teams im deutschsprachigen Raum“ und arbeitet in diesem Zusammenhang mit Facebook zusammen. Der neuste „Faktencheck“ der dpa widmet sich dem Schweizer Historiker Daniele Ganser. Dessen Aussage vom 22. Juni mit Verlinkung auf einen NachDenkSeiten-Artikel, Deutschland hätte keine Soldaten in den USA stationiert, die USA aber sehr wohl über 38.000 in der Bundesrepublik und dies zeige das Machtverhältnis beider Länder auf, klassifiziert die dpa als „falsch“. Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Auf Grundlage der Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage der Bundestagsabgeordneten und Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen (DIE LINKE), hatten die NachDenkSeiten Anfang Juni einen Artikel mit dem Titel „Wie viele ausländische Militärs sind in Deutschland stationiert und was kostet dies den Steuerzahler? – Bundesregierung legt Zahlen vor“ veröffentlicht. Diesen Artikel teilte auch der Schweizer Publizist und Historiker Daniele Ganser auf Facebook und schrieb dazu:
„Deutschland hat keine Soldaten in den USA. Aber die USA haben Soldaten in Deutschland stationiert. Dies zeigt das Machtverhältnis der beiden Länder. Laut der Darlegung der Bundesregierung sind derzeit (Stand Mai 2023) noch 38.361 US-amerikanische, 286 britische und 599 französische Soldaten in Deutschland stationiert. Dies kostete den deutschen Steuerzahler im Jahr 2022 mehr als 110 Millionen Euro. Meiner Ansicht nach sollten alle fremden Soldaten aus Deutschland abziehen.“
Das manipulative Vorgehen der dpa
Die selbsternannten „Faktenchecker“ der dpa veröffentlichten dann nur einen Tag später, für ihre Verhältnisse extrem schnell, ein „dpa factchecking“, in welchem sie die Aussage von Ganser grundsätzlich als „falsch“ klassifizieren. Begründet wird dies damit, dass es auch Bundeswehr-Soldaten in den USA gäbe, namentlich das „Bundeswehrkommando USA und Kanada“.
Weiter heißt es in dem dpa-Faktencheck dazu:
„Es ist der Internetseite der Bundeswehr zufolge „das größte streitkräftegemeinsame Kommando der Bundeswehr außerhalb des deutschen Staatsgebiets“. Nach Angaben seiner Pressestelle arbeiten dort bis zu 2000 deutsche Soldatinnen und Soldaten. Zurzeit sind sie in 23 US-Bundesstaaten tätig. Dazu kommen Standorte in zwei kanadischen Provinzen. Die Zahl der Bundeswehr-Kräfte in den USA kann je nach Anzahl von Ausbildungen, Studiengängen und militärischen Übungen schwanken, erläutert ein Pressesprecher.
Die Ausbildung an Waffensystemen, die ursprünglich aus den USA stammten und auch in der Bundeswehr Verwendung fänden, finde größtenteils beim US-Militär oder bei der Rüstungsindustrie statt. Das Bundeswehrkommando stelle unter anderem aber auch eigene Ausbilder wie zum Beispiel Fluglehrer, die in Nordamerika neben eigenen Kräften auch Angehörige des US-Militärs regulär schulten.“
Das heißt, die dpa stellt die Präsenz von weit über 30.000 US-Soldaten auf über 20 US-Militärbasen, darunter eine signifikante Anzahl an Kampftruppen, die langfristig in Deutschland mit allen Arten von schweren Angriffswaffen (u.a. Panzer-, Artillerie-, Bomberstaffeln, Kampfdrohnen, Atomwaffen) stationiert sind und deren Militärpolizei sogar seit Juni 2023 in deutschen Bahnhöfen patrouilliert, gleich mit einigen Bundeswehrsoldaten, die, wie die dpa in ihrem „Faktencheck“ selbst einräumt, lediglich zum Zwecke von „Ausbildungen, Studiengängen und militärischen Übungen“ in den USA verweilen.
Auch die Bundeswehr lässt in ihrer Selbstdarstellung hinsichtlich der Aufgaben des „Bundeswehrkommandos USA und Kanada“ (BwKdo USA/CAN) keine Zweifel an dem reinen Ausbildungscharakter dieser Präsenz:
„Die deutschen Soldatinnen und Soldaten sind mit ihren Familien auf insgesamt 22 US-Bundesstaaten und zwei kanadische Provinzen auf über 49 Stand- und Einsatzorten verteilt. Dort betreiben sie in den USA stationierte Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr beziehungsweise werden dort ausgebildet, andere nehmen als Lehrgangsteilnehmer oder Lehrkräfte an Ausbildungsgängen der US- und der kanadischen Streitkräfte teil. Weiterhin erfüllen deutsche Soldatinnen und Soldaten Verbindungsaufgaben, andere leisten ihren Dienst im Austausch in US-Einheiten und Verbänden sowie auf Schiffen. Gleichfalls gehören die Soldatinnen und Soldaten der Deutschen Anteile für NATO oder sonstige internationale Hauptquartiere in den USA zum Bundeswehrkommando in Reston.“
Vor diesem Hintergrund ist die Einordnung der Aussagen von Ganser als „falsch“ durch den dpa-Faktencheck nicht haltbar. Ganser bezog sich im Kontext seines Posts eindeutig auf die Stationierung ausländischer Truppenverbände und nicht auf die Entsendung einzelner Angehöriger der Bundeswehr zur militärischen Ausbildung oder für Verbindungsaufgaben in die USA. Das absichtliche „Missverstehen“ des Ganser-Zitats durch die dpa-Faktenchecker ist im Zweifel eher als Desinformation oder zumindest irreführende Bewertung einzuordnen als der Facebook-Post des Schweizer Historikers. Dem könnte man maximal zum Vorwurf machen, dass er etwas zu generell von „Deutschland hat keine Soldaten in den USA“ gesprochen hat. Aber zu leugnen, wie es der dpa-Faktencheck letztendlich tut, dass die USA mehr politischen und militärischen Einfluss auf Deutschland ausüben als umgekehrt, ist mit dem Attribut absurd noch höflich umschrieben.
Und diese höchst fragwürdige Einstufung durch die „Faktenchecker“ der dpa hat direkte Auswirkungen auf die Reichweite auf Facebook und auch die Reputation der jeweiligen Person und verlinkten Quelle. Die Darstellungsweise der Klassifizierung „falsch“ durch die dpa bei Facebook ist zudem grundsätzlich fragwürdig, da es für den Facebook-Nutzer in keiner Form erkennbar ist, wer und was in diesem Fall als angeblich „falsch“ eingestuft wurde. Ist es die Kommentierung von Ganser oder der verlinkte Artikel, im konkreten Fall der der NachDenkSeiten?
Die Einstufung als „falsch“ widerspricht in diesem Rahmen zudem den eigenen dpa-Darlegungen zum Vorgehen bei Faktenchecks:
„Sehr viele Themen sind zu komplex, um sie nach einem starren Schema zu bewerten. Uns geht es im Zweifel eher um eine korrekte und verständliche Einordnung als um eine womöglich irreführende Bewertung. Die Leserinnen und Leser sollen durch den Faktencheck den Wahrheitsgehalt einer überprüften Behauptung erfassen und den Kontext eines strittigen Themas verstehen können, um sich eine eigene, auf Fakten und Tatsachen gestützte Meinung bilden zu können.“
Ganz am Ende des Faktenchecks heißt es übrigens zu den Darlegungen des Schweizer Historikers:
„Daniele Ganser hat diese Zahlen in seinem Post, der sich auf einen Blogeintrag bezieht, korrekt wiedergegeben.“
Der ominöse „Blogeintrag“ ist der von Ganser geteilte Artikel der NachDenkSeiten. Das die dpa dann auch noch bewusst versucht, die NachDenkSeiten nicht namentlich als Quelle zu benennen, ein Bruch mit einer der elementarsten journalistischen Grundregeln, spricht auch Bände über die Qualität und Standards der dpa-Faktenchecks. Womit wir bei einem grundsätzlichen Problem der dpa wären.
dpa scheitert permanent an ihren eigenen Faktencheck-Standards
In der Selbstdarstellung des dpa-factchecking heißt es selbstbewusst:
„Als unabhängige Nachrichtenagentur und Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Medien sehen wir es als unsere Aufgabe, Standards im Bereich Factchecking zu etablieren und zu vermitteln. Unser Ziel ist es, das Format Faktencheck journalistisch voranzutreiben (…).“
Zunächst fällt beim Stichwort „Standard“ auf, dass die dpa-Faktenchecks grundsätzlich anonym veröffentlicht werden – ohne jede Namensnennung. Es gibt auch zahlreiche Kritikpunkte etwa an der fachlichen Kompetenz des ARD-faktenfinders, beispielhaft sei auf Redakteur Pascal Siggelkow und seine legendär falsche „Sprengstoff in Pflanzenform“-Übersetzung verwiesen, oder an der „Faktencheck“-GmbH Correctiv mit ihrer auf Oligarchen-Geldern beruhenden Finanzierung. Aber immerhin erfüllen diese im Gegensatz zur dpa den Minimalstandard, dass Artikel namentlich gezeichnet sind und daher genau zuordbar ist, welche Personen mit welcher Vita für welchen „Faktencheck“ verantwortlich sind. Diese Transparenz bezüglich der Autorenschaft, ein grundlegender Standard im Journalismus, fehlt bei den dpa-Faktenchecks völlig.
Auch das mantra-artig vorgetragene Attribut „unabhängig“ muss man in diesem Zusammenhang ausdrücklich hinterfragen. Die rund 170 Gesellschafter der dpa sind ausschließlich Medienunternehmen wie Verlage und Rundfunkanstalten. Damit sind Gesellschafter und Kunden der dpa größtenteils identisch. Ein verqueres und weltweit ziemlich einzigartiges Konstrukt, was vieles ist, aber definitiv nicht unabhängig. Es erstaunt daher auch kaum, dass die dpa-Faktenchecks bisher einen großen Bogen um die Medien gemacht haben, die zu den Gesellschaftern der dpa gehören wie ARD und ZDF, Deutschlandfunk, Deutsche Welle, der Axel Springer Verlag, die MADSACK-Mediengruppe, Hubert Burda Media, die Funke-Mediengruppe und die Holtzbrinck-Verlagsgruppe. Kurz gesagt, die ach so „unabhängige“ dpa und damit auch deren Faktencheck-Abteilung wird kontrolliert von den marktbeherrschenden Medienkonzernen dieser Republik sowie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Anstalten.
Die „Zertifizierung“ von dpa als Faktencheck-Organisation
Die dpa verweist mit Stolz auf ihre Zertifizierung durch das „unabhängige International Fact Checking Network“ (IFCN), welches eine „sehr renommierte Organisation“ sei und „weltweit führend in der Forschung zu Desinformation“.
Das IFCN ist an das Poynter-Institut mit Sitz in St. Petersburg (dem in Florida) angegliedert. Und wer finanziert hauptsächlich das IFCN und das mutmaßlich so „renommierte“ Poynter-Institut, die das weltweite „Gütesiegel“ für „Faktenchecker“ vergeben und sich selbst ganz bescheiden als „global leader in journalism“ bezeichnen?
Das Omidyar-Netzwerk des US-Multimilliardärs und eBay-Gründers Pierre Omidyar via seiner Luminate-Stiftung sowie dem Democracy Fund, der zugleich Dutzende „Faktenchecker“-Organisationen weltweit finanziert, in Deutschland zum Beispiel Correctiv. Das heißt, ein US-Multimilliardär finanziert zugleich diverse Factchecking-Organsiationen sowie deren „unabhängige“ Zertifizierung. Daneben agiert auch noch die Charles Koch Foundation des US-Multimilliardärs selben Namens als einer der Hauptsponsoren. Er und sein (mittlerweile verstorbener) Bruder David waren zugleich mit ihren Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft die größten bekannten Förderer der US-amerikanischen Tea-Party-Bewegung. Ach ja, US-Oligarch George Soros tritt via seiner Stiftung Open Society ebenso als Sponsor auf wie Facebook-Gründer Marc Zuckerberg mit seinem Mega-Unternehmen Meta.
Weitere Förderer von IFCN und dem Poynter-Institut sind so unabhängige Institutionen wie die offen als halbstaatlicher Arm der US-Außenpolitik konzipierte Stiftung National Endowment for Democracy (NED), die sich massiv in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischt, beispielhaft sei auf Venezuela, die Ukraine, aber auch Frankreich verwiesen.
Der langjährige US-Politiker Ron Paul kommentierte als Mitglied des US-Repräsentantenhauses die Aktivitäten des NED mit folgenden Worten:
„Was die NED in fremden Staaten unternimmt, wäre in den USA illegal. (…) Es ist orwellianisch zu behaupten, US-Manipulationen von Wahlen in fremden Staaten würde die Demokratie befördern. Wie würden die Amerikaner reagieren, wenn die Chinesen mit Millionen von Dollar bestimmte pro-chinesische Politiker unterstützen würden? Wäre das eine ‘demokratische Entwicklung’?”
Abschließend lässt sich festhalten: Die dpa, die als Nachrichtenagentur in Deutschland über ein De-facto-Monopol und damit eine enorme Reichweite verfügt, hat im vorliegenden Fall willkürlich und forciert die „Faktencheck“-Klassifizierung „falsch“ vergeben und damit wohl bewusst versucht, sowohl dem Schweizer Historiker Ganser als auch en passant den NachDenkSeiten eine Rufschädigung zuzufügen. Das Ganze geht von einem Medienunternehmen aus, welches regelmäßig und seit Jahrzehnten Fakenews produziert. Anbei eine kleine Auswahl der letzten Jahrzehnte:
Titelbild: Screenshot dpa-factchecking.com/germany/230623-99-161291/
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=99905