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Titel: Wer hat die „Friedensordnung“ zerstört?

Datum: 9. Juni 2023 um 9:38 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Militäreinsätze/Kriege
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Die Mär von der Zerstörung der Friedensordnung durch Russland wird permanent wiederholt. Die reale Vorgeschichte des Ukrainekriegs muss darum immer wieder betont werden. Von Bernhard Trautvetter.

Der Ukraine-Krieg hat eine Vorgeschichte, die die NATO, die Ampel-Regierung und alle sie unterstützenden Kräfte ausblenden, wenn sie Russland als imperialistischen Staat darstellen, der seinen Nachbarstaat anlasslos mit räuberischen Zielen überfallen hat. Der Begriff »Angriffskrieg« kommt dadurch zur Anwendung, dass die Kriegsschuldfrage ohne Anblick der Vorgeschichte beantwortet wird. Aussagen wie diese von NATO-Generalsekretär Stoltenberg kommen selten in die Mainstream-Medien: „…Da der Krieg nicht im Februar letzten Jahres begonnen hat. Er begann im Jahr 2014 (im Original auf Englisch: … because the war didn’t start in February last year. It started in 2014)“. Dies gilt es zu überprüfen, um die Kriegsschuldfrage solide zu klären.

Zur Vorgeschichte des Ukrainekrieges zählen Dokumente aus dem Minsker Format: Unter der Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die schon im Namen das Konzept der gemeinsamen und nicht gegeneinander gerichteten Sicherheit trägt, vereinbarten Vertreter der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs das Minsk-II-Abkommen. Es ging um die Befriedung der Region Donezk und Luhansk in der Ostukraine nach dem illegalen Regierungswechsel in Kiew 2014, den auch die ARD-Sendung Panorama einen „Putsch“ nannte.

Minsk II regelte einen Waffenstillstand und den Abzug der schweren Waffen, kontrolliert durch die OSZE, einen Gefangenenaustausch und eine Amnestie sowie einen Dialog über die Durchführung von Kommunalwahlen nach den ukrainischen Gesetzen und über „die zeitweilige Ordnung der lokalen Selbstverwaltung in einzelnen Gebieten“ der Ostukraine und auf dieser Grundlage ebenso über den künftigen Status dieser Gebiete. Ferner sollte geregelt werden: die Reaktivierung und Intensivierung der sozialen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der Ostukraine und der Regierung in Kiew, einschließlich des Bankensystems und der Sozialleistungen sowie die Kontrolle der Staatsgrenzen durch die ukrainische Regierung, ein von der OSZE kontrollierter Abzug aller ausländischen Militärs und von Söldnern aus der Ukraine sowie eine grundsätzliche Verfassungsreform, die auch den Sonderstatus der Regionen Luhansk und Donezk und die Dezentralisierung der Ukraine verankert.

Die westlichen Staaten sowie die Regierung in Kiew hatten nicht die Absicht, Minsk II umzusetzen, wie es sich laut Interview mit Angela Merkel in der Zeit im Dezember 2022 darstellte: „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“ Es ging demzufolge nicht um die Nutzung der Zeit für die Umsetzung von Minsk II, sondern um militärische Absichten des Westens.

Die Invasion Russlands in die Ukraine ist allerdings durch nichts zu legitimieren, sie ist nur eben nicht unprovoziert erfolgt, sondern sie folgt einem kaum verhohlenen Kalkül von NATO-Strategen.

Einen Monat nach dem Beginn der Invasion begannen in der Türkei Verhandlungen zwischen den Regierungen der direkt im Krieg gegeneinander stehenden zwei Staaten.

Diese Verhandlungen waren konkret und fast bis zu einem unterschriftsreifen Abschluss gediehen, wie es u.a. die Berliner Zeitung berichtete:

„Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über ein Ende des Krieges kommen nach Angaben der Türkei voran und stehen angeblich kurz vor einer Einigung. ‚Natürlich ist es nicht einfach, während der Krieg tobt, aber wir glauben, dass es vorangeht‘, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Sonntag. ‚Wir sehen, dass die Parteien kurz vor einer Einigung stehen.‘ … Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekräftigte in einem am Sonntag vom US-Nachrichtensender CNN ausgestrahlten Interview, dass er ‚zu Verhandlungen‘ mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin bereit sei. Die Verhandlungen mit Russland seien der einzige Weg, ‚diesen Krieg zu beenden‘. … ‚Aber wenn diese Versuche scheitern, würde das bedeuten, dass der Konflikt in der Ukraine ein dritter Weltkrieg ist‘, warnte er.“

Das Verhandlungsergebnis griff im Wesentlichen auf Minsk II zurück. Laut vieler westlicher Stimmen wurde vor allem von britischen und US-amerikanischen Politikern ein Abbruch dieser Verhandlungen betrieben. Als Grund dafür wurde auf das Massaker von Butscha verwiesen. Das aber ist unglaubwürdig, denn: Zur Beendigung des Vietnamkrieges und zu abschließenden Dokumenten kam es trotz des US-Massakers in My Lay. Kriegsverbrechen sind keine legitime Rechtfertigung für die Weiterführung von Kriegen.

Was den Ukrainekrieg angeht, war der 9.4.2022 eine Zeitenwende insofern, als auf den Abbruch der Verhandlungen in der Türkei die Zerstörung weiterer Gebiete der Ukraine und zehntausendfaches Sterben von bewaffneten und zivilen Personen folgte. Daniel Ellsberg, der Whistleblower, der viele der Lügen und Verbrechen der USA im Vietnamkrieg offenlegte, nennt die Umtriebe zur Beendigung der Türkei-Verhandlungen wegen ihrer Auswirkungen auf die Menschen ein Kriegsverbrechen.    

Titelbild: Lightspring / Shutterstock


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