Heute unter anderem zu folgenden Themen: Eurokrise; Die unglaubliche monetäre Subvention der Finanzwirtschaft; Viele erben wenig, wenige Erben viel; Deutsche Konjunktur zur Jahresmitte 2011; Steuervereinfachung – Drei Mal ein Steuersatz; Bankenpleite: Dänemark will Gläubiger bluten lassen; Lars Niggemeyer: Fachkräftemangel – eine Drohkulisse für den Arbeitsmarkt?; Gerd Bosbach: Geschönte Zahlen; Jutta Roitsch: Das „Bildungspaket“ und seine fragwürdige Umsetzung; Bildungsgutscheine: Leyen will Eltern Hartz-IV-Geld hinterhertragen; Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit: Notwendige Debatte; Stresstest bestanden? Auf welcher Basis?; Tunesien: Geburtswehen einer Demokratie; Sklavenhaltung: Unter dem Deckmantel der Immunität; Kostümierte Antisemiten; Grüne: Staatstragend wie die CDU; Rechte Burschen. (WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Eurokrise
- Die unglaubliche monetäre Subvention der Finanzwirtschaft
- Viele erben wenig, wenige Erben viel
- Deutsche Konjunktur zur Jahresmitte 2011
- Steuervereinfachung – Drei Mal ein Steuersatz
- Bankenpleite: Dänemark will Gläubiger bluten lassen
- Lars Niggemeyer: Fachkräftemangel – eine Drohkulisse für den Arbeitsmarkt?
- Gerd Bosbach: Geschönte Zahlen
- Jutta Roitsch: Das „Bildungspaket“ und seine fragwürdige Umsetzung
- Bildungsgutscheine: Leyen will Eltern Hartz-IV-Geld hinterhertragen
- Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit: Notwendige Debatte
- Stresstest bestanden? Auf welcher Basis?
- Tunesien: Geburtswehen einer Demokratie
- Sklavenhaltung: Unter dem Deckmantel der Immunität
- Kostümierte Antisemiten
- Grüne: Staatstragend wie die CDU
- Rechte Burschen
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Eurokrise
- Rudolf Hickel: Deutschland unter dem Spardiktat wie Griechenland: Das 410 Milliarden Euro Sanierungs- Szenario
Um die Dimension dieser Politik der Auflagen und die den Griechen abverlangte Herkulesaufgabe zu erfassen, lohnt sich ein Vergleich mit Deutschland. Dies zeigt das folgende Szenario: Deutschland wird wegen seiner hohen Staatsverschuldung von derselben Troika verpflichtet, ein Sparprogramm vergleichbar zu Griechenland
durchzusetzen. Auf der Basis von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Griechenland für das erste Sparpaket aufzubringen hat, wären das für Deutschland 120 Milliarden Euro. Mit dem neuen Programm kämen auf der Basis von 12,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 280 Milliarden Euro hinzu. Ingesamt müssten im Vergleich zu Griechenland ab 2011 in den kommenden sechs Jahren 410 Milliarden Euro an Einsparungen und Steuererhöhungen vorgenommen werden. Die Jahresrate beliefe sich auf knapp 70 Milliarden Euro.
Quelle: Arbeitgruppe Alternative Wirtschaftspolitik [PDF – 52.2 KB]
- Es kriselt
Griechenland-Krise ist demnach der Kollaps Athens alleine; die Euro-Krise ist die Kalamität der Währung einzig; Regierungskrise ist eine Konfusion, die ausschließlich unzufriedene Bürger verursachen; die EU-Krise gilt somit als Beklemmung europäischer Organe nur; die Wirtschafts- und Finanzkrise ist das Dilemma der Märkte lediglich – dass aber alle Krisen zusammengefasst als ein einziges Krisenszenario durchgewinkt werden können, kommt da keinem mehr in den Sinn. Jede Krise ist fein säuberlich in seine Kompetenzen gewiesen, sie kann nicht übergreifen und nicht generalisiert verstanden werden – sie ist eine beschränkte Krise, die die unbeschränkte Krise des Systems bedeckt.
Die Taktik derer, die das System weiterhin als alternativlos und als bestes aller möglichen Systeme beschreiben, ist weniger die Leugnung der Krise. Der Turbo-Kapitalismus unserer Tage ist innovativ, wenn es darum geht, seine eigene Agonie hinter Floskeln und falschen Informationen zu verstecken. Er bestreitet die Krise nicht, er schafft viele kleine Duodez-Krisen, die die große Krise des gesamten Komplexes tarnen sollen. Wo Griechenland, Euro, EU oder Banken in der Krise sind, da ist es das kapitalistische System nicht…
Quelle: ad sinistram
- Klassenkampf auf Spanisch
Wie geht es weiter für die »Bewegung der Empörten« in Spanien nach den Platzbesetzungen und Aktionen wie der Blockade des Regionalparlaments in Barcelona? Die Bewegung ist sehr heterogen und sucht nach Bündnissen, um die sozialen Proteste in die Gesellschaft zu tragen.
Quelle: Jungle World
- Furcht vor einer Ansteckung Italiens
Zu dem sich abzeichnenden Wechsel der Marktstimmung gegenüber Italien dürfte die Warnung der Rating-Agentur Moody’s vor einer möglichen Zurückstufung der staatlichen Anleihen beigetragen haben. Die Marktkommentatorin Rebecca Wilder beispielsweise sieht wachsende Kreditrisiken, da die Rating-Unsicherheit durch sich verschärfende politische Turbulenzen und einen sich verschlechternden zyklischen Konjunkturausblick ergänzt wird. Eine Zurückstufung der Anleihen hätte negative Auswirkungen auf die Kosten der Verschuldung, die fast 120% des Bruttoinlandproduktes (BIP) entspricht. Die Analytiker der Investmentbank Barclays Capital erwarten, dass der Verschuldungsgrad des Landes ohne strukturelle Reformen in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich bis auf 200% des BIP steigen würde. Zwar erreicht der Spread gegenüber deutschen Bundesanleihen bei weitem nicht griechische Dimensionen (über 1400 Basispunkte) und ist auch noch weit entfernt von den Aufschlägen für irische oder portugiesische Papiere (über 900 Basispunkte), doch er ist auf über 200 Basispunkte gestiegen. Sollte Griechenland umschulden, wäre eine Ausweitung der Aufschläge auch für italienische Bonds zu erwarten.
Der Chef von Pimco, Mohamed al-Erian glaubt, dass Griechenland (und andere Länder) ihre Zahlungen einstellen werden, denn es sei bisher nichts getan worden, was das wirtschaftliche Wachstum beschleunigt hätte. Eine «Lösung» der Krise zeichnet sich ab. Ein Teil der Schulden Griechenlands (und anderer Länder) befindet sich durch die Rettungsversuche bereits in öffentlicher Hand – deren Anteil wird weiter steigen. Mark Schofield von der Citibank schätzt, dass 45% der Schulden Griechenlands auf diese Weise «umgeschuldet» worden seien. Laut Barclays Capital sind über die Hälfte der griechischen Schulden in Händen der EZB und von anderen öffentliche Institutionen. Francesco Garcarelli von Goldman Sachs sieht auch einen Prozess des «managed deleveraging», in dem die öffentliche Schuld Griechenlands zunehmend von Kapitalmarktinstrumenten in Kredite öffentlicher Institutionen mit langen Laufzeiten und tragbaren Zinsen umgestaltet wird. Als Resultat dieses Transferprozesses werde der öffentliche Sektor der Euro-Zone zum dominanten Gläubiger Griechenlands.
Quelle: NZZ
- Bekannte und unbekannte Risiken einer Eurozonen-Pleite
Die Finanzmärkte haben Europa offenbar in Geiselhaft genommen und drohen im Pleitefall den finanziellen Weltuntergang an. Dafür wären sie dann zwar ausschließlich selbst verantwortlich, die Folgen trägt aber in jedem Fall die Allgemeinheit.
Bei allen Beschwichtigungen, die Eurozone werde keinen “unkontrollierten Bankrott” eines Mitgliedsstaates zulassen, dürfte angesichts der Leistungen der politischen Entscheidungsträger inzwischen auch ein plötzlicher Zahlungsausfall nicht mehr auszuschließen sein. Immerhin war von Anfang an klar absehbar, welche Folgen die bisherigen Lösungsbemühungen haben werden.
Quelle: Telepolis
- Die unglaubliche monetäre Subvention der Finanzwirtschaft
Die EZB leiht den Banken Geld, diese wiederum verleihen es an die Einzelstaaten weiter. Damit erhalten die Banken eine Subvention von mehr als 4,5 Mrd. Euro
Österreich und alle anderen Euro-Staaten haben ein einfaches Finanzierungssystem. Die EZB leiht den Banken Geld, diese wiederum verleihen es an die Einzelstaaten weiter. Damit erhalten die Banken für eine Transaktion, die kaum mehr als einen Mausklick benötigt, eine gigantische Subvention – Geld, das im Staatshaushalt derzeit bitter abgeht. Nach einer Schätzung des Autors beträgt diese Summe für Österreich mehr als 4,5 Mrd. Euro.
Quelle: Der Standard
Anmerkung Jens Berger: Der Artikel von Oliver Picek stellt eine inhaltliche Ergänzung zum Artikel Staatsfinanzierung als Subvention des Finanzsektors auf den NachDenkSeiten dar.
- Viele erben wenig, wenige Erben viel
Die Bundesregierung wird heftig kritisiert, weil sie private Gläubiger an den Kosten der Griechenlandkrise beteiligen will. Dabei könnte Schwarz-Gelb die Verursacher der Finanzkrise viel einfacher über die Vermögens- und Erbschaftssteuern zur Kasse bitte. Geld wäre genug da: Geschätzte 2,6 Billionen Euro vererben die Deutschen bis 2020 – 800 Milliarden davon gehen auf das Konto der reichsten zwei Prozent.
Das Geldvermögen wuchs im letzten Jahr um 4,7 Prozent.
Das spiegelt sich auch in den Erbschaften wider. Bis 2020 werden in Deutschland voraussichtlich 2,6 Billionen Euro vererbt. Damit wechselt mehr als ein Viertel des Volksvermögens von insgesamt rund 9,4 Billionen Euro den Besitzer. Es hat sich im letzten Jahrzehnt um ca. 20 Prozent erhöht. Die Verteilung des Erbvermögens ist allerdings sehr ungleich: Viele erben wenig, wenige erhalten viel. So ist die Erbschaft nur in 0,2 Prozent der Fälle mehr als 250.000 Euro wert. 28 Prozent der Erbschaften machen weniger als 25.000 Euro aus.
Quelle: DGB klartext
- Deutsche Konjunktur zur Jahresmitte 2011
Die deutsche Konjunktur, die bereits seit dem Sommer 2009 auf Erholungskurs gewesen ist, befindet sich seit dem ersten Quartal 2011 nunmehr in einem Aufschwung. Das Vorkrisenniveau der Produktion ist überschritten, und die Wachstumsrate liegt über dem langfristigen Trend. Das Wachstum ist zunehmend balancierter. Sowohl der Außenbeitrag als auch die Inlandsnachfrage, vor allem die Investitionen, stiegen kräftig. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrug im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt 1,5 %. Allerdings dürfte dies die konjunkturelle Dynamik überzeichnen, da die Bauinvestitionen durch einen starken witterungsbedingten Nachholeffekt geprägt waren.
Im weiteren Jahresverlauf dürften die Wachstumsraten wieder die konjunkturelle Grundtendenz widerspiegeln. Dabei verlagern sich die Auftriebskräfte mehr und mehr Richtung inländische Verwendung.
Für das Jahr 2011 insgesamt wird die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts im Jahresdurchschnitt 4 % betragen. Das IMK erhöht somit, gegenüber März dieses Jahres, seine Prognose um 1,3 Prozentpunkte.
Im kommenden Jahr wird sich das Tempo des Aufschwungs etwas abflachen. Die Zunahme der Exporte wird infolge der leicht nachlassenden Dynamik der Weltkonjunktur und vor allem wegen der für die deutsche Exportwirtschaft ungünstigeren Zusammensetzung der globalen Nachfrage geringer ausfallen.
Auch die Investitionstätigkeit wird etwas verhaltener zunehmen. Hingegen dürften die privaten Konsumausgaben bei etwa gleich stark steigenden verfügbaren Einkommen ähnlich kräftig expandieren wie in diesem Jahr. Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts wird 2012 im Jahresdurchschnitt voraussichtlich 2,3 % betragen. Damit hebt das IMK seine Prognose für das kommende Jahr leicht an, und zwar um 0,6 Prozentpunkte.
Quelle: IMK Report Nr. 64/ Juni 2011 [PDF – 234 KB]
- Steuervereinfachung – Drei Mal ein Steuersatz
Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof legt einen Entwurf für ein neues Bundessteuer-Gesetzbuch vor. Im Mittelpunkt stehen zahlreiche Vereinfachungen der Steuersätze. Er verspricht das sozialste Steuergesetz, das es je in Deutschland gegeben hat.
In der Einkommensteuer, in der Mehrwertsteuer und in der Erbschaftsteuer sollte künftig jeweils nur noch ein Steuersatz gelten. Das schlägt der frühere Verfassungsrechtler Paul Kirchhof in seinem Entwurf für ein Bundessteuergesetzbuch vor. Bei der Einkommensteuer verzichtet er auf die Unterscheidung, ob jemand sein Geld als Arbeitnehmer, Selbständiger, Landwirt oder Gewerbetreibender verdient. Statt der bisher insgesamt sieben Einkunftsarten mit unterschiedlichen Rechtsfolgen gibt es bei ihm nur eine. Damit entfiele auch die Grundlage für die Gewerbesteuer. Die Kommunen erhielten zum Ausgleich das Recht, einen Zuschlag auf die Einkommensteuer zu erheben. „Wenn der Bürger mehr Leistungen will, dann zahlt er mehr“, erläuterte Kirchhof den dahinterstehenden Gedanken. […]
„Das ist das sozialste Steuerrecht, das es je in Deutschland gegeben hat“, wirbt Kirchhof für sein Konzept. Verlierer sind nach seinen Worten alle, die von den bisher 435 Ausnahmen profitierten. Allerdings sollen die Bürger weiterhin steuerfrei Mittel für ihre Zukunftssicherung etwa zur Altersvorsorge zurücklegen können.
Quelle: FAZ
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Wiederkehr eines Untoten aus seiner Gruft. Kirchhof kann doch nicht ernsthaft glauben, daß die Menschen heute noch auf seine Radikalinski-Version eines neoliberalen FDP-Steuerkonzepts hereinfallen, das unbezahlbar, sozial zutiefst ungerecht, wirtschaftsfeindlich und nicht zuletzt wiederum voller Ausnahmen ist.
- Bankenpleite: Dänemark will Gläubiger bluten lassen
Nachdem die Fjordbank Mors es nicht geschafft hat, die Kapitalanforderungen der Finanzaufsicht zu erfüllen, ist sie unter den Bankenrettungsschirm des Landes geschlüpft. Der Staat wird die Kontrolle über das Institut übernehmen. Es ist bereits die zweite Bankenpleite des Landes in diesem Jahr. Im Februar war die Amagerbanken vom Staat übernommen worden. Noch im Mai hatte die Bank Spekulationen über einen bevorstehenden Konkurs dementiert. Nun die Kehrtwende: Weil die Finanzaufsicht ein Anheben der Eigenkapitalbasis von 9,7 auf 16 Prozent und Abschreibungen auf faule Kredite in Höhe von 340 Mio. dänischen Kronen (45,6 Mio. Euro) gefordert habe, fehlten dem Haus 700 Mio. Kronen – eine Summe, die man bis zum Ablauf der Frist am vergangenen Sonntag nicht habe aufbringen können, schreibt das Institut in einer Mitteilung. Das größte Problem im Mors-Portfolio sind faule Kredite an den kriselnden Bau- und Agrarsektor des Landes.
Beachtung findet die Pleite der Bank vor allem deshalb, weil die dänische Regierung in Bezug auf ihre Banken und deren Gläubiger einen harten Kurs fährt. Die Inhaber vorrangiger Anleihen werden an den Verlusten beteiligt. Bei der im Februar pleite gegangenen Amagerbanken mussten die Bondholder einen Haircut von 41 Prozent hinnehmen. Infolgedessen hatte die Ratingagentur Moody’s eine Reihe dänischer Banken aufgrund der fehlenden staatlichen Unterstützung herabgestuft.
Quelle: FTD
- Lars Niggemeyer: Fachkräftemangel – eine Drohkulisse für den Arbeitsmarkt?
Quelle: Das Erste Mediathek
- Gerd Bosbach: Geschönte Zahlen
“Wenn ich weiß, welches Interesse hinter einer Zahl steckt, weiß ich auch, in welche Richtung sie schön gefärbt worden ist”, meint Statistiker Gerd Bosbach.
Politiker argumentierten deshalb gerne mit Zahlen, weil sie dahinter ihre Meinung verstecken könnten. “Ich habe Leuten 30 Statistiken vorgelegt, von denen 28 eindeutig in eine Richtung wiesen”, schildert Bosbach. Die Politiker seien dann mit den beiden abweichenden in den Bundestag gegangen.
- “40 Prozent der Akademikerinnen haben keine Kinder.” – Ein Erhebungsfehler, meint Statistiker Gerd Bosbach, schließlich seien nur westdeutsche Akademikerinnen zwischen 35 und 39 Jahren befragt worden. “Bei den kinderlosen Akademikerinnen wurde eine große Gruppe ins Auge gefasst, von denen Teile gar nicht kinderlos waren. Erst als eine Forscherin widerlegt hat, was an dieser Zahl falsch ist, kam die Diskussion neu auf.” Die Zahlen lägen eher bei 25 als 40 Prozent und damit fünf Prozent über dem deutschen Durchschnitt…
- “Die Kosten im Gesundheitswesen explodieren.” – Seit 1992 machen die Kosten relativ stabil zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts aus – die Kosten steigen synchron mit dem Wohlstand und damit zwar absolut, nicht jedoch relativ. “Die Politik laboriert an der falschen Seite”, meint Bosbach: “an den Kosten, die nicht überdimensional wachsen, aber nicht an den Einnahmen.”
- “Die Deutschen sterben aus.” – Das sei “keine Statistik, sondern Kaffeesatzleserei”, sagt Bosbach. Auch wenn die aktuellen Geburtenzahlen niedrig liegen: Bei den Veröffentlichungen zur Bevölkerungsentwicklung bis 2050 habe das Statistische Bundesamt ausdrücklich darauf verwiesen, “dass solche langfristigen Berechnungen nur Modellcharakter haben und keine Prognosen sind.” Auch die verbreitete Annahme, dass Deutschland weltweit die niedrigste Geburtenrate pro Frau habe, sei “schlicht und einfach falsch”.
Quelle: 3sat Nano
- Jutta Roitsch: Das „Bildungspaket“ und seine fragwürdige Umsetzung
„Mit dem Bildungspaket denken wir zum ersten Mal in den Hartz-Gesetzen wirklich vom Kind her,“ lobte sie (von der Leyen) den im Vermittlungsausschuss erzielten Kompromiss…
Das Interesse der Eltern fällt bisher gering aus. Bis zu den Sommerferien haben in einigen Städten des Ostens bis zu einem Drittel, von Berlin bis Frankfurt am Main zwischen 10 bis 15 Prozent der Berechtigten Anträge aus dem Bildungspaket (Mittagessen, Ausflüge, Klassenfahrten, Lernförderung oder Vereinsbeiträge) gestellt, obwohl Ursula von der Leyen mit riesigen, lebensfrohen Plakaten zum Mitmachen aufgerufen hat….
Die abschreckende Wirkung liegt im System. Zugespitzt: Sie hat System. Die praktische Umsetzung offenbart in aller Deutlichkeit, worauf Expertinnen und Sachverständige im vergangenen Jahr in den zwei spärlichen Anhörungen im Bundestag immer wieder hingewiesen haben: Das Bildungspaket konterkariert in Teilen bestehende Ansätze von kommunaler Sozial- und Bildungspolitik und erschwert sie…
Die Lösung liegt auf der Hand: dieses Bildungspaket muss neu geschnürt werden, spätestens mit der Revisionsklausel. Alle Institutionen der Bildung und Ausbildung sind so auszustatten, dass kein Kind seine Lebenschancen verpasst. Das heißt, dass Bund und Länder zur föderalen Kooperation zurückkehren müssen und nicht ein einzelnes Hartz IV-Kind fördern, sondern Kitas und Schulen direkt. Diese Vision einer jugendnahen Politik formulierten im übrigen schon die Verfassungsrichter in ihrem Urteil. Das Grundrecht auf soziale und kulturelle Teilhabe aber steht jedem Kind selbst zu. Es geht den Staat nichts an, was es mit den zehn Euro pro Monat macht, ob es ins Theater geht oder zum Fußballverein. Ein solcher Verzicht auf staatliche Bevormundung und Kontrolle wäre eine kleine Stärkung und Anerkennung, die arme Kinder und ihre Familien bisher vermissen.
Quelle: Gegenblende
- Bildungsgutscheine: Leyen will Eltern Hartz-IV-Geld hinterhertragen
Weil einer Studie zufolge ein Fünftel der Hartz-IV-Eltern kein Interesse an Bildungsgutscheinen hat, will Ursula von der Leyen, dass Sozialarbeiter “nachfassen”.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will sich mit dem geringen Interesse an Bildungsgutscheinen für Kinder aus Hartz-IV-Familien nicht zufriedengeben. Ein runder Tisch am Dienstag soll die wichtigsten Fragen zu dem seit dem 1. April geltenden Angebot klären. […]
“Wenn Info-Briefe und gezielte Ansprache in Schulen und Kitas nicht reichen, müssen Sozialarbeiter eben vor der Tür stehen und beiden Eltern nachfassen,” sagte von der Leyen der “Bild”-Zeitung. Bis zum Jahr 2014 sind nach Informationen der Zeitung 400 Millionen Euro pro Jahr für Sozialarbeiter eingeplant. […]
Der Erfolg des Paketes hänge davon ab, “wie intensiv sich die Ämter um die Familien bemühen”, so die Ministerin: “Es geht um die Zukunftschancen der Kinder, damit sich das Hartz-IV-Schicksal ihrer Eltern nicht wiederholt.”
Quelle: WELT
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Jetzt sind natürlich wieder die Eltern und die Kinder Schuld, nicht das völlig vermurkste Gesetz. Diese bürokratische Monstrosität ist doch das Gegenteil der vielgepriesenen “Eigenverantwortung”. Wenn die lächerlichen 10 Euro pro Monat für Nachhilfe usw. genügen, “damit sich das Hartz-IV-Schicksal ihrer Eltern nicht wiederholt”, denn Arbeitsstellen braucht man laut von der Leyen nicht dafür, dann könnte sie doch mit 20 Euro mehr im Monat ein Heer von Nobelpreisträgern züchten. (Wieso eigentlich “Hartz-IV-Schicksal”? Kommen die Betroffenen bis zum Lebensende nicht mehr aus Hartz IV raus, obwohl doch Hartz IV angeblich für den Arbeitsmarkt aktivieren sollte?)
Mit Ausnahme der FDP-Minister Bahr, Rösler und Westerwelle gibt es in dieser gruseligen Regierung wenige, die inkompetenter sind; an Zynismus übertrifft von der Leyen aber alle anderen um Längen.
- Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit: Notwendige Debatte
Ohne Kampf um Arbeitszeitverkürzung führt kein Weg aus der gewerkschaftlichen Defensive. Wissenschaftler liefern Argumente für die Rückkehr zu bewährten Forderungen. Zunächst verweisen die beiden Professoren darin auf die Differenz zwischen offizieller und realer Arbeitslosigkeit: Rechne man zur offiziellen Arbeitslosenzahl von 3,2 Millionen im Jahresdurchschnitt 2010 die verdeckte Erwerbslosigkeit und erzwungene Teilzeitbeschäftigung hinzu, komme man auf rund 5,9 Millionen. Vor dem Hintergrund dieser »katastrophalen Arbeitsmarktsituation« von einem »deutschen Beschäftigungswunder« zu sprechen, wie es derzeit Mode ist, sei zynisch. Bontrup und Massarrat – die zusätzlich für ein öffentliches Beschäftigungsprogramm argumentieren – halten eine wöchentliche Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung von 30 Stunden für denk- und auch realisierbar. Diese Forderung habe aber nur dann Aussicht, verwirklicht zu werden, »wenn die große Mehrheit der Lohn- und Gehaltsabhängigen von deren Sinn überzeugt und auch bereit ist, gegen massive konträre Kapital- und Politikinteressen zu kämpfen«. Voraussetzung hierfür wiederum sei die Forderung nach vollem Lohnausgleich. Dessen Finanzierung ist, so die Wissenschaftler weiter, »vor dem Hintergrund der (…) gigantischen Umverteilung in den letzten Jahren zur Gewinnquote« durchaus möglich. Sie rechnen vor, daß eine zu Lasten der Gewinne finanzierte, fünfprozentige Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich lediglich die seit Anfang der 1980er Jahre erfolgte Umverteilung von unten nach oben umkehren würde.
Quelle 1: Junge Welt
Quelle 2: Das Manifest [PDF – 123 KB]
Anmerkung Orlando Pascheit: Man muss die Forderungen dieses Manifests nicht im Einzelnen teilen. Klar sollte aber sein, dass eine Debatte über Arbeitszeitverkürzung notwendig ist. Das Manifest soll am 30. Juni und am 1. Juli in Hannover auf einer Konferenz, dass der ver.di-Landesbezirk Niedersachsen, die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und die ATTAC-AG Arbeit fair teilen sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen organisieren, diskutiert werden [PDF – 204 KB].
- Stresstest bestanden? Auf welcher Basis?
Der Schlichterspruch lautet folgendermaßen…:
„Die Deutsche Bahn AG verpflichtet sich, einen Stresstest für den geplanten Bahnknoten Stuttgart 21 anhand einer Simulation durchzuführen. Sie muss dabei den Nachweis führen, dass ein Fahrplan mit 30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität möglich ist.“
Es gibt aus der Schlichtung keinerlei Basiszahl.
Die von den S21-Freuden unters Volk gebrachte Zahl 37 ist reine Spekulation. Die Berichterstattung auch.
Laut FAZ schafft S21 maximal 49 Züge. Weniger, als die DB für den heutigen Kopfbahnhof angab. Es würde mich auch wundern, wenn die DB nicht intern die Basiszahl reduziert hätte, um auf das gewünschte Ergebnis zu kommen. Redakteuren fällt das natürlich nicht auf.
Quelle: railomotive
- Tunesien: Geburtswehen einer Demokratie
Tunesien erlebt nun schon seit mehreren Wochen eine Welle von Streiks, Demonstrationen und Strassenblockaden. In den meisten Fällen geht es um arbeitsrechtliche Fragen oder um Proteste gegen Vorgesetzte, die aus der Ära des früheren Staatschefs Ben Ali stammen. Aber auch Mitläufer und Profiteure des alten Regimes, die jetzt die Rechnung präsentiert erhalten, verschaffen sich mit Kundgebungen Gehör. Besonders problematisch sind die landesweiten Streiks in Unternehmen wie Tunisie Télécom oder Office des céréales, weil sie wichtige Dienstleistungen oder die Lebensmittelversorgung gefährden. Die Streikwelle hält auch ausländische Unternehmen davon ab, im Land zu investieren. Die Befürchtung, Kräfte des früheren Regimes könnten hinter den Kulissen Einfluss nehmen, ist weit verbreitet. Auch besonnene Zeitgenossen, die nicht empfänglich sind für Verschwörungstheorien, nehmen an, dass hinter den zahlreichen Gewaltakten der letzten Monate Anhänger Ben Alis steckten. Diese versuchten offensichtlich, Unruhe und Angst zu stiften oder gar eine Art Gegenrevolution in Gang zu setzen.
Quelle: NZZ
- Sklavenhaltung: Unter dem Deckmantel der Immunität
Sie musste täglich bis zu 18 Stunden arbeiten, wurde von der Familie ihres Arbeitgebers geschlagen, gekratzt und beschimpft, durfte das Haus nicht verlassen und bekam noch nicht einmal ihr Gehalt. Diese Misshandlung erlebte die indonesische Hausangestellte Dewi Ratnasari bei einem saudischen Diplomaten in Berlin, bis es ihr nach 19 qualvollen Monaten gelang zu entkommen und in ihr Heimatland Indonesien zurückzukehren. Ihr Schicksal wird nun zum Anlass, an den Grundfesten der diplomatischen Immunität zu rütteln. Diese schützt den saudischen Attaché vor einer rechtlichen Verfolgung. „Es muss ein sinnvoller Mechanismus geschaffen werden, um bei besonders schwerwiegenden Rechtsverletzungen durch Diplomaten eine Handhabe zu haben“, fordert Heike Rabe, Projektkoordinatorin von „Zwangsarbeit heute“, einer Initiative des Deutschen Instituts.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: Über diesen Vorfall in diplomatischen Kreisen hinaus sollten wir uns daran erinnern, dass diese Form der Sklavenhaltung von Lateinamerika über Afrika bis in die arabischen Länder kein Einzelfall ist. Sie stellt ein Problem dar, das in diesen Gesellschaften größtenteils nicht einmal als solches wahrgenommen wird. Ein Bericht über Sklavenhaltung Hausangestellten in Mexiko ist hier anzuhören [Audio – mp3].
- Kostümierte Antisemiten
Sie nennen sich harmlos Israelkritiker und geraten in Rassismus-Verdacht. Der Linken-Vorstand beteuert, die Partei habe kein Problem mit ihnen. Das wäre übel.
Der Nationalsozialismus sei ein Kind der „völkischen Ideologie“, der Zionismus ein anderes. Zu sagen, „die Juden“ hätten den palästinensischen Bauern das Land „geklaut“, sei zwar nicht angemessen differenziert, aber auch nicht antisemitisch – ebenso wenig wie die Beteuerung, der Kampf der Hamas gegen Israel sei richtig, und die Kämpfer der Hamas seien „unsere Verbündeten“. So sprach Stefan Ziefle, Mitglied des trotzkistischen Netzwerks „Marx 21“, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik der Linken und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Linken-Bundestagsabgeordneten Christine Buchholz.
Quelle: Frankfurter Rundschau
Anmerkung Prof. Dr. Werner Ruf: “Kostümierte Antisemiten” Dieser Leitartikel ist ein Meisterstück journalistischer Untugend: Er verletzt die elementarsten Grundsätze journalistischen Arbeitens: Ungeprüft werden hier Zitate von einem antideutschen Blog – also aus Dritter Hand – übernommen, obwohl Herr Bommarius wissen müsste, wie unseriös und tendenziös solche Seiten sind. Die Originalzitate des Vortrags des inkriminierten Stefan Ziefle habe ich -voller Empörung über seine “Äußerungen” – überprüft: Sie sind problemlos im Netz zugänglich und widerlegen eindeutig die in diesem Artikel als Zitate wiedergegebenen – schlicht gefälschten – Sätze wie beispielsweise, die ‘die Kämpfer der Hamas seien “unsere Verbündete”‘!
Doch der Akrobatik nicht genug: Da wird insinuiert, ein Teil der Linken sei eine Art später Vollstrecker der Anschläge der Roten Armee Fraktion. Der Sinn dieses Gebräus aus Verdrehungen und Unterstellungen ist nur allzu durchschaubar: Irgendwie muss es doch gelingen, die LINKE oder zumindest Teile derselben in eine grundgesetzwidrige Ecke zu stellen. Nachdem der Stalinismus-Vorwurf offensichtlich untauglich geworden ist, wird jetzt ein Gebräu aus Antisemitismus und Terrorismus zusammen gemischt. Da das leider nur über Zitat-Fälschungen gelingen kann, ist halt auch dieses Mittel recht. Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Sie lebt aber von journalistischer Seriosität. Verleumderische Hetze dagegen beschädigt das, was zu Recht die vierte Gewalt” genannt wird.
- Grüne: Staatstragend wie die CDU
Wie beim Atomausstieg geht es den Grünen in der Eurokrise: Sie fordern nur das, was auch anderen Parteien einfällt. Die Grünen fordern, dass die Griechen ihre Militärausgaben senken sollen, was 2 Milliarden Euro im Jahr bringen würde. Darauf sind alle anderen Parteien allerdings auch schon gekommen. Die Grünen wollen, dass die bewilligten EU-Strukturmittel ausgezahlt werden, auch wenn die Kofinanzierung aus Griechenland fehlt. Auf diesen naheliegenden Gedanken ist selbst EU-Kommissar Barroso inzwischen gekommen. Die Grünen finden, dass Griechenland dringend ein Grundbuch benötigt, um den Immobilienbesitz wirksam zu besteuern. Das hat der Internationale Währungsfonds auch schon erkannt – und längst entsprechende Experten nach Griechenland geschickt. Die Grünen favorisieren eine Finanztransaktionsteuer, was neuerdings die CDU ebenfalls für eine gute Idee hält. Und schließlich sind die Grünen für eine “sanfte Umschuldung”, womit sich Finanzminister Schäuble gerade sehr unbeliebt in der Eurozone gemacht hat.
Manche grüne Vorschläge gehen durchaus weiter als die Ideen der konservativen Konkurrenz. So fordern die Grünen eine europaweite Vermögensabgabe; sie wollen eine demokratische Kontrolle des Euro-Rettungsfonds; sie sind gegen eine schrankenlose Privatisierung in Griechenland. Aber diese Details gehen fast unter im staatstragenden Gesamtstil des Leitantrags. Zurück bleibt der Eindruck, dass die Grünen niemanden überfordern wollten: weder ihre Wähler noch ihre potenziellen Koalitionspartner nach der Bundestagswahl 2013.
Quelle: taz
- Rechte Burschen
„Unser Mitglieder (Alte Herren) nehmen im Leben hervorragende Positionen in den unterschiedlichsten Berufen ein… – in unserer Burschenschaft sind die Persönlichkeiten, die Dir Dein Studium, Praktikum und Beruf weiterhelfen können… In unserem Dachverband, der Deutschen Burschenschaft sind zudem mehr als 15.000 Mitglieder organisiert – 21,5% der akademischen Führungskräfte in Deutschland sind Mitglieder einer Studentenverbindung!“ So wirbt die Berliner Burschenschaft Gothia (1877 gegründet, DB (Deutsche Burschenschaft)-Mitglied, natürlich auch „schlagend“) um neue Mitglieder. 15.000 ist etwas übertrieben. Die gute Vernetzung der „Alten Herren“ nicht – selbst die SPD wagt es nicht, eine offene Frontstellung zu den rechten Burschen zu beziehen.
Quelle: Das Blättchen [PDF – 28.9 KB]
Anmerkung WL: Darüber findet man in den Medien kaum etwas.