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Titel: Die SPD begreift immer noch nicht, dass sie gelinkt worden ist.
Datum: 12. Dezember 2005 um 10:39 Uhr
Rubrik: Drehtür Politik und Wirtschaft, SPD, Wahlen
Verantwortlich: Albrecht Müller
Heute wird gemeldet, SPD-Chef Platzeck halte Unterstellungen, es gebe einen Zusammenhang zwischen Schröders Neuwahlbegehren und seinem Abgang einerseits und seinem neuen Engagement bei Gasprom andererseits, für „schlicht und ergreifend nicht für hinnehmbar“. Als Begründung führt Platzeck an, erstens sei das Pipeline-Projekt lange vor dem 22. Mai, dem Tag der Ankündigung von Neuwahlen, in Gang gesetzt worden, und zweitens habe Schröder wie ein Löwe für seinen Verbleib im Amt gekämpft, auch über den Wahltag hinaus. – Die Logik dieser Argumente erschließt sich wohl einzig und allein Matthias Platzeck.
Ich versetze mich einmal in meine frühere Funktion als Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt. Was hätte ich dem Bundeskanzler am Vorabend der nordrhein-westfälischen Landtagswahlen vom 22. Mai aufgeschrieben, wenn er mich aufgefordert hätte, offen und ehrlich seine persönliche Situation als Kanzler und seine Chancen für die Wahlen im Jahr 2006 zu beschreiben:
Dies alles wusste ein Stratege wie Gerhard Schröder auch. Deshalb lag es für ihn nahe, den Absprung zu suchen. Die Forderung nach Neuwahlen war das probate Mittel. Es ist ihm damit ausgezeichnet gelungen, das wachsende Bewusstwerden des Scheiterns seiner Reform- und Sparpolitik weg zu wischen. Die Neuwahlentscheidung wirkte wie ein Befreiungsschlag für die gescheiterte neoliberale Reformpolitik und für Schröder persönlich.
Dass er sich dann im Wahlkampf besonders engagierte, liegt in der Logik seines Kalküls. Er brauchte einen guten Abgang in seiner Partei und er musste die Weichen für die Zeit danach noch im seinen Sinne stellen. Sachlich und personell. Beides ist ihm hervorragend gelungen, weil seine Partei sein Spiel nicht durchschaute und bis heute nicht durchschaut oder nicht durchschauen will..
Dass Matthias Platzeck darauf verweist, Schröder habe wie ein Löwe gekämpft, belegt seinen mangelnden Durchblick. Auch sein Hinweis darauf, das Pipelinegeschäft sei schon vorher eingefädelt worden, ist unerheblich. Das kann ja auch für 2006 geplant gewesen sein. Erheblich ist vielmehr, dass es noch schnell vor den Wahlen vom 18.9. unter Dach und Fach gebracht wurde.
Es ist verständlich, dass der SPD-Vorsitzende sich gegen die Vermutung, die Neuwahlen hätten einem persönlichen Zweck gedient, öffentlich wehren muss. Es ist ja schließlich auch ein ungeheuerlicher Vorgang, dass gewählten Abgeordneten ihre Legislaturperiode aus diesem Grund um ein Jahr abgekürzt wird, dass der Bundespräsident und sogar das Bundesverfassungsgericht eingespannt werden und sich einspannen lassen. Diese Instanzen müssen allerdings gegen sich gelten lassen, dass man die Motive dieses Neuwahl-Begehrens auch schon am 22. Mai durchschauen konnte. Der Bundespräsident und der Berichterstatter des Bundesverfassungsgerichtes di Fabio wollten es offensichtlich nicht durchschauen, weil sie in der Neuwahlentscheidung vermutlich auch die Möglichkeit erkannten, ihre von ihnen unterstützte neoliberale Reformpolitik für weitere vier Jahre zu retten.
Davon unabhängig ist der Vorgang staatspolitisch, wenn man diesen hochtrabenden Begriff einmal bemühen darf, äußerst problematisch: ein ganzes Parlament neu wählen zu lassen, um am selben Tag, an dem die neue Regierung gewählt wurde, sein Mandat zurück zu geben, um privaten geschäftlichen Interessen nachzugehen und wenige Tage danach einen Posten in einem Milliardendeal zu übernehmen, den man selbst eingefädelt hat, das hat es bisher nur in Staaten gegeben, deren demokratische Kultur und deren Unbestechlichkeit ihrer Politiker nicht sehr ausgeprägt waren.
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