Heute unter anderem zu folgenden Themen: Schäuble fordert Umschuldung Griechenlands; Wie Griechenland mit fragwürdigen Subventionen Anleger anlockt; Europäische Wirtschaftsregierung – eine stille neoliberale Revolution; “Die Welt ist ein sehr ungleiches Land”; Die Rente der „Generation Praktikum“; Fachkräftemangel: Warten auf die fetten Jahre; Umlageverfahren ohne Alternative; FDP beschenkt Ärzte; Eisenbahnnetz in Europa schrumpft weiter – Deutschland ist im EU-Vergleich Drittletzter; Die Stimmen der Herren; Neue Regierung, alte Vorgaben: Austausch der Machtlosen in Portugal; WZB: Einfluss der Nichtwähler auf die Regierungsbildung ist geringer als angenommen; Gekaufte Freiheit – Wer bezahlt die deutsche Forschung?; Privatisierung im Hochschulbereich; Volkszähler zum Nulltarif; Zu wenig Geld für eine Nachricht; Wenn Zeitungen dumm machen (KR/WL/JB)
- Schäuble fordert Umschuldung Griechenlands
In einem Schreiben an seine EU-Amtskollegen und den Internationalen Währungsfonds, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, spricht sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble für weitere Milliardenhilfen an Griechenland und für eine Umschuldung aus. Sonst drohe “der erste ungeordnete Bankrott” eines Landes in der Eurozone.
Die Bundesregierung hat erstmals offen eingeräumt, dass Griechenland ein weiteres milliardenschweres Hilfsprogramm und eine Umschuldung benötigt. Ohne ein solches Paket drohe “der erste ungeordnete Bankrott” eines Euro-Landes, heißt es in einem Brief von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. An der Umschuldung müssten sich auch die privaten Gläubiger, also etwa Banken, beteiligen. Sie sollen sieben Jahre länger auf die Rückzahlung ihres Geldes warten. […] Schäubles zweiseitiges Schreiben ist an seine EU-Amtskollegen, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet war, EU-Finanzkommissar Olli Rehn und den amtierenden Direktor des Internationalen Währungsfonds’ (IWF), John Lipsky, gerichtet.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung AM: Schäuble weiß, dass er damit die Spekulation weiter anheizt und damit das Problem verschärft statt es zu lösen. Er muss wissen, dass ein Brief, den er so weit streut (siehe oben) auch an die Medien gelangt. An diesem Fall wird einmal mehr sichtbar, dass es uns an einem Instrument fehlt, mit dem solche unverantwortlichen und zumindest objektiv den Spekulanten dienende Politiker zur Rechenschaft gezogen werden können.
- Wie Griechenland mit fragwürdigen Subventionen Anleger anlockt
Wie Griechenland mit fragwürdigen Subventionen Anleger anlockt
Quelle: Report Mainz
- Europäische Wirtschaftsregierung – eine stille neoliberale Revolution
Während die Notwendigkeit besserer und verstärkter wirtschaftspolitischer Koordinierung und Steuerung innerhalb der EU weitgehend unbestritten ist, geht dieser Artikel den Fragen nach dem Prozedere und der inhaltlichen Substanz der Vorschläge nach. Wie zu diskutieren und zu zeigen sein wird, sind sowohl hinsichtlich der Ausgestaltung der vorgeschlagenen Instrumente und Prozesse als auch hinsichtlich des Zustandekommens der neuen Regelungen aus wirtschafts- und demokratiepolitischer Perspektive grundlegende Einwände anzumelden. Diese Maßnahmen haben gravierende Auswirkungen auf die wirtschaftspolitischen Spielräume der MS (Mitgliedsstaaten), sie stellen de facto Eingriffe in die Budgethoheit und eine Umgehung von demokratischen Mechanismen in MS und auf EU Ebene dar. »Unverantwortliche« Mitgliedstaaten sollen stärker »diszipliniert« werden. Der bisherige wirtschaftspolitische Kurs soll mit noch größerer Vehemenz und Geschwindigkeit durchgesetzt werden.
Quelle: Kurswechsel 1/2011 [PDF – 301 KB]
Nochmals:
Europäische Wirtschaftsregierung
Der Präsident der Europäischen Kommission (EK), José Manuel Barroso, spricht von einer stillen Revolution. Unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne breite demokratische Diskussion wollen die EU- Regierungen den Wirtschafts- und Stabilitätspakt weiter verschärfen und der EU-Kommission weit reichende Rechte zur Durchsetzung zugestehen, so das Bündnis „Wege aus der Krise“ auf ihrer Website.
Unter massivem Zeitdruck und weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit soll in Brüssel (voraussichtlich 8.6.) eine weit reichende Europäische Wirtschaftsregierung beschlossen werden. Deren Folgen wären: Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen, Abbau der öffentlichen Dienste, niedrigere Steuern für große Unternehmen und Angriffe auf die ArbeitnehmerInnenrechte, warnen zivilgesellschaftliche Initiativen.
Quelle: ksoe
- “Die Welt ist ein sehr ungleiches Land”
Die Weltwirtschaft wächst und wächst und wächst. Doch nicht jeder profitiert. Im Gegenteil: In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Ungleichheit weltweit vergrößert, kritisiert Juan Somavia, Chef der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. An diesem Trend habe auch die jüngste Krise nichts geändert. Seitdem Banken und Finanzmärkte gerettet seien, kehrten viele Regierungen wieder zu ihrer alten Politik zurück. “Es sieht so aus, als seien manche Finanzinstitute zu groß, um zu scheitern”, sagte Somavia, “während viele Menschen zu klein sind, um eine Rolle zu spielen.”
Insgesamt gesehen wird die Welt tatsächlich immer reicher. Nach Berechnungen der UN-Arbeitsorganisation stieg seit 1980 weltweit die durchschnittliche Wirtschaftsleistung pro Person um 40 Prozent. “Durchschnittswerte sind aber nicht das, was die meisten Menschen erfahren”, so Somavia. “Die Märkte haben tendenziell ungleiche Ergebnisse produziert.”
Quelle: Berliner Zeitung
- Die Rente der „Generation Praktikum“ – Das Fundament der Altersarmut 2050 wird jetzt gelegt / Rente mit 69 ist der falsche Weg
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) hat der Bundesregierung Mitte Mai eine Expertise zu den „Herausforderungen des demografischen Wandels” vorgelegt. Im Ergebnis der Untersuchung fordern die fünf „Wirtschaftsweisen” von der Bundesregierung nicht nur ein Festschreiben der umstrittenen Erhöhung des Renteneintrittalters auf 67 Jahre bis zum Jahr 2029, sondern zusätzlich in den Jahren 2045 und 2060 die nochmalige Erhöhung des Rentenalters auf zunächst 68 und später 69 Jahre.
In dem Gutachten zeichnet der Sachverständigenrat Schreckensbilder zukünftiger Belastung durch Sozialabgaben und Staatsverschuldung: „Ohne Konsolidierungserfolge läge die Schuldenstandsquote im Jahr 2060 bei etwa 270 Prozent mit massiven Verteilungsproblemen zu Lasten künftiger Generationen”, mahnen die Gutachter.
Linke Ökonomen halten dies für Panikmache. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hatte bereits in ihrem Memorandum 2009 ausführlich dargelegt, dass der vermeintliche Sachzwang Demografie überhaupt nicht als Begründung für einen späteren Renteneintritt ausreicht. Produktivitätsentwicklung mit angemessenen Lohnsteigerungen sowie Vollbeschäftigung können mit Hilfe des bewährten Umlageverfahrens diesen Demografiefaktor ausreichend kompensieren.
Völlig unbeachtet bleibt im SVR-Gutachten auch, dass mit der gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialpolitik der Grundstein für Altersarmut der heute 20- bis 30-Jährigen gelegt wird. So fehlen für die in das Arbeitsleben eintretende Generation ausreichend Arbeitsplätze. Für die etwa zehn Millionen Personen dieser Altersgruppe stehen lediglich 5,2 Millionen Vollzeit- und 1,3 Millionen Teilzeitarbeitsplätze zur Verfügung. Darunter befinden sich 350.000 Personen, die eine Teilzeitstelle nur deshalb übernommen haben, weil eine Vollzeitstelle nicht zu finden war…
Der Sachverständigenrat hätte eine sinnvollere Arbeit für die gegenwärtige junge Generation leisten können – wenn er sich nicht mit ausgedachten Problemen der Jahre um 2060 und später beschäftigt hätte, sondern mit den aktuellen Problemen junger Menschen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Quelle: Wolfgang Kühn Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik [PDF – 55.7 KB]
- Fachkräftemangel: Warten auf die fetten Jahre
Liest man die Zeitungen und Zeitschriften, dann leidet Deutschland unter einem enormen Fachkräftemangel. Also: Arbeitslosigkeit, ade? Hartz IV war einmal, Armut gibt es nicht mehr, denn Königin Fachkraft diktiert die Preise für ihre Ware Arbeitskraft. Die Profite schrumpfen, Aktionäre gehen leer aus. An allen Ecken und Enden fehlt es an Ingenieuren, es herrschen Pflegenotstand und Ärzteschwund, Erzieher werden händeringend gesucht. Und wie es erst in den Jahren 2030, 2040 oder 2050 aussehen mag? Umsonsteinkauf im Supermarkt, weil keine Kassierer zu finden sind? Textfreie Zeitungen, weil die Journalisten fehlen? Schön wär’s.
Lese ich dagegen meine aktuellen Honorarabrechnungen in der real existierenden Gegenwart, sieht die Welt ganz anders aus. Seit zehn Jahren war da kaum eine Erhöhung zu verzeichnen, trotz allen demografischen Wandels. Ein Kollege, der bei einem Lokalblatt den gültigen Tarif gefordert hatte, wurde gefeuert – allem Fachkräftemangel zum Trotz. In meinem Nebenjob als Sozialpädagoge sehen die Erfahrungen nicht anders aus. Fast schon niedlich wirkte da der neue FDP-Chef Philipp Rösler, als er kürzlich die Pflegeunternehmen aufforderte, ihren Beschäftigten mehr als den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. Als Marktliberaler müsste es für ihn eine Selbstverständlichkeit sein, dass Güterknappheit zu Preissteigerung führt, dazu brauchte es keine Ratschläge eines Ministers. Stagnieren oder fallen gar die Preise oder Löhne hingegen, kann das Gut nicht allzu begehrt sein. “Die Lohnentwicklung lässt also keinen verbreiteten Fachkräftemangel erkennen. Vielmehr scheint es mit Blick auf die Löhne mehr als hinreichend Fachkräfte zu geben”, erkannten die Wirtschaftsforscher vom DIW deshalb schon im vergangenem Herbst glasklar. Der von der Arbeitgeberlobby ausgerufene Mangel lässt sich statisch kaum nachweisen. Er basiert vielmehr auf kleinen Stichprobe-Umfragen, Schätzungen und Vermutungen.
Quelle: taz
- Umlageverfahren ohne Alternative
Das zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung verwendete Umlageverfahren ist nach Ansicht des Vorsitzenden des Sozialbeirats der Bundesregierung, Franz Ruland, “ohne Alternative”. In der Neuausgabe des “Handbuchs der Rentenversicherung” begründet Ruland seine Einschätzung damit, dass für eine Kapitalabdeckung der Ansprüche an die Rentenversicherung inzwischen “über acht Billionen Euro (8.000 Milliarden, Anm. d. Red.) notwendig” seien. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2011 umfasst nach Angaben des Bundesfinanzministeriums knapp 306 Milliarden Euro, also nicht einmal vier Prozent des benötigten Deckungskapitals. Bei einer solchen Vermögensmasse “würden sich die Unterschiede zwischen dem Kapitaldeckungs- und dem Umlageverfahren weitgehend vermischen”, so dass sie letztlich “nicht zu realisieren” sei, so Ruland. Die Renten könnten in diesem Fall wieder “nur aus dem laufenden Bruttosozialprodukt erwirtschaftet” werden. Das gebundene Kapital könne dann selbst “keinen Beitrag mehr zur Finanzierung der Renten leisten”, argumentiert Ruland, der bis 2005 Chef des früheren Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger war. Das Umlageverfahren sei daher für den Gesetzgeber “ein Weg ohne Umkehr”.
Quelle: Ihre Vorsorge
Anmerkung KR: Der letzte Satz lautet: „Aufgrund der jeweiligen Stärken und Schwächen der Finanzierungsformen gehe es heute “nicht mehr um ein ‘Entweder – Oder’, sondern um das richtige Mischungsverhältnis” von Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren.“ Das musste der Autor offenbar schreiben, um eine Genehmigung für diesen Text zu erhalten – in dem keine einzige Schwäche des Umlageverfahrens benannt wird. NachDenkseiten-Leser wissen warum: Die Altersvorsorge per Kapitaldeckungsverfahren ist grundsätzlich der falsche Weg, da unsicher und teuer.
- FDP beschenkt Ärzte
Die Krankenkassen schlagen Alarm: Gesundheitsminister Bahr (FDP) wolle den deutschen Medizinern um bis zu zehn Prozent höhere Honorare gewähren – eine “Gelddruckmaschine”, so die Kassen. Ärzte gehören zu den wichtigsten Wählern der Liberalen.
Quelle: Frankfurter Rundschau
- Eisenbahnnetz in Europa schrumpft weiter – Deutschland ist im EU-Vergleich Drittletzter
Das Schienennetz in Europa schrumpft weiter. Das geht aus bisher unveröffentlichten Zahlen der EU-Kommission hervor, wonach das Eisenbahnnetz der EU 27 im Laufe der letzten zehn Jahre um 2,2 Prozent kürzer geworden ist. Im gleichen Zeitraum wuchs das europäische Autobahnnetz um 22 Prozent. Beim Netzabbau rangiert Deutschland mit einem Minus von 7,9 Prozent bei den Bundesschienenwegen an drittletzter Stelle. Nur Polen (minus 12,4 Prozent) und Lettland (minus 19,2 Prozent) schrumpften ihre Schieneninfrastruktur von 2000 bis 2009 noch stärker als Deutschland. „Diese Demontage ist trotz aller Sonntagsreden zur Förderung des Schienenverkehrs leider politisch gewollt“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege.
Quelle: Allianz pro Schiene
- Die Stimmen der Herren
Der Bundestag berät und wird beraten – von Experten aus der Atomlobby. In beiden Anhörungen sollen Stefan Kohler, Chef der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur (Dena), und Hildegard Müller, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Rede und Antwort stehen. Während bei Müller klar ist, dass sie Lobby-Interessen vertreten muss, gilt Kohler als unabhängiger Experte. Das stimmt für Kohler aber ebenso wenig wie für Joachim Knebel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), den die FDP geladen hat. Der Etat von Kohlers Dena wird nicht unwesentlich von den großen Energiekonzernen bestritten. Er dürfte auch am Mittwoch wieder vor Stromausfällen warnen. Von der Dena stammt eine viel zitierte, allerdings auch angezweifelte Studie, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und mangelnden Leitungsbau eine „Stromlücke“ prognostiziert hat.
Der Experte Knebel wiederum spricht für das ehemalige Kernforschungszentrum Karlsruhe. Das KIT ist oder war Mitglied in nahezu allen Lobbyorganisationen der Atomwirtschaft. Das hat die Bundesregierung auf eine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl geantwortet. Die Mitgliedschaften in der europäischen und amerikanischen Atomlobby beendete das KIT im Jahr 2000 beziehungsweise schon 1997. Bis heute bezahlt das KIT aber Mitgliedsbeiträge bei der VGB Powertech, die seit Wochen versucht, die Atomkatastrophe in Fukushima zu relativieren.
Quelle: Tagesspiegel
- Neue Regierung, alte Vorgaben: Austausch der Machtlosen in Portugal
40 Prozent der Portugiesen haben am Sonntag gar nicht erst gewählt – sie glauben nicht an Veränderungen. In der Tat haben EU, IWF und die drei größten Parteien Portugals bereits vor der Wahl ein hartes Sanierungsprogramm ausgehandelt. Ein Notkredit von 78 Milliarden Euro soll Portugals Zahlungsfähigkeit in den nächsten drei Jahren sichern. Im Gegenzug müssen die Staatsausgaben weiter gekappt werden. Es sind Kürzungen beim Arbeitslosengeld, den Renten und im Gesundheitssystem vorgesehen und höhere Steuern. Die Mehrwertsteuer beträgt bereits üppige 23 Prozent, Gehälter im öffentlichen Dienst wurden schon gestutzt. Und das bei Durchschnittslöhnen von kaum mehr als 1000 Euro brutto im Monat. Es drohen also sehr harte Zeiten.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: Die Hoffnung, dass sich die Wähler von den drei großen Parteien abwenden könnten und sich damit gegen das Spardiktat von EU-Kommission, EZB und IWF aussprechen würden, hat sich nicht erfüllt. Kommunisten, Grüne und der alternative Linksblock kamen zusammen auf knapp 13 Prozent der Stimmen. Genauso wie in Deutschland verweigern sich die Wähler einer echten Protestwahl, indem sie kleinere Oppositionsparteien wählen, die in diesem Fall ein Treffen mit Vertretern der Troika absagten, und bleiben lieber der Wahlurne fern. In einer Protestwahl geht es nicht so sehr darum die gewählte Partei an die Macht zu bringen, sondern den anderen Parteien zu zeigen, dass sie mit ihren “Problemlösungen” nicht einverstanden sind. Würde z.B. die Linkspartei in Deutschland 20 Prozent erreichen, wären die etablierten Parteien gezwungen sich mit zentralen Positionen der Linken wie z.B. bei der umlagefinanzierte Rente auseinanderzusetzen. Ähnliches gilt natürlich auch, und da sollte man sich nichts vormachen, für ein Erstarken der Rechten.
Leider ist in der Diskussion um die Maßnahmenpakete der Troika untergegangen, dass diese nicht nur die Budgetpolitik und Privatisierungsmaßnahmen betreffen, sondern Eingriffe in Arbeitnehmerrechte wie die Beschränkung von Tarifverträgen, die Flexibilisierung der Arbeitszeit, den Abbau des Kündigungsschutzes und die Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld beinhalten. Man sollte sich im Klaren darüber sein, dass solche zunächst einmal für bestimmte Krisenstaaten vorgesehenen Einschnitte die Grundlage für schwere Eingriffe in die national erkämpften Arbeitnehmerrechte der übrigen Staaten bilden können.
- WZB: Einfluss der Nichtwähler auf die Regierungsbildung ist geringer als angenommen
Haben Nichtwähler einen starken Einfluss auf die Regierungsbildung, wie oft vermutet wird? Um diese Frage zu beantworten, muss man ermitteln, wie wahrscheinlich eine Beteiligung der Nichtwähler zu einer anderen Regierungsbildung geführt hätte. Diese Wahrscheinlichkeit wurde für alle Bundestagswahlen seit 1949 untersucht. Dabei erweist sich das politische System der Bundesrepublik in dieser Hinsicht als fehlertolerant. Nur in zwei Fällen, 1994 und 2005, hätte sich bei einer weitaus höheren Wahlbeteiligung eine andere Regierungsbildung ergeben können.
Quelle: WZB [PDF – 125 KB]
Anmerkung WL: Der Autor der Studie, Ulrich Kohler, schreibt selbst, dass Nichtwähler mit bestimmten Eigenschaften ein ähnliches Verhalten zeigen würden wie Wähler mit den gleichen Eigenschaften, eine „etwas gewagte Annahme“ sei.
Selbst wenn diese m.E. unwahrscheinliche Annahme zuträfe, so ist die Wahlabstinenz ein Signal, dass die Nichtwähler keinen Sinn darin sehen, die eine oder andere Partei zu wählen.
Sei es, dass ihnen die jeweilige Stärke der Partei egal ist, sei es, weil sie ohnehin keiner Partei (auch nicht der Partei, der sich etwa nach ihrem Status zuneigen würden) mehr vertrauen, dass sie die Interessen dieser Nichtwähler vertritt. Es bleibt also nach meiner Vermutung dabei, dass die drastisch sinkende Wahlbeteiligungen vor allem damit zu tun haben, dass das Vertrauen in das Funktionieren der Demokratie abgenommen hat. Im Osten Deutschland sind nur 34 Prozent mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden, im Westen Deutschlands 52 Prozent.
Siehe auch Demokratie von OBEN oder wie die Folgen der Politik den Bürger zum Aufbegehren brachte.
Man nehme doch als jüngstes Beispiel nur die Wahl in Portugal, welche Alternative hatten da noch die Wähler?
- Gekaufte Freiheit – Wer bezahlt die deutsche Forschung?
Die Deutsche Bank bezahlt ein gemeinsames Institut von Technischer Universität und Humboldt Universität Berlin und bestimmt mit, wie die Professuren des Stiftungsinstitutes besetzt werden und was dort geforscht und gelehrt wird. Das ist das Gegenteil des Humboldtschen Bildungsideals und der Freiheit der Forschung. Andererseits ist das aber eine logische Fortsetzung der Auftragsforschung mit noch besser eingesetzten Mitteln. So kommt es, dass Wirtschaft drin ist und Universität drauf steht. Sollten wir es dann nicht konsequenterweise wie beim Fußball halten: Allianz-Arena und Deutsche-Bank-Universität. Da weiß man wenigstens, woran man
Quelle: hr 2 Der Tag [Audio – mp3]
- Privatisierung im Hochschulbereich
Der tertiäre Bildungssektor steht unter einem hohen Privatisierungsdruck. Die laufenden Grundmittel pro Studierenden sind von 2000 bis 2008 um lediglich 25 Euro bzw. 0,4 Prozent (von 7.281 Euro auf 7.306 Euro) angestiegen. Insgesamt sind die Grundmittel zwar von 13,1 auf 14,6 Milliarden Euro gewachsen; berücksichtigt man jedoch Preis- und Gehaltssteigerungen sowie den Anstieg der Studierendenzahlen, bedeutet dies eine massive Kürzung der Zuweisungen der Länder an die Hochschulen pro Studierenden. Zudem werden zunehmend Drittmittel sowie Beiträge der Studierenden zur Finanzierung der Aufgaben der Hochschulen eingeworben bzw. erhoben. Auch Bund und Länder vergeben zusätzliche Finanzmittel in der Regel nur noch als Drittmittel, im Rahmen von wettbewerblich ausgeschriebenen Forschungsprogrammen und nicht mehr als institutionelle Förderung. Zudem konzentrieren sich diese Finanzmittel in relativ umfangreichen und interdisziplinären Forschungsprojekten, deren Ergebnisse konkrete (ökonomische) Anwendungen hervorbringen sollen…
Die rückläufigen Grundmittel sind Ausdruck der dominierenden neoliberalen Ideologie, die den Markt als optimalen Steuerungsmechanismus und die Privatisierung öffentlicher Leistungen als effizient und effektiv ansieht. Daraus wird als dominanter Problemlösungsansatz das Konzept der “autonomen”, unternehmerischen oder auch “entfesselten” Hochschule abgeleitet, die wie ein Unternehmen im Wettbewerb mit anderen Hochschulen stehen soll…
Mit der voranschreitenden Umsetzung des Konzepts der “autonomen” Hochschule war vor allem die “endogene Privatisierung” des Hochschulsystems verbunden. Da die “autonome” Hochschule auf dem Wettbewerbsparadigma beruht, finden sich viele Strukturelemente, die ein marktförmiger Umbau bedingt. Grundlage der endogenen Privatisierung ist die Privatisierung der Rechtssetzung, die im Hochschulsystem vor allem vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ausgeht, einem Zusammenschluss der Bertelsmann Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz…
Quelle: Studis Online
Dazu passt:
Skandalöser Kooperationsvertrag zwischen Deutscher Bank und Berliner Universitäten
2006 gründeten die beiden beteiligten Universitäten das Institut „Quantitative Products Laboratory”. Seitdem finanziert die Deutsche Bank die beiden Professuren des Instituts, „Angewandte Finanzmathematik“ der HU Berlin und „Finanzmathematik“ der TU Berlin, mit drei Millionen Euro jährlich. Im Gegenzug für die Finanzierung ließ sich die Bank verschiedenste Einflussmöglichkeiten in dem Kooperationsvertrag festschreiben. Ein Vertreter der Bank saß in den Berufungskommissionen der Professuren, die Lehrverpflichtung der Professuren wurde auf Wunsch der Bank extrem niedrig angesetzt und auch auf den Sitz des Instituts nahm die Bank Einfluss: Dieser sollte nicht zu weit von einer Einrichtung der Bank entfernt sein sollte.
Schwerwiegend sind zwei weitere andere Details des Vertrags. So müssen alle Veröffentlichungen des Instituts von der Deutschen Bank schriftlich abgesegnet werden, bevor sie publiziert werden dürfen. Außerdem hat die Besetzung des Lenkungsausschusses mit Wissenschaftsfreiheit nicht viel zu tun. In dem paritätisch besetzten Gremium, welches über die inhaltliche Ausrichtung des Instituts berät, sitzen zwei Vertreter der Bank und zwei an den Universitäten berufene ProfessorInnen. Bei Stimmgleichheit entscheidet jedoch die Stimme des Managing Directors der Deutschen Bank, der auch den Vorsitz inne hat.
Quelle: LobbyControl
- Volkszähler zum Nulltarif
In Sachsen sind Studenten für den Zensus 2011 unterwegs – ganz ohne die übliche Bezahlung. Stattdessen sollen sie Leistungspunkte zur Mithilfe motivieren, so der Plan eines Soziologieprofessors.
Für das Studium vielleicht eine wertvolle Praxiserfahrung: Ein Soziologie-Professor der TU Dresden macht seine Studenten zu Interviewern für den Zensus 2011. Die Sache hat nur einen Haken – im Gegensatz zu den rund 80000 anderen Volkszählern im Land bekommen sie kein Geld dafür. Ihr bescheidener Lohn sind zwei Leistungspunkte im Studium. Bevor es richtig losgeht, haben die ersten schon wieder hingeschmissen. Professor Michael Häder hielt es für eine gute Idee: Jeder angehende Soziologe der TU Dresden muss irgendwann im Studium eine praktische Übung als Interviewer absolvieren. Warum da nicht mit der Stadt Freital zusammenarbeiten? Die sächsische Gemeinde suchte noch händeringend Volkszählern. […] Noch nie hätten Studierende für eine praktische Übung ein Honorar bekommen, argumentiert Häder. Geld aber fließt möglicherweise an sein Institut. Darüber will der Professor mit der Stadt Freital noch verhandeln, sagt er auf Nachfrage.
Quelle: Frankfurter Rundschau
Anmerkung Jens Berger: Fragt sich nur, wann Professoren wie Häder auf die glorreiche Idee kommen, ihre Studenten auch für Verkaufsgespräche in einem Call-Center oder eine Kassierer-Tätigkeit bei Schlecker zu vermitteln. Arbeit gegen Leistungspunkte – damit erschließen sich dem unterfinanzierten Hochschulen vollkommen neue Finanzierungsmöglichkeiten.
- Zu wenig Geld für eine Nachricht
10 Euro für eine Meldung sind genug. Das findet zumindest der Chefredakteur von pcwelt.de, wenn es um die Bezahlung seiner freien Autoren geht.
Für wie wenig Geld sind freie Journalisten bereit zu arbeiten? Das scheinen einige Verlage immer wieder auszutesten. Jüngstes Beispiel: das Internetportal der Zeitschrift PC Welt.
Die Redaktion suchte per Rundmail freie Autoren für das Schreiben von News auf pcwelt.de. Die Autoren sollen sich mit IT-Themen hervorragend auskennen, sich aber zugleich mit einem Honorar von 10 Euro pro Nachricht zufriedengeben – was zu entrüsteten Kommentaren in der Branche führte. […]
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnte in einer Pressemitteilung vor der Ausschreibung. “Kein freier Journalist sollte seine Leistungen zu solchen Konditionen anbieten”, wird Bundesvorsitzender Michael Konken zitiert. Für Texte in Onlinemedien sehen die Empfehlungen des DJV ein Honorar von 12 Cent pro Zeichen vor – im Fall der News für pcwelt.de, die zwischen 300 und 500 Zeichen lang sein sollen, wären danach also zwischen 36 und 60 Euro Honorar fällig. In der Praxis ist weniger üblich: Normalerweise zahlen andere Portale um die 20 Euro für derartige Meldungen – etwa doppelt so viel wie pcwelt.de.
Quelle: journalist online
Anmerkung Jens Berger: Die Honorarempfehlungen des DJV sind leider nur ein frommer Wunsch. In der Praxis hat sich leider durchgesetzt, dass selbst namhafte Zeitungen und Zeitschriften das Prinzip „Friss oder stirb“ beherzigen. So zahlt beispielsweise die Wochenzeitung eines berühmten Publizisten, der in Talkshows regelmäßig Sonntagsreden gegen Niedriglöhne und den ausufernden Kapitalismus hält, freien Journalisten 1,3 Cent pro Zeichen – dagegen ist die PC Welt sogar spendabel.
- Wenn Zeitungen dumm machen
Ich würde gerne ein kleines Gedanken-Experiment machen unter einer Prämisse: Nehmen wir für den Moment einmal kurz an, Aufklärung würde etwas nützen. Dann wäre es sinnvoll, Menschen korrekte Informationen zukommen zu lassen, damit sie auf der Grundlage dieser Informationen vernünftige Entscheidungen treffen können. Bis hierhin ist es noch relativ einfach.
Aber kommen wir dann einmal zur Realität: Die Rating-Agentur Moody’s hat das so genannte Credit Rating für Griechenland am Mittwoch noch einmal herabgestuft irgendwo in die Region der Kreditwürdigkeit einer Salatbar in Zeiten von EHEC. Und Ihre Tageszeitung hat darüber berichtet. Nehmen wir für dieses Experiment einmal an, Sie lesen die Süddeutsche Zeitung – wozu man ja im Prinzip nur gratulieren kann, das ist eine großartige Zeitung –, dann haben Sie zum Beispiel diesen Text gelesen, in dem es heißt: […]
Quelle: Print Würgt