Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
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- Offene Tür möglich
Kündigt sich da eine Wende an? Ganz nebenbei, mitten in einer langweiligen Sitzung eines US-Kongressausschusses, ließ Antony Blinken ein paar Sätze fallen, die wohl jedem anderen den Vorwurf eingetragen hätten, zumindest Defätist, eher aber Kreml-Propagandist zu sein. Die Ukraine, erklärte der US-Außenminister, werde sich vermutlich auf neue Grenzen einlassen müssen; alle Gebiete zurückzuerobern, die Russland heute kontrolliere – das werde ihr kaum gelingen. Blinkens Realismus bietet Anlass zur Hoffnung, auch im Westen könne sich in nicht allzu ferner Zukunft vielleicht eine Tür für Verhandlungen über die Beendigung des Ukraine-Kriegs öffnen. Das ist eine gute Nachricht für alle, die ein Ende des furchtbaren Abschlachtens herbeisehnen; eine unangenehme Botschaft für all die Baerbocks und Strack-Zimmermanns der Republik, die nun nicht mehr jedes Plädoyer für einen Waffenstillstand mit dem belehrenden Kommentar abtun können, erst müssten die russischen Truppen komplett aus der Ukraine abgezogen sein.
Ganz aus heiterem Himmel kommt Blinkens Vorstoß nicht. Das Grummeln darüber, dass die Biden-Regierung zweistellige Milliardensummen in die Ukraine pumpt, während sie zu Hause Sozialprogramme kürzt, ist in den Vereinigten Staaten seit geraumer Zeit vernehmbar und wird so langsam lauter. Das allein wäre für Washington wohl noch kein Problem, rückte da nicht der Präsidentschaftswahlkampf näher. US-Präsident Joseph Biden hat, so wird es berichtet, seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenskij schon bei seinem Besuch in Kiew mitgeteilt, dass die US-Gelder nicht mehr endlos fließen werden.
Quelle: junge Welt
dazu: Vier tabuisierte Wahrheiten über den Ukrainekrieg
Analyse Wenn man in Talkshows oder Zeitungen die Eskalationsgefahr des Ukrainekrieges anspricht, wird man kaltgestellt. Das liegt auch daran, dass die Meinungsmacher in diesem Land linksliberal sind – ihnen geht es mehr um Moral als Realismus
Vier unbequeme Wahrheiten kennzeichnen den Krieg in der Ukraine. Sie tun dies im Grunde von Anfang an. Dazu gehört erstens: Wie jeder Krieg in der Geschichte hat auch der Ukrainekrieg eine Vorgeschichte, die nicht erst mit dem russischen Überfall auf das Nachbarland vor knapp einem Jahr beginnt, ja nicht einmal erst 2014 mit dem Anschluss der Krim an Russland. Zweitens: Dem Krieg wohnt ein immenses Eskalationspotenzial inne. Und zwar sowohl innerhalb der Ukraine als auch über ihre Grenzen hinaus, weil er sich von einem Invasions- zu einem Stellvertreterkrieg mit internationaler Beteiligung auf beiden Seiten ausgeweitet hat, weil es sich um einen Krieg mit einer Atommacht handelt und weil sich abzeichnet, dass ohne direkte Beteiligung von NATO-Truppen der ukrainischen Seite die Soldaten ausgehen, die die aus den USA und auch aus Europa gelieferten Waffen bedienen können. Dass der Krieg seine Ursprünge in einem Bürgerkrieg hat, macht die Sachlage nur umso schwieriger.
Drittens: Dieser Krieg wird nicht mit einem Siegfrieden enden. Es gibt keinen primär militärischen Weg zu einem Ende des fürchterlichen Blutvergießens, zu einem Ende von Zerstörung, Verstümmelung, psychischer Zerrüttung, sexualisierter Gewalt, Zwangsrekrutierung und Flucht. Dies zeigt sich immer stärker jetzt, da der Krieg in eine Phase des Stellungs- und Abnutzungskriegs übergegangen ist, mit einem Blutzoll von annähernd 300.000 Toten insgesamt und bis zu 1.000 Todesopfern auf beiden Seiten jeden Tag. Und viertens: Der Ukrainekrieg wird, so unerträglich man das findet, nicht ohne territoriale Zugeständnisse der ukrainischen Regierung enden.
Quelle: Ingar Solty in der Freitag
dazu auch: Die ukrainische Tragödie
Weder pragmatischer Realismus noch missionarische Gut-Böse-Schemata können dauerhaft Frieden bringen. Es braucht Empathie, Dialog, Identifikation gemeinsamer Interessen und konstruktive Zusammenarbeit.
Einer seiner wesentlichen Eindrücke bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar 2023, berichtet der amerikanische Politologe Stephen Walt, sei der Kontrast zwischen der Vehemenz, mit welcher die westlichen Politiker die vorbehaltlose Unterstützung für die Ukraine forderten und der Skepsis, die die Gäste aus dem Rest der Welt zeigten. Weder hätten diese die Dringlichkeit der Ukraine-Frage vor allen anderen Problemen verstanden noch die westliche moralische Integrität akzeptiert. Zu offensichtlich seien die Doppelstandards, die es einigen Staaten (wie den USA oder Israel) erlaubten, unbehelligt Gebiete anderer Länder zu überfallen und zu besetzen und anderen nicht.
Wie sein Kollege John Mearsheimer ist Stephen Walt der realistischen Schule zuzuordnen. Und er akzeptiert es als Realität, dass starke Mächte in dem Moment skrupellos militärische Gewalt anwenden, in dem sie ihre Sicherheitsinteressen gefährdet sehen und diplomatische Mittel keinen Erfolg mehr versprechen. Diese Tatsache des Lebens könnten wir heute nur bei Strafe eine Atomkrieges ignorieren. Und Russland fühle sich nun mal durch den geplanten NATO-Beitritt der Ukraine extrem bedroht.
Dafür müssen sich Walt und Mearsheimer heute von der Mehrheit des westlichen Establishments und auch großen Teilen der Bevölkerung Zynismus und Naivität vorwerfen lassen.
Quelle: Makroskop
- Ukraine-Konflikt: Die Bundesregierung braucht endlich eine klare Strategie
Was möchte die Bundesregierung in der Ukraine erreichen? Unsere Autoren plädieren für eine ernsthafte außenpolitische Strategiedebatte.
Die Deutschen seien „auf dem Weg zu einer Form von Verantwortung, die wir noch wenig eingeübt haben.“ So kündigte der damalige Bundespräsident Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 einen Wandel der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik an. Kurz darauf annektierte Russland die Krim. Neun Jahre und eine russische Vollinvasion später fiel die für die Münchner Sicherheitskonferenz 2023 angekündigte Präsentation der nationalen Sicherheitsstrategie aus, die den neuen Verantwortungsbegriff mit Substanz füllen könnte. Die im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbarte Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates – abgesagt.
Weite Teile der politischen Spitze Deutschlands verweigern sich einer ernsthaften außenpolitischen Strategiedebatte jener Art, wie sie in traditionell „militanteren“ westlichen Demokratien (USA, Frankreich) völlig normal ist. Mit Deutschlands Antwort auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben sich die Achsen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik bereits verschoben: Die Militanz wird massiv gesteigert (Waffenlieferungen ins ukrainische Kriegsgebiet, militärische Aufrüstung), während die Strategie (welche Ziele will Deutschland mit welchen Mitteln erreichen?) fehlt.
Quelle: Berliner Zeitung
dazu: Ischinger fordert Diplomatie: „Regierung muss Verhandlungen vorbereiten“
Wolfgang Ischinger fordert eine diplomatische Initiative aus Berlin, um die Ukraine zu unterstützen. Berlin müsse Verhandlungen vorbereiten und russische Forderungen durchdenken.
Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat die Bundesregierung aufgefordert, mögliche Verhandlungen vorzubereiten und russische Forderungen zu durchdenken. Ischinger sagt im ZDFheute-Interview:
Es ist die klassische Aufgabe des Auswärtigen Amts, für die Bundesregierung mögliche Verhandlungen vorzudenken.
Wolfgang Ischinger
Die Bundesregierung müsse sich überlegen, ob sie auf bestimmte Forderungen Russlands eingehen wolle. Solche Szenarien müssten durchdacht werden. „Das ist nicht unsere deutsche Aufgabe allein. Das müssen wir mit den Balten, den Polen, mit anderen Nachbarn und mit der Ukraine durchkakeln.“ Jetzt sei die Zeit, sich vorzubereiten.
Quelle: ZDF
Anmerkung unseres Lesers H.B.: Der macht so etwas nicht ohne Absprache mit Amerikanern. Ich glaube, dass ist wirklich eine Sensation. Das sagt mir meine Erfahrung an zwei wichtigen Botschaften. Auch bedeutet, was er sagte, harte Kritik wegen Untätigkeit von Baerbock.
dazu auch: Ukraine: Die Meinungs-Einfalt hat sich durchgesetzt
Am 22. März kam im Tagesgespräch des Schweizer Radios SRF1 der ehemalige deutsche Bundespräsident Joachim Gauck zu Wort. Er wünscht sich weniger altmodische Neutralität der Schweizerinnen und Schweizer. Stattdessen sollen sie mehr Gefolgschaft gegenüber der EU und der NATO leisten. Selbstverständlich sagt der rhetorisch äusserst gewandte evangelische Theologe dies nicht so unverblümt, sondern verpackt es in ein diplomatisches Kauderwelsch: «Zwar ist die Bindung an die nationale Tradition immer noch eine gut funktionierende, doch für meinen Geschmack schon ein wenig überholte Form, identitätsprägend zu sein.»
Es gebe nämlich «höhere Werte» als nur «die traditionelle Form der inneren Beheimatung» Auf gut Deutsch: Die Schweiz soll auf ihre traditionelle Neutralität pfeifen und die Munition für den Gepard-Panzer zur Weitergabe freigeben. Und dieses Gemahnen an «höhere Werte» möge – Gott bewahre – keine Weisung von Gauck an die Regierung in Bern sein, sondern, wie er betont, ein «Herzenswunsch».
Gauck fordert seit langem, Deutschland müsse der Regierung in Kiew schwere Waffen liefern. Was nicht erstaunlich ist, hat er doch in seiner Zeit als Bundespräsident stets betont, die Bundesrepublik müsse die «Kultur der militärischen Zurückhaltung» aufgeben und als Global Player auch an militärischen Einsätzen teilnehmen. Meist tönte in diesem Zusammenhang die Parole vom weltweiten «Kampf gegen den Terrorismus». Auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014 hatte Gaukk bereits den Anspruch angemeldet, die Bundesrepublik müsse «von einem Nutzniesser zu einem Garanten internationaler Sicherheit und Ordnung» werden. Dass internationale Sicherheit und Ordnung in militärischer Gefolgschaft der USA und der Nato herzustellen seien, versteht sich für Gauck von selbst. Was in Afghanistan, aber auch in Einsätzen der Bundeswehr in Syrien und Mali bereits ausgiebig geübt wurde. Die Resultate sind in diesen Ländern zu besichtigen.
Quelle: Globalbridge
und: Die Denunziation der Friedensdemonstrationen soll von der Teilnahme abschrecken: Für den Frieden – ohne „Gesinnungs-TÜV“
In Zeiten wachsender Kriegsgefahr muss die Friedensbewegung zusammenhalten. UZ sprach mit der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen („Die Linke“) über Anfeindungen gegen Friedenskräfte und die Notwendigkeit, den Kriegswahnsinn zu stoppen.
UZ: Gegen den „Aufstand für Frieden“ am 25. Februar in Berlin wurde schon im Vorfeld gehetzt und von einer angeblichen „Querfront“ gesprochen. Dann kamen Zehntausende, um für den Frieden einzustehen. Rechte spielten keine Rolle und mussten mit der Lupe gesucht werden. Eigentlich hätten die großen Medien den Querfront-Mythos abschreiben müssen – doch sie hielten daran fest. Steckt dahinter eine Strategie?
Sevim Dagdelen: Das von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte „Manifest für Frieden“ mit mittlerweile einer Dreiviertelmillion Unterzeichnern und die Kundgebung „Aufstand für Frieden“ mit Zehntausenden am Brandenburger Tor in Berlin am 25. Februar haben alle Erwartungen übertroffen. Der große Zuspruch aus breiten Kreisen der Bevölkerung für eine diplomatische Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg anstelle immer weiterer und immer schwererer Waffen lässt sich nicht mehr negieren. Auch wenn die Panzerfans, allen voran bei den Grünen und der FDP, toben und noch so lautstark Stimmung gegen die Friedensbewegung zu machen versuchen, sie haben keine Mehrheit bei den Bürgerinnen und Bürgern. Diffamierungen wie „Friedensschwurbler“ oder „Putin-Freunde“ zielen darauf ab, einen inneren Feind zu konstruieren. Doch das verfängt nicht, die Strategie der Ausgrenzung und Abschreckung ist als gescheitert zu bewerten. Das Friedensmanifest und die große Berliner Friedenskundgebung sind ein Mutmacher, laut die eigene Stimme für einen Waffenstopp und Diplomatie zu erheben und auf die Straße zu gehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir dies auch bei den Ostermärschen sehen werden.
Quelle: Sevim Dagdelen in unsere zeit
- Was Uranmunition in der Ukraine anrichten würde
Großbritannien will DU-Geschosse an Kiew liefern. Dabei hat diese Waffe schon viel Leid verursacht. Warum das zu wenig bekannt ist und welchen Anteil die WHO daran haben könnte.
Die britische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Annabel Goldie, hat unlängst erklärt, dass mit den von London angekündigten Challenger-2-Panzern auch Urangeschosse in die Ukraine geliefert werden sollen. Das hat besonders in Russland für Aufregung gesorgt, und das mit Recht.
Denn Urangeschosse und -bomben sind Waffen aus abgereichertem Uran 238– englisch: depleted uranium oder kurz auch DU. Abgereichertes Uran ist radioaktiv und hochgiftig. Es hat eine Halbwertszeit von rund 4,5 Milliarden Jahren.
Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt der Atomindustrie und entsteht, wenn man Natururan für Brennstäbe zur Verwendung in Atomkraftwerken anreichert. Benötigt man Brennstäbe im Gewicht von einer Tonne, entstehen etwa sieben bis acht Tonnen abgereichertes Uran als Abfallprodukt. Und weil dieses Nebenprodukt radioaktiv und hochgiftig ist, muss es sicher gelagert und bewacht werden. Das kostet Geld, viel Geld.
Es gibt davon inzwischen weltweit circa 1,3 Millionen Tonnen und dieser Berg wächst ständig.
Darum war die Atomindustrie froh, als sich Waffenhersteller für dieses Abfallprodukt interessierten. Denn sie hatten festgestellt: Formt man abgereichertes Uran zu einem Metallstab, durchdringt ein solches Geschoss die Metallplatten eines Panzers wie heißes Metall ein Stück Butter.
Beim Durchdringen einer Panzerplatte entsteht an dem Urangeschoss ein Abrieb, der sich bei der großen Reibungshitze von etwa 1.000 Grad explosionsartig entzündet. Die Besatzung des Panzers verglüht und der Panzer wird zerstört.
Aufgrund dieser beiden Eigenschaften – Stahl wie Butter zu durchdringen sowie sich selbst zu entzünden und so wie Sprengstoff zu wirken – ist das Abfallprodukt der Atomindustrie, das abgereicherte Uran, bei den Militärs so beliebt geworden.
Daher sind diese Geschossen in den Irak-Kriegen 1991 und 2003 tonnenweise eingesetzt worden. Aber auch im Kosovo-Krieg 1999, in Afghanistan, im Libanon, in Somalia, im Libyen-Krieg sowie Syrien 2015 im Kampf gegen die Terrormiliz “Islamischer Staat”.
Als ich 2003 für eine WDR-Fernsehdokumentation den Irak, Serbien, Bosnien-Herzegowina und das Kosovo besuchte, gehörte zu unserer Ausrüstung selbstverständlich ein Geigerzähler, um uns vor den Gefahren dieser Munition zu schützen.
Quelle: Frieder Wagner in Telepolis
dazu: „Diese Schäden werden uns noch viele, viele Jahre beschäftigen“
Als die Nato während des Balkankrieges Gebiete 1994/5 in Serbien und später 1999 im Kosovo bombardierte, verwendete sie dabei auch mehr als 10.000 Geschosse mit abgereichertem Uran, sogenannte DU-Munition (depleted uranium). Ähnlich der, die Großbritannien der ukrainischen Armee nun im Kampf gegen die russische Armee zur Verfügung stellen will. Die Nato zerstörte damit wichtige Infrastruktur: Brücken, Straßen, aber auch Flughäfen, traf dabei aber auch Dörfer.
Der Anwalt Srdan Aleksic aus Niš vertritt seit Jahren Krebspatienten aus den damals bombardierten Gebieten. Er will, dass sie als späte Opfer von DU-Munition anerkannt werden und verklagt deshalb die Nato. Es ist ihm auch eine persönliche Mission: Aleksic wurde in einem der Dörfer im Süden Serbiens geboren, die von diesen Bomben getroffen wurde.
Als WELT ihn telefonisch erreicht, hat er nur wenig Zeit, sagt er. Er bereitet sich gerade auf ein Treffen in Österreich vor, um dort über seine Fälle zu sprechen. Für ihn ist die Aussicht, dass DU-Munition in der Ukraine im Krieg gegen Russland, eingesetzt werden könnte, ein unvorstellbarer Vorgang. (…)
WELT: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie hören, dass in dem Krieg in der Ukraine solche DU-Munition verwendet werden könnte?
Aleksic: Niemand auf dieser Welt sollte diese Waffen mehr einsetzen dürfen. DU-Munition gehört für mich auf einem internationalen Level geächtet. Für mich ist der Einsatz ein Kriegsverbrechen. Denn diese Munition verseucht alles, was die Menschen zum Leben brauchen. Und man nimmt künftigen Generationen die Lebensgrundlage.
Quelle: Welt Online
Anmerkung Christian Reimann: Positiv zu bemerken ist, dass recht ausführlich über den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran im ehemaligen Jugoslawien und im Irak berichtet wird. Ähnliches droht der Bevölkerung und den Soldaten der Ukraine – sollten tatsächlich solche Geschosse auch dort eingesetzt werden. Das macht deutlich, dass der Westen zeigt, wofür er wirklich kämpft – nicht zugunsten der ukrainischen Bevölkerung.
und: Schmutzige Geschosse: London will Kiew Uranmunition liefern. Für die Menschen in der Ukraine ist das eine große Gefahr.
Die Projektile sehen wie schwere Metallspeere aus. Sie enthalten Uran-238, erklärt Johann Höcherl, Experte für Waffen- und Munitionstechnik an der Hochschule der Bundeswehr in München. Die »sehr wirksamen Waffen im Panzerduell« fliegen weit und haben aufgrund ihrer hohen Dichte eine große Durchschlagskraft, wird Höcherl in einem Bericht des Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 24. März zitiert. Das Uranisotop 238 bezeichnet er als »relativ günstig«, es besitze »sehr gute ballistische Eigenschaften auf der Flugbahn und im Ziel«. Anlass der Ausführungen: Großbritannien will die Ukraine mit 14 »Challenger 2«-Panzern ausstatten. Mitgeliefert werden soll auch panzerbrechende Munition, bekannt als DU-Geschosse. »DU« steht für Depleted Uranium, abgereichertes Uran – ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Reaktorbrennelementen. Die Munition explodiert im Inneren eines Ziels und setzt giftigen, radioaktiven Staub frei. Wird dieser Staub eingeatmet, kann er Krebs und genetische Schäden bewirken. Kinder, die von derart belasteten Eltern gezeugt und geboren werden, kommen nicht selten mit Fehlbildungen, an Krebs erkrankt oder tot zur Welt. Dringt der Staub in Erdreich und Grundwasser, vergiftet er nicht nur die Umgebung, sondern auch die Nahrungskette. Wird er vom Wind davongetragen, können auch Gebiete und Gewässer in größerer Entfernung radioaktiv belastet werden.
Quelle: Karin Leukefeld in junge Welt
- Supermacht Indien: Warum eine „werteorientierte Außenpolitik“ hier an ihre Grenzen stößt
Indien hat neuerdings mehr Einwohner als China. Was wir erleben, ist eine geopolitische Verschiebung, die den Globalen Süden stärkt. Hat Deutschland den Blick dafür? (…)
Die außenpolitischen Zielsetzungen, welche Indien in der globalen Politik durchsetzen will, sind jedoch nicht identisch mit den Strategien und Interessen des Westens. Daher wird Delhi kein natürlicher Partner für die USA und Europa sein.
Indien selbst lehnt die Einteilung in Autokratie versus Demokratie rigoros ab. Diese außenpolitische Denkschule wurde von dem amtierenden Außenminister Subrahmanyam Jaishankar im Januar dieses Jahres in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung wie folgt präsentiert. „Für mich besteht die Notwendigkeit einer sehr grundlegenden Debatte, was eigentlich die demokratische Welt ist. Wer richtet sich nach wem aus? Die scharfe Trennung zwischen Demokratie und Autokratie ist politisch praktisch. Man kann sie verwenden, je nachdem, wie man sie braucht. Indien hat zum Beispiel zeitweise eine Militärdiktatur im Westen in Pakistan und eine im Osten in Myanmar gehabt. Die in Myanmar wurde sanktioniert. Die in Pakistan wurde als wichtiger Verbündeter der Nato bezeichnet.“ Indiens Außenminister weiter: „Wir werden unsere Sicherheit nicht opfern.“
Ein Schwerpunkt bildet die Aufrechterhaltung außen- und sicherheitspolitischer Autonomie. Indien ist diesbezüglich darauf fokussiert, seine Entscheidungshoheit zu wahren und feste Allianzen zu vermeiden. Deshalb strebt Indien heute strategische Partnerschaften mit den wichtigen relevanten Akteuren in der internationalen Politik an. Gleichzeitig versucht Delhi, allzu enge oder einseitige Beziehungen etwa zu Washington zu vermeiden. (…)
Die außenpolitischen Denkschulen der Bundesrepublik hingegen, von der auch der Mitarbeiterstab des Auswärtigen Amtes geprägt wurde, haben in den vergangenen Jahren relevante Themengebiete wie Geostrategie und Demographie leichtsinnig vernachlässigt, zu Gunsten von Gender-Debatten und identitätspolitischen Diskursen, die außerhalb dieser Blasen keine Rolle spielen. Dadurch erklärt sich auch, weshalb Annalena Baerbock nicht in der Lage ist, die weltpolitischen Entwicklungen zu deuten oder gar einordnen zu können. Nicht nur im Bezug auf Indien.
Eine „werteorientierte“ Außenpolitik, wie sie Außenministerin Baerbock zu vertreten vorgibt, entpuppt sich in diesem Zusammenhang als ähnlich substanzlos wie der Wahlkampfslogan der Grünen vom Herbst 2021 „Keine Waffen in Krisen -und Kriegsgebiete“”.
Quelle: Ramon Schack in Berliner Zeitung
- Die Hungermacher (IV)
Trotz einer persönlichen Intervention von UN-Generalsekretär António Guterres verhindert die EU weiterhin Düngemittelexporte aus Russland und Belarus und treibt damit zahlreiche Länder Afrikas in den Hunger. Konkret weigert sich Brüssel zur Zeit, Ausnahmen bei seinen Sanktionen gegen Belarus zu gewähren, die es ermöglichen würden, den sanktionsbedingt grassierenden Düngermangel vor allem auf dem afrikanischen Kontinent zu reduzieren. Experten zufolge ist der Düngemitteleinsatz in Afrika südlich der Sahara bereits um ein Viertel gesunken. Mit deutlich geringerer Ernte und empfindlich steigendem Hunger ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Guterres war zum EU-Gipfel nach Brüssel gereist, um für ein Ende der Düngemittelblockade zu plädieren, war jedoch von – so der EU-Jargon – „uns Europäern“ abgewiesen worden: Man sei nicht bereit, die Sanktionen einzuschränken, nur um „die UNO zu beschwichtigen“, hieß es. Besonders die Russland-Sanktionen tragen weiter zum Düngermangel bei, der sich in diesem und in den kommenden Jahren in einer zusätzlichen Knappheit an Nahrungsmitteln vor allem in den Ländern des Globalen Südens niederschlagen wird.
Quelle: German Foreign Policy
- Salto mortale
Wer der Impfung misstraute, mutierte zum Tyrannen über die rechtschaffene Mehrheit, die verzweifelt mit dem Virus rang. Wer körperliche Unversehrtheit nicht im Sinne der politischen Klasse verstand, ihr nicht abnahm, dass Gesundheit nun der Generalnenner aller politischen Zielsetzungen war, musste erfahren, dass er nicht mehr dazu gehörte. »Demokratie« existierte nur noch insoweit, als sie identisch war mit der Realitätswahrnehmung der politischen Elite.
Wenige Monate später hat sich der Wind vollständig gedreht. Nun stehen nicht mehr Leben und körperliche Unversehrtheit nach Artikel zwei des Deutschen Grundgesetzes im Mittelpunkt staatlichen Handelns, nun werden keine Alten und Kranken mehr geschützt. Leben und Überleben sind zu Werten dritter oder vierter Rangordnung herabgestuft worden. Mussten sich die Menschen während der Pandemie fast jede beliebige Einschränkung gefallen lassen, weil jedes einzelne Sterberisiko als untragbar angesehen wurde, werden nun alle, ob alt oder jung, krank oder gesund gezwungen, das größte aller nur denkbaren Risiken einzugehen: nämlich den Horror eines möglichen Welt- oder Atomkriegs.
Auf den ersten Blick könnte eine solche These absurd erscheinen. Wer von den Politikerinnen und Politkern riskiert Krieg und Zerstörung, gar ein Massensterben in Deutschland? Und welche politische Klasse ist so verrückt, dass sie ihre Wertsetzungen innerhalb weniger Monate radikal auswechselt und plötzlich im Vergleich zu vorher eine totale Kehrwende hinlegt? Und doch ist es so.´
Quelle: Ossietzky
- Bankenrettung: Droht eine neue Finanzkrise?
Die Zinsrally der Zentralbanken wird zum Stresstest für Wirtschaft und Banken. Die Entscheidung der Zentralbanken, die Zinsen weiter zu erhöhen, ist fahrlässig. Eine Finanzkrise droht. […]
Der damalige Finanzminister Peer Steinbrück bezeichnete die Finanzkrise 2008 noch als amerikanisches Problem und prophezeite breitbeinig, dass die USA ihren Status als „Supermacht des Weltfinanzsystems“ verlieren würden. Kurz darauf schlitterte Europa in die Euro-Krise. Der aktuelle Finanzminister Christian Lindner (FDP) forderte lauthals Zinserhöhungen. Er will nun trotz schwacher Wirtschaft zur schwarzen Null im Haushalt zurückkehren. Dies würde der Wirtschaft durch Kürzung von Staatsausgaben wichtige Einnahmen entziehen.
Es zeichnet sich damit eine fatale Politik ab: Die Zentralbanken versuchen über Zinserhöhungen und somit Aufwertung ihrer Währungen die Inflation ins Ausland zu exportieren. Das ist so, als würde man dem Nachbarn den eigenen Müll vor die Haustür stellen. Eine harte Rezession, Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit werden dabei in Kauf genommen, obwohl die gegenwärtige Inflation nichts mit einer überhitzten Nachfrage oder mächtigen Gewerkschaften mit hohen Lohnforderungen zu tun hat. Wir haben vielmehr eine Profit- und Angebotsinflation, die zumindest in Europa neben dem Ukrainekrieg auch eine Nachwehe der Corona-Pandemie und der Zerrüttung von Wertschöpfungsketten ist.
Der Ökonom Jens van ‚t Klooster von der Universität Amsterdam bemerkte dazu, es zeichne sich eine neue Geldpolitik ab: Diese beinhalte hohe Gewinne für internationale Konzerne, reichlich Sicherheiten für Banken, jedoch Arbeitslosigkeit und Immobiliencrashs für die Mittelschicht. Ich fürchte, er könnte recht haben.
Quelle: Fabio De Masi in der Berliner Zeitung
- Als erste Branche fällt die Bauwirtschaft der Geldpolitik zum Opfer
Das Statistische Bundesamt meldete vergangene Woche, dass die (preisbereinigten) Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe im Januar 2023 um sage und schreibe 21 Prozent unter ihrem Vorjahreswert lagen (Abbildung 1). „Einen größeren Rückgang zum Jahresbeginn hatte es zuletzt im Januar 2009 gegeben (-21,8 % gegenüber Januar 2008)“, so das Amt. Seit März vergangenen Jahres ist die gesamte Nachfrage der Bauwirtschaft um 24 Prozent eingebrochen.
Schaut man sich die (saisonbereinigten) Zahlen Monat für Monat an, sieht man, dass der Absturz inzwischen alle Bereiche der Bauwirtschaft betrifft. Der Tiefbau (Abbildung 2), der von staatlichen Aufträgen dominiert wird, war bis 2018 aufwärts gerichtet gewesen, stagnierte zwischen 2019 und 2022 weitgehend und fällt mittlerweile ab.
Am stärksten ist der Wohnungsbau betroffen (Abbildung 3), den Deutschland nach den Aussagen unserer Politiker so dringend braucht: Gegenüber März vergangenen Jahres verzeichnet diese Sparte einen Rückgang bei den Aufträgen von einem Drittel.
Quelle: Relevante Ökonomik
- Ein ganz großer Angriff
Was bewirken Zuzahlungen?
Zur Zeit sind die Angriffe auf unser solidarisch finanziertes Gesundheitswesen mal wieder so scharf wie lange nicht mehr. Auch der Zeitung mit den vier großen Buchstaben ist das eine Schlagzeile wert: „Kassen-Patienten sollen 2000 Euro selbst bezahlen“. Ein Freiburger Ökonomieprofessor namens Bernd Raffelhüschen, bisher nur bekannt als Lobbyist der neoliberalen Arbeitgebertruppe „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM), warnt vor einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen und prophezeit einen Beitragssatz von 22 Prozent im Jahr 2035, wenn man dem keinen Einhalt gebietet. […]
So alt die Idee der Kostendämpfung durch Zuzahlungen auch ist und so oft sie auch aufgewärmt wird, so sehr verfehlt sie schon immer ihr gewünschtes Ziel. Die London School of Economics hat bereits vor vierzehn Jahren 173 Studien aus fünfzehn Nationen über Zuzahlungen im Gesundheitswesen ausgewertet und zweifelsfrei festgestellt, dass die Folgekosten durch weniger Arztbesuche, durch verzögerte Notfallbehandlungen und durch verschleppte Krankheiten höher sind als alle Einsparungen und Einnahmen durch Zuzahlungen zusammen. Ökonomisch sind Zuzahlungen also eine Milchmädchenrechnung. Sie sind kostentreibend, nicht kostensenkend.
Wenn Zuzahlungen den Krankenkassenetat mit nur zwei Milliarden Euro im Jahr so gut wie gar nicht entlasten, wenn Zuzahlungen gar nicht kostendämpfend wirken, was sollen sie dann? Wenn es ökonomisch gar nichts bringt, steckt vielleicht eine andere Idee dahinter? Die scheibchenweise Erweiterung der Zuzahlungen hat vor Jahrzehnten ganz klein und harmlos mit nur fünfzig Pfennig pro Rezept begonnen. Sie belastet chronisch Kranke inzwischen mit mehreren hundert Euro pro Jahr für Verbandsmittel, Medikamente, Hilfsmittel, Heilmittel, häusliche Krankenpflege, Krankenhausaufenthalt, Rehabilitation, Fahrtkosten und Haushaltshilfen. Das ist nichts anderes als eine scheibchenweise Demontage des Solidaritätsprinzips.
Quelle: Bernd Hontschik auf FR Online
- Lachend in den dritten Weltkrieg?
Kurt Tucholsky stellte in seinem viel zitierten Text »Was darf die Satire?« von 1919 fest: »Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine.« Was sich heute in Deutschland »Satire« nennt, hat mit den antimilitaristischen und sozialistischen Positionen des linken Publizisten meist nichts mehr gemein – ganz im Gegenteil: Bis auf wenige Ausnahmen flankieren Kabarettisten die »Zeitenwende« medial und erweisen sich als willfährige Helfer bei der Mobilmachung gegen alle, die es wagen, Kritik am bislang größten Aufrüstungsprogramm der Bundesrepublik zu üben.
Für Tim Wolff, Mitherausgeber des Magazins Titanic und Autor fürs »ZDF Magazin Royale«, ist Tucholsky »Schutzheiliger« der Satiriker. Doch nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sagte er, hinter der Frage, was Satire in Kriegszeiten dürfe, stehe die Annahme, dass Komik grundsätzlich etwas Zersetzendes habe – »und dann kann man sich entscheiden: Wollen wir jetzt, dass die Reihen geschlossen sind, und halten uns zurück?« Offensichtlich ja: Er rückte Putin in die Nähe von Hitler und zollte Selenskij Respekt; schließlich erweise sich hier ein Komiker als »kriegstauglich«. Auch für Jan Böhmermann ist der ukrainische Präsident ein Vorbild: »Ein Clown muss jetzt sein Land verteidigen und die Demokratie und die Freiheit in Europa am besten gleich mit.«
Quelle: M&R