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Titel: Die unverbrüchliche Allianz zwischen den USA und Israel zerbricht
Datum: 31. März 2023 um 8:50 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik
Verantwortlich: Redaktion
Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Israel verschlechtern sich zusehends. Präsident Biden, der als äußerst israelfreundlich gilt, gab öffentlich bekannt, dass der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu nicht zu einem Treffen mit ihm willkommen ist. Netanjahu hatte keine Schwierigkeiten, sich mit der italienischen Ministerpräsidentin Meloni, dem deutschen Kanzler Scholz und dem britischen Ministerpräsidenten Sunak zu treffen, aber Präsident Biden, der nach wie vor der wichtigste Verbündete des Staates Israel ist, hat eine rote Linie gezogen. Von Shir Hever.
In einem kurzen Video, in dem Biden gefragt wurde, ob Netanjahu ins Weiße Haus eingeladen wird, antwortete er mit einem so entschiedenen “Nein”, dass man es nur als Abscheu gegenüber Netanjahu bezeichnen kann.
Biden kritisierte nicht nur die von Netanjahus Koalition vorangetriebene Justizreform, die den Anschein von Demokratie nicht nur für Palästinenser:innen, sondern auch für Jüd:innen untergräbt und die Behauptung, der Staat Israel sei eine Demokratie, noch absurder macht als je zuvor, sondern er kritisierte auch die Besetzung Palästinas. Biden machte deutlich, dass Netanjahu erst dann ins Weiße Haus eingeladen wird, wenn die Justizreform gestoppt und Fortschritte in Richtung einer Zweistaatenlösung gemacht werden.
Netanjahu reagierte auf Bidens Tadel, indem er seine Kabinettsmitglieder anwies, nicht in die USA zu fliegen, bevor er nicht eingeladen wurde.
Kein Land der Welt erhält von den USA mehr Militärfinanzierung als der Staat Israel. Das Abkommen besteht seit 1973, und inzwischen liefern die USA jedes Jahr Waffen im Wert von 3,8 Milliarden Dollar an das israelische Militär. US-Gesetzgeber fordern nun eine Untersuchung darüber, ob diese Waffen gegen wehrlose palästinensische Zivilisten und unter Verletzung der Menschenrechte und des Völkerrechts eingesetzt werden.
Prof. Dr. Rashid Khalidi von der Columbia University argumentiert, dass Israel als Stellvertreter der USA im Nahen Osten dient und dass die USA Israel unterstützen, um ihre imperiale Macht zu demonstrieren. Es ist klar, wie die USA von ihrem Bündnis mit Israel profitieren. Was sind die Vorteile für die israelische Öffentlichkeit? Viel wichtiger als die Waffen ist dabei die diplomatische Unterstützung, die die USA Israel im UN-Sicherheitsrat gewähren. Die USA haben in fünfzig Jahren 53 Resolutionen des Sicherheitsrates, die Israel kritisierten, mit einem Veto belegt.
Für die israelische Öffentlichkeit sind gute Beziehungen zu den USA auch psychologisch sehr wichtig. Die Unterstützung jüdischer Organisationen in den USA für den Zionismus ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen, was in der israelischen Öffentlichkeit große Besorgnis erregt. Die USA haben einen enormen kulturellen Einfluss in Israel, nicht nur wegen des US-Kulturimperialismus, der überall auf der Welt (auch in Deutschland) vorherrscht, sondern weil diese Kultur dazu benutzt wird, die palästinensische Kultur zu überdecken und auszulöschen, was eine ständige Erinnerung daran ist, dass Israel ein Kolonialstaat ist.
Vor dem Platz, auf dem sich die Friedensorganisation Women in Black jeden Freitag trifft, um gegen die Besatzung zu demonstrieren, hat jemand ein riesiges Schild in englischer Sprache mit dem Bild eines amerikanischen Ureinwohners und dem Text „Ask me about land for peace“ aufgehängt. Das Schild ist eine Antwort der Rechten auf die israelische Friedensbewegung und ist zugleich eine Drohung mit Völkermord an den Palästinenser:innen, inspiriert durch den Völkermord in Nordamerika.
Israelis sind zutiefst beleidigt, dass sie ein Visum benötigen, um in die USA einzureisen, und dass die Beantragung eines Visums viel schwieriger ist als für Bürger der EU-Mitgliedstaaten. Das israelische Parlament, die Knesset, hat hektisch Gesetze erlassen, um den Forderungen der USA nachzukommen, die Israelis die Einreise in die USA erleichtern. Trotzdem weigern sich die USA, das Visa-Abkommen zu bestätigen, und fordern zu Recht, dass Palästinenser, die die US-Staatsbürgerschaft besitzen, die israelischen Flughäfen und Kontrollpunkte mit der gleichen Freiheit passieren dürfen wie jeder andere US-Bürger. Eine Forderung, die die israelischen Behörden nicht akzeptieren wollen.
Der ehemalige israelische Botschafter in den USA, Michael Oren, erklärte zwar, die USA hätten kein Recht, sich in die Angelegenheiten Israels einzumischen, doch veröffentlichte er diese Erklärung nur auf Hebräisch. Oren weiß natürlich, dass sich Israel seit Jahrzehnten in die Innenpolitik der USA einmischt, indem es behauptet, für alle Jüd:innen auf der ganzen Welt zu sprechen, und eine Lobbyorganisation namens AIPAC aktiviert, um die US-Regierung unter Druck zu setzen, damit sie die Unterstützung für Israel erhöht. Am 7. April 2019 sagte der ehemalige Präsident Trump zu einer Gruppe von US-Jüd:innen, Netanjahu sei „euer Premierminister“ – eine antisemitische Äußerung, die den US- Jüd:innen das Recht abspricht, als US-Bürger:innen behandelt zu werden. Netanjahu hat nicht gegen Trumps Äußerung protestiert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass große jüdische Organisationen in den USA die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) gegen Israel unterstützen.
Diese Krise in den amerikanisch-israelischen Beziehungen ist beispiellos. Der israelische Knessetabgeordnete Nisim Vaturi sagte, dass „Israel sich ohne die USA schützen wird, wenn sie uns nicht unterstützen“, und machte den ehemaligen Präsidenten Obama für den Tod israelischer Soldaten verantwortlich. Yair Netanjahu, der Sohn des Ministerpräsidenten, machte die USA für die Finanzierung der Demonstrationen gegen die israelische Regierung verantwortlich. Solche Äußerungen tragen sicherlich nicht dazu bei, die Kluft zwischen den USA und Israel zu überwinden.
Es ist faszinierend, wie schnell sich die USA und Israel entfremdet haben, obwohl die USA noch nicht den nächsten logischen Schritt getan und die militärische Unterstützung für Israel eingestellt haben. Wie lange wird es dauern, bis auch andere Verbündete Israels, wie z. B. Deutschland, ihren Kurs ändern?
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