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Titel: Neue Urteile: Rückabwicklung von Zinsdifferenzgeschäften und Hebelmodellen
Datum: 25. Mai 2011 um 8:53 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Rente
Verantwortlich: Albrecht Müller
Weshalb Versicherer den Schaden zahlen, wenn der Finanzdienstleister pleite ist. Darüber und über ein riskantes Anlagemodell mit zahlreichen Produktnamen berichtet Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Mathematiker Schramm.
Statt mühelosem Reichtum türme sich bei hunderttausenden Anlegern oft ein Berg an Schulden, nicht selten der Verlust aller Ersparnisse oder sogar die Privatinsolvenz ein. Einige Gerichtsurteile stehen gegen die massenhafte Irreführung in der Versicherungsbranche. Albrecht Müller.
PM Dr. Johannes Fiala / Dipl.-Math. Peter A. Schramm
Neue Urteile: Rückabwicklung von Zinsdifferenzgeschäften und Hebelmodellen *
Weshalb Versicherer den Schaden zahlen, wenn der Finanzdienstleister pleite ist
Ein riskantes Anlagemodell mit zahlreichen Produktnamen
Statt mühelosem Reichtum türmt sich bei hunderttausenden Anlegern oft ein Berg an Schulden, nicht selten der Verlust aller Ersparnisse oder sogar die Privatinsolvenz ein.
Dies war möglich durch wohlklingende Namen, wie Lex-Rente, Sicherheits-Kompakt-Rente, Sofort-Rente, Sparenta, fremdfinanzierte Lebensversicherung, Sparrente, Zinsdifferenzgeschäft, kreditfinanzierte Rente, Garantie-Rente, fremdfinanzierte Rente, Schnee-Rente, Festkredit mit Tilgungsersatz über Lebensversicherung und/oder Fondsanlagen, fremdfinanzierter Pool, kreditfinanziertes Investment, Festdarlehen mit Tilgungsersatz, fremdfinanzierter Investmentfonds, kreditfinanzierte Beteiligungen, Sonderkreditprogramm, britische Lebensversicherung in Kombination mit einem Kredit, finanzierte fondsgebundene Lebensversicherung, Euro-Plan, gemischt fremdfinanzierte Rente, usw. bezeichnet.
Heimtückische Anlegerfalle statt Rendite-Perpetuum-Mobile
Versicherer bzw. Vorstände schulten Vermittler spätestens seit den 80er-Jahren: „Wenn ein Anleger 50 TEUR anlegen möchte, dann bekommt er das 5- oder 15-Fache an Kredit dazu vermittelt, und kann damit ein Vielfaches an Geld anlegen“. Der „Trick“ bestand darin den Investor in den Glauben zu versetzen, dass die Kreditzinsen nur ein Bruchteil dessen betragen, was die Lebensversicherung oder die Fondsanlage erwirtschaftet – auf dem Papier ein sicherer Gewinn. Das Gegenteil war hingegen zumeist die bittere Realität, weil die erhofften Versicherungs- oder Fondsrenditen ausblieben. So lösten sich Ersparnisse und Erbschaften mühelos in Luft auf – einzig sicher waren die Provisionen für die Vermittler und Vertriebe. Durch die Abgeltungssteuer seit 2009 sind nun meist auch die Kreditzinsen nicht mal mehr steuerlich absetzbar – ein zusätzlicher „Turbo für laufende Verluste“.
OLG Dresden verurteilt Clerical Medical (CMI) zum Schadensersatz
Der Versicherungssenat des Oberlandesgerichts Dresden hat aktuell als weiteres deutsches Oberlandesgericht am 19.11.2010 (Az. 7 U 1358/09) die britische Versicherungsgesellschaft Clerical Medical Ltd. zum Schadensersatz im Zusammenhang mit einer darlehensfinanzierten Lebensversicherung verurteilt. Zum Verhängnis wurde dem Versicherer, dass die im Antrag aufgenommenen Auszahlungsbeträge (anders als in den Versicherungsbedingungen vorgesehen) als feste Zahlungszusagen von Clerical Medical dargestellt wurden. Auch in zahlreichen Policen wurden feste Auszahlungen ähnlich einer Garantie ausgewiesen – als das Geld jedoch aufgebraucht war, stellt der Versicherer bisher mit Verweis auf seine intransparenten Versicherungsbedingungen die Auszahlungen ein. Mancher Vermittler pries britische Versicherer an, weil es hier eine besondere britische Fairness gäbe – die galt aber vornehmlich den verbliebenen Kunden, die nicht durch Auszahlung auf wertlose Verträge anderer belastet werden sollten.
OLG Düsseldorf verurteilt ApoBank eG zur Rückabwicklung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 28.02.2011, Az.I-9 U 150/10) verurteilte die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apo-Bank), die vielfach Kredite für Einzahlungen in Lebensversicherungen der CMI zur Verfügung gestellt hatte, zur Rückabwicklungsverpflichtung des Rentenmodells. Grund für die Verurteilung war insbesondere, dass es sich bei der Lebensversicherungsanlage und der Kreditfinanzierung um sogenannte verbundene Geschäfte handelt. Die Widerrufsbelehrung war offenbar massenhaft – weil Fehler in einem solchen Geschäft immer gleich systematisch in gleichbleibender „Qualität“ gemacht werden – mit mehreren Fehlern gestaltet worden. Dadurch erlosch das Widerrufsrecht nie und so konnte das gesamte kombinierte Modell noch Jahre später komplett widerrufen werden. Der Vertrieb betroffener Versicherer hatte seine verlustbringenden Anlagemodelle insbesondere zahlreichen Ärzten, Zahnärzten und Apothekern empfohlen, die sich somit auch heute noch durch Widerruf davon trennen können.
OLG Bamberg verurteilt CMI zum Schadensersatz
Das Oberlandesgericht Bamberg (Urteil vom 02.09.2009, Az. 3 U 81/09) hatte die britische Versicherungsgesellschaft CMI erstmals zum Schadensersatz für Schäden aus den Hebelgeschäften verurteilt. Auf diese Entscheidung folgten weitere ähnliche Entscheidungen gegen den Versicherer. Der Mangel in der Aufklärung lag dabei insbesondere in der Tatsache, dass die versprochene Rendite, welche ein funktionsfähiges Hebelmodell sicherstellen sollte, offensichtlich in der Vergangenheit nie erreicht wurde und sich daher auch in Zukunft realitätsfern darstellte.
Sanierung durch Widerruf
Neben einer Schadensersatzklage gegen die Initiatoren der Zinsdifferenzgeschäfte, also Vermittler, Berater, Vertriebsgesellschaften und Versicherer, bietet sich auch an, gegenüber der finanzierenden Bank in geeigneten Fällen den Widerruf zu erklären. Der deutsche Gesetzgeber hat ab November 2002 ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht eingeführt. Es spricht viel dafür, dass aus Gründen des Europarechts auch frühere Verträge einem zeitlich unbefristeten Widerrufsrecht unterliegen können. Ein weiterer Rechtsgrund für den Widerruf lieferte der Bundesgerichtshof, denn die Mehrzahl der Versicherer hat bei Ratenzahlungen keinen Effektivzins ausgewiesen. Die Möglichkeiten für Anleger sind mannigfaltig – selbst wenn einige Beteiligte längst am Wirtschaftsleben beruflich nicht mehr teilnehmen, kann man sich an den solventen Versicherer oder die Bank halten.
Inkompetente Vermittler und Berater massenhaft verklagt
Je schlechter geschult die Vermittler, desto überzeugender ihr Glaube daran, dass die Kunden durch britischen Verbraucherschutz und Fairness der Versicherer in einer guten Position seien. Selbst in mündlichen Verhandlungen verteidigen sich Berater und Vermittler rechtsirrig damit, dass deutsches Versicherungsvertragsrecht nicht anwendbar sei. Solche und andere ehemalige Finanzdienstleister leben inzwischen von Hartz-IV, versuchen sich in der Vermittlung von Goldzertifikaten und „Anlagediamanten“ ohne Substanznachweis, oder veranstalten Tupper-Parties. Künftig dürften sie aber vermehrt deutsche Städtereisen und ein Zubrot finanziert erhalten, indem sie ihre Vertriebskompetenz und die Falschschulungen durch den Versicherungsvertrieb auch gerichtlich unter Beweis stellen und dies gleich bar mit der Gerichtskasse abrechnen.
* von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Lehrbeauftragter für Bürgerliches- und Versicherungsrecht (Univ.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).
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