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Titel: Einst von Moskau, heute von Putin gesteuert?

Datum: 1. März 2023 um 12:24 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
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Die Friedensbewegung wurde schon immer diffamiert. Früher galt sie den Bürgerlich-Rechten und ihren Medien als „Moskaus rote Knechte“ – ferngelenkt, bestenfalls naiv, dafür aber antiamerikanisch. Gefordert wurde eine Abgrenzung nach linksaußen. Heute haben sich lediglich einige Attribute geändert. Heute gilt die Friedensbewegung vor allem den Bürgerlich-Linksliberalen und ihren Medien als „Putins Knechte“ – ferngelenkt, bestenfalls naiv, dafür aber antiamerikanisch. Gefordert wird nun eine Abgrenzung nach rechtsaußen. Neu ist jedoch vor allem die Vehemenz, mit der diese Diffamierungen über das gesamte Medienspektrum laufen und dass ausgerechnet die Stimmen, die früher die Friedensbewegung eher differenziert begleiteten, heute zu den schlimmsten Hetzern mutiert sind. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Zeit heilt viele Wunden. Wenn man heute retrospektiv an die Großdemonstrationen der Friedensbewegung vor vierzig Jahren denkt, so ist der Blick meist verklärt. Und obgleich die Friedensbewegung damals ihr Hauptziel, die Verhinderung der Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses, nicht erreicht hat, sorgte Michail Gorbatschow wenige Jahre später dafür, dass abgerüstet wurde. Die Friedensbewegung stand damit – zumindest für kurze Zeit – auf der Seite der Gewinner der Geschichte und vor allem die jüngeren Jahrgänge, die damals – so wie ich – noch nicht aktiv dabei sein konnten, betrachten die Bilder von damals mit einer durchweg positiven Grundhaltung. Dass die Friedensbewegung damals vor allem von der politischen Rechten massiv angefeindet und diffamiert wurde, gerät dabei oft in Vergessenheit.

Damals waren es Journalisten wie der reaktionäre Leiter des damaligen ZDF-Magazins, Gerhard Löwenthal, die mit offenem Hass alle Kritiker der Hochrüstung als „Linksradikale“ und „Kommunisten“ titulierten, die „von Moskau gesteuert“ seien. Ins selbe Horn blies damals die auflagenstarke und meinungsmächtige Springer-Presse und verschiedene Formate der ARD-Sender, wobei sich vor allem der Bayerische Rundfunk immer wieder durch besondere Schärfe hervortat. Um das einordnen zu können, lohnt – vor allem für die Jüngeren – ein klitzekleiner Exkurs zur politischen Gemengelage in den frühen 1980ern. Während die SPD damals hitzig über ihre Position zur Aufrüstung stritt, war die CDU stets eine erklärte Befürworterin der Aufrüstungspolitik und die damals erst gegründeten Grünen waren – ganz anders als heute – pazifistisch geprägt und entstanden unter anderem aus der damaligen Friedensbewegung.

Töne, wie man sie heute auch und vor allem von Grünen-Politikern hört, waren früher die Linie des bürgerlich-rechten bis reaktionären Flügels der Unionsparteien. Ein SPIEGEL-Artikel aus dem Jahr 1983 gibt einen netten Einblick in die damalige Debattenlage. Zitiert werden dort Unions-Politiker, die argumentierten, die westdeutsche Friedensbewegung „sei von Kommunisten unterwandert und vom Kreml ferngesteuert“. „Viele Menschen“, bedauerte der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, „nehmen an Veranstaltungen teil, ohne zu wissen, dass sie von moskautreuen Kommunisten initiiert und gelenkt werden.“ Aus heutiger Sicht erstaunlich: Der SPIEGEL druckte zwar die Zitate dieser Unionspolitiker, ordnete sie jedoch kritisch ein und setzte ihnen Argumente entgegen, die diese Diffamierungen widerlegten. Ein wenig überspitzt könnte man sagen: Der SPIEGEL machte damals den Job, den heute alternative Medien wie die NachDenkSeiten übernehmen müssen.

Auch wenn der damalige Tenor von rechts war, dass die Friedensbewegung von den Kommunisten zumindest unterwandert, wenn nicht gar gesteuert sei, so gab es auch damals schon Versuche, Parallelen zwischen der Friedensbewegung und den Nazis zu ziehen. Unvergessen ist in diesem Kontext ein Zitat aus einer Bundestagsrede des bereits oben zitierten damaligen CDU-Generalsekretärs und Bundesfamilienministers Heiner Geißler.

„Der Pazifismus der 30er Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der 30er Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.“
Quelle: wdr.de

Ins gleiche Horn blies ein Gastkommentar des Bayerischen Rundfunks, den uns unsere Leserin Grit Reichert dankenswerterweise zuschickte und in dem der Journalist Ludolf Herrmann die Demonstranten im Bonner Hofgarten als „kleine, rachitische Seelen“ in „pickeligen Körpern“ beschreibt und der Demonstration einen „latenten Faschismus“ attestiert, den er mit der Sportpalast-Rede Joseph Göbbels verglich.

Waren die Anfeindungen, denen sich die Friedensbewegung durch die Medien damals ausgesetzt sah, also vergleichbar mit der heutigen Kampagne? Keineswegs! Hetze gab es auch damals, doch sie kam fast ausschließlich von bürgerlich-rechten Medien, während es beispielsweise mit der Frankfurter Rundschau, dem SPIEGEL und dem NDR-Magazin Panorama auch vernehmbare Gegenstimmen gab. Und selbst die Tagesschau berichtete damals durchaus fair.

All dies ist heute undenkbar. Man vergleiche nur den verlinkten Beitrag der Tagesschau vom 10. Oktober 1981 über die Bonner Friedensdemo im Hofgarten mit der heutigen Berichterstattung über die Berliner Friedensdemo. Selbstverständlich hätten findige Journalisten auch damals irgendwelche DKP-Funktionäre im Bonner Hofgarten aufspüren können und vereinzelte „verstrahlte“ Teilnehmer vor die Mikrofone zerren können. Doch damals hatten die Kollegen offenbar noch sowas wie Anstand, Moral und Fairness. Heute gibt – fast – die gesamte Branche ein jämmerliches Bild ab.

Interessanterweise tun sich heute gerade die Medien mit Hetze hervor, die damals als Stimmen der Vernunft differenziert berichteten. Zahlreiche Akteure dieser Medien gehörten damals – so darf man annehmen – vielleicht selbst zu den Teilnehmern der Friedensdemonstrationen. Heute sind sie zu neuen Löwenthals mutiert. Nun könnte man sagen: Die schärfsten Kritiker der Elche, waren früher selber welche. Aber so einfach ist es dann wohl doch nicht. Passender wäre wohl eine Zeile aus Marc-Uwe Klings Lied „Zug der Opportunisten“ – „Die Blumenkinder, wer konnte das ahnen, gingen den Weg aller Bananen – heute grün und morgen gelb und übermorgen schwarz …“. Und so schließt sich dann der Kreis.

Titelbild: ZDF


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