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Titel: Berechtigte Fragen eines Lesers der NachDenkSeiten an den Sachverständigenrat.
Datum: 11. November 2005 um 11:33 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Wie stark die Analyse des Sachverständigenrates ideologisch geprägt ist, zeigt sich einmal mehr bei der Untersuchung des Einflusses von Arbeitsmarktinstitutionen auf die Arbeitslosigkeit.
Der Rat präsentiert hier auf S. 172, Tab. 21, die Ergebnisse von acht internationalen Vergleichsstudien für Ländergruppen des OECD-Raumes.
Bereits Ende letzten Jahres hatte das WSI in einem umfassenden Literaturüberblick festgestellt, dass die weit überwiegende Anzahl vergleichender Länderstudien einen negativen Zusammenhang zwischen dem Koordinierungsgrad der Lohnverhandlungen und der Arbeitslosenquote ausweist. Fazit: Ein höherer Koordinationsgrad ist mit einem niedrigeren Arbeitslosigkeitsniveau verbunden (WSI-Mitteilungen 11/2004, S. 596-601).
Diese Ergebnisse werden nun in den vom Sachverständigenrat präsentierten Studien voll bestätigt: Sieben der acht Untersuchungen ermitteln ebenfalls eine negative Beziehung zwischen Koordinationsgrad und Arbeitslosenquote (eine Studie findet keinen statistisch signifikanten Zusammenhang). Das weist auf nichts anderes hin, als dass ein geringerer Koordinationsgrad der Tarifverhandlungen mit einer höheren und ein höherer Koordinierungsgrad mit einer niedrigeren Arbeitslosigkeit einher geht.
Der Rat sieht sich dann auch genötigt, lapidar festzustellen: “Der Koordinationsgrad bei den Lohnverhandlungen besitzt hingegen einen dämpfenden Einfluss auf die Höhe der Arbeitslosigkeit.” (JG 2005/2006, S. 171)
Statt sich nun aber konsequenterweise gegen eine weitere Dekoordination und Verbetrieblichung der Tarifpolitik in Deutschland auszusprechen, sieht die Mehrheit des Rates (Ausnahme: Peter Bofinger) weiterhin im hiesigen Tarifvertragsrecht eine Hemmnis für eine “beschäftigungsfreundliche Entwicklung der Arbeitsentgelte” und rückt damit in keiner Weise von ihrer immer wieder vorgetragenen Forderung nach einer (noch) stärker dezentralisierten (!) Lohnfindung zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation ab. Gegen alle statistischen Vergleich wird an einer einmal gefassten ideologischen Ausrichtung festgehalten. Was hat so etwas eigentlich noch mit Wissenschaft zu tun?
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