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Titel: „Das ist nur noch lächerlich“
Datum: 10. Februar 2023 um 12:15 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Kultur und Kulturpolitik
Verantwortlich: Redaktion
Ein eiserner Besen kehrt über die deutsche Kultur- und Kunstlandschaft, durch Medien, in den öffentlichen Raum von Debatten, die durch das sinnbildliche Fegen mit dem Haushaltsgerät zunehmend keine Debatten mehr zu sein scheinen. Basta! „Wer nicht mit uns ist, ist draußen“, könnte das Motto lauten, zu beobachten war das Ausgrenzen von Menschen schon vielfach in den vergangenen drei Jahren. Im vierten Jahr der Eskalation finden sich nun immer noch und neuerlich Begründungen politischer, moralischer, welcher Art auch immer, als „unkorrekt“ betitelte Menschen durch korrekte Menschen mit deren Moralbesen wegzufegen. Neues Beispiel: Uwe Steimle, ein Kabarettist aus Dresden. Steimle befindet sich gerade auf Tournee mit seinem Programm „Steimle – Live und unzensiert“. Ein Auftritt in Chemnitz steht auf der Kippe. Der Besen wurde herausgeholt. Ein Kommentar von Frank Blenz.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Die Freiheit der Kunst, des Wortes …
Zunächst die Information. In regionalen Medien wurde über die Forderung der Grünen berichtet, einen bekannten Kabarettisten nicht in einem Kulturhaus von Chemnitz gastieren zu lassen.
Das könnte das politische Eigentor des Jahres in Chemnitz werden: Die Grünen wollen einen Auftritt des Kabarettisten Uwe Steimle (59) im Haus Kraftwerk verhindern – wegen angeblicher antisemitischer Äußerungen.
Doch eingeladen wurde Steimle von Ute Dziuballa, Ehefrau des Chemnitzer Juden Uwe Dziuballa (57, Restaurant “Shalom”). Das Haus Kraftwerk, in dem Ute Dziuballa als Projektleiterin arbeitet, hatte Uwe Steimle für den 15. Februar eingeladen. Thema: “Steimle aktuell – Live und unzensiert”.
Grünen-Stadträtin Christin Furtenbacher (37) findet den geplanten Auftritt nicht koscher. Sie protestiert: “Der Auftritt wird gefördert mit Jugendmitteln der Stadt. Steimle fällt seit Jahren mit antisemitischen, rassistischen und extrem rechten Aussagen sowie antidemokratischen Äußerungen und Verschwörungsmythen auf. So wird er von vielen wahrgenommen. Ich empfehle eine Prüfung der Absage.”
Der Kabarettist Uwe Steimle wird daraufhin zitiert:
Der Kabarettist ist perplex: “Das ist nur noch lächerlich. Ich wurde von der befreundeten Familie Dziuballa eingeladen. Mit Antisemitismus und Rassismus habe ich nichts zu tun. Im Gegenteil – wer mich kennt, weiß das.” Der Kabarettist fragt: „Wohin soll das führen?“
Die Familie Dzuiballa äußerte sich ebenfalls:
Ute Dziuballa bestätigt: “Wir verstehen die Debatte nicht. Uwe Steimle ist auf keinen Fall Antisemit. Er war mit dem Chemnitzer Auschwitz-Überlebenden Justin Sonder befreundet und reiste mit meinem Mann nach Israel. Wir würden gerne wissen, worauf sich die Vorwürfe konkret beziehen.” Die Projektleiterin will nicht einknicken: “Wir stehen dafür, dass Uwe Steimle im Kraftwerk auftritt.”
Ein Lichtblick leuchtet auf. Die Leitung des Kulturhauses Kraftwerk mahnte an, dass Kunst eine wichtige Rolle in der Debattenkultur innehaben muss.
Kraftwerk-Projektleiter Uwe Klötzer (55) findet es “schade, dass Personen bestimmte Diskussionen nicht zulassen. Kunst kann und muss polarisieren, man muss sie aber auch akzeptieren statt sie abzuwürgen.”
(Quelle: Tag 24)
Man schaue sich im Land um, die Zahl der Ausladungen, Absagen, Nichtberücksichtigungen, also der Ausgrenzungen von Personen das öffentlichen Lebens, die nicht „genehm“ sind, sie steigt. Im Land der Dichter und Denker, im Land des Grundgesetzes, in dem steht, dass die Kunst, die Meinung frei usw. sind, tobt ein Kampf der Etablierten, der selbsternannten „Wir sind die Guten“-Menschen. Und die also bestimmen, spinnt man das weiter, was gespielt, gesagt, geschrieben, gesungen werden darf? Ja? Früher hat man DDR-Bürgern gesagt, wenn deren Westbesuch im Wohnzimmer saß, dass das mit dem Verbot der Schund- und Schmutzliteratur im Osten der Beleg dafür sei, dass der Osten unfrei, unemanzipiert und überhaupt eben eine schlechtere Gesellschaft sei als die im Westen, also bei den Brüdern und Schwestern „drüben“. Ergänzt wurde das mit einem Beispiel, dass im Westen neben guter Literatur auch schlechte frei verfügbar wäre, denn eine freie Gesellschaft halte das aus. Was heißt ja auch schon „gut“ oder „schlecht“? Was ist guter oder schlechter Geschmack, wer liegt richtig? Wer bestimmt darüber? Fragen über Fragen. Die Antworten waren damals offen und geradezu tolerant.
Kritisieren, genau das macht Demokratie aus
Und nun? Ein Kabarettist soll also nicht auftreten dürfen. Mir fällt NachDenkSeiten-Autor Udo Brandes ein. Der hat in seinem aktuellen Artikel in der „Mitte der Gesellschaft“ autoritäre, antidemokratische bzw. totalitäre Einstellungen und Haltungen kritisiert und die Befürchtung geäußert, dass dies möglicherweise die viel größere Gefahr für unsere Demokratie sei. Brandes findet, wohl sicher ganz im Sinne des Schaffens gerade von Kabarettisten, dass man in einem politischen System eine Regierung oder Behörde kritisieren oder delegitimieren dürfe, genau dies mache eine Demokratie aus. Und das Umgekehrte, wenn Kritiker der Regierung von dieser wegen deren Kritik als Staatsfeinde behandelt würden, dass das typisch sei für autoritäre und totalitäre Staaten. Und er macht auf einen Irrtum aktuell Regierender (hier Ministerin Nancy Faeser) aufmerksam, dass nämlich sie sich selbst und die Regierung, der sie angehört, für die Verkörperung von Demokratie halte und jedweden Protest gegen sich und die Regierung als Majestätsbeleidigung, als Vergehen gegen die Demokratie auffasse.
Nötig seien engagierte Bürger, sagt der Bundespräsident und grenzt sogleich aus
Der Ministerin steht unser aller Bundespräsident nicht nach, forderte dieser doch gerade wieder, wehrhaft die Demokratie zu verteidigen. Und er sagt auch, wie er sich das dazu erforderliche Personal aus der Bevölkerung vorstellt. Im DLF hörte ich, dass Bundespräsident Steinmeier (in einer Rede aus Anlass des 80. Jahrestages der Hinrichtung der Geschwister Scholl) dazu aufrief, die deutsche Demokratie gegen neue Bedrohungen von außen und zunehmende Angriffe von innen wehrhaft zu machen.
Dazu gehöre auch eine gut ausgerüstete und verteidigungsbereite Bundeswehr, so das deutsche Staatsoberhaupt in München in einer Rede an der Ludwig-Maximilians-Universität. Nötig seien zudem engagierte Bürgerinnen und Bürger, die in ihrem politischen Urteil moralisch klar und fest seien, und die sich einsetzten für das Land sowie die Demokratie. Diese sei hierzulande in den letzten Jahren unter Druck geraten, warnte Steinmeier. So hätten Rechtspopulisten und Extremisten Zulauf, während Hass und Hetze vor allem in den sozialen Netzwerken zunähmen.
Quelle: Deutschlandfunk
So, so. Eine topp Bundeswehr und engagierte Bürger, die in ihrem politischen Urteil moralisch klar und fest sind. Und schon ist das mit der Demokratie gedeichselt. Was ist moralisch klar und fest?
Andersherum wird ein Schuh draus, Herr Präsident, Frau Abgeordnete in Chemnitz! Wir sehen aktuell, das Grundgesetz gerät außer Kraft. Verantwortliche, die im Lichte vorgeblicher demokratischer Prozesse und Dank fester Infrastrukturen in sicheren Positionen agieren und den Bürgern in Gänze eigentlich verpflichet sind, setzen sich darüber weg, sie nutzen ihre ihnen von uns verliehene Macht aus, um ihre Sicht der Dinge, ihre Definition, was sein darf und was nicht sein darf, durchzusetzen. Und wenn es nicht ohne Druck geht, dann wird welcher erzeugt, am besten, indem man den Kontrahenten, das menschliche Objekt einer geplanten Ausschließung und Bestrafung, so richtig diffamiert und kleinmacht. Es reichen Begriffe, man muss sie nicht mal begründen. Her mit der Keule des Antisemitischen, des Rassismus, des Extremrechten. Die Liste der Begriffe, der herabwürdigenden Titel ist lang – in Deutschland herrscht da eine sehr kreative Wortfindung.
Ein Dirigent der Münchner Philharmoniker wird entlassen, der Historiker Daniele Ganser wird ausgeladen, der Musiker einer Heavy-Metal-Band aus den USA, eben erst als große Nummer bei einem Festival gebucht, darf nun doch nicht gastieren – sie alle sind Jobs und Engagements los. Politische Korrektheit, die Anklage im Raum, diese Künstler und Persönlichkeiten haben sich etwas zuschulden kommen lassen, reicht. Und das geschieht nicht nur, seit die Demokratie in Gefahr ist, man erinnere sich, Opernstar Netrebko durfte nicht singen, ja, diese berühmte Anna Netrebko, weil sie „nur zögerlich“ auf den Ukraine-Krieg „reagierte“. Zahlreiche Bühnen und Veranstalter hatten beschlossen, sie vorerst nicht mehr auftreten zu lassen. Inzwischen gehen wieder einige auf sie zu, heißt es in den Medien. Wie gnädig.
Wie sieht es eigentlich mit den genehmen Leuten auf? Komisch, in Dauerschleifen-Talk-Show-Sendungen werden Persönlichkeiten mit Dauerabonnement dem Publikum vorgesetzt und mit enormer Energie und Ausdauer immer wieder die gleiche Soße des „Wir sind die Guten und die anderen nicht“ erzählt.
Nun also soll es einen Sachsen erwischen, erneut zudem. Ja, ja, die Sachsen. Kennen wir ja, gelle? Uwe Steimle ist im Osten bekannt als Kabarettist beim MDR und viele Jahre lang erfolgreich auf Tour in allen möglichen Kulturstätten des Landes. Vor allem im Osten. Doch nun wird weiter auf Angriff auf seine berufliche Laufbahn geblasen. Steimle dürfe also, geht es nach den Grünen im Stadtrat von Chemnitz, nicht auftreten, wegen antisemitischer Äußerungen. Der Dresdner ist bei Entscheidungsträgern in Medien und Politik seit längerem unter Beschuss, bei seinem an und für sich Haus-TV-Sender MDR „genießt“ der Endfünfziger „Auftrittsverbot“. So hat er halt seinen eigenen TV-Kanal im Internet. „Guck´n se nur mal rein, s´ werd´ lustisch und dor Steimle sacht de Worheit“, könnte man auf Sächsisch werben.
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