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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Ich würde die SPD und sogar die große Koalition über den grünen Klee loben, wenn es Gründe dafür gäbe.
Datum: 8. November 2005 um 16:12 Uhr
Rubrik: SPD, Wahlen
Verantwortlich: Albrecht Müller
Unter unseren Lesern sind respektable und geschätzte Freunde, die manchmal finden, wir gingen zu kritisch mit der SPD um. Dem Wunsch, dies anders zu handhaben, würde ich von Herzen gerne nachkommen. Aber: was man von den Verhandlungen in Berlin hört und was öffentlich erklärt wird, verhindert die Erfüllung dieses Wunsches jeden Tag neu. An fünf gravierenden Beispielen der vergangenen vier Tage sei das belegt.
Der SPD-Vorsitzende hat offensichtlich nur wenig Ahnung von Ökonomie, was nicht ehrenrührig ist. Schlimm ist jedoch, dass er die Parolen von erklärten SPD-Gegnern wie Gabor Steingart vom Spiegel, dem Bertelsmann-Fellow Oswald Metzger und die Dramatisierung des Bundespräsidenten blind übernimmt.
Dort heißt es: ‚Wegen der unerwünschten Folgen und der Steuerausfälle hatte die Union in ihrem Wahlprogramm denn auch die erneute Besteuerung der Gewinne aus dem Wiederverkauf von Firmen gefordert. Doch die SPD-Seite widersetzte sich jetzt dem Vorschlag, weil „dies als Eingeständnis eines Fehlers gesehen würde“, wie einer der beteiligten Sozialdemokraten gestand. „Das ist schon ein wenig verkehrte Welt“, wunderte sich dagegen der CDU-Abgeordnete Leo Dautzenberg.’
Ich wundere mich auch. Gerhard Schröder und Hans Eichel hatten die Steuerbefreiung der Gewinne beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen zum 1.1.2002 eingeführt. Das war ein Geschenk an die großen Vermögen und an die internationalen Investoren, die Heuschrecken, wie Franz Müntefering sagte. Aber dieser Agitation vom Frühjahr ist offenbar vergessen. So kann ein deutsches Unternehmen nach dem andern steuerfrei aufgekauft, zerlegt, gefleddert und wieder steuerfrei weiterverkauft werden. Soll ich mich über dieses von „großen Interessen“ geleitete Nichtstun, das in der Regel noch mit Pressionen gegenüber den Arbeitnehmern der betroffenen Unternehmen verbunden ist, freuen?
Japanische Lektion für Schwarz-Rot
Steuererhöhung nützte Japans Haushalt nicht.
Mehrwertsteuer rauf, Staatsausgaben runter – auf dieses Rezept will sich die schwarz-rote Koalition in Berlin offenbar verständigen, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Doch in Tokio würde das Bündnis aus Union und SPD dafür nur Kopfschütteln ernten. Hier haben die Politiker vor acht Jahren das gleiche Rezept angewandt – und sind damit schnell und hart auf die Nase gefallen.
Zur “Quelle”
Ich habe dieses Thema bei Vorträgen und Lesungen aus der „Reformlüge“ in den letzten Tagen des Öfteren angesprochen. Zuhörerinnen mit geringeren Einkommen, also Sachbearbeiterinnen und Verkäuferinnen sind zutiefst empört. Sie wundern sich mit mir, wenn sie dann noch hören, dass die Familienpolitiker/innen der SPD von falschen Annahmen ausgehen – von einer extrem überdurchschnittlichen Kinderlosigkeit der Akademikerinnen von 40 oder 43%. – Die Zahl, auf deren Basis hier Politik gemacht wird, stimmt nicht. Siehe dazu den Tagebucheintrag vom 10.10.2005.
Das sind fünf Beispiele aus wenigen Tagen. Was soll man davon halten? Sollen wir das alles widerspruchslos schlucken?
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