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Titel: Kommentierte Leserbriefe zu „Hintergrund: Denkfehler Dollarhegemonie“

Datum: 31. Januar 2023 um 13:00 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich:

In seinem Artikel „Hintergrund: Denkfehler Dollarhegemonie“ greift Jens Berger verschiedene auch und gerade in kritischen und alternativen Medien verbreitete Thesen auf, in denen es um einen vermeintlichen Angriff auf den US-Dollar als Rückgrat der globalen Hegemonialinteressen der USA geht. Dazu erreichten uns einige Leserbriefe, die jedoch oft weitere populäre Denkfehler zu makroökonomischen und finanzwirtschaftlichen Themen enthalten. Daher hat Jens Berger sich dazu entschlossen, die vorliegende Leserbriefsammlung ausführlicher als üblich zu kommentieren.


1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

schön, dass Sie sich dieses wichtigen Themas angenommen haben. Vermutlich beziehen Sie sich insb. auf den Beitrag über Emmanuel Todd in den nachdenkseiten.

Ich stimme Ihnen zu, die technische Kontrolle der internationalen Finanzströme hat den USA eine enorme Macht verschafft und auch eine beachtliche Einnahmequelle. Das jetzt in der multidimensionalen Ukraine-Krise als Waffe eingesetzt zu haben, provoziert geradezu Anstrengungen, sich davon unabhängig zu machen. In die gleiche Richtung wirkt das Wegwischen der bürgerlichen Eigentumsrechte durch USA und EU gegenüber vermögenden russischen Staatsbürgern.

Einen entscheidend wichtigen Aspekt einer Transaktionswährung, also z.B. des Dollars, würdigen Sie aber m.E. nicht.

Ich gehe in meinen Überlegungen davon aus, dass der Dollar und der ungarische Forint ebenso wie der Euro per Kreditvergabe aus dem Nichts geschöpft wird.

Wenn Ungarn ein USA-Produkt kaufen will, dann nützt ihm seine aus dem Nichts geschöpften Forints wenig. Es braucht Dollars. Die erhält es durch die Lieferungen von Waren oder Dienstleistungen gegen Dollar. Ungarn hat also reale Werte geliefert, bevor es in den USA einkaufen kann.

Die USA (oder auch ein Euro-Staat) als Herrin der Transaktionswährung können aber direkt in Ungarn einkaufen unter Verwendung von aus dem Nichts geschöpfter Dollars. Das ist ein enormes Privileg.

Warum spielt Ungarn da mit? Weil die eingenommenen Dollars momentan dauerhaft stabile Kaufkraft (fast) überall auf der Welt repräsentieren. Und weil Ungarn keine Bedenken hat, aus machtpolitischen Gründen nicht über seine Dollars auf amerikanischen Banken verfügen zu können.

Putin hat nach den westlichen Sanktionen darauf bestanden, russisches Gas nur gegen Rubel zu liefern. Denn das bedeutete, die USA mussten erst etwas Reales an Russland gegen Rubel verkaufen, um dann gegen Rubel was Reales von Russland zu bekommen. Das Privileg der Transaktionswährung war damit ausgehebelt.

Soweit die Theorie. Wie das in der Praxis sich dann entwickelt hat, habe ich nicht weiter verfolgt.

Ähnlich das Privileg z.B. Italiens im fehlkonstruierten Euro-Raum. Ein Italiener nimmt einen Kredit auf und bezahlt mit diesen aus dem Nichts geschöpften Euros einen realen BMW. Die Verrechnung zwischen den beiden Euro-Ländern Italien und Deutschland erfolgt über das Target2-System (Hans-Werner Sinn). Wenn gegenüber Italien Deutschland insgesamt wertmäßig mehr exportiert als importiert, wird Deutschland zwangsläufig Gläubiger von Italien. Ewa 400 Mrd. haben sich da angesammelt.

Die große Frage ist meines Erachtens, wie schnell und in welchem Umfang dieses Privileg der USA, mit “gedruckten” Dollars auf weltweite Einkaufstour gehen zu können, durch die aktuellen geopolitischen Konflikte und Entwicklungen erodieren wird und wie stark das wiederum ihre geopolitische Stellung in der Welt vermindern wird.

Wird durch die steigende Verschuldung der USA dieses System irgendwann ins Rutschen geraten, weil durch Inflation der Dollar die Funktion als sicheres Wertaufbewahrungsmittel verliert?

Wie stark wird die Rolle des Dollars geschwächt, weil Teilbereiche sich davon abkoppeln?

Diese Fragen beantworten m.E. auch Sie nicht. Und das ist keine digitale Frage, sondern es geht um ein Mehr oder Weniger und das verteilt auf eine kürzere oder längere Zeitachse. Emmanuell Todd behauptet einfach, dass mit dieser prinzipiell ja vorhanden Erosion der Einfluss der USA auf das Finanzsystem kollabieren (“collapse”) wird – also eine digitale Antwort ohne Begründung (in den mir zur Verfügung stehenden Texten von Todd).

Mit freundliche Grüßen
Reiner Felkel

Antwort Jens Berger:

Sehr geehrter Herr Felkel,

Sie schreiben: „Wenn Ungarn ein USA-Produkt kaufen will, dann nützt ihm seine aus dem Nichts geschöpften Forints wenig. Es braucht Dollars. Die erhält es durch die Lieferungen von Waren oder Dienstleistungen gegen Dollar. Ungarn hat also reale Werte geliefert, bevor es in den USA einkaufen kann.“

Geld ist immer kreditgeschöpft oder wie Sie es ausdrücken „aus dem Nichts geschöpft“. Das gilt für alle Währungen, nicht nur den US-Dollar. Das „Privileg“, wie Sie es nennen, gibt es also in dieser Form nicht für einzelne Währungen. Auch die ungarische Notenbank schöpft den Forint „aus dem Nichts“ und wenn ein Ungar ein US-Produkt kaufen will, tauscht er seine kreditgeschöpften Forint gegen kreditgeschöpfte US-Dollar. Wenn ich Ihr Beispiel ein wenig polemisch zuspitzen würde, könnte ich nun schreiben: Der Ungar bekommt von den USA reale Werte gegen „aus dem nichts geschöpfte Forints“.

Weiter schreiben Sie: „Putin hat nach den westlichen Sanktionen darauf bestanden, russisches Gas nur gegen Rubel zu liefern. Denn das bedeutete, die USA mussten erst etwas Reales an Russland gegen Rubel verkaufen, um dann gegen Rubel was Reales von Russland zu bekommen.“

Diese Entscheidung der russischen Regierung hat nichts mit „Realem“ zu tun, sondern war schlicht eine Folge der Sanktionen. Wenn Russlands Banken keine Euro- und US-Dollar-Konten bei den jeweiligen Notenbankensystemen führen können, macht es wenig Sinn, diese Währungen zu akzeptieren. Dazu hatte ich damals übrigens einen längeren Artikel auf den NachDenkSeiten geschrieben.

Auch zu dem von Ihnen erwähnten „Target-2-Theorien“ des Hans-Werner Sinns hatte ich bereits was geschrieben. Leider hat Herr Sinn nicht sonderlich viel Ahnung von Finanzwirtschaft und bringt da einiges durcheinander, um seine ebenfalls mehr als fragwürdigen makroökonomischen Thesen zu untermauern.

Kommen wir zu Todd. Dass mit dem relativen Aufstieg Asiens auch ein relativer Abstieg der USA und ihres Finanzsystems verbunden ist, steht ja außer Frage. Aber welches Interesse sollten die Asiaten daran haben, ihre eigenen Exporte in die USA zu unterminieren? Bislang ist vor allem China mit der Strategie des „Petrodollar-Recyclings“ doch sehr gut gefahren. Die eigene Wirtschaft brummt, man kann im In- und Ausland investieren und erwirbt gleichzeitig Besitztitel im Ausland, während die Kunden im Westen (für die EU gilt das gleiche wie für die USA) vor allem vergängliche Produkte bekommen. Ich glaube kaum, dass China dies als Problem sieht. Im Gegenteil! Die USA sehen dies als Problem und sowohl Biden als – mehr noch und zugespitzter – Trump haben genau dies immer wieder thematisiert.

Beste Grüße
Jens Berger


2. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger, liebe Nachdenkseiten,

kein Frage, die Aufklärung, die Sie leisten ist unersetzlich und von größter Bedeutung.

Gerade auch deshalb zu ihrem Artikel „Denkfehler Dollarhegemonie“ eine kritische Anmerkung:

Vieles in diesem Artikel ist sehr aufschlussreich. Aber es wird eine Frage so gut wie nicht angesprochen: Wer Geld aus dem Nichts drucken kann, der kann Reichtum schaffen, den er freihändig verteilen kann.

Bei kleinen Ländern funktioniert das bekanntlich nicht, weil die Inflation zur Abwertung führt, wodurch andere Staaten sich dagegen schützen, dass lokale Währungen einfach gedruckt werden und die Länder sich auf Kosten anderer Länder bereichern.

Hier zwei Beispiele über die Darstellung dieses Zusammenhangs:

Das Handelsblatt vom 3.1.2023 schrieb:

„Die hohe Inflation sorgt für eine deutliche Abwertung der türkischen Währung.“

Und die Wiener Zeitung vom 24.1.2019 stellte fest:

„Die Verbraucherpreise in Argentinien sind im Dezember stark angezogen. … Die Landeswährung Peso verlor massiv an den Dollar, es war die stärkste Abwertung seit die Währung vom US-Dollar entkoppelt wurde.“

Bitte widersprechen Sie mir, wenn sie diesen Zusammenhang nicht so sehen.

Sie schreiben in Ihrem Artikel selbst, dass die USA beliebig Geld drucken können:

„…die USA könnten sich problemlos in welchem Maß auch immer …direkt bei der eigenen Notenbank FED verschulden“.

Wenn der Dollar in allen Ländern der Welt gebraucht wird, also als Reserve gehalten werden muss, bedeutet dies, dass der Dollar wahrscheinlicher seinen „Wert“ behält, obwohl er de facto weniger Wert ist. Der Spiegel schreibt am 5.10.2022 (hinter Bezahlschranke):

„Die USA profitieren vom starken Dollar und exportieren Inflation – der Rest der Welt leidet. Existenzielle Waren wie Nahrung und Energie werden global oft in der US-Währung gehandelt. Kann das gutgehen?“

Wenn selbst der Spiegel diesen Zusammenhang sieht, warum stellen Sie ihn bei ihrem Artikel nicht viel mehr ins Zentrum der Argumentation?

Eine Schlussfolgerung wird man gewiss ziehen können: Wenn der Dollar nicht mehr die Welt-Reservewährung wäre, könnten die USA nicht mehr Inflation in großem Maßstab exportieren, oder anders ausgedrückt sie könnten sich nicht mehr im selben Maßstab durch Geld-Drucken auf Kosten der Arbeitsleistung anderer Länder bereichern.

Man kann den Zusammenhang auch erahnen, wenn man sich vorstellt, aller Warenaustausch zwischen den USA und China würde in Yuan erfolgen. Dann ist klar: China muss sich dann niemanden suchen, bei dem es Fremdwährung anlegen muss.

Wenn Sie kritisch schreiben,

„wenn China seine Devisenüberschüsse nicht reinvestiert oder für Importe ausgibt, stärkt dies mittel- bis langfristig die eigene Währung“

so sehen Sie scheinbar diese Möglichkeit nicht, dass es ja auch so sein könnte, wie bei den USA: Sie müssen keine „Reinvestitionen“ mit fremder Währung vornehmen. Sie können souverän investieren, nur nach ihrem imperialen Geschmack.

Bitte widersprechen Sie mir, wenn sie diesen Zusammenhang nicht so sehen.

Ich würde mich sehr über eine kurze Antwort freuen, natürlich noch mehr, wenn Sie den Leserbrief veröffentlichen wollen. Die Debatte ist ganz sicher sehr wichtig!

Vielen Dank für ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit!

Mit herzlichen Grüßen
Bertram Burian

Antwort Jens Berger:

Sehr geehrter Herr Burian,

im Artikel hatte ich doch das Thema „Transaktionswährung“ sehr ausführlich behandelt. Da die Kunden in den USA nun mal nicht in Yuan, sondern in Dollar zahlen, muss an irgendeiner Stelle in der Handelskette das Geld umgetauscht werden. An welcher Stelle der Handelskette dies geschieht, ist in der Tat irrelevant. Würde zum Beispiel der Importeur in den USA die Ware in Yuan bezahlen, müsste er halt Dollar in Yuan umtauschen, da er von seinen Kunden ja in Dollar bezahlt wird. Er müsste sich die Yuan also gegen Dollar bei der chinesischen Notenbank eintauschen. Das ist gehupft wie gesprungen. Ob die chinesische Notenbank nun die Dollar vom chinesischen Exporteur oder vom amerikanischen Importeur bekommt, spielt keine Rolle. Wer in einen anderen Währungsraum exportiert, kommt da nicht drumherum.

Und zu den Reinvestition und dem „imperialen Geschmack“. Das kann China doch heute schon und tut dies ja auch. Der Dollar ist schließlich frei konvertibel. Wenn China z.B. einen Hafen in Indonesien kaufen will, kann es seine Dollar-Guthaben in indonesische Rupiah umtauschen und den Kaufpreis entrichten. Ich verstehe daher ihre Argumentation nicht so ganz. Niemand zwingt China einen großen Teil seiner Devisenreserven in Dollar und Euro zu halten. Und die Zusammensetzung der Devisenreserven spielt keine Rolle bei deren Verwendung. Das ist die souveräne Entscheidung.

Beste Grüße
Jens Berger


3. Leserbrief

Sehr geehrtes Nachdenkseiten-Team,

Vielen Dank für Herrn Bergers interessanten und aufschlussreichen Artikel “Hintergrund: Denkfehler ‘Dollarhegemonie’.”

Es wäre ergänzend vielleicht noch sinnvoll, etwas zu einer weiteren These zu sagen, die man immer wieder hört: Dass nämlich die USA ihrer hohen Staats-Schulden wegen in großen Schwierigkeiten stecken würden; oder gar, dass sie sich auf aggressive oder gar militärische Weise ökonomische Vorteile verschaffen müssten, um ihre “exorbitanten” Schulden zurückzahlen zu können.
Tatsächlich beruhen solche Annahmen auf grundlegenden Missverständnissen bzgl. moderner Staaten und ihrer selbsterzeugten Fiat-Währungen; es sind dies Missverständnisse, die sich dann oft auch an anderer Stelle bemerkbar machen.

Jens Berger deutet es ja schon an: Ein Staat ist nie auf externe Gläubiger angewiesen, soweit es um seine eigene Währung geht; er kann sich immer auch direkt bei seiner eigenen Zentralbank (die ja letztlich ein Teil von ihm ist) Geld “leihen”. Oder genauso gut könnte er, sofern er sich nicht durch dysfunktionale Gesetze selbst blockiert, seine Zentralbank einfach anweisen, ihm das entsprechende Geld direkt zur Verfügung zu stellen, ohne dass auch nur formell ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis bestünde.

Funktional unterscheidet sich eine direkte “Finanzierung” des Staates durch die eigene Zentralbank ohnehin kaum vom “üblichen” Prozedere, bei dem die staatliche Zentralbank den Geschäfts-Banken Geld leiht, welches diese dann wiederum dem Staat leihen (siehe Maurice Höfgen: Mythos Geldknappheit, Schäffer & Poeschel, 2020).

Es ist dabei auch zu beachten, dass auch der Zentralbank durch den Prozess der Geld-Erzeugung keine Schulden entstehen. Die Verbuchung von “Reserven” durch die Zentralbank als “Verbindlichkeiten” stellt einen Anachronismus aus dem Zeitalter des Gold-Standards dar, und die Zentralbank schuldet den Geschäfts-Banken in diesem Zusammenhang nichts außer der Umwandlung von Zentralbank-Geld der einer Form in Zentralbank-Geld der anderen Form (vgl. Wolfgang Edelmüller: Die verhinderten Möglichkeiten der Geldpolitik. Wirtschaft und Gesellschaft – WuG, 42(2), S. 257-280, 2016).
Ein Staat, welcher mithilfe seiner Zentralbank Geld “herstellt” und ausgibt, verschuldet sich also erst einmal überhaupt nicht.

Auch kann also ein Staat, der eine eigene Währung herausgibt (und einige wenige weitere grundlegende Bedingungen erfüllt) niemals in Zahlungsschwierigkeiten im Hinblick auf seine eigene Währung geraten. Dies zeigt sich etwa auch an Japan, einem Land, das formell mehr “Staatsschulden” hat als Griechenland sie je hatte – und das dank der Tatsache, dass es eine eigene Zentralbank hat, welche hinreichend viele japanische Staatsanleihen kauft, dennoch mit keinerlei “Schuldenkrise” konfrontiert ist.

Der Staat, der als Währungs-Monopolist alles Zentralbank-Geld erst einmal emittiert (auch das, welches er dann später eventuell als Kredit aufnimmt!), hat immer so viel Geld, wie er möchte, und nichts könnte weiter entfernt sein von der Wahrheit als die Meinung, dass er auf die Gnade der “Finanzmärkte” angewiesen sei, deren “Vertrauen” oder “Gunst” er durch marktliberale Reformen irgendwie “gewinnen” müsste.
Und selbstverständlich sind die USA als der einzige Akteur weltweit, der gültige US-Dollar erzeugen kann, auch nicht auf einen fremden Staat wie China angewiesen, um an Geld in ihrer eigenen Währung (d.h. US-Dollar) zu gelangen. Umgekehrt muss China sämtliche US-Dollar, die es haben will, von den USA beziehen – sei es direkt oder über Dritte.

Insbesondere gilt somit auch, dass “Staatsschulden” in der eigenen Landeswährung eigentlich überhaupt keine Schulden im genuinen Sinne darstellen. Sie unterscheiden sich nämlich radikal von “gewöhnlichen” Schulden:

Staatsschulden dieser Art können zum fälligen Zeitpunkt immer problemlos bedient werden.

Sie könnten tatsächlich zu jedem beliebigen Zeitpunkt vollständig zurückgezahlt werden (auch wenn das in der Praxis nicht immer opportun sein mag).

Zur Tilgung alter Schulden – oder auch generell – müsste der Staat sich noch nicht einmal formell neu verschulden, sondern er könnte das benötigte Geld einfach direkt erzeugen. (Und dies wäre wohl auch das beste, weil auf diese Weise unnötige Missverständnisse vermieden würden – abgesehen davon, dass Staatsanleihen, auch wenn sie zur “Finanzierung” des Staates nicht benötigt werden, andere sinnvolle Funktionen haben können.)

Per se belasten Staatsschulden auch künftige Generationen nicht im Mindesten.

Staatsschulden in eigener Währung begrenzen den finanziellen Spielraum eines Staates nicht. Der Staat kann immer so viel Geld ausgeben, wie er will. Existieren freie verfügbaren Ressourcen, die mithilfe der staatlichen Währung mobilisiert werden können, so kann der Staat sie auch immer mobilisieren.

So etwas wie eine “Überschuldung” des Staates in seiner eigenen souveränen Währung kann es nicht geben.

Daher stellen die in US-Dollar denominierten Staatsschulden der USA per se auch keinerlei Bürde für die USA dar – so wenig wie die Staatsschulden der Schweiz, welche in Schweizer Franken denominiert sind, ein Problem für die Schweiz wären. Die USA mögen in vielerlei Hinsicht in einer schweren Krise stecken – man denke etwa an die verfallende Infrastruktur – aber Schulden in US-Dollar sind kein Teil ihrer Probleme.

Es wäre daher m.E. auch erwägenswert, im Zusammenhang mit währungspolitisch souveränen Staaten und ihren “Schulden” in der eigenen Währung überhaupt nicht von “Staatsschulden” zu sprechen, oder nur in Anführungszeichen, da dieser Begriff zwar rein formell korrekt ist, in der Sache jedoch hochgradig missverständlich bzw. hochgradig irreführend. (So wie übrigens das ganze “übliche” System, bei dem der Staat sich über Umwege sein eigenes Geld selbst ausleiht, kompliziert und irreführend ist).

Die einzige Grenze für einen Staat mit eigener Währung besteht jedenfalls immer nur in der Begrenztheit der realen (!) verfügbaren Ressourcen – und damit zusammenhängend einer drohenden nachfragebedingten Inflation, die entstehen würde, wenn der Staat allzu viel Geld ausgäbe. (In einer solchen Situation müsste der Staat dann seine Ausgaben vermindern oder dem privaten Sektor (etwa durch erhöhte Steuern) vermehrt Kaufkraft entziehen. Von einer kritischen nachfragebedingten Inflation sind wir allerdings ja schon seit Jahrzehnten weit entfernt.)

Es ist somit auch klar, dass ein Staat mit eigener Währung durch höhere Staatsausgaben jederzeit diejenige Nachfrage schaffen kann, derer es bedarf, um Vollbeschäftigung zu erzeugen (er muss wie gesagt nur darauf achten, keine Inflation zu erzeugen, wenn die Ressourcen sich der maximalen Auslastung nähern).

Dass für den Staat keineswegs das Geld, sondern die realen Ressourcen der kritische Punkt sind, wird offenbar auch von amtierenden und ehemaligen Zentralbankern wie z.B. Alan Greenspan gesehen – etwa im Zusammenhang mit der Renten-Debatte (siehe z.B. das genannte Buch von M. Höfgen).
Nur leider werden solche Einsichten nicht prominent und nachdrücklich genug geäußert, oder sie finden nicht das Echo, das ihnen gebührt. Bedauerlicherweise ist die grundlegend falsche Betrachtungsweise, dass der Staat wie ein privater Haushalt oder ein privates Unternehmen funktioniere, noch immer weit verbreitet.

Natürlich kann sich der Staat – oder in unserem Fall die Euro-Zone – durch entsprechende Regelungen unnötig selbst blockieren und sich künstlich selbst in eine Situation versetzen, in welcher es ihm am notwendigen Geld fehlt. Er kann so beispielsweise die Wirtschaft unnötig strangulieren, Armut und Arbeitslosigkeit erzeugen oder Regelungen treffen, die dazu führen, dass künftige Generationen tatsächlich durch (heutige) Staatsschulden belastet werden (zumindest falls die künftigen Generationen die entsprechenden Regelungen übernehmen). In der Tat kann man durch entsprechende Entscheidungen völlig unnötig einen unermesslichen Schaden anrichten (die Griechenland-Krise lässt grüßen). Der Staat kann versuchen, mit Gewalt in die Rolle eines privaten Haushaltes oder Unternehmens zu schlüpfen und sich dementsprechend verhalten, obwohl er keines von beiden ist.

In diesem Zusammenhang ist jedoch aufs Nachdrücklichste darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um rein politische Entscheidungen handelt, die nicht nur jeder Sachlogik entbehren, sondern auch im allerhöchsten Maße dysfunktional und destruktiv sind. Es ist ganz so, als ob jemand seine beiden völlig gesunden Arme vollkommen unnötig in einen dicken Gips-Verband packen und sich dann beschweren würde, dass er viele wichtige Dinge nicht tun könne, da er seine Arme nur sehr eingeschränkt benutzen könne.

Es sollte daher alles daran gesetzt werden, die Öffentlichkeit korrekt zu informieren und auf eine Änderung der politischen Regelungen hinzuwirken, so dass der Staat bzw. die Euro-Zone sich nicht unnötig finanzielle Probleme schaffen, und damit stattdessen die realen Probleme diskutiert und angegangen werden.

Beste Grüße
J.R.


4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

Ihr ausführlicher und sehr informativer Artikel regt mich zu folgender Erwiderung an:

Außerhalb der MSM ist hinreichend belegt, dass Gaddafi und S. Hussein sterben mussten – sie wurden von den US-Amerikanern auf bestialische Art und Weise ermordet – weil beide Überlegungen angestellt hatten ihre Rohstoffe nicht mehr in US $, sondern in den jeweiligen Landeswährungen zu handeln. Warum wurden beide Staatsmänner umgebracht, wenn doch der US $ als Reservewährung nicht von so großer Relevanz ist?

Die Staaten Russland, China, Indien und jetzt sogar Saudi-Arabien bereiten erste Schritte vor, ihren Handel nur noch in Landeswährung abzuwickeln. Warum? Diese Staaten werden sobald die ersten Kontrakte in Landeswährung abgeschlossen sind, und China und die Saudis haben die ersten Verträge dazu unterzeichnet, sukzessive ihre in US $ gehaltenen Papiere auf den Markt werfen. Russland hat damit schon begonnen und legt Rücklagen z.Zt. in großen Mengen in Gold an. All das kann den US $ in Schieflage bringen, kann dazu führen, das die USA über kurz oder lang vor einem Bankrott stehen. (Was dieses Land ja eigentlich jetzt schon ist, und nur das Militär, das rücksichtslos eingesetzt würde, hält die USA ökonomisch und geopolitisch über Wasser).

Die Länder entwickeln sich wirtschaftlich. Sehen Sie sich China und Indien, die Türkei, Brasilien, Argentinien, Ägypten und viele Länder des afrikanischen Kontinents an. Angesichts der enormen Reserven an Bodenschätzen ist das Entwicklungspotenzial dort enorm. Es entstehen neue Zentren des Wirtschaftswachstums. Der Westen (die USA) versucht, das zu verhindern, unter anderem spekuliert er auf die Mechanismen, die in der von ihm geschaffenen Globalisierung seinen Interessen dienen sollen. Hier spielt der Dollar als Reservewährung eine der wichtigsten Rollen. Sehen Sie das anders, Herr Berger?

Deshalb gibt es mehr als Versuche innerhalb der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der BRICS, der GUS, der Eurasischen Wirtschaftsunion, in Zusammenarbeit mit den Verbänden Asiens, Afrikas und Lateinamerikas auf jede Weise neue Formen der Zusammenarbeit aufzubauen, um nicht vom Westen (USA) und seinen – inzwischen eindeutig – neokolonialen Methoden abhängig zu sein. All das wird unternommen um die US $ Dominanz in der globalisierten Welt zumindest einzuschränken, wenn nicht sogar aufzulösen.

Ob sich die sog. Supermacht davon beeindrucken lässt, oder wieder ihre Militärmaschinerie in Gang setzen wird, wenn es Spitz auf Knopf steht, kann ich nicht seriös einschätzen. Ich denke aber, dass die Politiker der von mir aufgezählten Länder, diese militärischen Möglichkeiten der Atommacht USA in ihre Überlegungen einbeziehen. Von dem erpresserischen Mittel “Sanktionieren” gar nicht erst zu reden. Natürlich wird der US $ nicht von heute auf morgen im globalen Handel verschwinden, aber an den neuen “Weltmächten” China -ökonomisch – und Russland – militärisch, können die USA nicht mehr in der Form agieren, wie sie es an Hussein und Gaddafi praktiziert haben.

Sollten sie sich zu militärischen Aktionen – also nicht nur zu Stellvertreterkriegen wie z.Zt. in der Ukraine – hinreißen lassen, dann werden wohl erstmals in der Geschichte auch in den USA selbst die ersten Wolkenkratzer im Raketenhagel zerstört.

Dieses, von mir beschriebene Szenario, lässt die Nationen, die sich für eine multipolare Welt stark machen auch absolut vorsichtig agieren.

Ich sehe – anders als Sie, Herr Berger – den $ in einer absteigenden Position. Liege so falsch?

Es grüßt Sie aus Göttingen
Helmut Ische

Antwort Jens Berger:

Lieber Herr Ische,

nicht alles, was „außerhalb der MSM“ steht, stimmt. Ich kenne diese Artikel und Bücher von z.B. Clark und Engdahl und halte sie für hanebüchen. Nur ein Punkt dazu: Saddam Hussein hat vor der Kriegserklärung der USA sein Öl nicht in USD, sondern im Rahmen des Oil- for Food-Programms der UN verkauft und dies vornehmlich in Euro und nicht in Dollar.

Nach dem Krieg hat übrigens die kurdische Region des Iraks ihre ersten Volumenverträge in Joint Ventures mit Total an Frankreich in Euro und mit Sinopec an China in Yuan abgeschlossen. Als dritter Player war noch Lukoil (Russland) mit Irak im Geschäft. Ich hatte damals nicht herausgefunden, welche Transaktionswährung die Verträge von Lukoil hatten, aber man kann annehmen, dass sie nicht unbedingt zu 100% zu USD lauteten. Ansonsten kann ich Ihnen nur noch einmal die Lektüre des Artikels nahelegen. Das sollte diese Punkte eigentlich klären.

Beste Grüße
Jens Berger


5. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger

Man findet leider sehr wenig wirklich erhellende Literatur zum Thema Geldpolitik, böse Zungen behaupten das läge daran das es sich hierbei um Herrschaftswissen handele. Man mag von Ernst Wolf halten was man will, aber er hat die Zusammenhänge auch für Laien verständlich recht gut in seinem Buch „Wolf’s wahnsinnige Wirtschaftslehre beschrieben.

Im ihrem Beispiel mit dem iranischen Öl Exporteur bleibt leider unklar wie denn die überwiesenen Euro wieder auf den Markt geworfen werden sein Dienstleister tauscht die Euro ja in Real, und damit hätte der Öl Exporteur nun eine Forderung an seinen Inlandsmarkt und der Transaktionsdienstleister mit den Euros und nun eine Forderungen an den EU Binnenmarkt.

Hier einmal eine Möglichkeit wie es tatsächlich funktionieren könnte, der Einfachheit halber setze ich den Transaktionsdienstleister mit der jeweiligen Landes Zentralbank gleich.

Der iranische Exporteur liefert also an ein EU Land Öl und wird dafür in Euro bezahlt, seine Zentralbank tauscht für ihn die Euro in Real und überweist ihm das Geld in seiner Landeswährung. Dieser Vorgang dürfte ähnlich wie eine Kreditvergabe funktionieren, die Real werden von der iranischen Zentralbank aus dem Nichts geschöpft. Im Gegenzug behält die Zentralbank zunächst die eingenommenen Euro als Devisenreserve. Möchte nun ein Iraner etwas im EU Binnenmarkt erwerben, überweist er widerum Real an seine Zentralbank und diese überweist den entsprechenden Eurobetrag an den EU Verkäufer. Die Iranische Zentralbank legt die eingenommenen Real natürlich nicht auf ein Konto sondern Bucht den Betrag auf ihrem Zentralbank Konto wieder aus, damit verschwinden die zuvor aus dem Nichts geschöpften Real wieder, ein Nullsummenspiel für die Zentralbank.

Kritisch wird es erst dann wenn Iran durch seine Exporte permanent Überschüsse erzielt, dann steigen einerseits die Geldmenge in Real und andererseits die Euro Devisenreserven der iranischen Zentralbank permanent an. Für den Euroraum bedeutet das, man bekommt das iranische Öl zunächst nur für ein Lieferversprechen ohne das man tatsächlich etwas liefert. Das geht dann solange bis der iranische Ölexporteur genug Vermögen angehäuft hat um in Europa auf Einkaufstour gehen zu können, z.B. sich in deutsche Infrastruktur einzukaufen. Das ist dann der Tag der Abrechnung, wir nennen das heute Privatisierungen.

An dieser Stelle kommen wir nun zum Petrodollar. Wenn es den USA gelingt das international die Öl Geschäfte ausschließlich auf Dollar Basis abgewickelt werden müssen, wäre jedes Land gezwungen Dollar als Devisenreserven für ihre Öl Geschäfte in den USA einzukaufen, ohne das sie dafür auf dem US Markt im Gegenzug einkaufen könnten. Die USA hingegen können die so eingenommenen internationalen Devisenreserven aber jederzeit nutzen um damit weltweit auf Einkaufstour zu gehen, z.B. europäische Unternehmen aufkaufen. Der Petrodollar bietet den USA also durchaus ernstzunehmende Vorteile.

Die so generierten US Dollar häufen sich dann als Devisenreserven in den Öl Export Ländern. Wir erinnern uns, wohin man in Europa auch schaut, überall haben russische Oligarchen aufgekauft was nicht niet und nagelfest war.

Die Lösung für das Problem, sobald die Dollar Gläubiger Länder anfangen ihre Dollar auf den Markt zu werfen erklärt man sie kurzerhand zum Schurkenstaat, verhängt Sanktionen, bricht Handelsbeziehungen ab oder führt gleich Krieg und schon sind die Schulden vom Tisch.

Das könnte auch der wahre Grund sein, weshalb die EU derzeit bereitwillig das US Spiel mit spielt, schließlich ist es doch besser westliche Philanthropen statt russischer Oligarchen kaufen unsere Infrastruktur auf, oder gar, Gott bewahre uns davor, der chinesische Staat.

Viele Grüße und danke für ihre vorbildliche Arbeit
S.Thomas

Antwort Jens Berger:

Sehr geehrter Herr Thomas,

da steckt natürlich viel Wahres drin. Aber letztlich geht es hierbei – so leid es mir tut – auch nicht um Währungen, sondern um die Souveränität, Devisenüberschüsse zu verkonsumieren oder zu investieren. Dieses Problemstellung wurden interessanter im Hollywood-Film „Syriana“ recht unterhaltsam dargestellt …

Solange die OPEC-Länder sich für die hereinfließenden US-Dollar ihre “Spielzeuge” – also Yachten, Sportwagen, Kunstwerke, Kampfjets, Panzer usw. – gekauft oder das Geld im Ausland verjubelt haben, war dies den USA sehr recht. Nur investieren sollten sie das schöne Geld doch bitte schön nicht. Zumindest das hat sich – durchaus gegen den Willen der USA – in den letzten Jahrzehnten ja geändert.

Beste Grüße
Jens Berger


6. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktionsmitglieder,

den folgenden Leserbrief möchte ich als Antwort auf Jens Bergers Artikel „Hintergrund: Denkfehler Dollarhegenonie“ richten:

„Sehr geehrter Jens Berger,

Ihren Artikel habe ich mit Aufmerksamkeit gelesen. In manchen Punkten scheint er meinem Vorschlag einer Kunstwährung zu widersprechen (cashkurs.com/kolumne/beitrag/eine-kunstwaehrung-die-den-us-dollar-verdraengen-koennte). Wenn ich als Ziel die Schwächung des US-Dollar anstrebe, dann bedeutet dies mittelbar eine Stärkung des Yuan und der Währungen anderer aufstrebender Nationen. Nach Ihren Ausführungen seien aber Staaten bestrebt, die eigene Währung schwach zu halten, um einerseits Importe zu verteuern und andererseits die eigenen Produkte auf dem globalen Markt wettbewerbsfähiger zu machen.

Hierbei handelt es sich aus meiner Sicht eher um eine „Lehrbuchweisheit“, die zumindest nicht als alleiniges Kriterium gelten sollte. Die im Westen stattgefundene De-Industrialisierung hat nämlich der Herstellung wettbewerbsfähiger Produkte die Basis entzogen, sodass zumindest eine längere Anlaufzeit benötigen würde. Auch gibt es zahlreiche Mittel zur Erschwerung von Importen (u.a. Verweis auf Sozialstandards und Klimaneutralität, politisch begründete Autarkie) und zur Stimulierung von Exporten (u.a. Subventionierung, Steuerermäßigungen). Überhaupt sollte jedes Land gemäß den eigenen volkswirtschaftlichen Zielsetzungen entscheiden können, inwieweit es sich dem globalen Handel öffnet, was den meisten Staaten des globalen Südens in der Praxis verwehrt wird.

Schließlich ist der Entwicklungstrend einer Währung wichtiger als ihr aktueller Kurs. Insbesondere Zentralbanken sind an der Wertbeständigkeit ihrer Rücklagen interessiert. Wenn beispielsweise Saudi-Arabien sein Öl für Yuan statt US-Dollar verkauft, kann es bei einem Dollarschwund sein Staatsvermögen erhalten.

Sie verweisen darauf, dass größere und langfristig vereinbarte Transaktionen einer Absicherung durch Terminkontrakte bedürfen, um das Risiko sowohl von Verkäufern als auch von Käufern zu vermindern. Daher kommen tatsächlich nur Währungen mit großer Verbreitung in Frage. Sollte sich nun aber der Dollar in einem Abwärtstrend befinden, dürften solche Kontrakte für den Käufer recht teuer werden, sodass er vielleicht lieber in Yuan ausbezahlt werden möchte.

Damit sich eine Kunstwährung im von mir beschriebenen Sinn durchsetzen kann, muss es Geldinstitute geben, die für den Handel notwenige Kontrakte zur Risikoabsicherung anbieten. Sie müssten mit genügenden Rücklagen ausgestattet sein und sich auf ein möglichst breites Spektrum von Akteuren stützen (etwa der BRICS+), um ausreichende Sicherheit gewähren.

Eine schrittweise Ablösung des US-Dollar als dominante Handels- und Reservewährung erscheint mir auch dann möglich, wenn die USA nicht Staaten zu Sanktionszwecken aus dem Dollar-basierten Finanzsystem ausschließen. Existiert eine Alternative zum US-Dollar und wird immer offensichtlicher, dass dessen Wert nicht durch wirtschaftliche Realdaten gestützt ist, wäre eine Beschleunigung des Abwärtstrends zu erwarten, indem vermehrt Spekulanten aufspringen.“

B.M.


7. Leserbrief

Lieber Jens Berger

Ich bin sicher kein Experte, was Finanzsysteme, Währungen etc. betrifft.
Nur eines finde ich super einfach erklärbar: Ist mein Spielgeld von anderen akzeptiert und begehrt, habe ich vielfältige Möglichkeiten, dieses Spielgeld zu meinen Bedingungen in beliebigen Mengen zu drucken, solange wie die anderen mitmachen.
Und habe ich durch eine quasi Monopolstellung die Möglichkeit, anderen die Bedingungen rund um mein Spielgeld zu diktieren, dann bin ich faktisch auf einer Augenhöhe mit Gott.

Was Sie gerade in Ihrem Artikel hingegen versuchen zu vermitteln – alles halb so wild und überschätzt – ist in meinen Augen falsch und überaus kontraproduktiv für die nachdenkseiten. Sie greifen einige dedizierte Möglichkeiten auf, wo es tatsächlich so sein könnte oder gar ist, um sie anschließend gleich wieder zu relativieren. Das zieht sich durch Ihren gesamten Beitrag. Letzten Endes ist es anscheinend nach Ihrer Auffassung egal, welches Geld wer wann wo einsetzen tut, um zu handeln. Sanktionen wurden Ihrerseits nicht einmal erwähnt, wenn ein Unternehmen/Land versucht, andere Währungen zu verwenden. Sanktionen tauchen lediglich in Bezug auf Wirtschaft auf, also faktisch Warenboykott. Was ist mit Libyen, mit Syrien, mit Iran und weiteren Ländern passiert, als diese versuchten, den Dollar zu umgehen? Nicht ein Wort. M.E. liegt hier ein Schwachpunkt Ihrer gesamten Argumentation: Sie unterschätzen die Bedeutung für die FED, falls sich umsatzstarke Länder vom Dollar abwenden. Zumal dann, wenn es um “strategische Ressourcen” geht.

Der Dollar ist m.E. nun mal Spielgeld in den Händen von US-Oligarchen, und die spielen mit vollem und vor allem hohen Einsatz, wo andere schwer mithalten können. Mit dem Wirtschaftsstandort China ist allerdings eine Kraft entstanden, die davon weitestgehend unbeeindruckt agieren kann, zumal wenn sie andere Mitspieler findet. Und das passiert zunehmend und auch immer schneller. Natürlich können die USA die Gelddruckpresse anschmeißen, wie es ihnen beliebt, da der Finanzmarkt und damit der Wirtschaftsmarkt vom Dollar abhängig ist. Die Banken regieren doch schon lange, und der Wirtschaft bleibt lediglich übrig, dem Finanzmarkt zu entsprechen. Der Westen ist wirtschaftlich fertig, er will es nur nicht wahrhaben. Er wird von Banken regiert.

Wo kommen z.B. in Deutschland plötzlich 100 Milliarden Sondervermögen her, ja jetzt wohl an die 300 Milliarden? Hat da jemand einen Schatz gefunden? Sicherlich nicht. Das Geld existierte einfach nicht bis dahin, es wurde “geschaffen”. Genau das, was die USA schon seit Jahrzehnten praktizieren. Nur hatten die die Möglichkeit, dank dem Petro-Dollar und Währungsreserven das Risiko auf andere zu verteilen. Prost.

Soweit meine unwesentliche Meinung.

LG Rayk.H.

Antwort Jens Berger:

Lieber Rayk H.,

schönen Dank für Ihr Feedback. Aber leider vermute ich, dass Sie den Artikel nicht vollständig gelesen haben. Selbstverständlich spreche ich die „nicht-monetären“ Faktoren und da insbesondere die Sanktionsproblematik im Artikel an. Der Begriff „Sanktionen“ kommt im Artikel ganze elfmal vor.

Beste Grüße
Jens Berger


8. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

herzlichen Dank für die Darstellung zu Zusammenhängen des internationalen Währungssystems. Ich fand ihn sehr erhellend und habe gemerkt, dass mir viele wirtschaftliche Zusammenhänge theoretisch und begrifflich vertraut sind. Das bedeutet aber leider nicht immer, das mir die dahinter stehende Realität klar ist. Gelegentlich fällt mir deshalb auch eine alte Frage an mich selbst ein: “Verstehst du auch, was du so geläufig liest?”. Unter Pädagogen ist die Ansicht weit verbreitet, dass ein Gegenstand erst dann “begriffen” ist, wenn man ihn erklären kann. DANKE! Solche Beiträge sind eine große Hilfe: in der Argumentation und zur Überprüfung des eigenen Wissensstandes.

Mit freundlichen Grüßen
Christa P. Meist


9. Leserbrief

Sehr geehrte NDS Redaktion,

Ich versuche ein zusätzliches Element ins Licht zu rücken.
Kredit beruht voll und ganz auf Vertrauen, genauer gesagt das Vertrauen dass der Kredit zurückgezahlt wird.
Dieses Vertrauen ist aber hochgradig abhängig von psychologischen und subjektiven Elementen.

Der Schuldenberg der USA ist gigantisch, super gigantisch.
Gerade jetzt steht die USA mal wieder wie jedes Jahr vor dem finanziellen Shutdown.
Schuldenberg = etwa 100000 $ pro Einwohner, Tendenz steigend.

Wie lange hält dieses Vertrauen noch der USA Kredite zu gewähren?
Beurteilungen der Ratingbureaus dürften als virtuell anzusehen sein.
Sollte das Vertrauen aufhören der USA endlosen Kredit zu verschaffen klappt das finanzielle System der Welt wie ein Kartenhaus zusammen.

Die Gefahr der Dollarhegemonie liegt in ihrer Monokultur.
Ist wie Börse und Kasino alles auf eine Aktie oder 1 Roulettezahl.
Früher oder später geht das schief.

Mit freundlichem Gruß
Patrick Janssens
Brasschaat
Belgien


10. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

danke für die klar geschriebene und gut verständliche Erklärung. Ich habe viel daraus gelernt.

Aber natürlich gibt es ein “Aber”. Vielleicht können Sie mir das auch noch aufklären.

Dass der Dollar von Staaten und Unternehmen auf der ganzen Welt als Transaktions- und Reservewährung verwendet wird, hat ja auch zur Folge, dass vermutlich der größte Teil der jemals emittierten Dollars heute außerhalb der USA umgesetzt wird. Wenn die USA (oder Unternehmen in den USA) im Ausland mit Dollars bezahlen, dann senkt das nicht den Wert des Dollars, weil a) der Dollar auch von Anbietern außerhalb der USA nachgefragt wird und b) alle Beteiligten, wie Sie gezeigt haben, ein Interesse daran haben, den Dollar stabil zu halten.

Diese Konstruktion ermöglicht den USA ihr gigantisches Handelsbilanzdefizit. Seit ungefähr Ende der 70er Jahre (vermutlich nicht zufällig ungefähr seit dem Ende von Bretton-Woods, oder?) haben die USA erst langsam, dann beschleunigt immer mehr gekauft, als sie verkauft haben (s. z.B. hier: https://de.investing.com/economic-calendar/trade-balance-286). Da man Geld nicht essen kann und auch nicht zu erwarten ist, dass die USA diese Rechnung jemals ausgleichen, kann man plakativ sagen: Die USA haben sich vom Rest der Welt Waren von durchschnittlich ca. 30 Mrd Dollar pro Jahr schenken lassen. Das geht nur deshalb, weil der Rest der Welt das Geld nicht wieder zurück auf die Realgütermärkte der USA trägt – dann würde der Dollar abstürzen.

Das geht aber nur solange gut, wie der Rest der Welt diese Dollars akzeptiert, weil die Warenverkäufer davon ausgehen, dafür ihrerseits etwas im selben Wert kaufen zu können. Wenn aber die Rolle des Dollars als Reservewährung schwindet, werden die USA ihre Schulden irgendwann in Leistung bezahlen müssen (was sie weder können noch wollen), oder bankrott gehen.

Stimmt das, oder ist das ebenfalls ein Denkfehler?

Mit herzlichen Grüßen,
Konrad Lehmann

Antwort Jens Berger:

Lieber Herr Lehmann,

das kann man in dieser Klarheit nicht sagen. Es gibt einen Unterschied zwischen Dollar-Guthaben und Dollar-Forderungen und die wiederum sind von Dollar-Konten zu unterscheiden. Hier wird es jedoch sehr kompliziert. Aus Sicht der FED sind auch alle Auslandskonten, die in Dollar notieren, Verbindlichkeiten, während z.B. US-Staatsanleihen Forderungen sind. Ich fürchte aber, dies jetzt im Detail auseinander zu nehmen, würde zu weit gehen und auch nicht unbedingt weiterführen. Zu ihrem Punkt: Ich habe im Artikel ja das Petrodollar-Recyling angesprochen. Es ist nicht so, dass „nur“ die USA ein ökonomisches Interesse daran haben, dass ihre Außenhandeldefizite zurückfließen. Die Länder mit permanenten Außenhandelsüberschüssen haben ein mindestens genau so großes Interesse. Die Handelskriege der letzten Jahrzehnte gingen nicht um eine Auf-, sondern um eine Abwertung der eigenen Währung, um international konkurrenzfähig zu bleiben/werden. Sie müssen hier auch sehen, dass die Länder mit Überschüssen permanent Forderungen aufbauen. Das können Staatsanleihen sein, das können aber auch Besitztitel (Aktien, Immobilien, Unternehmen usw) sein.

Beste Grüße
Jens Berger


11. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

Ihr Artikel stellt viele technische Punkte anschaulich dar, ich habe ihn gerne gelesen.

Allerdings finde ich, dass Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht meh sehen und das Thema letztlich unterschätzen. Meiner Meinung nach wird der Niedergang des Dollars natürlich nicht über Nacht, aber doch unaufhörlich stattfinden mit gravierenden Konsequenzen, die letztlich eben doch die Weltmachtstellung der USA beenden werden.

Es geht auf den Finanzmärkten letztlich immer um Vertrauen. Dieses hatte der Rest der Welt bisher freiwillig oder unfreiwillig in die Stärke der amerikanischen Volkswirtschaft und des US-Militärs. Beides hat bereits stark gelitten und wird sich fortsetzen.

Darüber hinaus ist es natürlich möglich, eine alternative technische Infrastruktur für das US-dominierte Finanzsystem bereitzustellen – also Alternativen für SWIFT, für den Dollar als Weltreservewährung, usw. Und ich gehe fest davon aus, dass das durch BRICS+ forciert vorangetrieben wird.

Nicht zuletzt: Die nichtwestliche Welt hat einen immer größeren Willen sich aus der jahrhundertelangen Unterjochung durch den Westen zu befreien, auch wenn es kurzfristig Nachteile bedeuten mag. Das sollte man keinesfalls unterschätzen.

Sie wissen vermutlich, dass u.a. Ray Dalio, Michael Hudson und Zoltan Poszar dieses Thema gänzlich anders bewerten als Sie.
Und diese Leute verstehen m.E. nun wirklich das Finanzsystem bis in alle Details.

Machen Sie weiter mit Ihrer wichtigen Arbeit!

VG
Siegler


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