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- Die Panzerallianz
Mit der Entscheidung, Kiew westliche Kampfpanzer zu liefern, tritt faktisch eine von ukrainischen Militärs gesteuerte NATO-Panzertruppe in den Ukraine-Krieg ein. Kanzler Olaf Scholz hat die Entsendung von 14 Leopard 2A6 zugesagt, eines der modernsten Modelle. Gemeinsam mit Verbündeten werde man „rasch zwei Panzerbataillone“ bilden, teilt Scholz mit; das wären 80 bis 90 Kampfpanzer. Militärexperten urteilen, mit zweien dieser Bataillone könne es gelingen, an Teilen der Front Durchbrüche zu erzielen – etwa im Rahmen der geplanten ukrainischen Frühjahrsoffensive, von der manche fordern, sie solle die Rückeroberung der Krim anstreben. Zusätzlich werden weitere Waffensysteme im großen Stil geliefert, die laut NATO-Doktrin „im Gefecht einen Verbund“ mit den Kampfpanzern bilden: Schützenpanzer, Artillerie und Flugabwehr. Die Bundesregierung, die USA und weitere Länder stellen eine große Zahl an Schützenpanzern bereit, darüber hinaus neue Flugabwehrsysteme – etwa das Modell Patriot. In Verbindung mit Ausbildung kann die Lieferung von Kampfpanzern als Kriegsbeteiligung gewertet werden. Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert im nächsten Schritt Langstreckenraketen.
Quelle: German Foreign Policy
dazu: Panzer bringen keinen Frieden
Die Beteiligung deutscher Kampfpanzer werde die russische Armee zu einer Verstärkung ihrer Kräfte herausfordern, kommentiert Sebastian Engelbrecht. Eine weitere Eskalation des Krieges sei somit vorprogrammiert. […]
Das Zaudern des deutschen Kanzlers Scholz vor seiner Panzer-Entscheidung war deshalb nur allzu verständlich. Denn die Vorstellung, dass deutsche, besonders effektive Kampfpanzer durch den Osten der Ukraine fahren und auf den russischen Feind feuern, weckt auf allen Seiten die bittersten Erinnerungen. Vor 80 Jahren eroberte die Wehrmacht mit deutschen Panzern dieselben sowjetischen Gebiete zwischen Dnjepr und Donez, in die jetzt der „Leopard“ entsandt werden soll. Das westliche Bündnis sollte nicht unterschätzen, welche Erinnerungen in Russland wach werden, auch wenn Russland heute für diesen Krieg selbst verantwortlich ist.
Der Große Vaterländische Krieg war das Trauma der Russen im 20. Jahrhundert. Dieses durch deutsche Panzer jetzt wieder wachzurufen, ist mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Keine westliche Regierung kann diese Risiken überschauen. Es reicht bis hin zum Szenario eines Atomkriegs, vor dem die Internationalen Ärzte für dessen Verhütung seit einem Jahr eindringlich warnen.
Quelle: Deutschlandfunk
dazu auch: Die fatale Logik des Krieges
Mit dem Beschluss zu Panzerlieferungen unterwirft sich die Bundesregierung ein weiteres Mal dem Diktat des Militärischen […]
Wohin das alles noch führen wird, weiß niemand. Im Moment gibt es viel mehr düstere Ahnungen als hoffnungsvolle. Denn es ist ja klar, dass der Krieg in der Ukraine längst ein globaler Großkonflikt geworden ist, und wer sich massiv einmischt – etwa mit immer mehr Waffenlieferungen –, der macht sich zur Kriegspartei. Dabei sagen Leute, die es beurteilen können, dass dieser Krieg militärisch von keiner Seite zu gewinnen ist. Und doch gibt es Kriegsgewinnler: Die Aktie des Rüstungskonzerns Rheinmetall etwa, der unter anderem die Leopard-Panzer herstellt, legte innerhalb eines Jahres um mehr als 150 Prozent zu und hat gute Aussichten, in den Dax aufzusteigen, die Königsklasse des deutschen Aktienhandels. Das zeigt: Krieg lohnt sich. Er war schon immer ein prächtiges Geschäft.
Quelle: nd
und: Bundesregierung plant zweite, größere Panzerlieferung an Kiew
Die Bundesregierung plant bei einer weiteren Lieferung von Panzern an die Ukraine mehr dieser Waffensysteme zu senden als bisher. Das erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nach Information von Telepolis in der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses im Bundestag.
Vor den Mitgliedern des nicht öffentlich tagenden Ausschusses verteidigte der Sozialdemokrat die Lieferung einer ersten Tranche von 14 Leopard-2A6-Kampfpanzer als richtige Entscheidung. Eine zweite Tranche sei schon in Planung, dann in höherer Stückzahl, habe der Minister versichert.
Derzeit aber seien Modelle des Typs Leopard 1 etwa noch nicht lieferbar, zitierten mehrere Teilnehmer den Minister übereinstimmend, auch fehle es an Munition. Der modernere Leopard 2 besitze aber eine bessere Kampffähigkeit.
Quelle: Telepolis
- Der Ukraine-Krieg im Radio: Hilfe, ich halte meinen Lieblingssender nicht mehr aus
Bei mir war es schon vor der Panzer-Debatte so weit. Diese gibt jetzt auch einem Kollegen den Rest: Von welchem Radiosender kann man sich eigentlich noch wecken lassen, ohne ständig und einseitig über Angriffswaffen informiert zu werden?
Bei mir war es schon vor der Panzerdebatte so weit: Ich habe meinen Lieblingsradiosender, den Deutschlandfunk (DLF), nicht mehr ausgehalten und werde einstweilen nicht mehr durch ihn geweckt. Dem ging ein zähes Ringen voraus. „Noch ein solcher Kommentar von der Dornblüth und es reicht“, steht in meinen Tagebuchnotizen, oder: „Das Buch von Sabine Adler wird vom eigenen Sender in geradezu hofschranzartiger Manier ‚besprochen‘.“
Es war ein schmerzvoller Abschied. Ich hatte sogar mal eine Hommage an den Deutschlandfunk im Freitag geschrieben. Der DLF sei das letzte Medium des „gesellschaftlichen Zusammenhalts“ steht da. Das kann ich nicht mehr behaupten. Ein Kollege berichtete nun, dass er den DLF ebenfalls von seinem Radiowecker verbannt habe. Ich bin nicht alleine.
Quelle: der Freitag
dazu auch: Journalismus im Befeuerungsmodus: “Zeitenwende” ohne Zögern?
Mediale Mobilmachung: Warum die Formulierung “zögerliche Haltung” in Nachrichten nichts zu suchen hat. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die Position des Kanzlers wird sie dennoch eifrig genutzt.
Sie ist dieser Tage in vielen Medien anzutreffen und wird geradezu inflationär erwähnt: die sogenannte “zögerliche Haltung” vor allem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), diesmal mit Blick auf die von vielen Politiker:innen und Medienschaffenden geforderte Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die ukrainische Armee.
Bemerkenswert ist, dass diese Formulierung sehr häufig in nachrichtlichen, also vorgeblich informationsbetonten Texten auftaucht. Inwiefern ist aber “zögerliche Haltung” ein relativ sachlicher, objektivierender Ausdruck? Der Duden umschreibt “zögerlich” mit “abwartend, ängstlich, entschlusslos, entschlussunfähig”. Also mit zumindest drei klar negativ wertenden Eigenschaftswörtern. In Journalismus und generell in professioneller Kommunikation ist ein Gegentest ein probates Mittel, um Sprache angemessen zu verwenden.
Ist in der derzeitigen Nachrichtenlage auch nur denkbar, dass geäußert würde: “die bedachtsame Haltung” oder eben “die sorgsam abwägende Haltung” oder auch nur “die vorsichtige Haltung” von Scholz? Nein, das ist extrem unwahrscheinlich – so etwas würde sofort und machtvoll als positiv wertende Kommentierung verurteilt. Sicher nicht zu unrecht. Das heißt aber umgekehrt, dass die massenhaft verwendete Wortgruppe “zögerliche Haltung” in Nachrichten abseits von Zitaten (wie “Selenskyj kritisierte eine “zögerliche Haltung” der Bundesregierung”) buchstäblich nichts zu suchen hat.
Quelle: Telepolis
- Lady Macbeth mit Welpenblick: Baerbocks Krieg gegen Russland
Wenn die Gesichter der Menschen ihr tatsächliches Inneres zeigen würden, wie sähe dann das Gesicht von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock aus? Könnte sie sich noch im Spiegel betrachten? Würde sich ihr noch irgendjemand nähern wollen?
So etwas geht einem durch den Kopf, wenn man ihre Rede vor dem Europarat anhören muss. In der erzählt sie, wie üblich, in schlechtem Englisch eine rührende Anekdote, von einer 16-Jährigen, die sie in Charkow getroffen habe, die nicht mehr zum Volleyball könne und sich im Keller verstecken müsse, die aber aus Italien zurückgekehrt sei, weil das ihre Heimat sei.
Ganz abgesehen davon, dass jeder, der in Bezug auf Deutschland das Wort Heimat auch nur in den Mund zu nehmen wagte, sofort die grünen Inquisitoren von Correctiv und Volksverpetzer auf den Hals gehetzt bekäme; abgesehen davon, dass das vielleicht zu einer Kreistagsabgeordneten passt, solche Geschichtchen zu erzählen, aber nicht zu einer Außenministerin, ist das die übliche Heuchelei von “Da sterben Menschen”. Denn der einzige Grund, warum man Probleme hätte, dieser 16-Jährigen eine Altersgenossin aus dem Donbass, sagen wir mal, aus Gorlowka entgegenzustellen, ist, dass die dortige 16-Jährige vielleicht nie dazu kam, Volleyball zu spielen, weil ihre Schule schon seit über acht Jahren immer wieder unter Beschuss liegt. Ansonsten befinden sich, so sehr das Frau Baerbock überraschen mag, auf jeder Seite jedes Krieges immer Menschen.
Nur dass ihr die Tatsache, deutsche Außenministerin zu sein, das Recht nimmt, eine solche Geschichte zu erzählen. Denn entgegen ihrer Selbstdarstellung ist sie nicht Beobachterin dieser Ereignisse, sondern Täterin. Ganz persönlich. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen oder deren Umsetzung zumindest zu versuchen. Dann müsste weder das Mädchen in Charkow noch das in Gorlowka seine Nächte im Keller verbringen.
Quelle: Dagmar Henn in RT DE
dazu auch: NEIN zum Krieg!
Deutsche Panzer rollen gen Osten. Wieder einmal! Die Erleichterung bei der breiten Kriegsfraktion im deutschen Bundestag über die Entscheidung von Kanzler Scholz, der Ukraine 14 Leopard-Panzer zu liefern, war quer durch alle Nachrichtensendungen zu spüren. Endlich wird gehandelt! Worum es geht, hat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Mittwoch im Europarat mit deutlich ausgesprochen: »Wir kämpfen einen Krieg gegen Rußland«. (…) Nach der Kanzlerentscheidung vom Mittwoch werden auch weitere europäische NATO-Staaten Panzer an die Ukraine liefern, hinzu kommen britische und US-amerikanische Kampfpanzer. Über den militärischen Wert dieser Lieferungen kann man durchaus Zweifel haben, aber hier geht es um wesentlich mehr, nämlich um die Bereitschaft und Entschlossenheit, Krieg gegen Rußland zu führen. Die bestimmenden Politiker der EU und ihrer Mitgliedstaaten haben es deutlich ausgesprochen: Es geht um einen Sieg über Rußland auf dem Schlachtfeld. Die Möglichkeit, durch vernünftige Verhandlungen eine Lösung des Konflikts herbeizuführen, ist mit der Panzer-Entscheidung ein Stück weiter in die Ferne gerückt. Haben denn diese Leute nichts, aber auch gar nichts aus der Geschichte gelernt? Deutsche Panzer rollten 1914 gen Osten, und dann wieder 1941. (…) Wir sollten nicht vergessen, wie der verbrecherische Krieg im Mai 1945 endete!
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
- Brüssels Schwarz-Peter-Spiele im Südkaukasus
Kaum ist die Schweiz im UN Sicherheitsrat vertreten, kommt sie unter Zugzwang: Sie soll aktiv werden in der Frage der andauernden Blockade des Laçin Korridors zwischen Armenien und der von Armeniern bewohnten Republik Berg-Karabach. Nachdem vor zwei Wochen keine gemeinsame Erklärung des UN-Sicherheitsrats zustande gekommen war, schoben Frankreich und Russland sich gegenseitig die Schuld dafür zu.
Russland war möglicherweise nicht bereit, Frankreich zu einem diplomatischen Erfolg zu verhelfen, wenn dieses ihm nicht in anderen Bereichen entgegenkommt. Der Schatten des Ukraine-Kriegs fällt nun eben auch auf Berg-Karabach. Die USA, die EU und andere westliche Länder üben sich mangels echter Handlungsoptionen in Schuldzuweisungen an die Adresse Russlands. Frankreich und Europa generell haben kaum noch politische oder wirtschaftliche und schon gar keine militärischen Handlungsoptionen in der Region und überdecken ihre Hilflosigkeit mit diplomatischem Geplänkel. Der Westen betreibt ein Schwarz-Peter-Spiel, während die Existenz eines Staats auf dem Spiel steht.
Quelle: Globalbridge
- Habeck erwartet Konjunkturaufhellung ab Frühjahr
Robert Habeck legt den Jahreswirtschaftsbericht vor – und scheint fast selbst überrascht von den glimpflichen Aussichten. Die Inflation geht demnach zurück, bleibt aber hoch. (…)
Überall lauerten Risiken, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts der Bundesregierung: Die Situation bleibe volatil.
Habeck ergänzte, eine schwere Wirtschaftskrise sei trotz Energieengpässen und der hohen Inflation aber abgewendet worden. »Wir gehen jetzt davon aus, dass die Rezession kürzer und milder ist, wenn sie denn überhaupt stattfindet.«
Im Gesamtjahr 2023 rechnet die Bundesregierung mit einem leichten Wachstum von 0,2 Prozent, und sie werde nicht wie zunächst befürchtet um 0,4 Prozent schrumpfen. Die Lage werde sich im Jahresverlauf verbessern, sagte die Leiterin der Grundsatzabteilung für Wirtschaftspolitik im Ministerium, Elga Bartsch. Die Aufhellung sollte ab dem Frühjahr einsetzen. (…)
In diesem Jahr steht zur Sicherung der Energieversorgung der Ausbau der erneuerbaren Energien im Mittelpunkt, wie es weiter heißt. Der Staat werde zudem »gezielt« in den Aufbau einer grünen Wirtschaft investieren.
Quelle: DER SPIEGEL
Anmerkung Christian Reimann: Soso, Bundesminister Habeck “scheint fast selbst überrascht von den glimpflichen Aussichten”. Aber wieso eigentlich – hat jemand ernsthaft erwartet, der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung würde negativ ausfallen? Die neue Leiterin der Grundsatzabteilung für Wirtschaftspolitik im Ministerium, Elga Bartsch, liefert offensichtlich wie gewünscht. Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut Endlich „mehr ökonomischer Sachverstand“ – gleichzeitig in Berlin und Kiew. Nicht geklärt ist die Sicherung der Energieversorgung. Zu erfahren sind lediglich Absichten. Der Trend “Europas und vor allem Deutschlands Großkonzerne verlieren in Relation zum Rest der Welt seit den letzten beiden Jahrzehnten. Dominant in der Welt der Großkonzerne sind mehr und mehr die USA.” dürfte fortgesetzt werden. Oder ist das das eigentliche Ziel? Das ist sicher bloß eine böswillige Verschwörungstheorie.
- RWE profitiert von angespannten Energiemärkten – Gewinn mehr als verdoppelt
Überraschend hat der Energiekonzern vorläufige Jahreszahlen vorgelegt. Gleich mehrere Geschäftsbereiche von RWE verdienen dank der hohen Preise mehr Geld.
Der Essener Energiekonzern RWE hat dank hoher Strom- und Gaspreise im vergangenen Jahr deutlich mehr Gewinn gemacht als erwartet. 3,2 Milliarden Euro Gewinn verbucht das Unternehmen laut vorläufigen Zahlen, die RWE am Mittwochnachmittag bekannt gab. Die Prognose lag bei 2,1 bis 2,6 Milliarden Euro. Im Vorjahr 2021 hatte der Dax-Konzern 1,5 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Die RWE-Aktie stieg nach der Meldung um bis zu 2,8 Prozent.
Vor allem die Gaskraftwerke rentierten sich dank hoher Strompreise: 2021 trug das Segment Wasser/Biomasse/Gas nur 731 Millionen Euro zum Gewinn vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bei, für 2022 rechnet RWE in dem Bereich mit einem Ebitda von 2,3 Milliarden Euro. Die endgültigen Zahlen will RWE am 21. März vorlegen.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Einige verdienen sich dumm und dämlich, hier RWE mit einer Gewinnverdoppelung. Die Arbeitnehmer dagegen müssen 5 Prozent Reallohnsenkung alleine 2022 erleiden, u. a. durch die rasant gestiegenen Energiepreise, von denen RWE so stark profitiert. Und die Regierung tut nichts gegen die Unwucht und die immer weiter wachsende Kluft zwischen den Habenden und den Habenichtsen – im Gegenteil, sie verschärft sie eher.
- Lauterbachs Fehler – Lach ich, oder was?
Karl Lauterbach ist erneut durch zweifelhafte Aussagen zu Corona aufgefallen. Angeblich hat ein technischer Übertragungsfehler den Fauxpas verursacht. Doch der Vorfall passt nur zu gut in das merkwürdige Verhältnis, das der Bundesgesundheitsminister zur Wahrheit pflegt. […]
Erst am vergangenen Wochenende nämlich hat der in einem Interview mit der Reihnischen Post wieder einen Satz rausgehauen, der fast schon ebenso fabulös klingt, wie das oben erwähnten Märchen von Hans-Christian Andersen. Dem anschließenden Realitätscheck jedenfalls konnte die Aussage kaum standhalten. Es gäbe da Studien, so orakelte der Bundesgesundheitsminister recht nebulös gegenüber den Berliner Parlamentskorrespondenten Jan Drebes und Birgitt Marschall, die deuteten darauf hin, dass es nach mehreren überstandenen Corona-Infektionen zu einer „nicht mehr zu heilenden Immunschwäche“ kommen könne.
Die Ewigkeit oder ein Tag
Das war zunächst die erste Fassung des Satzes, veröffentlicht in der Rheinischen Post vom vergangenen Samstag. Wenige Stunden später, Lauterbachs Aussage hatte bereits erste virale Runden auf Twitter und diversen Online-Plattformen gedreht, da wurde der Satz vom Bundesgesundheitsministerium korrigiert – wegen angeblicher „technischer Übertragungsfehler“.
Aus der ursprünglich unheilbaren Defektimmunopathie wurde nun in Variante zwei eine Immunschwäche „deren Dauer wir noch nicht kennen“. Doch egal ob Ewigkeit oder nur ein Tag – die unterstellten Studien, die sich auch in der aktualisierten Fassung des Interviews weiterhin finden, unterstreichen die Sache mit der Immunschwäche zumindest laut Lauterbach „sehr deutlich“.
Um welche Studien es sich da aber genau handelt, das wollte das Bundesgesundheitsministerium nicht mitteilen. Auch eine Anfrage des Cicero ließ man bis dato unbeantwortet. Das Schweigen machte wohl auch Christina Berndt, Wissenschaftsjournalistin der Süddeutschen Zeitung und für gewöhnlich der deutschen Corona-Politik recht kritiklos zugeneigt, ein wenig stutzig.
Quelle: Cicero
- RKI-Chef Wieler gibt Fehler zu: Schulschließungen waren nicht nötig
Die Pandemie geht zu Ende, Wieler hört im April als RKI-Chef auf. In einem Interview fordert er, die Corona-Maßnahmen aufzuarbeiten, und gibt einen Fehler zu. […]
„Wir haben immer Empfehlungen abgegeben, mit denen man den Betrieb in Schulen und Kitas hätte laufen lassen können, wenn auch unter Anstrengung.“ Es habe nie nur die Alternative gegeben: entweder wenige Tote oder Schulen offen halten. Der vorhandene Spielraum sei jedoch während der Pandemie „nicht ausreichend mit der nötigen Sorgfalt, Ruhe und Sachlichkeit“ betrachtet worden.
Anfangs sei auch nicht bekannt gewesen, in welchem Maß Kinder an Corona erkranken und inwieweit sie von Langzeitfolgen betroffen seien, gab Wieler zu bedenken. „Wir mussten auch sie schützen.“ Die Umsetzung sei Aufgabe der Politik und der Verantwortlichen vor Ort. „Und es war immer klar, dass jede Maßnahme Nebenwirkungen hat“, sagte er der Zeit. Nach eigenen Fehlern in der Pandemie gefragt, sagte Wieler, er habe auch aus Überlastung zu wenige Gespräche geführt, um die komplexen Geschehnisse besser einzuordnen.
Quelle: Berliner Zeitung
- Aktuelle Umfrage: Viele Mütter fühlen sich gerade finanziell stark belastet – Vertrauen in Politik stark erodiert
Erst die Pandemie, dann die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs – zahlreiche Menschen haben das Gefühl, in einer Dauerkrise zu stecken. Das gilt besonders für Mütter. Sie fühlen sich gerade finanziell deutlich stärker belastet als andere Bevölkerungsgruppen, gleichzeitig ist ihr Vertrauen in den Staat auf einen Tiefpunkt gesunken. Das ist ein Ergebnis der aktuellen Welle der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung – und ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Situation von Familien und insbesondere von Müttern dringend einen höheren Stellenwert in der Politik braucht. Die von der Bundesregierung angekündigte Kindergrundsicherung ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, analysiert Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Quelle: Hans Böckler Stiftung
- Wie Leiharbeit den Personalmangel in der Pflege verschärft
Externe Pflegekräfte verdienen oft besser als Festangestellte und können ihre Arbeitszeiten selbst bestimmen. Deshalb wächst ihre Zahl – und damit auch der Unfrieden in Kliniken und Heimen. (…)
Aktuelle Zahlen gibt es nicht, aber aus Einrichtungen in ganz Deutschland ist derzeit zu hören: Der ohnehin grassierende Personalmangel werde durch Zeitarbeit verschärft. Laut dem Bundesverband Pflegemanagement würden die Firmen fest angestellte Pflegekräfte “aggressiv” abwerben. Die Folge sei ein “enormer Verlust von fest angestellten Pflegenden”.
Was der Verband als Aggression empfindet, bringt für das abgeworbene Personal viele Vorteile: höhere Löhne, geregelte Arbeitszeiten, keine anstrengenden Spät-, Nacht- und Wochenenddienste. Beschäftigte der Leiharbeit haben die Freiheit, jederzeit den Einsatzort zu wechseln, wenn Stress und Arbeitsbelastung überhandnehmen oder das Klima in einer Einrichtung unerträglich wird. Von alldem können Festangestellte in Kliniken und Heimen nur träumen.
In der Vergangenheit haben die Betreiber der Einrichtungen immer wieder auf Personal von Zeitarbeitsfirmen zurückgegriffen, um Engpässe in der Belegschaft auszugleichen, etwa wegen Krankheit oder für Belastungsspitzen. Doch inzwischen ist das Fremdpersonal für sie zur Belastung geworden, nicht nur wegen der höheren Löhne. Auch die Leiharbeitsfirmen verlangen für die Vermittlung einen kräftigen Aufschlag.
Quelle: Süddeutsche
Anmerkung Christian Reimann: Das ist auch eine Folge der Ökonomisierung der Gesellschaft – hier des Gesundheitssektors. Eine grundlegende Änderung ist längst überfällig. Ob sie jedoch mit einem Bundesgesundheitsminister Lauterbach gelingen kann, ist mehr als fraglich. Schließlich hat gerade er etliche Beschlüsse zugunsten der Ökonomisierung des Gesundheitswesens – insbesondere den Einsatz der Leiharbeit – mitgetragen und ist z.B. maßgeblich an der Einführung des Fallpauschalensystems beteiligt gewesen. Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut:
- Harvard-Influenzer Lauterbach (2/2)
- Kehraus im Krankenhaus: Wie man Kliniken von Störfaktoren wie Patienten und Beschäftigten befreit
- Lauterbachs „Revolution“ – Einfalltor für den Kahlschlag im Krankenhaussystem
- Reform der privaten Altersvorsorge
Wie sich die Lebensversicherer mit der “Bürgerrente” retten wollen
Zu kompliziert, kaum Rendite – die Riester-Rente gilt als gescheitert. Unter dem Druck der Politik zaubern die Lebensversicherer unter Führung von Allianz-Leben-Chefin Katja de la Viña nun die “Bürgerrente” hervor und wollen so ihr Geschäft sichern. Kritiker warnen genau davor.
Zu kompliziert, zu teuer, zu renditeschwach. Spätestens seit den Protesten vor dem Kanzleramt im Mai 2021 oder der DIW-Studie zu ihrem 20-jährigen Bestehen gilt die Riester-Rente als Fehlkonstruktion. Die staatlich geförderte Altersvorsorge hat nie das erfüllt, was sie sollte. Die Bundesregierung dringt darum auf ein neues Modell der privaten Altersvorsorge – und diese Chance wollen die Lebensversicherer nicht an sich vorbeiziehen lassen.
In einem internen Papier, das manager magazin vorliegt, hat eine Arbeitsgruppe des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) unter Führung von Allianz-Leben-Chefin Katja de la Viña (43) die Grundpfeiler einer “Bürgerrente” entwickelt, die der Verband in Kürze auch offiziell vorlegen will. Der Lobbyistenplan stellt den Versuch dar, in dem milliardenschweren Markt der privaten Altersvorsorge nicht abgehängt zu werden.
Das Szenario ist nicht abwegig. Um neben dem überlasteten staatlichen Rentensystem eine freiwillige, private Altersvorsorge aufzubauen, war einst die sogenannte Riester-Rente eingeführt worden.
Quelle: manager magazin
Anmerkung unseres Lesers Lesers J.A.: In dankenswerter Offenheit benennt das manager magazin den Zweck der “privaten”, “kapitalgedeckten” Altersvorsorge: die Sicherung der Gewinne und die Rettung des Geschäfts der Lebensversicherungsgesellschaften, aber gerade *nicht* die Daseinsvorsorge, also die Altersvorsorge für die Menschen. Warum die Politik überhaupt einen weiteren solchen Versuch startet, nachdem der erste (mit Riester- und Rürup-Rente) grandios gescheitert ist, ist außer durch Lobbyismus und Korruption nicht erklärbar.
- Alexandra Staub: »Wer Boden besitzt, hat jeden Grund, keine politischen Unruhen zu wollen«
Gespeist aus deutscher wie US-Tradition leben wir nun seit rund 70 Jahren mit Einfamilienhaussiedlungen und allem, was dazugehört: den Autos, den Konsumzwängen, der Vereinzelung. Im Jahr 2022 wissen wir, das ist alles überhaupt nicht nachhaltig – aber jeder Abriss wäre auch eine Ressourcenverschwendung. Was also tun mit dieser vorhandenen Eigenheim-Bausubstanz?
Staub: Natürlich habe ich keine schnelle Lösung parat, aber ich glaube, es gibt ein paar Ansatzmöglichkeiten. Häuser können für neue Bewohner-Generationen radikal umgebaut werden. Siedlungen könnten durch Neubauten verdichtet werden, auch ließe sich weitere Infrastruktur einbringen. Umbauten sollen energie- und klimatechnisch konzipiert sein, nach Möglichkeit mit Passivmitteln. Baumaterialien sollen wiederverwertbar und abbaubar sein, mit möglichst kurzen Transportwegen. Auch brauchen wir eine ordentliche Verkehrsinfrastruktur, damit Leute, wenn sie irgendwo im Vorort wohnen, schnell in die nächste Stadt können, auch ohne Auto. Schon 1964 gab es eine groß angelegte Studie zur Verkehrsplanung in Deutschland im Zusammenhang mit den damals neuen Wohnsiedlungen. Viele gute Ideen wurden einfach ignoriert, weil sie politisch nicht erwünscht waren. Stattdessen entstanden Instrumente wie die Pendlerpauschale, und ich frage mich, ob das in Deutschland irgendwann mal abgeschafft wird.
Eins betone ich immer: dass man mit den Leuten, für die man baut, neue Konzepte entwickeln muss, auch wenn das Zeit und Mühe kostet. Die Baubranche arbeitet oft noch nach Kriterien, die rein männlich und durch Wirtschaftsinteressen geprägt sind. Wir müssen verstehen lernen, wer unsere gebaute Welt bewohnt und belebt: also Frauen, Kinder, ältere Menschen sowie Migrant:innen, die ja seit Jahrzehnten einen wesentlichen Teil der deutschen Gesellschaft ausmachen. Ein solches Umdenken wäre für mich ein wichtiges Stück Nachhaltigkeit.
Quelle: Blickpunkt WiSo
- Angriffe nach Nein zu Panzerlieferungen
Nach ihrem Kommentar beim MDR, mit dem sich Rommy Arndt deutlich gegen die Lieferung von Waffen (im Allgemeinen und Kampfpanzern im Besonderen) an die Ukraine positioniert hatte, wurde die Journalistin aus Regierungslager und bürgerlicher Presse heftig angegriffen. Die MDR-Chefredaktion flankierte den Kommentar online mit einer Erklärung, viele Menschen bundesweit und eine Mehrheit im Osten lehnten Panzerlieferungen ab. Arndts Äußerung zur FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack Zimmermann, die, so im Kommentar, »in ihrer Freizeit gute Kontakte zur Rüstungsindustrie pflegt«, habe jedoch »journalistische Qualitätskriterien (…) nicht ausreichend berücksichtigt«. Arndt hatte im Kommentar kritisiert, die Debatte über Lieferungen von »Leopard 2«-Kampfpanzern an Kiew würde »Grenzen des Denkbaren, Sagbaren und Machbaren« weiter verschieben. Ein großer Teil der Bevölkerung, »vor allem hier im Osten«, sehe diese Waffenlieferungen zudem kritisch. Ging es zu Beginn noch um die Frage, ob die BRD überhaupt Waffen in ein Kriegsgebiet liefern sollte, sei man inzwischen bei der Frage nach schweren Kampfpanzern angelangt. Sollten nun aus »Deutschland, das Land, das in Russland im Zweiten Weltkrieg soviel Leid und Zerstörung angerichtet hat«, Panzer an die Ukraine geliefert werden, »gegen Russland?« fragte Arndt. Die Bundesrepublik werde von Moskau infolge dessen »natürlich« als Kriegspartei wahrgenommen. Für die vielgeäußerte Behauptung, der russische Präsident Putin plane eine Expansion, etwa ins Baltikum oder nach Polen, gebe es »keine Beweise«. Mit dem Ukraine-Krieg wolle Russland gegenüber der NATO ein »Exempel statuieren« und »Grenzen aufzeigen«. Die Bundesregierung werde Deutschland durch Waffenlieferungen »in einen Krieg hineintreiben« und den Schwur, »Schaden vom deutschen Volk abzuwenden«, brechen. Große Teile der Medien »befeuerten« außerdem »die Ansicht, dass das alles alternativlos sei«. Arndt erklärte sich darüber »entsetzt«.
Quelle: junge Welt
- Zum 30. Januar heute und vor 90 Jahren: Kein drittes Mal!
Der 30. Januar 1933 ist nicht der 30. Januar 2023. Es droht in Deutschland unmittelbar kein Faschismus. Die bürgerlich-parlamentarische Demokratie wird zur Zeit ausgehöhlt, aber nicht vom Sockel gestürzt wie vor 90 Jahren. Dennoch zeigt sich unter der – noch – konstitutionell ruhigen Oberfläche eine beängstigende Kontinuitätslinie zwischen diesen beiden Daten. (…)
Die von Scholz vor knapp einem Jahr verkündete „Zeitenwende“ ist noch keine „nationale Revolution“. Aber sie treibt zunehmend über sich selbst hinaus. Die Ersetzung der für zu zögerlich gehaltenen Kriegsministerin durch einen rechtssozialdemokratischen Uniformliebhaber ist eine weitere Stärkung derjenigen, die erneut einen Bruch mit eher moderaten Traditionslinien des deutschen Kapitals wagen wollen – erneut mit klarem Blick auf das Risiko, einen noch größeren Weltbrand als den von 1939 bis 1945 auszulösen. (…)
Im Zuge der Zeitenwende gewinnen die 1945 nur scheinbar gebannten Geister des deutschen Großmachtstrebens Monat für Monat mehr Oberwasser. Politisches Abenteurertum ist blind gegenüber einer realistischen Einschätzung der Kräfteverhältnisse. Die deutschen Leoparden sind genauso wenig eine Wunderwaffe wie es die Tiger und Panther waren, die Hitler 1943 – gerade mal zehn Jahre nach seiner Kanzlerkür – mit den Worten „die besten Verbände, die besten Waffen“ an die Front schickte, um der Sowjetunion am Kursker Bogen, also nicht unweit der Ukraine, den vermeintlichen Todesstoß zu versetzen. Mehr noch als damals werden die Arme Berlins zu kurz sein, um Moskau zu besiegen. Auch neue deutsche Raubtiere aus Stahl werden bei ihrem Sprung auf die Krim nicht siegen, sondern verbrennen. Im Januar 1933 waren der unterlegenen deutschen Arbeiterbewegung Tragik, Gefahr und gleichzeitig Idiotie der damals vollzogenen Zeitenwende genauso klar wie für realistischere Kräfte im Lager der Bourgeoisie. Das ist eine weitere Parallele zum Januar 2023 – aber diesmal muss der Marsch in den Krieg gestoppt werden, bevor es lichterloh brennt. Einen dritten Krieg gegen Russland innerhalb von 120 Jahren überlebt Deutschland nicht.
Quelle: Manfred Sohn in unsere zeit