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Titel: Hintergrund: Denkfehler „Dollarhegemonie“

Datum: 20. Januar 2023 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Banken, Börse, Spekulation, Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Finanzen und Währung, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Mit der Eskalation des Krieges in der Ukraine, den westlichen Sanktionen gegen Russland und den Spannungen zwischen den USA und China wird vor allem in kritischen Artikeln in alternativen Medien immer wieder die „Dollarhegemonie“ der USA thematisiert. Diese sei ein Machtmittel, von dem die Welt sich nun löse. Oft wird sie auch als „wahrer“ Kriegsgrund für diesen und jenen Krieg beschrieben. Einige Autoren gehen so weit, eine kommende „Ent-Dollarisierung“ als das Ende des US-Imperiums zu sehen. Hinter all dem steckt ein wahrer Kern, aber leider auch viel Unverständnis für makro- und finanzökonomische Fragen. Das ist ärgerlich, da so ein Teil der gerechtfertigten Kritik an der unfairen bis kriegerischen Außen- und Außenwirtschaftspolitik der USA auf eine falsche und daher unproduktive Schiene gelenkt wird. Zeit für einen unaufgeregten Blick hinter die Kulissen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der US-Dollar stellt fast 60 Prozent der weltweiten Reservewährungen und ist zweifelsohne immer noch die wichtigste Transaktionswährung im internationalen Handel. Auch Länder, denen die USA nicht gerade freundlich gesinnt ist, nutzen für ihren Außenhandel häufig immer noch den US-Dollar. Da bietet sich es natürlich an, die Dominanz des US-Dollars als einen der Gründe für die führende Position der Weltmacht USA zu sehen. Doch so einfach ist es nicht. Um die Zusammenhänge zu verstehen, lohnt es sich daher, die Fragen, die sich aus dem gesamten Themenkomplex bilden, einmal transparent und hoffentlich verständlich zu erklären.

Welche Rolle spielen Transaktionswährungen überhaupt im internationalen Handel?

Nehmen wir mal an, Sie sind ein begeisterter Fotograf und sammeln Fotoapparate. Nun haben Sie online eine seltene Kamera bei einem japanischen Händler entdeckt. Die Frage, wie Sie die Ware bezahlen wollen, ist alles andere als trivial. Auf Ihrem Konto befinden sich Euro, auf dem Konto des Verkäufers Yen. Daher müssen Sie sich zunächst auf eine Transaktionswährung einigen. Sie könnten Euro in Yen tauschen und sie dem Japaner überweisen. Sie könnten ihm aber auch Euro überweisen und er tauscht sie in Yen. Alternativ könnten Sie auch Ihre Euro in US-Dollar tauschen, die der Verkäufer seinerseits in Yen zurücktauscht. Welche dieser Varianten infrage kommt, entscheiden in der Regel jedoch nicht Sie, sondern Ihre Bank oder Ihr Zahlungsdienstleister, z.B. PayPal. Die Währung, in der die Summe von Deutschland nach Japan transferiert wird, nennt man Transaktionswährung. Und was für den Hobbyfotografen gilt, gilt auch im großen Maßstab; nur dass es hier nicht immer die Bank ist, die über die Transaktionswährung entscheidet.

Dazu ein einfaches Beispiel: Wenn ein ungarischer Ölimporteur eine Lieferung über 100.000 Barrel Rohöl aus Iran ordert, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie er die Rechnung dafür bezahlt. In der Regel sollte ein solches Geschäft in Euro fakturiert werden. Der Ungar tauscht also seine Forint gegen Euro ein und überweist sie an den Exporteur in Iran. Der führt seine Konten jedoch in iranischen Rial und tauscht seinerseits die Euro, die er von seinem ungarischen Geschäftspartner überwiesen bekommen hat, in Rial um.

Welche Auswirkungen hat dieses Geschäft nun auf den Euro? Die vielleicht überraschende Antwort ist: Gar keine, da der Iraner die gleiche Menge an Euro wieder auf den Markt wirft, die der Ungar zuvor vom Markt eingekauft hat – ein Nullsummenspiel. Und würde sich dies ändern, wenn der Handel nun in US-Dollar abgerechnet wird? Nein. In diesem Falle tauscht der Ungar lediglich seine Forint in US-Dollar um, die der Iraner dann wieder in Rial umtauscht. Die Transaktionswährung spielt bei internationalen Handelsgeschäften rein ökonomisch keine Rolle. Zu den Feinheiten, warum die Transaktionswährung in bestimmten Fällen doch eine Rolle spielen kann, kommen wir später.

Was ist eine Reservewährung?

Natürlich ist die reale Welt etwas komplexer als dieses Grundlagenbeispiel. Volkswirtschaftlich ist es vor allem für kleinere Staaten ungemein wichtig, die eigene Währung gegenüber den Währungen für strategisch und ökonomisch wichtige Importe stabil zu halten. Denn wenn die eigene Währung gegenüber der Währung, in der man z.B. seine Öl- oder Gaslieferungen importiert, auf Dauer an Tauschwert verliert, verteuern sich diese Importe. Daher betreiben nahezu alle Zentralbanken dieser Welt eine Art aktives Währungsmanagement – man interveniert, wenn der Wechselkurs einen zuvor bestimmten Korridor verlässt.

Aus diesem Grund macht es natürlich vor allem bei langfristigen Importverträgen Sinn, die Notierung und Abrechnung in einer Währung festzulegen, die von der eigenen Zentralbank gegenüber der heimischen Währung aktiv abgesichert wird. Und hier kommt die sogenannte „Reservewährung“ ins Spiel. Dies ist die Währung, in der die nationalen Zentralbanken ihre Devisenreserven halten, um bei Kursschwankungen eingreifen zu können. Weltweit bestehen die Währungsreserven derzeit zu 60 Prozent aus US-Dollar und zu 20 Prozent aus Euro – dahinter kommen dann noch der japanische Yen und das britische Pfund. Der chinesische Renminbi stellt zurzeit nur zweieinhalb Prozent der Währungsreserven. Der kanadische und der australische Dollar und der Schweizer Franken spielen noch Statistenrollen und das war es dann auch schon. Alle anderen Währungen spielen als Reservewährung de facto gar keine Rolle.

Der Dollar ist also nicht deshalb Weltwährungsreserve Nummer Eins, weil Rohstoffe oft in Dollar gehandelt werden, sondern Rohstoffe werden oft in Dollar gehandelt, weil der Dollar Weltwährungsreserve Nummer Eins ist. Würde unser Ungar sein Öl aus Iran nämlich nicht in Dollar oder Euro, sondern beispielsweise isländischen Kronen bezahlen, wäre dies zwar erst einmal auch nur ein Nullsummenspiel. Anders sieht es jedoch bereits bei einem Warentermingeschäft aus und gerade der internationale Energiehandel wird zum größten Teil über solche Warentermingeschäfte abgewickelt.

Wenn der Ungar heute einen Kontrakt für eine Lieferung am 1. August erwirbt und dafür einen festen Preis in isländischen Kronen vereinbart, müsste er sich bis zu diesem Zeitpunkt gegen Kursschwankungen zwischen seinem Forint und der Krone absichern. Sonst wäre der real zu zahlende Kaufpreis unkalkulierbar. Das sind Zusatzkosten, die er natürlich scheut. Darum wird der Ungar im konkreten Fall bei einem Warentermingeschäft die Zahlung in Euro bevorzugen, da die ungarische Zentralbank den Forint gegenüber Kursschwankungen zum Euro absichert und ihm diese Aufgabe damit abnimmt. Gerade bei langfristigen Verträgen ist es besonders wichtig, eine Währung zu wählen, gegen die die eigene Währung aktiv abgesichert ist.

Bis 1973 waren solche Fragen übrigens ziemlich egal, da der US-Dollar durch das Bretton-Woods-System eine Ankerwährung war, an die alle anderen wichtigen Währungen der Welt in einem System mit festgelegten Wechselkursbandweiten gekoppelt waren. Mit dem Ende von Bretton-Woods drohte der Ölmarkt, der durch die erste Ölkrise ohnehin bereits hyperventilierte, durch Währungsturbulenzen dauerhaft seine Stabilität zu verlieren. Um dies zu verhindern, verpflichtete sich Saudi-Arabien als größter OPEC-Lieferant, sein Öl fortan nur noch gegen US-Dollar zu verkaufen. Das war auch für andere Staaten durchaus sinnvoll, da so die ohnehin bereits vorhandene alte Ankerwährung als Reservewährung nun auch die wichtigen Ölimporte abdeckte. Wichtig ist jedoch: Hierbei ging es nur um die Transaktionswährung! Viel wichtiger ist jedoch, was der Verkäufer schlussendlich mit den Einnahmen macht.

Holländische Krankheit und Petrodollar-Recycling – die realen Währungsprobleme

Im oben genannten Beispiel tauscht der Ölexporteur Iran die Transaktionswährung Euro sofort nach dem Handel in seine Landeswährung ein. Dies würde jedoch langfristig zu einer steigenden Nachfrage nach dem iranischen Rial und damit einer Aufwertung der Währung führen. Solche Aufwertungen sind jedoch Gift für die Konkurrenzfähigkeit von Volkswirtschaften, da die einheimischen Unternehmen ihre Kosten für Löhne, Energie und Kapital ja in der einheimischen Währung aufbringen müssen. Die Folge einer solcher Währungsaufwertung durch großvolumige Rohstoffexporte bezeichnen Ökonomen als „Holländische Krankheit“ – benannt nach dem Problem der Niederlande mit der durch die Öl- und Gasexporte aus den Nordseevorkommen resultierenden Aufwertung des Gulden in den 1960ern. Ähnliche Probleme haben auch Venezuela, Aserbaidschan und vermehrt durch die Sanktionen auch Russland. Dass der Rubel seit den Sanktionen aufgewertet hat, ist nämlich nicht nur ein Vorteil, da sich dadurch die Exporte relativ verteuern und die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Volkswirtschaft sinkt. Der einzig sinnvolle Ausweg aus der Misere stellt eine Praxis dar, die ironischerweise als „Petrodollar-Recycling“ beschrieben wird.

Wenn Iran in unserem Beispiel die Einnahmen nicht in die heimische Währung Rial umtauscht, sondern entweder direkt oder indirekt in einem anderen Währungsraum investiert oder aber in gleichem Umfang Güter aus einem anderen Währungsraum importiert, vermeidet es eine Aufwertung des Rial. Beispielhaft dafür sind sowohl Saudi-Arabien als auch Norwegen. Wenn ein saudischer Prinz für 150 Millionen Dollar einen Modigliani ersteigert oder sich in Belgravia für Phantasiepreise eine Villa nach der anderen kauft, so trägt dies auch zur Stabilität des Saudi-Riyal bei, da die Devisenüberschüsse damit abgebaut werden. Auch die gigantischen Rüstungsimporte des Landes haben – aus rein ökonomischer Perspektive – nebenbei den Effekt der Stabilität der eigenen Währung. Norwegen wiederum hat einen „staatlichen Pensionsfonds“ aufgelegt, der ausschließlich in anderen Währungsräumen investiert und mittlerweile ein Volumen von mehr als einer Billion US-Dollar hat. Das hat nicht nur etwas mit langfristigen Erträgen zu tun. Nur so kann das Land sich dagegen absichern, dass die eigene Währung durch die Öl- und Gasimporte unkontrollierbar aufwertet und das Land an der Holländischen Krankheit eingeht. Für die Frage der Wechselkurse und des Wertes einer Währung ist es also im Grund egal, ob in dieser Währung Handelsgeschäfte stattfinden. Wichtig ist, in welchen Währungsraum Investitionen fließen und das die Außenhandelsbilanz möglichst ausgeglichen ist.

Greifen China und andere Schwellenländer den Dollar an?

Eine ähnliche Praxis verfolgt auch China bereits seit Jahren. Das Reich der Mitte erzielt Jahr für Jahr gegenüber dem Euro- und dem Dollarraum massive Außenhandelsüberschüsse und stößt dabei bereits beim „Recyling“ an die Grenzen. Vor diesem Hintergrund liest man auch die Meldungen anders, nach denen Chinas Initiative, Ölimporte nicht mehr in Devisen, sondern in der Landeswährung Renminbi bzw. Yuan zu fakturieren. Kritische Kommentatoren in alternativen Medien werten dies oft als „Plan, den Dollar zu killen“. Hat China denn kein Interesse mehr daran, Dollar- oder Eurorecycling zu betreiben? Will man den Renminbi nun tatsächlich aufwerten, wie die USA es ja seit Jahren fordern? Denn das ist es ja, was die Autoren solcher Artikel immer wieder verwechseln – wenn China seine Devisenüberschüsse nicht reinvestiert oder für Importe ausgibt, stärkt dies mittel- bis langfristig die eigene Währung, was den USA sogar sehr gelegen käme, da dies die Außenhandelsdefizite im amerikanisch-chinesischen Handel senken würde; genau das, was z.B. Donald Trump als Wahlversprechen nicht umsetzen konnte.

Doch um eine Aufwertung wird es China dabei nicht gehen. Man hat vielmehr ein starkes Interesse daran, den Renminbi vor allem in Asien zur wichtigsten Reservewährung zu machen und seine Nachbarn so noch stärker an sich zu binden. Insofern würde es – auch in Bezug auf die chinesische Idee einer „Neuen Seidenstraße“ hin – durchaus Sinn machen, den Renminbi auch über eine Funktion als Handelswährung zu pushen. Mit der reinen Frage der Transaktionswährung hat dies jedoch nicht viel zu tun.

Hedging und Warentermingeschäfte – es wird komplex

Kommt es also volkswirtschaftlich dann nur darauf an, was der Verkäufer mit den Einnahmen macht und die Transaktionswährung ist egal? Könnte Iran sein Öl dann doch auch in isländischen Kronen verkaufen? Theoretisch ja, aber darauf würden sich die Kunden wohl nicht einlassen. Denn wenn wir nicht den einzelnen Handelsvorgang, sondern die Summe aller Transaktionen betrachten, kommt ein ordentliches Volumen zusammen. Je größer der weltweite Markt für eine bestimmte Währung ist, desto besser eignet sie sich als Transaktionswährung. Ökonomen sprechen hier von der „Liquidität“ des Marktes.

Besonders wichtig ist dieser Faktor, wenn es (s.o.) um Warentermingeschäfte und die damit verbundenen Möglichkeiten geht, sich gegen Preisschwankungen abzusichern. Ein großes ölverarbeitendes Unternehmen hat beispielsweise ein verständliches Interesse daran, sich gegen zu hohe Ölpreise abzusichern. Umgekehrt haben Ölexporteure ein ebenso verständliches Interesse daran, sich gegen zu niedrige Ölpreise abzusichern. Dies wird in der Praxis an den Finanzmärkten über sogenannte Derivate (Optionsgeschäfte, Futures) vollzogen, die vor allem für den Handel selbst eine wichtige Rolle spielen, um die Transaktionskosten und –risiken zu minimieren. Solche Derivatgeschäfte sind jedoch immer Nullsummenspiele, bei denen es eine zweite Partei benötigt, die den Gegenpart einnimmt.

Würde unser ungarischer Ölimporteur heute ein Derivat kaufen, das ihm die Lieferung von 100.000 Barrel Rohöl am 1. Juni zum Preis von 80 US-Dollar garantiert, dann braucht er einen Handelspartner, der genau diesen Kontrakt erfüllen will. Den wird er sicher finden. Einen Handelspartner, der ihm zum 1. Juni einen Preis von 11.500 isländischen Kronen garantiert, wird er indes lange suchen müssen. Ein solcher Markt kann nur dann funktionieren, wenn möglichst viele Teilnehmer von beiden Seiten (also Käufer und Verkäufer) vorhanden sind. Und wer will sich international in isländischer Krone gegen einen sinkenden Ölpreis absichern? Niemand. Und genau dies ist auch der Grund, warum auch weitverbreitete Währungen abseits des US-Dollars für solche Geschäfte meist eher ungern verwendet werden.

Der Markt für Rohstoffhandelsderivate in Yuan oder Rubel ist verschwindet klein und es gibt keinen weltweit anerkannten Basispreis für Rohstoffe in diesen Währungen. Selbst die zweitgrößte Währung der Welt, der Euro, ist bei Derivaten eher die Ausnahme. Solche Papiere werden weltweit vor allem in US-Dollar gehandelt und angeboten. Natürlich könnte man sich in der Theorie auch doppelt absichern – einerseits in US-Dollar gegen Schwankungen bei den Rohstoffpreisen und dann noch gegen Schwankungen der Bezugswährung gegen den US-Dollar. Das würde jedoch auch mindestens doppelt so teuer und die Gewinner wären letzten Endes nur Finanzdienstleister. Daher haben aus ökonomischer Sicht weder die Importeure noch die Exporteure ein gesteigertes Interesse daran, den US-Dollar als Transaktions- oder Bezugswährung für Lieferverträge abzulösen.

Können die USA dank des Dollars Geld drucken?

In diesem Zusammenhang wird auch gerne in einigen kritischen Artikeln darauf verwiesen, dass die Dominanz des US-Dollars für die USA vor allem deshalb so wichtig sei, weil sie dadurch „Geld drucken“ könnten. Auch hier steckt zwar ein Stück Wahrheit drin, aber in der Pauschalität ist das eher falsch. Richtig ist, dass die Funktion als Weltreservewährung es der US-Regierung erleichtert, Schulden aufzunehmen. Man darf sich eine Währungsreserve ja nicht als Dagobert Ducks Geldspeicher vorstellen, in dem die ganzen Devisen gehortet werden. Chinas Dollar-Reserven werden beispielsweise zum großen Teil mittel- bis langfristig angelegt, um Zinsen zu erwirtschaften. Davon besteht wiederum ein Großteil in der Tat aus US-Staatsanleihen. Warum? Diese Papiere sind sicher und es besteht ein gigantischer Markt für sie, so dass man sie ohne Verluste bei Bedarf auch im größeren Maßstab wieder verkaufen kann. Ob die USA deshalb aber auf China angewiesen sind, um sich verschulden zu können, ist eine andere Frage.

China hält zurzeit US-Staatsanleihen im Volumen von 910 Mrd. USD. – das ist viel, aber weniger als in der Vergangenheit. 2013 waren es noch 1,3 Billionen US-Dollar. Doch selbst das ist im Vergleich zur gesamten Staatsverschuldung der USA, die 31,5 Billionen US-Dollar beträgt, nur ein verschwindend kleiner Teil. Auch ohne China und andere Staaten als Gläubiger könnten die USA sich problemlos in welchem Maß auch immer verschulden; und sei es – wie zu Zeiten der Finanzkrise – direkt bei der eigenen Notenbank FED. Die Zusatznachfrage durch Währungsreserven anderer Staaten hat letztlich nur einen kleineren – nicht genau zu beziffernden – Effekt auf die Höhe des Zinses. Aber auch hier könnte die FED ohne Probleme intervenieren, wenn es denn tatsächlich zu Problemen käme.

Nicht die Weltwährungsreserven, sondern die schiere Dominanz des US-Finanzsystems ist hier der entscheidende Faktor. Solange die Ersparnisse der Welt in die USA fließen, wird auch die Nachfrage nach US-Staatsanleihen groß sein.

Soweit die Theorie – aber wie sieht es denn in der Praxis aus?

Nun sollte man aus all dem aber nicht den Schluss ziehen, dass ja eigentlich alles prima sei und die US-Dollar-Dominanz für alle Beteiligten nur Vorteile hätte. Das wäre nur dann der Fall, wenn die USA ein ehrlicher Makler wären und ihre Rolle aus Hüter des Dollars verantwortungsvoll und fair verfolgen würden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Daher lohnt es sich durchaus, die bisherigen Beispiele einmal auf Praxistauglichkeit zu prüfen.

Fangen wir mit dem banalen Anfangsbeispiel mit der Kamera aus Japan an. Natürlich könnte der deutsche Sammler jede Währung der Welt als Transaktionswährung nehmen. Das geht aber nicht, da die Währung faktisch von den Banken und Dienstleistern bestimmt wird. Welche Transaktionen beispielsweise PayPal „unter der Motorhaube“ vornimmt, wissen wir nicht und wir können dies auch nicht beeinflussen. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass PayPal sich diesen Dienst fürstlich bezahlen lässt. Nicht ganz so fürstlich, aber durchaus lukrativ ist dieser Geschäftszweig auch für die internationalen Banken und mehr noch die Groß- und Investmentbanken, die die Devisen- und Warentermingeschäfte betreiben. Im Grunde stellen deren Dienstleistungen einen modernen Zehnt dar – man muss ihn abführen, wenn man international Handel betreibt, ob man dies nun will oder nicht. Und da das Weltfinanzsystem amerikanisch geprägt ist, wird sich die Dominanz des US-Dollars nicht verringern.

Was ist die Alternative? Natürlich könnte man Waren und Dienstleistungen über Währungsräume hinweg auch zu festen Preisen oder Preisen mit fixer Anpassungsklausel liefern. Das war beispielsweise bis in die späten 1990er bei den russischen Energielieferungen nach Deutschland der Fall. Hier hatten jedoch auch beide Seiten ein klares Interesse an einer solide planbaren, langfristigen Perspektive. Deutschland brauchte sichere Energie zu planbaren Preisen, die Sowjetunion brauchte planbare Deviseneinnahmen und einen Abnehmer für die westsibirischen Gas- und Ölvorkommen. Ein Sonderfall. Meist geht es bei solchen Handelsbeziehungen eher darum, dass der Verkäufer seine Rendite maximieren und der Käufer seinen Einkaufspreis minimieren will. Und wenn es dann noch für ein Handelsgut einen liquiden weltweiten Markt gibt, sieht es mit der Nutzenmaximierung beider Parteien nun einmal eher kompliziert aus. Warum sollte Iran – um das zweite Beispiel heranzuziehen – erpicht darauf sein, Ungarn in der Zukunft Öl zu einem Preis zu liefern, der womöglich deutlich unter dem Weltmarktpreis liegt? Um das zu verhindern, wendet man sich an die Warenterminmärkte und hier ist es dann mit der Alternative vorbei, da man einen liquiden Markt in einer weltweit für diese Zwecke genutzten Währung benötigt.

Dass der US-Dollar überhaupt mehr und mehr an Marktanteilen verliert, ist vor allem Schuld der USA selbst. Warum das so ist, lässt sich ganz hervorragend am Beispiel des ungarisch-iranischen Ölhandels erklären. Denn auch wenn es für beide Seiten ökonomisch durchaus rational wäre, diesen in Euro oder US-Dollar abzuwickeln, so ist dies im konkreten Fall gar nicht möglich, da Iran ein Opfer der US-Sanktionen ist und amerikanischen Unternehmen jegliche Handelstätigkeit mit Iran verboten ist. Dies schließt auch Banken und andere Finanzunternehmen ein. Und da Europa sich in der selbstgewählten Abhängigkeit zu den USA befindet, gilt dies unisono auch für den Euro. Iran kann also keine US-Dollar oder Euro aus Ungarn entgegennehmen, da es schlicht keine Bank gibt, bei der Iran ein Verrechnungskonto dafür betreiben könnte. Zudem sind Irans Banken durch die US-Sanktionen nicht mehr an das – interessanterweise europäische – SWIFT-System angeschlossen, so dass eine Überweisung schon aus technischen Gründen gar nicht möglich wäre. Will Ungarn also Öl aus Iran kaufen, so muss es zwangsläufig alternative Finanztransaktionssysteme nutzen und eine andere Transaktionswährung als den US-Dollar oder den Euro nutzen.

Der kalkulierte Machtmissbrauch der USA ist es auch, der auf anderen Feldern den US-Dollar als „Weltwährung“ ausscheiden lässt. So haben beispielsweise die Sanktionen gegen Russland gezeigt, dass es gar keine gute Idee ist, seine Devisenreserven in US-Dollar oder gar in Form von US-Staatsanleihen zu halten, wenn man im Visier der US-Regierung steht. Diese Reserven waren nämlich bereits nach der ersten Sanktionsrunde weg – Konten wurden eingefroren, Zahlungen wurden unterbunden, so dass Russland sogar den technischen Staatsbankrott erklären musste. Wer kann es nicht-westlichen Staaten da verdenken, dass sie nun nach Alternativen suchen?

Ist das Ende der Dollar-Hegemonie damit gekommen?

Welche Folgen hätte es denn für die USA, wenn große Volkswirtschaften wie China, Indien oder Russland dem Dollar farewell sagen? Nun, ein kompletter Abschied vom US-Dollar ist zumindest für China und Indien weder möglich noch vorgesehen. Denn auch wenn der Außenhandel sich in den letzten Jahrzehnten in Richtung Asien verschoben hat, so ist der Westen immer noch der mit Abstand größte Handelspartner dieser Länder und dies sowohl bei den Einfuhren als auch bei den Ausfuhren. Gleiches gilt für Südamerika und für Afrika. Andererseits ist jedoch der Handel zwischen den nicht-westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten gewachsen und es gibt keinen Grund, warum sich hier keine Transaktionsmechanismen entwickeln und durchsetzen sollten, die nicht auf dem US-Dollar basieren und nicht von den westlichen Finanzzentren und in letzter Konsequenz vom Wohlwollen der US-Regierung abhängen.

Diese Entwicklung ist vorherbestimmt und sie wird fortschreiten. Es ist vollkommen verständlich, dass Staaten wie Russland und Iran, die Gegenstand amerikanischer Sanktionen sind, ein Interesse haben, das Settlement und Clearing nicht über das mit dem Dollar verbundene Finanzsystem in New York vorzunehmen, wo die US-Behörden volle Zugriffsrechte haben und daher auf andere Transaktionswährungen und -formen ausweichen.

Doch warum soll das das Ende des Dollars oder gar der Todesstoß für die USA sein? Was würde sich denn für die USA ändern, wenn z.B. China und Thailand ihren kompletten bilateralen Handel künftig in Yuan fakturieren (so sie das nicht ohnehin schon tun)? Würden dadurch die Zinsen für US-Staatsanleihen steigen? Nein. Könnten die USA sich dann nicht mehr so gut verschulden? Nein. Würde der US-Dollar an Wert verlieren? Nein. Würden die USA dadurch untergehen? Selbstverständlich nicht. Es gibt jedoch zwei wichtige Faktoren, auf die eine solche Umstellung durchaus Folgen hätte, wenn sie denn im großen Rahmen vollzogen würde.

Da wäre zum einen das US-dominierte westliche Finanz- und Bankensystem. Dessen Akteure verdienen – wie dargelegt – an den Devisentransaktionen und mehr noch den Warentermingeschäften und dem Hedging ganz ausgezeichnet. Würden beispielsweise Banken aus Hong Kong oder Shanghai diese Rolle übernehmen, wäre dies für die USA schon ein harter Schlag, da sie ihre Weltmacht zu großen Teilen auf den omnipräsenten Finanzsektor stützen. Das im Detail hier auszuführen, würde jedoch den Rahmen endgültig sprengen.

Zum anderen würden Alternativen zu dollar-dominierten Finanztransaktionssystemen die Macht der USA ganz konkret mindern. Sanktionen und Sanktionsdrohungen würden dann einen Teil ihrer Bedrohung einbüßen. Das ist weniger für Supermächte wie China, sondern vor allem für kleinere Staaten sinnvoll, die Gefahr laufen, ins Visier des US-Imperiums zu geraten. Würde beispielsweise der Ausschluss vom SWIFT-System und ein Einfrieren aller Devisenkonten im Westen solchen Staaten heute den ökonomischen Todesstoß versetzen, würden Alternativen, die beispielsweise der Macht Chinas unterstehen, diese Bedrohung mindern. Dass die USA dies nicht wollen, ist klar.

Nur nicht übertreiben

Es geht also durchaus um wichtige Punkte, die auch die hegemonialen Interessen der USA betreffen. Man sollte jedoch den Ball flachhalten und die Dollar-Frage als das verstehen, was sie ist – einer von vielen Faktoren, die in Kombination die Dominanz der USA bilden. Dass es Bewegungen gibt, den US-Dollar vor allem im innerasiatischen Handel zu verdrängen, ist unbestreitbar und eine vollkommen logische Entwicklung, die mit dem Aufstieg Chinas zur ökonomischen Weltmacht in Verbindung steht. Warum sollte China dem US-Finanzsektor eine Art Monopolstellung in Asien einräumen? Doch davon geht weder die Welt noch die Supermacht USA unter.

Eine „Vernichtung“ des US-Dollars ist weder wahrscheinlich, noch könnte sie im Interesse Chinas oder anderer Länder sein. Lassen Sie sich also bitte nicht durch Aussagen verrückt machen, die suggerieren, die Frage von Krieg und Frieden sei eine Frage von Währungen. Die aggressive Politik der USA ist auch so schon schlimm genug und muss auf jeden Fall scharf kritisiert werden. Wer dies mit einer falschen – leicht zu widerlegenden – Begründung macht, verschenkt nur seine Energie und erweist der Sache einen Bärendienst. Viel wichtiger wäre es, in diesem Kontext endlich die Dominanz der USA bei den Finanzstrukturen zur Sprache zu bringen. Denn dass die US-Behörden de facto andere Staaten vom Welthandel abschneiden können, da sie über das SWIFT-System in Belgien und Clearing-Plattformen in New York gehen, ist an sich schon bemerkenswert und kritikwürdig – und dabei spielt es dann auch keine Rolle, ob diese Staaten nun ihre Rechnungen in Dollar, Euro, Rubel oder in sambischen Kwachas bezahlen.

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