Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Die wahre Humanität heißt: Krieg
- Auf Kriegskurs
- Verhandlungslösung – Alternativlos!
- Krieg oder Frieden in Europa – Wahrheit oder Lüge oder: Wie Merkel als ex-Kanzlerin deutsche Außenpolitik in die Tonne tritt
- NATO: vom Verteidigungsbündnis zum Angriffspakt
- Hohe Energiekosten: Stimmung der deutschen Wirtschaft trübt sich ein
- Schlechtes Zeugnis für Gewerkschaften
- Helnwein: “Political Correctness nimmt uns die Luft zum Atmen”
- Die ewige Wiederkehr der Halbstarken
- Scholz wählt sich ein neues Volk
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Die wahre Humanität heißt: Krieg
Gestern gab es noch sehr viele Friedensfreunde. Heute setzen viele dieser Freunde mit großer moralischer Inbrunst auf Panzer und Granaten. Ein Albtraum.
Plötzlich bin ich aufgewacht, nein, ich bin nicht so richtig aufgewacht, ich bin eher geschüttelt und gerüttelt worden von einem Nachtmahr, was für ein altes Wort, aber mit was er mich quälte: so modern, so aktuell.
Im Kopf ging es holterdipolter zu, drunter und drüber, aber die Gedanken waren sehr klar, es ging um diesen Krieg in der Ukraine, auch um Annalena Baerbock, die Außenministerin und ihre Worte: „Russland ruinieren“, also langer Krieg, Eskalation, Unheilvolles.
Kann aus solchen Sätzen Gutes folgen?
Quelle: Arno Luik im Overton Magazin
- Auf Kriegskurs
Immer mehr, immer schwerere Waffen. Die Bundesrepublik ist in der Ukraine de facto Kriegspartei und führt hierzulande soziale Attacken gegen die eigene Bevölkerung.
Von Sevim Dagdelen
Hundert Jahre sind nur ein Tag. Was im Ersten Weltkrieg die Zustimmung zu den Kriegskrediten war, sind im Jahr 2023 die Rufe nach deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Die tragische Geschichte wiederholt sich als Farce. Wie im Schicksalsjahr 1914 scheint eine gelangweilte Bourgeoisie den Weltkrieg förmlich herbeizusehnen, da sich ihr kapitalistisches Projekt im Niedergang befindet. Die Hofreiters, Strack-Zimmermanns, Baerbocks und Habecks geben dieser gelangweilten Bourgeoisie ihre Stimmen; schrill von den Obertönen der Doppelmoral eingefärbt ertönt der Ruf nach Lieferungen von immer mehr und immer schwereren Waffen. Und ganz nebenbei präsentiert man sich als Vollstrecker der Profitinteressen von deutschen Rüstungsschmieden und US-Frackinggaskonzernen. Jetzt sollen wieder deutsche Panzer gen Osten rollen, um den Sieg gegen Russland zu erkämpfen. Die deutsche Öffentlichkeit soll in trügerischer Sicherheit gewiegt werden, da gebetsmühlenartig erklärt wird, dass ja keine deutschen Panzerfahrer dabei seien – und dass es keinen deutschen »Sonderweg« gebe, weil Waffen nur »in Abstimmung mit den Partnern« geliefert würden. Dabei fällt auf, dass diese »Stützen der Gesellschaft« wie Alkoholkranke auf immer mehr Alkohol, auf immer schwerere Waffen setzen müssen, da der versprochene Erfolg ausbleibt. Erst kommt der »Marder«, dann der »Leopard«, dann werden Kampfjets geliefert. Und wenn auch das nicht wirkt, dann doch noch die Bundeswehr? Was derzeit noch ausgeschlossen wird, kann schnell die militärische Erfordernis von morgen sein.
Quelle: Sevim Dagdelen in junge Welt
dazu auch: Jede Portion Panzer gewöhnt die Leute im Westen ein bisschen mehr an den Krieg
Deutschland ist de facto Kriegspartei. Der Lieferung von Marder-Panzern dürfte bald noch mehr Nachschub folgen – das nächste Treffen im Ramstein-Format steht an […]
Auf seiner Internetseite listet das Bundesverteidigungsministerium penibel auf, mit welchen Waffen und welchem Material die Regierung die Ukraine bereits militärisch unterstützt. Die Liste ist lang und wird ständig aktualisiert. Sie reicht von Flugabwehrpanzern, Pionierpanzern, Brückenlegepanzern und Panzerhaubitzen über gepanzerte Transportfahrzeuge, Schwerlastsattelzüge, Pick-ups, Raketenwerfer, Aufklärungsdrohnen, MGs, Fliegerfäuste, Handgranaten und Munition bis zu Feldlazaretten, Krankenwagen, ABC-Schutz, Winterkleidung, Gefechtshelmen, Zelten und Stromaggregaten. Den Gesamtwert (ohne Schutzgüter) beziffert die Regierung auf bislang 2,24 Milliarden Euro. Und zwar geschenkt, nicht geliehen.
Die zwei Milliarden machen freilich nur einen Bruchteil der tatsächlichen Unterstützung aus. Laut „Ukraine Support Tracker“ des Kieler Instituts für Weltwirtschaft liegt Deutschland, inklusive seines EU-Anteils, auf Platz 2 hinter den USA. Mit 12,6 Milliarden für militärische, humanitäre und finanzielle Hilfe erbringt Deutschland fast so viele Unterstützungsleistungen wie Großbritannien und Frankreich zusammen. Frankreich, das mit seinen Spähpanzern in deutschen Medien zum großen Vorbild hochgeschrieben wurde, liegt bei den Militärhilfen auf dem Level von Norwegen, die deutsche Unterstützung ist zehnmal höher. Das heißt, die Bundesrepublik steckt viel tiefer im Ukrainekrieg, als sie nach außen kommuniziert, de facto ist sie längst Kriegspartei.
Quelle: Wolfgang Michal in der Freitag
- Verhandlungslösung – Alternativlos!
Als Nachkomme jüdisch-deutscher Überlebender und langjähriger politischer Autor, dessen Familienmitglieder durch den Völkermord der Naziherrschaft ums Leben kamen oder in alle Welt zerstreut wurden, dessen Eltern aber auch – nach dem 2. Weltkrieg, aus tief empfundener politischer Verantwortung, nach Berlin zurückkehrten, um mitzuhelfen, ein antifaschistisches und friedliches Deutschland aufzubauen, stellen sich mir, vor dem Hintergrund dieser existenziellen Familienerfahrungen, folgende Grundsatzfragen zum Krieg um die Ukraine, die ich zugleich auch an die Öffentlichkeit und alle politisch Verantwortlichen richten möchte:
Können die gewaltigen militärischen, ökonomischen und finanziellen Mittel, die bisher zur Beendigung des Russlandfeldzuges in der Ukraine durch die Nato zur Anwendung gebracht wurden, eine »wertebasierte Außenpolitik« (Baerbock) und damit eine Beendigung dieses gefährlichsten Krieges auf europäischem Boden seit 1945 tatsächlich bewirken? Oder wird dadurch genau das Gegenteil davon erreicht? Wird dadurch wirklich »unsere europäische Friedensordnung«, »das internationale Recht«, die »freiheitliche demokratische Werteordnung« verteidigt, oder werden diese hehren Ziele durch eine falsche Wahl der Mittel nicht vielmehr zerstört und ad absurdum geführt?
Denn was wir stündlich an außerordentlich beunruhigenden Nachrichten aus den Medien und von führenden Politikern aller Seiten erfahren, spricht eine stetig sich steigernde, gefährliche Kriegssprache und führt zur immer weiteren Eskalation dieses furchtbaren Konfliktes. Könnte es sein, frage nicht nur ich mich, dass diese Kriegslogik auch auf der Fortsetzung einer falschen, weil eben nicht »wertebasierten Politik« des Westens basiert, sondern das Scheitern dieser Politik auf ganzer Linie bedeutet? Glaubt jemand wirklich, dass immer mehr modernste Waffen, noch so harte Sanktionen und gewaltige Finanzspritzen Frieden erzeugen könnten? Die gegenwärtigen Entwicklungen, zuletzt die russische Teilmobilmachung, der Beitritt der Ostukraine zu Russland, der Anschlag auf die Pipelines, zeigen doch überdeutlich, dass genau das nicht der Fall ist.
Quelle: Wolfgang Herzberg in Ossietzky
dazu auch: Ja zur Hilfe für die Menschen in der Ukraine! Nein zur Lieferung von Panzer!
Die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) kritisiert die geplante Lieferung von Panzer an die Ukraine: „Statt endlich die zivile Hilfe auszuweiten, werden immer mehr und immer größere Waffensysteme in den Krieg geliefert. Damit wird die Eskalationsspirale angeheizt und der Krieg ausgeweitet“, kritisiert der DFG-VK-Bundessprecher Jürgen Grässlin, Experte für Waffenexporte, und erklärt weiter: „Deutschland muss mit aller Kraft zivil helfen!“ […]
Seit Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffs hat Deutschland bereits MARS-Raketenwerfer, Panzerhaubitzen 2000 und Gepard-Luftabwehrgeschütze an die Ukraine exportiert. Dazu kommen noch 900 Panzerfaust 3 mit insgesamt 3.000 Patronen, 500 Flugabwehrraketen Stinger, 100.000 Handgranaten, 30.000 Schuss Munition für 40mm Granatwerfer, 13.500 Schuss 155 mm Artilleriemunition, 100 Maschinengewehre und vieles Kriegsgerät mehr. Alsbald sollen nun auch noch Marder- und Patriot-Waffensysteme folgen. (…)
„Diese Waffenlieferungen folgen der immens gefährlichen Militärlogik beider Seiten, dass dieser Krieg militärisch zu gewinnen sei.
Quelle: DFG-VK
- Krieg oder Frieden in Europa – Wahrheit oder Lüge oder: Wie Merkel als ex-Kanzlerin deutsche Außenpolitik in die Tonne tritt
Nun aber hat sich die nunmehr ehemalige Kanzlerin in drei Interviews zu ihren Motiven zur Zustimmung zur NATO-Erweiterung und zur Aushandlung der Minsker Abkommen 2014/2015 geäußert und so neue politische Fakten geschaffen.
Frau Merkel betonte im Dezember 22, dass die Minsk-Abkommen nie dazu gedacht waren, der Ukraine (und Europa) Frieden zu bringen, sondern der Ukraine Zeit zu kaufen, zur Vorbereitung auf den unvermeidlichen Krieg mit Russland. Der ehemalige französische Präsident, damals der zweite westliche Partner, bestätigte diese Auslegung Merkels. Putin erklärte daraufhin, er sei hintergangen worden.
Merkwürdigerweise folgte in Deutschland keine Diskussion, keine Nachfrage. Es wurde kurz berichtet. Damit hatte es sich. Seither scheint allgemein zu gelten: Die Minsker Abkommen waren eine große diplomatische Täuschung, die Deutschland und Frankreich allein zum Wohle der Ukraine unternahmen, unternehmen mussten, so wie auch der ehemalige ukrainische Präsident Poroschenko heute seine Zustimmung zu Minsk verstanden haben will.
Die erklärte Logik von Frau Merkel, dass alles aus dem geschichtlichen Kontext zu beurteilen sei und sie sich insofern nichts vorzuwerfen hätte, führt zum Schluss: Sie würde es wieder tun. Aber was genau würde sie wieder tun: Über Jahre täuschen oder jetzt täuschen?
Entweder war Frau Merkel Mittäterin in einem großen politischen Täuschungsmanöver, das selbst vor dem UN-Sicherheitsrat nicht Halt machte.
press.un.org/en/2015/sc11785.doc.htm
Oder sie wurde jetzt zur Desinformantin.
Wenn alledem so wäre, wie es Frau Merkel im Dezember 2022 darstellte, dann wäre erklärungsbedürftig, warum Putin (der aggressive), sich 2014/2015 darauf einließ, die Ukraine nicht militärisch zu überrollen (was ihm nach den Worten von Merkel damals leichter gefallen wäre als heute) und sich stattdessen auf den Friedensplan (Minsk) einließ?
Dann wäre erklärungsbedürftig, warum sich Steinmeier entschuldigte und die SPD mit ihrer verkündeten „Zeitenwende“ eine komplette Rolle rückwärts machte. Sie waren doch Teil der Zeitkaufpolitik für die Ukraine, Teil der Täuschung.
Dann wäre erklärungsbedürftig, wie sich das zur Begründung der aktuellen Regierung für das Ende von Nord Stream 2 verhält. Das Projekt wurde erklärtermaßen wegen des russischen Bruchs des Minsker Abkommens auf Eis gelegt.
Man kann dem Bären nicht die Schelle umhängen, die nie läuten sollte. Die neue Merkel-Position impliziert, dass die deutsche Koalition log, warum sie Nord Stream 2 stoppte.
Quelle: Petra Erler
Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu u.a. auch Warum schweigt Merkel?
dazu auch: «Ohne Hilfe der USA hätte es keinen Staatsstreich gegeben»
Kein westliches Land hätte einen solchen Gewalt-Aufstand wie auf dem Maidan toleriert, sagte der damalige Ministerpräsident Asarow.
Als Grund für die wochenlangen Unruhen im Jahr 2013/14 auf dem Maidan in Kiew wird immer wieder folgendes Narrativ erzählt: Der damalige Präsident Janukowitsch habe sich unerwartet geweigert, das mit der EU ausgehandelte Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen. Das habe eine spontane Protestbewegung ausgelöst. Als sich die Lage zuspitzte, hätte sich dann das westliche Ausland eingemischt, um die demokratischen Kräfte zu unterstützen.
Premierminister war damals Nikolai Asarow. Er war vier Jahre lang bis zu seinem Rücktritt Ende Januar 2014 Regierungschef – und damit der am längsten regierende Premierminister der unabhängigen Ukraine. Asarow widerspricht dem westlichen Narrativ. Er lebt heute in Moskau und erarbeitet in einem «Komitee zur Rettung der Ukraine», das in Opposition zur derzeitigen Regierung in Kiew steht, politische Vorschläge für die Zukunft der Ukraine. Wir dokumentieren im Folgenden ein Interview, das der Journalist Stefan Korinth im November 2016 mit Asarow über den genauen Hergang aus dessen Sicht führte.
Quelle: Infosperber
- NATO: vom Verteidigungsbündnis zum Angriffspakt
Unter diesem Titel hat Christian Müller am 2. April 2021 transparent gemacht, was NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in einer Zoom-Konferenz mit der Florida-University in den USA verraten hat: Die NATO hat vor, den Paragraphen 5 ihrer Statuten so abzuändern, dass sie auch Präventiv-Schläge durchführen kann. […]
Um es in den Worten von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu sagen: Die NATO hat bis am 24. Februar 2022 Russland zwar noch nicht mit traditionellen militärischen Mitteln angegriffen, aber mit x schwerwiegenden Massnahmen massiv provoziert und bedroht: Sie hat genau die Situation geschaffen, bei der die NATO gemäß den künftigen NATO-Statuten berechtigt sein will, schon präventiv anzugreifen. Sie will das Recht haben, so Stoltenberg, selber zu entscheiden, wann sie selber angreifen darf. (Minute 27: «Wir werden unseren Feinden nie bekanntgeben, wann wir Artikel 5 ‹aktivieren›.»)
Quelle: Globalbridge
- Hohe Energiekosten: Stimmung der deutschen Wirtschaft trübt sich ein
Jedes vierte Unternehmen in Deutschland blickt pessimistisch auf das neue Jahr, besonders im Baugewerbe und in der Industrie. Viele haben auch mit einer steigenden Zinslast zu kämpfen.
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist ausgesprochen schlecht. Vier von zehn Unternehmen erwarten in diesem Jahr einen Rückgang ihrer Geschäftstätigkeit. Das ergab eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), deren Ergebnisse am Montag vorgestellt wurden.
Es sind vorwiegend die hohen Energiekosten, Probleme in den Lieferketten und die Folgen des Krieges in der Ukraine, die für die trüben Geschäftsaussichten verantwortlich gemacht werden.
Im Winterhalbjahr sei zwar die Gefahr einer Gasmangellage nicht mehr so bedrohlich wie im Sommer 2022, aber die Energiepreise blieben auf einem hohen Niveau. Produktionsstörungen seien deshalb nicht ausgeschlossen.
Quelle: Telepolis
- Schlechtes Zeugnis für Gewerkschaften
Alarmstimmung in Leiharbeitsfirmen. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Leiharbeiter per Tarif zwar schlechter bezahlt werden dürfen, aber einen Ausgleich bekommen müssen. Damit wären die aktuellen Tarifverträge rechtswidrig. Das ist eine Ohrfeige auch für die Gewerkschaften.
“Ich bin gespannt, was die Gewerkschaften jetzt machen.” Wolfgang Däubler, einer der renommiertesten Arbeitsrechtler der Republik, ist stolz. Denn das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) geht maßgeblich auf ihn zurück. Der 83-jährige Jurist kann es nicht lassen, sich für Arbeitnehmerrechte einzusetzen. Vor mehr als fünf Jahren hat er sich in die Kampagne für Leiharbeiter:innen reingehängt, die auch von der Satiresendung “Die Anstalt” gepuscht wurde. Anlass war die Klage einer Leiharbeiterin in Bayern, die im Handel eingesetzt war und dort 4,40 Euro weniger in der Stunde verdiente als vergleichbare Stammkolleg:innen. Weil sie nach Leiharbeitstarif bezahlt wurde. Sie ging mit Rechtsschutz von Verdi vors Arbeitsgericht, wollte knapp 1.300 Euro einklagen. Vor den deutschen Arbeitsgerichten verlor sie, das Bundesarbeitsgericht schließlich fragte den Europäischen Gerichtshof.
Der urteilte nun im Dezember: Es ist zwar prinzipiell okay, Leiharbeiter:innen per Tarifvertrag schlechter zu bezahlen. Aber die europäischen Zeitarbeitsrichtlinie sieht einen “Gesamtschutz” der Arbeitnehmer:innen vor und das bedeutet, die schlechtere Bezahlung muss angemessen ausgeglichen werden. Zum Beispiel durch mehr Freizeit. Und damit sei nicht gemeint, für 20 Prozent weniger Gehalt einen Tag mehr Urlaub zu gewähren. Eben dieser Ausgleich ist in den Tarifverträgen zwischen DGB und dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) nicht vorgesehen.
Nun geht das Verfahren wieder zurück ans Bundesarbeitsgericht (BAG), dessen Entscheidung wird Mitte dieses Jahres erwartet. Die Tarifpartner sollten sich schnell überlegen, was sie nun tun. Zumal aktuell ein neuer Tarifvertrag für Leiharbeiter verhandelt wird.
Quelle: Kontext: Wochenzeitung
- Helnwein: “Political Correctness nimmt uns die Luft zum Atmen”
Mit seiner Kunst provoziert Gottfried Helnwein genauso wie mit seinen Aussagen – ein Gespräch über Kunst und Verwerfungen des Krieges […]
STANDARD: Ob Ukraine-Krieg, Energiekrise oder Teuerung: Die Unsicherheiten sind groß. Mit welchen Gedanken blicken Sie ins neue Jahr?
Helnwein: Die Unsicherheit der Menschen kann ich gut nachvollziehen, der Ukraine-Konflikt hat uns an den Rand eines Atomkrieges gebracht. Es scheint, dass sich die Menschheit schwer damit tut, aus der Geschichte zu lernen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hat Bertha von Suttner vor der kommenden Katastrophe gewarnt. Ihre Warnung war natürlich vergeblich. Die Macht der Propaganda ist immer stärker und überzeugender für die Menschen. Wie viele Künstler habe ich ein notorisches Misstrauen gegen offizielle Narrative und die Gläubigkeit der Massen. Ich frage mich immer: Was passiert wirklich?
STANDARD: Macht der Propaganda? Was meinen Sie damit?
Helnwein: Ich bin davon überzeugt, dass die offiziellen Narrative nie der Wirklichkeit entsprechen. Egon Bahr hat gesagt, egal was man Ihnen erzählt, in der internationalen Politik geht es nie um Demokratie und Menschenrechte, sondern nur um die Interessen von Staaten. Oder um Henry Kissinger zu zitieren: Amerika hat weder Freunde noch Feinde, nur Interessen. Damit sind wir näher an der Wahrheit.
Quelle: der Standard
Anmerkung unseres Lesers B.K.: “Gutes” Interview mit Gottfried Helnwein im Standard. Sobald die Antworten in die “falsche” Richtung gehen, diskreditiert der Interviewer diese lapidar um dann gleich – ohne inhaltlich darauf einzugehen – auf die nächste Frage überzugehen. So erwartbar wie bezeichnend.
dazu auch: „Delegitimierung des Staates“ – Mit Demokratieprinzip und Meinungsfreiheit unvereinbar
Als die Proteste gegen die Corona-Politik zunehmend unangenehm für die Bundesregierung wurden, erfand der neue Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang eine neue Extremismus-Kategorie: die „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. So konnte er den harten Kern der nicht richtig ins Links-Rechts-Schema passenden Querdenker-Szene mit geheimdienstlichen Mitteln ins Visier nehmen.
Der Rechtswissenschaftler Dietrich Murswiek, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, nimmt in einem Gastbeitrag für die Legal Tribune Online (LTO) dieses Konzept nach Strich und Faden auseinander. Murswiek schreibt: „Extremisten im Sinne des Verfassungsschutzes sind seither nicht nur Rechts- und Linksextremisten, sondern auch ,Delegitimierer‘.“ So stehe etwa laut Verfassungsschutzbericht 2021 jemand bereits unter Extremismusverdacht, wer nach der Flutkatastrophe im Ahrtal „aktiv den Eindruck“ erweckte, dass staatliche Stellen mit der Bewältigung der Lage „komplett überfordert gewesen seien“.
Für Murswiek verwechselt der Verfassungsschutz damit Kritik an der Regierung mit Kritik am Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. „Er sieht ,eine ständige Agitation gegen und Verächtlichmachung von demokratisch legitimierten Repräsentantinnen und Repräsentanten‘ als Delegitimierung des Staates und deshalb als verfassungsfeindlich an. Mit diesem Vokabular weicht er die Grenzen juristisch fassbarer Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung auf und ermächtigt sich selbst dazu, oppositionelle Bestrebungen als extremistische Bestrebungen zu bewerten.“
Quelle: Cicero
Anmerkung J.K.: So erweist sich auch die beständige Beschwörung der „Gefahr von Rechts“ durch die Bundesregierung, explizit durch Innenministerin Faeser, als Ablenkungsmanöver.
- Die ewige Wiederkehr der Halbstarken
Die Diskussion um die Berliner Silvesternacht ist eine Moralpanik, die den nüchternen Blick auf die Ereignisse verstellt. Randale von Jugendlichen sind kein ethnisches und auch kein neues Phänomen. Es gibt sie schon so lange wie die politische Panik, die um sie geschürt wird.
In der Silvesternacht wurden in mehreren deutschen Städten Polizeikräfte und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen, unter anderem mit Böllern und Raketen. Besonders heftige Attacken fanden in Berlin, unter anderem im Stadtteil Neukölln, statt, wo stellenweise Barrikaden errichtet und Mülltonnen in Brand gesetzt wurden. Während zunächst von 159, dann von 145 Festgenommenen die Rede war, revidierte die Polizei diese Zahlen mittlerweile und sprach von nur noch 38 Verdächtigen, fast ausschließlich Männer, mehrheitlich Deutsche, viele von ihnen minderjährig.
Nicht zuletzt weil Berlin im Wahlkampf ist, nutzen Konservative wie Friedrich Merz und Markus Söder, wie auch Innenministerin und mutmaßliche Spitzenkandidatin der Hessen-SPD Nancy Faeser, die Gunst der Stunde für eine bewährte Doppelstrategie: Soziale Probleme werden ethnisiert und symbolpolitisch an Law-and-Order-Appelle gekoppelt. »Wir haben in deutschen Großstädten ein Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten«, gab Faeser zu Protokoll; fast wortgleich kommentierte Merz: »Chaoten, viele davon mit Migrationshintergrund, fordern mit ihrer Randale den Staat heraus, den sie verachten«.
Quelle: Jacobin
- Scholz wählt sich ein neues Volk
Der eklatante Vertrauensverlust öffentlicher Institutionen trifft im Kanzleramt auf eine Mentalität, die Brecht 1953 in seinem Gedicht „Die Lösung“ durchschaute. Ein Kommentar.
Mit der Praxis der deutschen Demokratie waren im Sommer 59 Prozent im Westen und 39 Prozent im Osten zufrieden (Deutschland-Monitor), im Oktober laut ARD noch 54 Prozent und 34 Prozent (51 Prozent BRD-gesamt). Olaf Scholz vertrauen 33 Prozent, seiner Bundesregierung 34 Prozent, dem Bundestag 37 Prozent und den Parteien 17 Prozent (Forsa, Dezember 2022). Scholzens Lösung dafür könnten vertrauensstiftende Maßnahmen sein. […]
Scholz geht lieber von dem Grundsatz aus, den Brecht 1953 der DDR-Regierung ironisch andichtete: dass „das Volk // Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe // Und es nur durch verdoppelte Arbeit // zurückerobern könne“ (Die Lösung). Diese Haltung ist exemplarisch am Entwurf zum „Demokratiefördergesetz“ abzulesen: Nicht die politischen Institutionen und Akteure, denen die große Mehrheit nicht mehr vertraut, sind das Problem der Republik; das Problem ist die Bevölkerung.
Denn Sie, werter Leser, und ich haben „eine Vielzahl demokratie- und menschenfeindlicher Phänomene“ zu verantworten, als da wären: „die gegen das Grundgesetz gerichtete Delegitimierung des Staates“, „die Verbreitung von Verschwörungsideologien, Desinformation und Wissenschaftsleugnung […], Hass und Hetze im Internet“, kurz: unseretwegen nehmen „multiple Diskriminierungen und Bedrohungen immer weiter zu.“
Alle gerade kursiv gesetzten Begriffe sind ideologietragend: Um sie anzuwenden muss jemand Kriterien definieren, was z.B. als Ausdruck „menschenfeindlicher“ Gesinnung zu werten ist. Das sollen künftig Beamte jedes Ministeriums „bedarfsgerecht“ in „Förderrichtlinien“ für bürgerschaftliche Projekte tun, die sie mit Parteipolitikern (u.a. den Ministern) festlegen. Der Bund soll gesetzlich verpflichtet werden, ideologisch selektiv Bürgeraktivitäten direkt und „nachhaltig“ zu finanzieren.
Die Kosten dieser Alimentierung Regierungskonformer betragen 2,2 Millionen Euro p.a., der Aufwand für Durchführungs- und Erfolgsprüfung nur circa 300.000 Euro. Die Mittelausschüttung an handverlesene Status Quo-Ja-Sager ist scheinbar viel wichtiger als die Prüfung, was diese mit dem Geld tun.
Misstraut die große Mehrheit den Institutionen, so kann die Regierung mit neuer Politik um neues Vertrauen werben oder die Bürger zu mehr Zustimmung erziehen. Dies letztere ist Scholzens Lösung; er wählt sich ein neues Volk, wie Brecht es vor 70 Jahren spottend vorschlug.
Quelle: Michael Andrick in der Berliner Zeitung